2010–2019
„Komm und folge mir nach!“ – Christliche Liebe und christliches Dienen
Oktober 2016


13:29

„Komm und folge mir nach!“ – Christliche Liebe und christliches Dienen

Wir, die wir als Jünger des Heilands in den Letzten Tagen leben, kommen zu ihm, wenn wir Gottes Kinder lieben und ihnen dienen.

Der Nobelpreisträger Elie Wiesel lag im Krankenhaus und erholte sich gerade von einer Operation am offenen Herzen, da besuchte ihn sein fünfjähriger Enkel. Der kleine Junge blickte seinem Großvater in die Augen und sah, dass dieser Schmerzen hatte. Er fragte: „Opa, würde es dir weniger wehtun, wenn ich dich noch mehr lieb hätte?“ Heute stelle ich jedem von uns eine ähnliche Frage: Wenn wir den Heiland mehr lieben, haben wir dann weniger zu leiden?

Als der Heiland seine Jünger aufrief, ihm nachzufolgen, lebten sie nach dem Gesetz des Mose. Darin hieß es unter anderem „Auge für Auge und Zahn für Zahn“. Doch der Erlöser kam, um dieses Gesetz durch sein Sühnopfer zu erfüllen. Er verkündete eine neue Lehre: „Liebt eure Feinde, segnet die, die euch fluchen, tut Gutes denen, die euch hassen, und betet für die, die euch böswillig behandeln und euch verfolgen.“

Die Jünger wurden gelehrt, sich von den Verhaltensweisen des natürlichen Menschen abzuwenden und sich der liebevollen und fürsorglichen Verhaltensweise des Heilands zuzuwenden. Sie sollten Streit durch Vergebungsbereitschaft, Freundlichkeit und Mitgefühl ersetzen. Das neue Gebot, einander zu lieben, ließ sich nicht immer leicht halten. Als die Jünger meinten, man könne doch nicht bedenkenlos mit Sündern und bestimmten Klassen von Menschen Umgang pflegen, erklärte der Heiland geduldig: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ Ein Prophet des Buches Mormon drückte es so aus: „Wenn ihr im Dienste eurer Mitmenschen seid, [seid] ihr nur im Dienste eures Gottes.“

Wir, die wir als Jünger des Heilands in den Letzten Tagen leben, kommen zu ihm, wenn wir Gottes Kinder lieben und ihnen dienen. Wir werden damit vielleicht nicht verhindern können, dass wir Kummer, Bedrängnis und Leiden im Fleische erleben, aber wir werden in geistiger Hinsicht weniger leiden. Selbst in unseren Prüfungen können wir Frieden und Freude erfahren.

Christliche Liebe und christliches Dienen beginnen normalerweise zu Hause. Liebe Eltern, Sie sind aufgerufen, Ihren kleinen und auch den älteren Kindern liebevolle Lehrer und Missionare zu sein. Das sind sozusagen Ihre „Freunde der Kirche“. Sie haben die Aufgabe, ihnen bei ihrer Bekehrung behilflich zu sein. Im Grunde bemühen wir uns ja alle darum, uns zu bekehren – nämlich mit der Liebe unseres Heilands erfüllt zu werden.

Wenn wir Jesus Christus nachfolgen, spornt seine Liebe uns an, einander auf unserer Reise durchs Erdenleben zu unterstützen. Wir können den Weg nicht alleine bewältigen. Ich habe ja schon einmal das Sprichwort der Quäker zitiert: „Du erhebst mich, ich erhebe dich, gemeinsam steigen wir dann auf in alle Ewigkeit.“ Als Jünger fangen wir damit an, wenn wir uns taufen lassen und unsere Bereitschaft zeigen, „des anderen Last zu tragen, damit sie leicht sei“.

„Einander die Lehre des Reiches zu lehren“ ist eine Möglichkeit, wie wir einander lieben und einander dienen können. Liebe Eltern und Großeltern, wir neigen dazu, den Zustand der Welt zu beklagen – dass in den Schulen keine sittlichen Werte vermittelt werden. Aber es gibt viel, was wir tun können. Wir können in unserer Familie die Augenblicke nutzen, in denen jemand für Unterweisung empfänglich ist, und zwar ab sofort. Lassen Sie solche Augenblicke nicht verstreichen. Wenn sich eine Gelegenheit ergibt, Ihren Kindern und Enkeln Ihre Gedanken zum Evangelium mitzuteilen und ihnen gute Lektionen fürs Leben mit auf den Weg zu geben, dann legen Sie alles beiseite, setzen Sie sich hin und reden Sie mit ihnen.

Wir brauchen uns keine Sorgen deswegen machen, dass wir keine professionell ausgebildeten Evangeliumslehrer sind. Keine Schulung und kein Leitfaden sind so hilfreich wie das persönliche Schriftstudium, das Gebet, das Nachsinnen und dass man sich um Führung durch den Heiligen Geist bemüht. Der Heilige Geist wird Sie führen. Ich verheiße Ihnen: Die Berufung als Eltern schließt die Gabe mit ein, so zu lehren, wie es für Sie und für Ihre Kinder richtig ist. Denken Sie daran: Die Macht Gottes, rechtschaffenen Einfluss auf uns auszuüben, besteht in seiner Liebe. „Wir wollen lieben, weil er uns zuerst geliebt hat.“

Ihr Jugendlichen gehört zu unseren besten Lehrern in der Kirche. Ihr kommt in die Kirche, um zu lernen. Dann geht ihr nach Hause und gebt eure Erkenntnisse an eure Familie, eure Nachbarn und eure Freunde weiter und dient ihnen. Habt keine Angst. Habt Glauben, zu bezeugen, was ihr als wahr erkannt habt. Denkt daran, wie die Vollzeitmissionare geistig wachsen, weil sie dem Herrn treu ihr Leben weihen. Sie nutzen ihre Zeit und ihre Talente und geben Zeugnis, um ihren Mitmenschen zu dienen und ihnen ein Segen zu sein. Wenn ihr andere an eurem Zeugnis vom Evangelium teilhaben lasst, nehmen euer Glaube und euer Selbstvertrauen zu.

Den wirkungsvollsten christlichen Dienst leisten wir unter anderem, wenn wir mit der Familie in den heiligen Schriften lesen, das Familiengebet pflegen und den Familienrat abhalten. Seit über hundert Jahren rufen uns die Führer der Kirche dazu auf, jede Woche etwas Zeit zu reservieren, in der wir ungestört sind. Doch viele von uns lassen sich die damit verbundenen Segnungen noch immer entgehen. Beim Familienabend sollen Vater und Mutter keinen Vortrag halten. Diese Zeit ist für die Familie gedacht. Wir sprechen über einen einfachen geistigen Gedanken oder erzählen ein Erlebnis, damit unsere Kinder lernen, etwas wichtig zu nehmen und sich mitzuteilen. Wir sollen auch Spaß zusammen haben, einander Zeugnis geben, zusammenwachsen und gemeinsam Fortschritt machen. Wenn wir jede Woche den Familienabend durchführen, nimmt unsere Liebe füreinander zu und wir leiden nicht so viel.

Denken wir daran: Die wichtigste Arbeit in unserer Familie verrichten wir durch die Macht des Heiligen Geistes. Wann immer wir unsere Stimme im Zorn erheben, verlässt der Heilige Geist uns als Ehepaar und als Familie. Wenn wir liebevoll miteinander sprechen, kann der Geist bei uns sein. Denken wir daran, dass unsere Kinder und Enkel unsere Liebe daran messen, wie viel Zeit wir ihnen widmen. Verlieren Sie vor allem nicht die Geduld und geben Sie nicht auf.

Aus den heiligen Schriften erfahren wir, dass die Himmel weinten, als einige der Geistkinder des himmlischen Vaters sich dafür entschieden, seinem Plan nicht zu folgen. So manche Eltern, die ihre Kinder lieben und sie unterwiesen haben, weinen ebenfalls, wenn diese im Erwachsenenalter beschließen, dem Plan des Herrn nicht zu folgen. Was können Eltern da tun? Wir können die Entscheidungsfreiheit eines anderen nicht wegbeten. Denken Sie an den Vater des verlorenen Sohnes, der geduldig darauf wartete, dass sein Sohn in sich ging, und die ganze Zeit über Ausschau nach ihm hielt. Als er ihn von weitem kommen sah, lief er ihm entgegen. Wir können um Führung beten, damit wir wissen, wann wir etwas sagen sollen, was wir sagen sollen und ja, wann es unter Umständen besser ist, zu schweigen. Denken wir daran, dass sich unsere Kinder und Angehörige in ihrem vorirdischen Leben bereits entschieden haben, dem Erretter nachzufolgen. Zuweilen werden diese heiligen Gefühle erst durch eigene Lebenserfahrungen wieder geweckt. Letztendlich müssen sie sich selbst dafür entscheiden, den Herrn zu lieben und ihm nachzufolgen.

Es gibt noch eine besondere Möglichkeit, wie man als Jünger seine Liebe zum Heiland zeigt. Ich zolle heute jedem Anerkennung, der dem Herrn dient, indem er jemand anders pflegt oder betreut. Der Herr liebt Sie wirklich sehr! In Ihrem stillen, oft unbemerkten Dienst folgen Sie dem nach, der verheißen hat: „Dein Vater, der ins Verborgene sieht, wird selbst es dir offen lohnen.“

Ich denke da an meinen Nachbarn, dessen Frau an Alzheimer litt. Jeden Sonntag half er ihr, sich für die Kirche anzuziehen, die Haare zu kämmen, Make-up aufzutragen, sogar Ohrringe anzustecken. Durch diesen Dienst war er jedem Mann und jeder Frau in unserer Gemeinde, ja, der ganzen Welt, ein Vorbild. Einmal sagte seine Frau zu ihm: „Ich möchte einfach nur meinen Mann wiedersehen und bei ihm sein.“

Er antwortete: „Ich bin dein Mann.“

Darauf erwiderte sie ganz herzig: „Oh, gut!“

Ich kann nicht über Fürsorglichkeit sprechen, ohne die besondere Pflegerin in meinem Leben zu würdigen – die besondere Jüngerin des Heilands für mich –, meine ewige Partnerin, Mary. Sie hat in einfühlsamer Pflege und Liebe alles gegeben. Ihre Hände sind Ausdruck der sanften, stützenden Berührung des Heilands. Ohne sie wäre ich nicht hier. Mit ihr werde ich bis ans Ende ausharren können, um schließlich im ewigen Leben mit ihr vereint zu sein.

Wenn Sie großes Leid durchmachen, zusammen mit anderen oder allein, bitte ich Sie inständig: Lassen Sie den Herrn für Sie sorgen. Stützen Sie sich auf seinen starken Arm. Schenken Sie seiner Zusicherung Glauben. „Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, sondern ich komme wieder zu euch“, verheißt er uns.

Brüder und Schwestern, wenn wir es noch nicht vollständig getan haben, wenden wir uns doch mehr der Vergebungsbereitschaft, Freundlichkeit und Liebe zu. Entsagen wir dem Krieg, der so oft im Herzen des natürlichen Menschen wütet, und verkünden wir die Fürsorge, die Liebe und den Frieden Christi.

„Wenn ihr zur Erkenntnis der Herrlichkeit [und Güte] Gottes gekommen seid“ und auch zur Erkenntnis des „Sühnopfer[s], welches von Grundlegung der Welt an bereitet ist“, „werdet [ihr] nicht im Sinn haben, einander zu verletzen, sondern friedlich zu leben. … Ihr werdet nicht zulassen, dass eure Kinder … die Gesetze Gottes übertreten und miteinander kämpfen und streiten …, ihr werdet sie lehren, einander zu lieben und einander zu dienen“.

Kurz vor seiner Kreuzigung lehrte der Erretter seine Jünger: „Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben“ und „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten“.

Ich bezeuge, dass sich der Heiland uns mit ausgestreckten Armen zuwendet, so wie Thorvaldsen es mit seiner Christusstatue dargestellt hat. Christus streckt uns auch weiterhin die Hände entgegen und ruft uns zu sich: „Komm und folge mir nach.“ Wir folgen dem Herrn, wenn wir einander lieben und dienen und seine Gebote halten.

Ich gebe mein besonderes Zeugnis, dass der Herr lebt und uns auf vollkommene Weise liebt. Dies ist seine Kirche. Thomas S. Monson ist heute sein Prophet auf Erden. Ich bete darum, dass wir unseren himmlischen Vater und seinen Sohn mehr lieben und so weniger leiden. Im Namen Jesu Christi. Amen.