2010–2019
Das Zeugnis eines Zeugen
April 2014


14:43

Das Zeugnis eines Zeugen

Elder Boyd K. Packer

Ich möchte Ihnen von den Wahrheiten erzählen, die zu kennen von größtem Wert ist.

Zeiten des Krieges oder der Unsicherheit bringen uns dazu, uns auf das zu besinnen, was wirklich zählt.

Der Zweite Weltkrieg war eine Zeit großen geistigen Aufruhrs für mich. Ich hatte mein Zuhause in Brigham City in Utah verlassen, ich hatte nur einen Hauch von Zeugnis und spürte, ich würde mehr brauchen. Fast die ganze Abschlussklasse befand sich binnen weniger Wochen auf dem Weg ins Kriegsgebiet. Als ich auf der Insel Ie-shima nördlich von Okinawa stationiert war, kämpfte ich mit Zweifeln und Unsicherheit. Ich wollte ein eigenes Zeugnis vom Evangelium. Ich wollte wissen!

Eines Nachts konnte ich nicht schlafen, verließ mein Zelt und betrat einen Bunker, der aus mit Sand gefüllten, übereinander gestapelten 200-Liter-Ölfässern bestand, die einen umschlossenen Raum bildeten. Der Raum war nach oben hin offen. Ich kroch also hinein, betrachtete den sternenübersäten Himmel und kniete zum Gebet nieder.

Mittendrin geschah es. Selbst wenn ich wollte, könnte ich Ihnen nicht beschreiben, was geschehen war. Obwohl es für mich unaussprechlich ist, ist es doch heute noch genauso klar wie in jener Nacht vor über 65 Jahren. Ich wusste, dass es eine sehr persönliche Kundgebung gewesen war. Endlich wusste ich es selbst. Ich wusste es mit Bestimmtheit, denn es war mir gegeben worden. Nach einer Weile kroch ich wieder aus dem Bunker und ging – oder besser gesagt schwebte – wieder zurück zu meinem Bett. Die ganze verbliebene Nacht empfand ich Freude und Ehrfurcht.

Es lag mir fern, mich für jemand Besonderen zu halten. Doch dachte ich, wenn selbst mir so etwas zuteilwird, kann jeder andere die gleiche Erfahrung machen. Das glaube ich noch immer. In den Jahren danach habe ich erkannt, dass ein solches Erlebnis sowohl ein Licht ist, dem man folgen kann, als auch eine Bürde, die man zu tragen hat.

Ich möchte Ihnen von den Wahrheiten erzählen, die zu kennen von größtem Wert ist – das, was ich in nunmehr fast 90 Lebensjahren und in 50 Jahren als Generalautorität erfahren und erlebt habe. Viel von dem, was ich erkannt habe, fällt in die Kategorie dessen, was sich nur durch Erfahrung lernen lässt.

Wie alles, was von großem Wert ist, empfängt man Erkenntnis von ewiger Tragweite nur durch persönliches Gebet und indem man nachsinnt. Wenn man dies beherzigt und zudem noch fastet und sich mit den heiligen Schriften befasst, führt dies zu Eingebungen und Offenbarung und man vernimmt die Einflüsterungen des Heiligen Geistes. So werden wir aus der Höhe belehrt, und wir lernen Weisung um Weisung.

Uns wird in den Offenbarungen verheißen, dass „jeglicher Grundzug der Intelligenz, den wir uns in diesem Leben zu eigen machen, … mit uns in der Auferstehung hervorkommen [wird]“ und dass Wissen und Intelligenz durch Eifer und Gehorsam erlangt werden (siehe LuB 130:18,19).

Eine ewige Wahrheit, die ich erkannt habe, ist, dass Gott lebt. Er ist unser Vater. Wir sind seine Kinder. „Wir glauben an Gott, den ewigen Vater, und an seinen Sohn, Jesus Christus, und an den Heiligen Geist.“ (1. Glaubensartikel.)

Er hätte einen beliebigen anderen Titel wählen können, doch er wollte „Vater“ genannt werden. Der Erretter hat geboten: „Auf diese Weise sollt ihr darum beten: Unser Vater, der du bist im Himmel.“ (3 Nephi 13:9; siehe auch Matthäus 6:9.) Indem er sich als „Vater“ anreden lässt, zeigt er uns allen, was im Leben wirklich am wichtigsten ist.

Eltern zu sein ist ein heiliger Vorzug und kann, sofern man treu bleibt, zu ewigen Segnungen führen. Letztlich ist das Ziel all dessen, was wir in der Kirche tun, dass ein Mann und seine Frau und ihre Kinder zu Hause glücklich sein können.

Wer nicht heiratet oder keine Kinder haben kann, ist nicht von den ewigen Segnungen ausgeschlossen, die er zwar anstrebt, die für ihn aber derzeit nicht erreichbar sind. Wir wissen nicht immer, wie oder wann Segnungen eintreten, doch die Verheißung ewiger Vermehrung wird niemandem verwehrt, der treu ist und heilige Bündnisse schließt und einhält.

Ihr heimliches Sehnen und Ihr Flehen unter Tränen werden das Herz des Vaters und des Sohnes berühren. Sie werden persönlich die Gewissheit erhalten, dass Ihr Leben erfüllt sein und Ihnen keine wichtige Segnung verloren gehen wird.

Als Diener des Herrn und kraft des Amtes, zu dem ich ordiniert worden bin, mache ich allen, die sich in einer solchen Lage befinden, die Verheißung, dass alles, was für ihre Errettung und Erhöhung erforderlich ist, zur rechten Zeit auf Ihnen ruhen wird. Arme, die derzeit noch leer sind, werden sich füllen, und ein sehnendes Herz, das aufgrund zerschlagener Träume schmerzt, wird geheilt werden.

Eine weitere Wahrheit, die ich erkannt habe, ist, dass es den Heiligen Geist wirklich gibt. Er ist das dritte Mitglied der Gottheit. Seine Aufgabe ist, von Wahrheit und Rechtschaffenheit Zeugnis zu geben. Er tut sich auf vielerlei Weise kund, etwa durch ein Gefühl von Frieden und Zuversicht. Darüber hinaus kann er Trost und Führung bringen und wenn nötig auch korrigierend eingreifen. Der Heilige Geist wird unser ständiger Begleiter sein, vorausgesetzt, wir führen ein rechtschaffenes Leben.

Die Gabe des Heiligen Geistes wird durch eine heilige Handlung des Evangeliums übertragen. Jemand, der Vollmacht hat, legt einem neuen Mitglied der Kirche die Hände auf und spricht: „Empfange den Heiligen Geist.“

Die heilige Handlung an sich sorgt nicht dafür, dass wir uns merklich ändern. Wenn wir aber zuhören und den Eingebungen folgen, empfangen wir die Segnungen des Heiligen Geistes. Jeder Sohn und jede Tochter des Vaters im Himmel kann erkennen, dass Moronis Verheißung wahr ist: „Durch die Macht des Heiligen Geistes könnt ihr von allem wissen, ob es wahr ist.“ (Moroni 10:5, Hervorhebung hinzugefügt.)

Eine erhabene Wahrheit, die ich mir im Laufe meines Lebens angeeignet habe, ist das Zeugnis, das ich vom Herrn Jesus Christus habe.

Grundlage all dessen, was wir tun – und das zieht sich wie ein roter Faden durch sämtliche Offenbarungen –, ist zuallererst der Name des Herrn, nämlich die Vollmacht, durch die wir in der Kirche handeln. Jedes Gebet – selbst wenn es von einem kleinen Kind gesprochen wird – endet im Namen Jesu Christi. Jeder Segen, jede heilige Handlung, jede Ordinierung, jede Amtshandlung wird im Namen Jesu Christi ausgeführt. Es die Kirche Christi und wird daher nach seinem Namen genannt, nämlich Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (siehe LuB 115:4).

Im Buch Mormon wird von einer großartigen Begebenheit berichtet, wie die Nephiten im Namen des Herrn zum Vater gebetet haben. Jesus erschien und fragte sie:

„Was wollt ihr, dass ich euch geben soll?

Und sie sprachen zu ihm: Herr, wir wollen, dass du uns den Namen sagst, womit wir diese Kirche nennen sollen; denn es gibt unter dem Volk Auseinandersetzungen in Bezug auf diese Sache.

Und der Herr sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Warum ist es, dass das Volk um diese Sache murren und Auseinandersetzungen haben sollte?

Haben sie nicht die Schriften gelesen, die da sagen, ihr müsst den Namen Christi auf euch nehmen, nämlich meinen Namen? Denn mit diesem Namen werdet ihr am letzten Tag gerufen werden;

und wer meinen Namen auf sich nimmt und bis ans Ende ausharrt, der wird … errettet werden.

Darum: Was auch immer ihr tut, das sollt ihr in meinem Namen tun; darum sollt ihr die Kirche nach meinem Namen nennen; und ihr sollt den Vater in meinem Namen anrufen, dass er die Kirche segne um meinetwillen.“ (3 Nephi 27:2-7.)

Es ist sein Name, Jesus Christus, „denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen“ (Apostelgeschichte 4:12).

In der Kirche wissen wir, wer er ist: Jesus Christus, der Sohn Gottes. Er ist der Einziggezeugte des Vaters. Er ist der, der getötet worden ist und wiederum lebt. Er ist unser Fürsprecher beim Vater. „Denkt daran, dass es auf dem Fels unseres Erlösers ist, und das ist Christus, der Sohn Gottes, dass [wir unsere] Grundlage bauen [müssen].“ (Helaman 5:12.) Er ist der Anker, der uns festhält und uns und unsere Familie vor den Stürmen des Lebens schützt.

An jedem Sonntag, wenn sich weltweit Menschen unterschiedlichster Nationalität und Sprache versammeln, wird das Abendmahl mit den gleichen Worten gesegnet. Wir nehmen den Namen Christi auf uns und denken immer an ihn. Das ist uns ins Herz geschrieben.

Der Prophet Nephi hat erklärt: „Wir reden von Christus, wir freuen uns über Christus, wir predigen von Christus, wir prophezeien von Christus, und wir schreiben gemäß unseren Prophezeiungen, damit unsere Kinder wissen mögen, von welcher Quelle sie Vergebung ihrer Sünden erhoffen können.“ (2 Nephi 25:26.)

Jeder von uns muss sich selbst um ein Zeugnis vom Herrn Jesus Christus bemühen. Dann geben wir dieses Zeugnis an unsere Familie und an andere weiter.

Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass es einen Widersacher gibt, der danach trachtet, das Werk des Herrn zu vereiteln. Wir müssen uns entscheiden, wem wir folgen wollen. Schutz zu finden ist ganz einfach – wir müssen uns lediglich dafür entscheiden, dem Heiland zu folgen, und dafür sorgen, dass wir treu an seiner Seite bleiben.

Im Neuen Testament berichtet Johannes, es habe einige gegeben, die nicht in der Lage gewesen seien, sich dem Erretter und seinen Lehren verpflichtet zu fühlen. „Daraufhin zogen sich viele Jünger zurück und wanderten nicht mehr mit ihm umher.

Da fragte Jesus die Zwölf: Wollt auch ihr weggehen?

Simon Petrus antwortete ihm: Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.

Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes.“ (Johannes 6:66-69.)

Petrus hatte erlangt, was sich jeder Nachfolger Christi aneignen kann. Wenn wir Jesus Christus treu ergeben sind, nehmen wir ihn als unseren Erlöser an und tun alles, was in unserer Macht steht, um seine Lehren zu leben.

Nach all den Jahren, in denen ich gelebt, gelehrt und gedient habe, nach Millionen von Kilometern, die ich rund um die Erde zurückgelegt habe, nach allem, was ich erlebt habe, gibt es eine große Wahrheit, die ich weitergeben möchte. Und zwar mein Zeugnis vom Heiland Jesus Christus.

Joseph Smith und Sidney Rigdon hielten einst ein heiliges Erlebnis fest:

„Und nun, nach den vielen Zeugnissen, die von ihm gegeben worden sind, ist dies, als letztes von allen, das Zeugnis, das wir von ihm geben: Dass er lebt!

Denn wir haben ihn gesehen.“ (LuB 76:22,23.)

Ihre Worte sind auch die meinen.

Ich glaube und ich bin überzeugt, dass Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes, und dass er lebt. Er ist der Einziggezeugte des Vaters, und „von ihm und durch ihn und aus ihm [werden und wurden] die Welten erschaffen …, und deren Bewohner sind für Gott gezeugte Söhne und Töchter.“ (LuB 76:24.)

Ich gebe Zeugnis, dass der Heiland lebt. Ich kenne den Herrn. Ich bin sein Zeuge. Ich kenne sein großes Opfer und seine ewige Liebe für alle Kinder des Vaters im Himmel. Dieses besondere Zeugnis lege ich in aller Demut, doch in absoluter Gewissheit ab. Im Namen Jesu Christi. Amen.