Eure heiligen Stätten
Ob es sich bei euren heiligen Stätten um einen bestimmten Ort oder einen Zeitpunkt handelt – sie sind gleichermaßen heilig und haben eine unglaublich stärkende Kraft.
Unser diesjähriger Leitgedanke stammt aus dem 87. Abschnitt des Buches Lehre und Bündnisse. Es ist eine Ermahnung, die in drei verschiedenen Abschnitten steht; sie ist demnach wichtig. Wir entnehmen ihr, wie wir in unruhigen Zeiten Schutz, Kraft und Frieden erlangen können. Der inspirierte Rat lautet: „Steht an heiligen Stätten und wankt nicht.“1
Als ich über dieses Thema nachdachte, fragte ich mich unweigerlich, was wohl die „heiligen Stätten“ sind, von denen der Vater im Himmel da spricht. Präsident Ezra Taft Benson hat gesagt: „Zu diesen heiligen Stätten gehören unsere Tempel, unsere Gemeindehäuser, unser Zuhause und die Pfähle Zions, die, wie der Herr verkündet hat, ‚Schutz [bieten] und eine Zuflucht‘.“2 Diesen heiligen Stätten lassen sich wohl noch viele weitere hinzufügen. Wahrscheinlich denken wir bei dem Wort Stätte zuerst an eine vorhandene Umgebung, einen bestimmten Ort. Das englische Wort place wird aber auch als „ein bestimmter Zustand und eine bestimmte Lage oder Verfassung“3 definiert. Eine heilige Stätte kann also auch ein Zeitpunkt sein – wie etwa wenn der Heilige Geist uns etwas bezeugt, wenn wir die Liebe des himmlischen Vaters spüren oder wenn wir eine Antwort auf unsere Gebete erhalten. Ich bin sogar überzeugt, dass man jedes Mal, wenn man den Mut hat, für das Richtige einzustehen – vor allem dann, wenn es sonst niemand macht –, eine heilige Stätte schafft.
In seinem kurzen, aber großartigen Leben stand Joseph Smith wahrlich „an heiligen Stätten“ und wankte nicht. Als Jugendlichem machten ihm die religiösen Unruhen in seiner Heimat zu schaffen. Er wollte wissen, welche von allen Kirche die wahre sei. Das Waldstück, in dessen Nähe er wohnte, wurde zu einer heiligen Stätte, als er unter den Bäumen niederkniete und das erste Mal laut betete. Sein Gebet wurde erhört, und die Mitglieder der Kirche bezeichnen diesen Wald heute als den heiligen Hain.
Die Jungen Damen in aller Welt befinden sich beim JD-Lager in freier Natur an einer heiligen Stätte. Eine der Leiterinnen hat mir erzählt, was ein Mädchen da erlebt hat. Das Mädchen kam selten zur Kirche und war ein wenig skeptisch, wenn von einem heiligen Erlebnis im Wald die Rede war. Nach dem ersten Tag berichtete sie ihrer Leiterin: „Mir gefällt es hier sehr gut, aber müssen wir ständig über den Heiligen Geist sprechen? Ich will hier zelten, die Natur genießen, mit meinen Freundinnen zusammen sein und ein bisschen Spaß haben!“ Doch bei der abschließenden Zeugnisversammlung gestand dasselbe Mädchen unter Tränen: „Ich will nicht nach Hause. Wie kann ich diesen Geist, den ich gerade verspüre, immer bei mir haben?“ Sie hatte eine heilige Stätte entdeckt.
Auch Joseph Smiths Schlafzimmer wurde zu einer heiligen Stätte. Das ist vielleicht schwer zu glauben, weil er – wie viele von euch – das Zimmer mit seinen Geschwistern teilte. Es wurde aber eine heilige Stätte, als er mit großem Glauben, voller Demut und in großer Not betete. Er erklärte: „Nachdem ich mich für die Nacht zu meinem Bett begeben hatte, wandte ich mich mit Gebet und Flehen an den allmächtigen Gott, er möge mir alle meine Sünden und Torheiten vergeben.“4 Drei Jahre waren seit Josephs Vision im heiligen Hain vergangen, und sie waren nicht leicht gewesen. Der siebzehnjährige Joseph hatte schier endlos Hohn, Spott und Hänseleien über sich ergehen lassen. In dieser Nacht jedoch erschien als Antwort auf sein Flehen der Engel Moroni in Josephs Zimmer. Joseph empfing Erkenntnis und wurde getröstet. In dieser Nacht war sein Schlafzimmer eine heilige Stätte.
Als ich eine der Mormon Messages für Jugendliche anschaute, entdeckte ich ein weiteres Schlafzimmer, das zu einer heiligen Stätte geworden war. In diesem Video erzählt Ingrid Delgado, ein Mädchen aus El Salvador, was ihr der Tempel bedeutet. Sie sagt: „Es ist gut zu wissen, dass es einen Ort gibt, wo man allem Weltlichen entkommen, heilige Handlungen empfangen und somit denen helfen kann, die sie in diesem Leben nicht empfangen konnten.“ Während sie spricht, wird gezeigt, wie Ingrid in den Schriften liest – umgeben von Postern der Kirche, Zitaten, dem Heft zum Programm Mein Fortschritt, Fotos von ihrer Familie und vom Tempel und, ja, ihren Lieblingskuscheltieren.5 Vielleicht ohne es zu merken, hat sie sich ihre eigene heilige Stätte geschaffen, fernab von allem Weltlichen. Ich frage mich, wie oft Ingrid wohl an ihrer heiligen Stätte in den Schriften gelesen, den Heiligen Geist verspürt und Antwort auf ihre Gebete erhalten hat.
Ganz unerwartet wurde das Gefängnis zu Liberty für Joseph Smith zu einer heiligen Stätte. Elder Jeffrey R. Holland hat gesagt: „In seinem Leben gab es keine schwerere Zeit als die grausame, ungesetzliche und ungerechtfertigte Gefangenschaft im Gefängnis zu Liberty.“ Weiter erklärte Elder Holland, dieses Gefängnis sei wegen der heiligen Erlebnisse, die der Prophet Joseph Smith dort hatte, auch als „Gefängnis-Tempel“ bezeichnet worden.6
Einige von euch Mädchen mögen gerade ihr eigenes Gefängnis zu Liberty erleben – ihr fühlt euch gedemütigt, spürt weder Liebe noch Güte, werdet verspottet, gehänselt oder vielleicht sogar körperlich misshandelt. An euch richte ich Elder Hollands Worte: „Man kann selbst während der unglücklichsten Ereignisse im Leben heilige, offenbarende, zutiefst lehrreiche Erfahrungen mit dem Herrn machen … während man aufs Schmerzlichste Ungerechtigkeit erduldet, wenn man vor den größten Schwierigkeiten und Widerständen steht, die einem je begegnet sind.“7 Anders ausgedrückt: So wie der Prophet Joseph Smith könnt ihr selbst in den schwersten Zeiten, die ihr je durchstehen musstet, heilige Stätten schaffen und an ihnen stehen.
Eine junge Erwachsene, Kirsten, hat mir von ihrer schmerzlichen Erfahrung berichtet. Für sie war die Highschool das Gefängnis zu Liberty. Zum Glück fand sie im Musizierzimmer Zuflucht. Sie erzählte: „Wenn ich diesen Raum betrat, kam es mir vor, als betrete ich einen sicheren Ort. Da wurde niemand verhöhnt oder erniedrigt, und da wurde nicht geflucht. Stattdessen sprach man aufmunternd und liebevoll mit uns. Wir waren nett zueinander. Wir waren dort glücklich. Das Musizierzimmer war beim Üben und Musizieren vom Heiligen Geist erfüllt. Das lag größtenteils daran, dass der Leiter des Schulorchesters einen so guten Einfluss ausübte. Er war ein guter Christ. Zurückblickend muss ich sagen, dass mich die Schulzeit geläutert hat. Es war eine schwere Zeit, aber ich bin widerstandsfähig geworden. Ich werde für meine Zuflucht, meine heilige Stätte, das Musizierzimmer, ewig dankbar sein.“8
Habt ihr heute Abend über eure heiligen Stätten nachgedacht? Ich habe hunderte Mädchen gebeten, mir über ihre heiligen Stätten zu berichten. Ob es sich um einen bestimmten Ort oder einen Zeitpunkt handelt – diese Stätten sind gleichermaßen heilig und haben eine unglaublich stärkende Kraft. Hier sind neun bewegende Antworten:
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Nummer 1: „Ich war im Krankenhaus und habe meinen neugeborenen Bruder im Arm gehalten.“
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Nummer 2: „Jedes Mal, wenn ich meinen Patriarchalischen Segen lese, spüre ich, dass der Vater im Himmel mich kennt und liebt.“
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Nummer 3: „An meinem 12. Geburtstag dekorierten die Jungen Damen aus meiner Gemeinde meine Tür mit Herzen aus Papier.9 Ich fühlte mich geliebt und angenommen und war glücklich!“
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Nummer 4: „Als ich eines Tages in den Schriften las, sprang mir eine Stelle besonders ins Auge. Ich hatte eine Antwort auf meine Gebete gefunden.“
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Nummer 5: „Ich kam zu einer Party, wo getrunken wurde und auch sonst einiges ablief, was nicht gut war. Der Heilige Geist gab mir ein, ich solle kehrtmachen und heimgehen. Das habe ich gemacht, obwohl man mich die Folgen spüren ließ. Aber dieses Erlebnis gab mir das nötige Selbstvertrauen. Nun wusste ich, dass ich das Evangelium leben kann.“
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Nummer 6: „Als ich vom Abendmahl nahm, dachte ich an das Sühnopfer. Mir wurde klar, dass ich jemandem vergeben musste, auf den ich wütend war. Die Entscheidung, zu vergeben, war ein positiver Entschluss, durch den das Sühnopfer in meinem Alltag wirksam wurde.“
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Nummer 7: „Nachdem ich mit meiner Mutter bei der Veranstaltung, Ein neuer Anfang‘ gewesen war, küsste sie mich auf die Wange und sagte mir, dass sie mich lieb hat. Es war, soweit ich mich erinnere, das erste Mal, dass sie so etwas machte.“
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Nummer 8: „Dank der Zusicherung meines Bischofs wusste ich, dass die in den Schriften enthaltene Verheißung wahr ist:, Wären eure Sünden auch rot wie Scharlach, sie sollen weiß werden wie Schnee.‘10 Ich schöpfte Hoffnung und wusste, ich konnte mit dem langen Weg der Umkehr beginnen.“
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Und zum Schluss: „Eines Abends nahm ich meinen ganzen Mut zusammen, erzählte meiner besten Freundin vom Evangelium und gab ihr ein Buch Mormon. Später durfte ich bei ihrer Taufe dabei sein. Jetzt gehen wir zusammen in die Kirche.“
Darf ich euch von einer meiner heiligen Stätten erzählen? Ich war einmal völlig überfordert und verängstigt und fühlte mich einsam und verlassen. Da betete ich im Stillen: „Vater im Himmel, ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll. Bitte, bitte, hilf mir doch!“ Schon bald kam ganz unerwartet jemand auf mich zu, legte mir die Hand auf die Schulter und sprach mir aufrichtig Mut zu. In diesem Augenblick verspürte ich Frieden. Ich fühlte mich angenommen. Alles hatte sich geändert. Mir kam in den Sinn, was Präsident Spencer W. Kimball einmal gesagt hat: „Gott sieht uns, und er wacht über uns. Was wir brauchen, gibt er uns aber normalerweise durch andere Menschen.“11 Für mich war dieser Augenblick, diese Stätte heilig geworden.
Liebe Junge Damen, es gibt unzählige weitere heilige Stätten, und ich wünschte, wir könnten einander davon berichten. Wenn ihr heute Abend nach Hause kommt, dann schreibt doch bitte in euer Tagebuch all die Stätten, die euch bewusst sind und an die ihr euch erinnert. Ganz sicher stehen Tausende von euch an heiligen Stätten. Sie geben euch Schutz, Kraft und Frieden in unruhigen Zeiten. Euer Zeugnis wird stärker, weil ihr auf großartige Weise für Wahrheit und Rechtschaffenheit eintretet.
Ihr, die vortreffliche Jugend der Kirche, seid meine Helden. Ich habe euch lieb. Ich spüre, wie unvorstellbar der Vater im Himmel euch liebt, und ich gebe euch mein Zeugnis, dass das Evangelium Jesu Christi wahr ist. Er wartet auf euch und wird euch stützen, wenn ihr „an heiligen Stätten [steht] und [nicht] wankt“. Ich liebe und unterstütze Präsident Thomas S. Monson, unseren wahren Propheten, der uns stets Mut macht. Dies sage ich im Namen Jesu Christi. Amen.