2010–2019
„Wenn ihr mich erkannt habt“
Oktober 2016


15:42

„Wenn ihr mich erkannt habt“

Wissen wir nur etwas über den Heiland oder erkennen wir ihn mehr und mehr? Wie erkennen wir den Herrn?

Am Ende der Bergpredigt betonte der Heiland die ewige Wahrheit, dass man die errettende Gnade des Sohnes nur erlangen kann, wenn man den Willen des Vaters erfüllt.

Er sagte:

„Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt.

Viele werden an jenem Tag zu mir sagen: Herr, Herr, sind wir nicht in deinem Namen als Propheten aufgetreten und haben wir nicht mit deinem Namen Dämonen ausgetrieben und mit deinem Namen viele Wunder vollbracht?

Dann werde ich ihnen antworten: Ich kenne euch nicht. Weg von mir, ihr Übertreter des Gesetzes!“

Unser Verständnis dieser Aussage erweitert sich, wenn wir über eine inspirierte Überarbeitung dieser Textstelle nachdenken. Es ist bedeutsam, dass die in der Bibel berichtete Aussage des Herrn „Ich kenne euch nicht“ in der Joseph-Smith-Übersetzung anders lautet, nämlich „Ihr habt mich niemals gekannt“.

Denken wir auch an das Gleichnis von den zehn Jungfrauen. Die fünf törichten und unvorbereiteten Jungfrauen machten sich auf und wollten Öl für ihre Lampen kaufen, nachdem sie den Ruf vernommen hatten, dem Bräutigam entgegenzugehen.

„Während sie noch unterwegs waren, um das Öl zu kaufen, kam der Bräutigam; die Jungfrauen, die bereit waren, gingen mit ihm in den Hochzeitssaal und die Tür wurde zugeschlossen.

Später kamen auch die [fünf törichten] Jungfrauen und riefen: Herr, Herr, mach uns auf!

Er aber antwortete ihnen: Amen, ich sage euch: Ich kenne euch nicht.“

Was dieses Gleichnis für jeden von uns bedeutet, wird in einer weiteren inspirierten Überarbeitung erhellt. Wichtig ist, dass die Formulierung aus der Bibel „Ich kenne euch nicht“ in der Joseph-Smith-Übersetzung klargestellt wird, nämlich „Ihr kennt mich nicht“.

Die Formulierungen „Ihr habt mich niemals gekannt“ und „Ihr kennt mich nicht“ sollten für jeden von uns Grund für eine eingehende, geistige Selbstbetrachtung sein. Wissen wir nur etwas über den Heiland oder erkennen wir ihn mehr und mehr? Wie erkennen wir den Herrn? Diese Fragen der Seele bilden das zentrale Thema meiner Botschaft. Ich bitte aufrichtig um den Beistand des Heiligen Geistes, wenn wir nun gemeinsam über dieses wichtige Thema nachdenken.

Christus erkennen

Jesus hat gesagt:

„Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich.

Wenn ihr mich erkannt habt, werdet ihr auch meinen Vater erkennen.“

Wir erkennen den Vater, wenn wir seinen geliebten Sohn erkennen.

Ein bedeutendes Ziel in diesem Erdenleben ist, nicht einfach nur etwas über den Einziggezeugten des Vaters zu erfahren, sondern auch danach zu streben, ihn zu erkennen. Vier grundlegende Schritte, die uns den Herrn besser erkennen lassen, sind: Glauben an ihn ausüben, ihm folgen, ihm dienen und ihm Glauben schenken.

Glauben an Christus ausüben

Glauben an Jesus Christus auszuüben bedeutet, sich auf seine Verdienste, seine Barmherzigkeit und seine Gnade zu verlassen. Den Heiland zu erkennen beginnt damit, dass wir unsere Geisteskraft aufrütteln und einen Versuch mit seinen Lehren unternehmen, bis wir in unserer Seele einem Teil seiner Worte Raum geben können. Wenn unser Glaube an den Herrn größer wird, vertrauen wir ihm und sind zuversichtlich, dass er die Macht hat, uns zu erlösen, zu heilen und zu stärken.

Wahrer Glaube ist gezielt auf den Herrn gerichtet und bewegt immer zu rechtschaffenem Handeln. „Glaube [an Christus ist] der erste Grundsatz offenbarter Religion, … die Grundlage aller Rechtschaffenheit … und bei allen intelligenten Wesen der Grundsatz allen Handelns.“ Um wahren Glauben zu empfangen und auszuüben, ist das Handeln im Einklang mit den vom Erlöser verkündeten Grundsätzen ausschlaggebend. Daher ist „Glaube ohne Werke nutzlos“. Es reicht nicht, das Wort nur anzuhören, wir müssen auch danach handeln.

Das Wort Gottes zu hören und die geistige Gabe des Glaubens an den Heiland zu empfangen, sind unmittelbar miteinander verknüpft, denn „der Glaube [gründet] in der Botschaft [und] die Botschaft im Wort Christi“. Wir lernen den Herrn und seine Stimme besser kennen, wenn wir in den heiligen Schriften forschen und uns an seinem Wort weiden, in seinem Namen und mit wirklichem Vorsatz zum Vater beten und uns um die ständige Begleitung des Heiligen Geistes bemühen. Die Lehre Christi zu lernen und umzusetzen ist eine Voraussetzung dafür, die Gabe des Glaubens an ihn zu erlangen.

Glauben an den Herrn auszuüben ist ein notwendiger Schritt der Vorbereitung darauf, ihm auch nachzufolgen.

Christus nachfolgen

„Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er zwei Brüder, Simon, genannt Petrus, und seinen Bruder Andreas; sie warfen gerade ihr Netz in den See, denn sie waren Fischer.

Da sagte er zu ihnen: Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen.

Sofort ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm.“

Petrus und Andreas sind ein sehr gutes Beispiel dafür, wie jemand dem Meister zuhört und ihm nachfolgt.

Gleichermaßen weist der Heiland uns alle an: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“ Sein Kreuz auf sich zu nehmen bedeutet, dass man alles Ungöttliche und jede weltliche Begierde verleugnet und die Gebote des Herrn hält.

Der Heiland hat uns aufgefordert, so zu werden, wie er ist. Dem Herrn nachzufolgen bedeutet deshalb auch, dass man ihm nacheifert. Unsere Erkenntnis des Herrn wächst, wenn wir uns darum bemühen, durch die Macht seines Sühnopfers wie er zu werden.

Während seines irdischen Wirkens zeigte Jesus uns den Weg. Er ging voran und gab uns das vollkommene Beispiel. „Die richtige Vorstellung von Gottes Wesen, seiner Vollkommenheit und seinen Eigenschaften“ verschafft uns ein dauerhaftes Ziel und klare Vorgaben, während wir Christus auf dem Weg eines treuen Jüngers nachfolgen.

Diese Nachfolge versetzt uns in die Lage, „Gewissheit darüber zu erlangen, dass der Weg, den [wir] in diesem Leben eingeschlagen haben“, im Einklang mit Gottes Willen ist. Eine solche Gewissheit ist kein unbegreifliches Geheimnis. Auch geht es dabei nicht in erster Linie um unser irdisches Streben oder gewöhnliche irdische Belange. Vielmehr hat der Herr Gefallen daran, dass wir auf dem von Bündnissen vorgezeichneten Weg stetigen, dauerhaften Fortschritt machen.

In Lehis Traum im Buch Mormon wird der Weg, dem wir folgen sollen, aufgezeigt. Wir erfahren etwas über die Herausforderungen, denen wir begegnen, und über die geistigen Hilfen, die uns an die Hand gegeben werden, damit wir dem Heiland nachfolgen und zu ihm kommen können. Der Herr wünscht sich von uns, dass wir auf dem engen und schmalen Pfad vorwärtsstreben. Er wünscht sich sehnlichst, dass wir in den Genuss der Segnungen kommen, von der Frucht des Baumes zu kosten und eine tiefgreifende Bekehrung zu ihm zu erfahren. Deshalb ruft er uns zu: „Komm und folge mir nach!“

Beides – Glauben an Jesus Christus ausüben und ihm nachfolgen – sind notwendige Schritte der Vorbereitung, damit wir ihm dienen können.

Christus dienen

„Denn wie soll jemand den Herrn kennen, dem er nicht gedient hat und der für ihn ein Fremder ist und den Gedanken und Absichten seines Herzens ferne steht?“

Unsere Erkenntnis des Herrn nimmt weiter zu, wenn wir ihm dienen und in seinem Reich mitarbeiten. Dabei gewährt er uns freigiebig himmlische Unterstützung und geistige Gaben und erweitert unsere Fähigkeiten. Wenn wir in seinem Weinberg arbeiten, werden wir nie alleingelassen.

Der Herr sagt: „Ich werde vor eurem Angesicht hergehen. Ich werde zu eurer rechten Hand sein und zu eurer linken, und mein Geist wird in eurem Herzen sein und meine Engel rings um euch, um euch zu stützen.“

Wir erkennen den Heiland, wenn wir unser Bestes dabei geben, dorthin zu gehen, wohin er uns zu gehen heißt, wenn wir bestrebt sind, zu sagen, was er uns zu sagen heißt, und wenn wir so werden, wie er uns zu werden heißt. Wenn wir in Demut unsere völlige Abhängigkeit von ihm anerkennen, erweitert er unsere Fähigkeit, ihm immer noch besser zu dienen. Nach und nach stimmen unsere Wünsche immer mehr mit denen des Herrn überein, und seine Absichten werden zu unseren Absichten, bis wir schließlich „nichts erbitten, was gegen [seinen] Willen ist“.

Ihm zu dienen erfordert das ganze Herz, alle Macht, den ganzen Sinn und alle Kraft. Daher ist selbstloser Dienst am Nächsten ein Gegenmittel gegen die ichbezogenen, selbstsüchtigen Anwandlungen des natürlichen Menschen. Wir gewinnen diejenigen, denen wir dienen, lieb. Und weil wir ja Gott dienen, wenn wir anderen dienen, wird unsere Liebe zu ihm und zu unseren Brüdern und Schwestern immer tiefer. In ebendieser Liebe zeigt sich die geistige Gabe der Nächstenliebe, nämlich die reine Christusliebe.

„Betet mit der ganzen Kraft des Herzens zum Vater, dass ihr von dieser Liebe erfüllt werdet, die er all denen zuteilwerden lässt, die wahre Nachfolger seines Sohnes Jesus Christus sind; damit ihr Söhne Gottes werdet; damit wir, wenn er erscheinen wird, ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist; damit wir diese Hoffnung haben; damit wir rein gemacht werden, so wie er rein ist.“

Wir erkennen den Herrn, wenn wir von seiner Liebe erfüllt sind.

Christus Glauben schenken

Ist es möglich, Glauben an Christus auszuüben, ihm nachzufolgen, ihm zu dienen, aber ihm keinen Glauben zu schenken?

Ich kenne Mitglieder der Kirche, die die Lehre und die Grundsätze, die in den heiligen Schriften stehen und von diesem Rednerpult gepredigt werden, als wahr anerkennen. Und doch fällt es ihnen schwer zu glauben, dass diese Evangeliumswahrheiten gerade auch auf sie und ihre Lebensumstände zutreffen. Sie scheinen Glauben an den Heiland zu haben, glauben aber nicht, dass seine verheißenen Segnungen ihnen offenstehen oder in ihrem Leben wirksam sein können. Auch begegne ich Brüdern und Schwestern, die zwar treu ihre Berufungen erfüllen, für die das wiederhergestellte Evangelium aber noch nicht zu einer lebendigen, sie verändernden Wirklichkeit geworden ist. Wir erkennen den Herrn, wenn wir nicht nur an ihn glauben, sondern ihm und seinen Verheißungen auch Glauben schenken.

Im Neuen Testament bat ein Vater den Heiland, sein Kind zu heilen. Jesus erwiderte:

„Wenn du kannst? Alles kann, wer glaubt.

Da rief der Vater des Jungen: Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“

Viele Male habe ich über die Bitte des Vaters nachgedacht: „Hilf meinem Unglauben!“ Ich frage mich, ob der Mann mit seiner Bitte nicht ausdrücken wollte, Jesus möge ihm in erster Linie doch dabei helfen, an ihn als unseren Erlöser und an seine heilende Macht zu glauben. Möglicherweise hatte er Christus schon als den Sohn Gottes angenommen. Aber vielleicht brauchte er Hilfe, um daran glauben zu können, dass die heilende Macht des Meisters tatsächlich so individuell und persönlich ist, dass sie sich auch auf sein eigenes geliebtes Kind erstreckt. Er hat vielleicht allgemein an Christus geglaubt, aber ihm nicht konkret und auf sich bezogen Glauben geschenkt.

Wir bezeugen oft das, was wir als wahr erkannt haben, aber die wahrscheinlich relevantere Frage lautet für jeden, ob wir dem, was wir wissen, auch Glauben schenken.

Heilige Handlungen, die durch die rechte Priestertumsvollmacht vollzogen werden, sind grundlegend dafür, dem Heiland Glauben zu schenken, ihn zu erkennen und schließlich das, was wir wissen, auch zu glauben.

„Und [das Melchisedekische] Priestertum vollzieht das Evangelium und hat den Schlüssel der Geheimnisse des Reiches inne, nämlich den Schlüssel der Gotteserkenntnis.

Darum wird in seinen Verordnungen die Macht des Göttlichen kundgetan.“

Wir schenken dem Herrn Glauben und erkennen ihn, wenn der durch das Melchisedekische Priestertum betätigte Schlüssel der Gotteserkenntnis die Tür aufschließt und es einem jeden von uns ermöglicht, die Macht des Göttlichen in unserem Leben zu empfangen. Wir schenken dem Heiland Glauben und erkennen ihn, wenn wir ihm folgen, indem wir die heiligen Handlungen empfangen und diese treu in Ehren halten, und sein Abbild immer deutlicher in unseren Gesichtsausdruck aufnehmen. Wir schenken Christus Glauben und erkennen ihn, wenn wir die uns verändernde, heilende, stärkende und heiligende Macht seines Sühnopfers selbst erfahren. Wir schenken dem Meister Glauben und erkennen ihn, wenn die „Macht seines Wortes“ in uns Wurzeln schlägt und in unser Inneres und in unser Herz gelegt ist und wenn wir „alle [unsere] Sünden aufgeben, um [ihn] zu erkennen]“.

Dem Herrn Glauben zu schenken bedeutet, darauf zu vertrauen, dass seine reichen Segnungen uns und unserer Familie offenstehen und in unserem Leben wirksam sind. Wir schenken dem Herrn von ganzer Seele Glauben, wenn wir auf dem von Bündnissen vorgezeichneten Weg vorwärtsstreben, unseren Willen dem Willen des Herrn unterordnen und uns den Prioritäten und dem Zeitplan fügen, die er für uns vorgesehen hat. Wenn wir dem Herrn Glauben schenken, also seine Macht und seine Verheißungen als wahr anerkennen, gewinnen wir die richtige Perspektive und erfahren Frieden und Freude.

Verheißung und Zeugnis

Eines Tages wird sich jedes Knie beugen und jede Zunge bekennen, dass Jesus der Messias ist. An diesem herrlichen Tag werden wir erkennen, dass er jeden von uns mit Namen kennt. Ich bezeuge und verheiße, dass wir nicht nur etwas über den Herrn wissen können, sondern dass wir ihn erkennen, wenn wir Glauben an ihn ausüben, ihm folgen, ihm dienen und ihm Glauben schenken. Das bezeuge ich im heiligen Namen Jesu Christi. Amen.