Tapfer im Zeugnis von Jesus
Wir können es uns nicht leisten, dass Stolpersteine unser Zeugnis vom Vater und vom Sohn verwirren und verkomplizieren.
Das ewige Leben ist die größte aller Gaben Gottes und wird denen gewährt, die Gottes Gebote halten und bis ans Ende ausharren. Hingegen wird ewiges Leben bei unserem himmlischen Vater denjenigen verwehrt, „die im Zeugnis von Jesus nicht tapfer sind“. Unserer Tapferkeit stehen einige Stolpersteine im Weg, die uns davon abhalten können, unser Ziel, das ewige Leben, zu erreichen. So ein Stolperstein kann durchaus komplex sein; lassen Sie mich es erläutern.
Vor vielen Jahren errichtete mein Vater ein kleines Blockhaus auf der Ranch, wo er aufgewachsen war. Der Ausblick über die Felder und Wiesen war grandios. Als die Wände des Blockhauses hochgezogen wurden, kam ich zu einem Besuch vorbei. Überrascht stellte ich fest, dass man durch das Fenster mit der schönsten Aussicht direkt auf einen Strommast blickte, der nicht weit vom Haus entfernt war. Der Mast störte mich sehr und lenkte mich von der herrlichen Aussicht ab.
Ich sagte: „Papa, warum hast du zugelassen, dass der Strommast direkt vor dem Fenster aufgestellt wird?“
Mein Vater, ein sehr pragmatischer und ruhiger Mann, rief einigermaßen entrüstet aus: „Quentin, dieser Strommast ist für mich das Schönste auf der ganzen Ranch!“ Dann erklärte er: „Wenn ich den Mast sehe, wird mir wieder bewusst, dass ich – im Gegensatz zu damals, als ich hier aufwuchs – kein Wasser mehr in Behältern von der Quelle zum Haus hochschleppen muss, damit ich kochen, die Hände waschen oder baden kann. Ich muss abends keine Kerzen oder Öllampen mehr anzünden, wenn ich etwas lesen möchte. Ich möchte den Strommast genau im Blickfeld haben, wenn ich aus dem Fenster schaue.“
Mein Vater sah den Strommast mit ganz anderen Augen. Für ihn bedeutete der Mast ein besseres Leben, während ich ihn als ein Ärgernis betrachtete, das den herrlichen Ausblick behinderte. Strom, Licht und Sauberkeit waren meinem Vater mehr wert als ein schöner Ausblick. Während mein Vater die praktische, symbolische Bedeutung des Strommasts sah, sah ich ihn nur als Stolperstein.
Ein Stolperstein ist ein Hindernis, das unserer Überzeugung oder Erkenntnis oder unserem Fortschritt im Weg steht. Im geistigen Sinne bedeutet stolpern „in Sünde oder Widerspenstigkeit verfallen“. Ein Stolperstein kann alles sein, was uns davon abhält, rechtschaffene Ziele zu erreichen.
Wir können es uns nicht leisten, dass Stolpersteine unser Zeugnis vom Vater und vom Sohn verwirren und verkomplizieren. Wir dürfen nicht in diese Falle tappen. Unser Zeugnis vom Vater und vom Sohn muss rein und einfach bleiben, so einfach wie die Erklärung, die mir mein Vater gab, als es um den Strommast auf der Ranch ging.
Was gehört zu den Stolpersteinen, die unser reines und einfaches Zeugnis vom Vater und vom Sohn verwirren und verkomplizieren und uns davon abhalten, in diesem Zeugnis tapfer zu sein?
Ein Stolperstein sind die Philosophien der Menschen
Uns geht es um Erkenntnis jeder Art. Wir glauben, dass die Herrlichkeit Gottes Intelligenz ist. Aber wir wissen auch, dass die vom Widersacher bevorzugte Strategie darin besteht, Menschen von Gott wegzuführen und sie dadurch stolpern zu lassen, dass sie den Philosophien der Menschen mehr Wert beimessen als dem Erretter und seinen Lehren.
Aufgrund eines übernatürlichen, lebensverändernden Erlebnisses mit dem Erretter wurde der Apostel Paulus ein zuverlässiger Zeuge für Jesus Christus. Seine besondere Vorgeschichte bereitete Paulus darauf vor, Zugang zu Menschen unterschiedlichster Kulturen zu finden. Er schätzte die direkte Einfachheit der Thessalonicher und das freundliche Mitgefühl der Philipper. Anfangs fand er es schwieriger, einen Zugang zu den intellektuell anspruchsvollen Griechen zu finden. In Athen versuchte er auf dem Areopag einen philosophischen Ansatz, wurde aber zurückgewiesen. Den Korinthern wollte er dann einfach nur Christus als den Gekreuzigten verkünden. Der Apostel Paulus selbst sagte:
„Meine Botschaft und Verkündigung war nicht Überredung durch gewandte und kluge Worte, sondern war mit dem Erweis von Geist und Kraft verbunden,
damit sich euer Glaube nicht auf Menschenweisheit stützte, sondern auf die Kraft Gottes.“
Einige der großartigsten Ausführungen über den Erretter und seine irdische Mission stehen in 1 Korinther. Ein Kapitel daraus – Kapitel 15 – ist durch Aufführungen des Messias von Georg Friedrich Händel weltweit bekannt geworden. Es enthält tiefgründige Lehren über den Erretter. Der dritte Teil des Messias, direkt nach dem Halleluja, besteht zum größten Teil aus Schriftstellen aus 1 Korinther 15. In einigen der Verse beschreibt Paulus in wunderschönen Worten, was der Erretter vollbracht hat:
„Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen.
Da nämlich durch einen Menschen der Tod gekommen ist, kommt durch einen Menschen auch die Auferstehung der Toten.
Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden. …
Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel? …
Gott aber sei Dank, der uns den Sieg geschenkt hat durch Jesus Christus, unseren Herrn.“
Wir wissen, dass der Abfall vom Glauben unter anderem deshalb stattgefunden hat, weil man die Philosophien der Menschen über die einfache, grundlegende Lehre von Christus erhob. Es wurde nicht mehr die einfache Botschaft Jesu gelehrt, sondern viele klare und kostbare Wahrheiten wurden verändert oder gingen verloren. Tatsächlich nahm das Christentum einige philosophische Traditionen der Griechen an, um den christlichen Glauben der bestehenden Kultur anzupassen. Der Historiker Will Durant schreibt: „Das Christentum hat den heidnischen Glauben nicht abgeschafft – es hat ihn übernommen. Das schon absterbende griechische Gedankengut erwachte in verwandelter Form zu neuem Leben.“ Es war in der Vergangenheit so und ist auch heute so, dass manche Menschen das Evangelium Jesu Christi ablehnen, weil es ihrer Meinung nach intellektuell nicht anspruchsvoll genug ist.
In der Anfangszeit der Wiederherstellung gab es viele, die zumindest von sich behaupteten, den Lehren Jesu zu folgen. Viele Länder betrachteten sich selbst als christlich. Aber selbst damals wurde über eine noch schwierigere Zeit in unseren Tagen prophezeit.
Heber C. Kimball gehörte zum ersten Kollegium der Zwölf Apostel in dieser Evangeliumszeit und war Erster Ratgeber von Präsident Brigham Young. Er warnte: „Die Zeit wird kommen, da wir … das Gesicht eines Heiligen nicht mehr von dem eines Feindes des Gottesvolkes unterscheiden können. Dann … müssen wir nach dem großen Sieb Ausschau halten, denn es wird eine Zeit des großen Aussiebens geben, und viele werden fallen.“ Er gelangte zu dem Schluss: „Eine PRÜFUNG steht bevor.“
Heutzutage ist der Einfluss des Christentums in vielen Ländern, auch in den Vereinigten Staaten, beträchtlich zurückgegangen. Wo es keinen religiösen Glauben gibt, fühlt man sich Gott gegenüber auch nicht verantwortlich. Daher ist es schwierig, allgemeingültige Werte festzulegen. Tiefste Überzeugungen stehen sich gegenüber.
Dies geschieht leider auch bei einigen Mitgliedern der Kirche, die ihre Orientierung verlieren und sich von aktuellen Meinungen beeinflussen lassen – von denen viele eindeutig nicht der Rechtschaffenheit dienlich sind.
In Übereinstimmung mit Heber C. Kimballs Prophezeiung sagte Elder Neal A. Maxwell 1982: „Wegen Versäumnissen in rechtschaffenem Verhalten, auf die keine Umkehr folgt, wird ein großes Aussieben stattfinden. Ein paar werden aufgeben, statt bis ans Ende auszuhalten. Ein paar werden sich von Abtrünnigen täuschen lassen. Ebenso werden einige Anstoß nehmen, denn jede Evangeliumszeit hat genügend Stolpersteine.“
Ein weiterer Stolperstein ist es, Sünde nicht als das sehen zu wollen, was sie ist
Eine beunruhigende Erscheinung unserer Zeit ist, dass sich viele Menschen sündhaftem Verhalten hingeben, es aber nicht als solches betrachten. Sie haben kein schlechtes Gewissen und wollen nicht zugeben, dass ihr Verhalten moralisch verwerflich ist. Selbst einige, die vorgeben, sie würden an den Vater und den Sohn glauben, nehmen fälschlicherweise an, dass ein liebender Vater im Himmel ein Verhalten, das gegen seine Gebote verstößt, folgenlos lassen sollte.
Dieser Ansicht war offenbar auch Korianton, der Sohn Almas des Jüngeren im Buch Mormon. Er hatte sich schwerer moralischer Verfehlungen schuldig gemacht, und Alma erteilte ihm Ratschläge. Wir können uns glücklich schätzen, dass der große Prophet Alma, der ja den „finstersten Abgrund [und] das wunderbare Licht Gottes“ erlebt hatte, seine Unterweisung aufgezeichnet hat. Im 39. Kapitel des Buches Alma lesen wir, wie er seinem Sohn bei dessen Umkehr half und dann erklärte, dass Christus kommen würde, um die Sünde wegzunehmen. Er machte Korianton klar, dass Umkehr notwendig ist, weil „nichts Unreines … das Reich Gottes ererben“ kann.
Alma 42 enthält einige der großartigsten Aussagen über das Sühnopfer in den gesamten heiligen Schriften. Alma erklärt Korianton, dass es nicht „ungerecht [ist], wenn der Sünder einem Zustand des Elends überantwortet wird“. Aber er fügt hinzu, dass der barmherzige Gott von Adam an einen „Zeitraum für die Umkehr“ gewährt hat, denn ohne Umkehr wäre „der große Plan der Errettung … vereitelt gewesen“. Alma bezeichnet Gottes Plan auch als „Plan des Glücklichseins“.
Almas Lehren sind sehr aufschlussreich: „Denn siehe, die Gerechtigkeit macht alle ihre Forderungen geltend, und die Barmherzigkeit beansprucht auch all das Ihre; und so wird niemand als nur der wahrhaft Reumütige errettet.“ Im rechten Licht betrachtet sind die herrlichen Segnungen der Umkehr und des Gehorsams gegenüber den Lehren Jesu ungeheuer wichtig. Es ist nicht ungerecht, sich klar und deutlich über die Folgen von sündhaften Entscheidungen und ausbleibender Umkehr zu äußern, so wie es Alma gegenüber Korianton tat. Hierzulande sagt man öfter: „Früher oder später muss sich jeder zu einem Bankett der Konsequenzen niedersetzen.“
Der beeindruckende, celestiale Segen des Sühnopfers Christi besteht darin, dass durch Umkehr sündhaftes Verhalten ausgelöscht wird. Nachdem Korianton umgekehrt war, sagte Alma abschließend zu ihm: „[Lass] dich von diesen Dingen nicht mehr beunruhigen …, sondern [lass] dich nur von deinen Sünden beunruhigen …, mit jener Unruhe, die dich hinabführt zur Umkehr.“
Über das Ziel hinauszuschauen ist ein Stolperstein
Der Prophet Jakob bezeichnete die Juden seiner Zeit als „ein halsstarriges Volk“, das Klarheit verachtet und „die Propheten umgebracht und nach Dingen getrachtet [hat], die sie nicht haben verstehen können. Darum müssen sie wegen ihrer Blindheit, und diese Blindheit kam, weil sie über das Ziel hinausgeschaut haben, notwendigerweise fallen.“
Es gibt viele Beispiele, wie man über das Ziel hinausschaut, ein markantes Beispiel heutzutage ist der Hang zu Extremen. Auf das Evangelium bezogen bedeutet das, dass jemand irgendeinen Evangeliumsgrundsatz über andere gleichermaßen wichtige Grundsätze erhebt und eine Meinung vertritt, die über die Lehren der Führer der Kirche hinausgeht oder ihnen widerspricht. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn jemand dem Wort der Weisheit etwas hinzufügt oder etwas daran ändert oder einen Teil daraus nachdrücklich hervorhebt und diese Ansicht vehement vertritt. Ein weiteres Beispiel sind teure Vorbereitungen auf Weltuntergangsszenarien. Bei beiden Beispielen werden andere aufgefordert, die eigene Auslegung zu akzeptieren. „Wer aus einem Gesundheitsgesetz oder irgendeinem anderen Grundsatz eine Form des religiösen Fanatismus macht, schaut über das Ziel hinaus.“
Hinsichtlich wichtiger Lehre hat der Herr verkündet: „Wer auch immer mehr oder weniger als dies verkündet, der ist nicht von mir.“ Wenn wir irgendeinem Grundsatz solche Bedeutung zumessen, dass wir uns anderen gleichermaßen wichtigen Grundsätzen weniger verpflichtet fühlen, oder wenn wir eine Meinung vertreten, die den Lehren der Führer der Kirche widerspricht oder darüber hinausgeht, schauen wir über das Ziel hinaus.
Auch gibt es einige Mitglieder, die eine bestimmte Sache, so gut sie auch sein mag, über grundlegende Lehren des Evangeliums erheben. Sie fühlen sich in erster Linie dieser Sache verpflichtet, und ihre Verpflichtung gegenüber dem Erretter und seinen Lehren tritt an zweite Stelle. Wenn wir irgendetwas über unsere Hingabe an den Erretter stellen, wenn wir durch unser Verhalten zeigen, dass wir ihn lediglich als einen weiteren Lehrer ansehen und nicht als den Sohn Gottes, dann schauen wir über das Ziel hinaus. Jesus Christus ist das Ziel!
Aus dem 76. Abschnitt des Buches Lehre und Bündnisse geht klar hervor: Im Zeugnis von Jesus tapfer zu sein ist der einfache, grundlegende Test, der diejenigen, die die Segnungen des celestialen Reiches ererben, von denen im geringeren terrestrialen Reich trennt. Um tapfer zu sein, müssen wir den Blick fest auf die Macht Jesu Christi und seines Sühnopfers richten, die den Tod überwindet und die uns – durch unsere Umkehr – von Sünde reinwäscht, und wir müssen der Lehre Christi folgen. Außerdem brauchen wir das Licht und die Erkenntnis, die wir aus dem Leben und den Lehren des Erretters gewinnen, damit wir auf den Weg geführt werden, der durch Bündnisse, einschließlich der heiligen Handlungen des Tempels, vorgezeichnet ist. Wir müssen beständig in Christus sein, uns an seinem Wort weiden und bis ans Ende ausharren.
Zum Abschluss
Wenn wir in unserem Zeugnis von Jesus tapfer sein wollen, müssen wir die Stolpersteine meiden, die den Fortschritt von vielen, ansonsten ehrenhaften Männern und Frauen aufhalten und verhindern. Fassen wir doch den Entschluss, immer im Dienst des Herrn zu stehen. Auf der Suche nach Erkenntnis müssen wir die Philosophien der Menschen, die unsere Hingabe an den Erretter schwächen, meiden. Wir müssen Sünde als das betrachten, was sie ist, und das Sühnopfer Jesu durch Umkehr annehmen. Wir dürfen nicht über das Ziel hinausschauen, sondern müssen unseren Blick fest auf Jesus Christus richten, unseren Erretter und Erlöser, und seiner Lehre folgen.
Mein Vater sah den Strommast als Mittel, uns mit elektrischem Strom, mit Licht und reichlich Wasser zum Kochen und Waschen zu versorgen. Der Mast war ein Trittstein, der sein Leben verbesserte.
Ein Autor schlägt vor, aus Stolpersteinen Trittsteine zu machen, die zu einem edlen Charakter und zum Himmel führen.
Wenn wir in unserem Zeugnis von Jesus tapfer sind, ist dies ein Trittstein, der uns dahin bringt, der Gnade des Erretters und des celestialen Reiches würdig zu werden. Jesus Christus ist der einzige Name unter dem Himmel, durch den wir errettet werden können. Voller Gewissheit gebe ich Zeugnis für den Sohn Gottes und seine alles überragende Rolle im Plan des Vaters. Im Namen Jesu Christi. Amen.