2010–2019
Ich trage das Licht des Evangeliums in mein Zuhause
Oktober 2016


11:57

Ich trage das Licht des Evangeliums in mein Zuhause

Wir können das Licht des Evangeliums in unser Zuhause, unsere Schule und an den Arbeitsplatz tragen, wenn wir auf das Gute in anderen achten und positiv übereinander reden.

Viele von Ihnen sind der Aufforderung von Schwester Linda K. Burton bei der Frühjahrs-Generalkonferenz gefolgt und haben sich einfühlsam und großherzig an Hilfsaktionen für Flüchtlinge in Ihrer Umgebung beteiligt. Manche haben Einzelnen geholfen, andere sich an groß angelegten Aktionen beteiligt. All das geschah aus Liebe. Sie haben Zeit, Talente und Hilfsgüter eingesetzt und dabei wurde Ihnen – und den Flüchtlingen – das Herz leichter. Wahre Nächstenliebe führt unweigerlich zu mehr Hoffnung und Glauben und zu noch größerer Liebe zwischen Empfänger und Geber.

Der Prophet Moroni erklärt uns, dass man Nächstenliebe braucht, um mit dem himmlischen Vater im celestialen Reich leben zu können. Er schreibt: „Wenn ihr keine Nächstenliebe habt, könnt ihr keineswegs im Reich Gottes errettet werden.“

Jesus Christus selbst verkörpert die Nächstenliebe auf vollkommene Weise. Sein Anerbieten im vorirdischen Dasein, unser Erretter zu sein, sein Umgang mit den Menschen während seiner Zeit auf Erden, das göttliche Geschenk seines Sühnopfers und seine steten Versuche, uns zu unserem Vater im Himmel zurückzubringen, sind der höchste Ausdruck von Nächstenliebe. In all seinem Handeln hat er nur eines im Blick: die Liebe zu seinem Vater, die sich in seiner Liebe zu jedem Einzelnen von uns kundtut. Als Jesus nach dem wichtigsten Gebot gefragt wurde, antwortete er:

„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken.

Das ist das wichtigste und erste Gebot.

Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“

Eine sehr gute Möglichkeit, wie wir Nächstenliebe entwickeln und zeigen können, besteht darin, in unseren Gedanken und Worten großherzig zu sein. Vor einigen Jahren stellte eine liebe Freundin fest: „Möglicherweise ist die größte Form der Nächstenliebe, nicht zu richten.“ Das gilt auch heute noch.

Als die drei Jahre alte Alyssa vor kurzem mit ihren Geschwistern einen Film ansah, sagte sie verwundert: „Mama, das Huhn ist aber komisch!“

Ihre Mutter schaute auf den Bildschirm und sagte lächelnd: „Schatz, das ist ein Pfau.“

Wie dieses unwissende dreijährige Mädchen bewerten auch wir andere manchmal, ohne alles über sie zu wissen. Während wir den Blick auf das Anderssein und die vermeintlichen Schwächen unserer Mitmenschen richten, sieht der Vater im Himmel in seinen Kindern, die nach seinem ewigen Abbild geschaffen wurden, ihr herrliches Potenzial.

Präsident James E. Faust soll einmal gesagt haben: „Je älter ich werde, desto weniger verurteile ich.“ Das erinnert mich an diese Feststellung des Apostels Paulus:

„Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind und urteilte wie ein Kind. Als ich [älter] wurde, legte ich ab, was Kind an mir war.

Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich unvollkommen, dann aber werde ich durch und durch erkennen, so wie ich auch durch und durch erkannt worden bin.“

Wenn wir unsere eigenen Unvollkommenheiten klarer erkennen, sehen wir auch andere nicht nur als „rätselhafte Umrisse“. Dann sehen wir mit dem Licht des Evangeliums andere so, wie der Erretter sie sieht – mit Mitgefühl, Hoffnung und Nächstenliebe. Eines Tages werden wir einen ungetrübten Blick ins Herz anderer haben und dankbar sein für die Barmherzigkeit, die uns geschenkt wird – so wie auch wir auf Erden in Gedanken und Worten anderen wohltätig begegnen.

Vor ein paar Jahren habe ich mit einigen Jungen Damen eine Kanutour gemacht. Die tiefblauen Seen, von dicht bewaldeten Hügeln und Felsklippen umgeben, waren atemberaubend schön. Das Wasser glitzerte, als wir die Paddel in das klare Wasser tauchten, und die Sonne schien und wärmte uns, während wir über den See glitten.

Doch bald trübten Wolken den Himmel und ein steifer Wind kam auf. Um überhaupt voranzukommen, mussten wir kräftig ziehen und zügig hintereinander paddeln. Nach mehreren strapaziösen Stunden umrundeten wir schließlich eine Landzunge und stellten erstaunt und hocherfreut fest, dass der Wind nun in die Richtung blies, in die wir fahren wollten.

Das machten wir uns gleich zunutze. Wir nahmen eine kleine Plane und banden zwei Ecken an Paddel und die anderen Ecken an die Füße meines Mannes, der sie über beide Seiten des Kanus hinausstreckte. Der Wind blies das improvisierte Segel auf und wir fuhren davon!

Als die Jungen Damen in den anderen Kanus sahen, wie leicht wir vorankamen, bauten sie sich auch schnell ein Segel. Wir lachten vor Erleichterung und waren dankbar für diese Erholungspause nach all der Anstrengung.

So wunderbar wie dieser Wind kann ein ehrliches Kompliment eines Freundes, eine freudige Begrüßung der Eltern, ein zustimmendes Nicken von Geschwistern oder das Lächeln eines Kollegen oder Klassenkameraden sein. Das alles ist wie frischer Wind in unserem Segel, während wir mit den Herausforderungen des Lebens ringen. Präsident Thomas S. Monson drückt es so aus: „Wir bestimmen zwar nicht, wohin der Wind weht, aber wir können die Segel richtig setzen. Um größtmögliches Glück, Frieden und Zufriedenheit zu erreichen, sollten wir uns zu einer positiven Einstellung entschließen.“

Worte besitzen eine überraschend große Macht. Sie können aufbauen oder zerstören. Wir können uns wahrscheinlich alle an Worte erinnern, die uns mutlos gemacht haben, aber auch an liebevolle Worte, die unserem Geist Flügel verliehen haben. Wenn wir uns entscheiden, über andere und zu anderen nur Positives zu sagen, bauen wir unsere Mitmenschen auf und helfen anderen, ebenfalls dem Weg des Erretters zu folgen.

Kreuzsticharbeit mit dem Spruch „Ich trage das Licht des Evangeliums in mein Zuhause“

Als PV-Kind arbeitete ich fleißig daran, einen einfachen Spruch zu sticken: „Ich trage das Licht des Evangeliums in mein Zuhause.“ Eines Nachmittags, als wir Mädchen unsere Nadeln durch den Stoff führten, erzählte uns unsere Lehrerin die Geschichte eines Mädchens, das auf einem Hügel am Ende eines Tals wohnte. Jeden Abend sah es auf dem Hügel auf der anderen Seite des Tals ein Haus mit golden glänzenden Fenstern. Das Haus seiner Familie war klein und etwas heruntergekommen, und das Mädchen träumte davon, in dem schönen Haus mit den goldenen Fenstern zu wohnen.

Eines Tages durfte das Mädchen mit dem Fahrrad hinüber auf die andere Seite des Tals fahren. Es fuhr schnell zu dem Haus mit den goldenen Fenstern, das es schon so lange bewunderte. Doch als das Mädchen vom Fahrrad stieg, sah es, dass das Haus leer stand und verfallen war. Der Garten war mit Unkraut überwuchert und die Fenster waren dreckig und nur aus Holz. Traurig wandte sich das Mädchen wieder um. Zu seiner großen Überraschung sah es auf dem Hügel auf der anderen Seite des Tals ein Haus mit golden glänzenden Fenstern und stellte fest, dass es sein Zuhause war!

Manchmal sind wir wie dieses Mädchen und sehen, was andere zu haben oder zu sein scheinen, und meinen, wir könnten nicht mithalten. Wir richten den Blick bloß auf die Darstellungen auf Pinterest oder Instagram oder werden in das Wettbewerbsverhalten an der Schule oder am Arbeitsplatz hineingezogen. Wenn wir uns jedoch einen Moment Zeit nehmen, um unseren „großen Segen“ zu betrachten, erlangen wir eine unverfälschtere Sichtweise und erkennen, dass Gott zu allen seinen Kindern gütig ist.

Ob wir 8 oder 108 sind, wir können das Licht des Evangeliums in unser Zuhause tragen, ob das eine Wohnung in einem Hochhaus in Manhattan, ein Stelzenhaus in Malaysia oder eine Jurte in der Mongolei ist. Wir können bewusst auf das Gute in unseren Mitmenschen und in unserer Lebenssituation achten. Junge und nicht mehr so junge Frauen in aller Welt können Nächstenliebe zeigen und Worte wählen, durch die andere in ihrem Selbstvertrauen und ihrem Glauben gestärkt werden.

Elder Jeffrey R. Holland erzählte von einem jungen Mann, der in seiner Schulzeit ständig von seinen Mitschülern gehänselt wurde. Einige Jahre später zog er fort, ging zum Militär, erhielt eine Ausbildung und wurde in der Kirche aktiv. In dieser Zeit machte er wunderbare Erfahrungen und hatte viel Erfolg.

Nach mehreren Jahren kehrte er in seine Heimatstadt zurück. Die Leute erkannten seine Entwicklung und seine Fortschritte jedoch nicht an. Für sie war er immer noch nur der alte Soundso, und so behandelten sie ihn auch. Nach und nach wurde dieser gute Mann zu einem Schatten seines vorherigen erfolgreichen Selbst. Er konnte die wunderbaren Talente, die er entwickelt hatte, nicht zum Segen seiner Mitmenschen nutzen, die ihn wieder verspotteten und zurückwiesen. Was für ein Verlust, für ihn und für die ganze Gesellschaft!

Der Apostel Petrus verkündete: „Vor allem haltet fest an der Liebe zueinander; denn die Liebe deckt viele Sünden zu.“Wir zeigen, dass wir an der Liebe festhalten, wenn wir die Fehler und Irrtümer unserer Mitmenschen vergessen, statt einen Groll zu hegen oder uns und die anderen immer wieder an frühere Verfehlungen zu erinnern.

Es ist unsere Pflicht und unser Recht, die positiven Veränderungen eines jeden anzuerkennen, während wir danach streben, unserem Erretter Jesus Christus ähnlicher zu werden. Wie herrlich ist es doch, wenn jemand das Sühnopfer Jesu Christi verstanden hat und tatsächlich Änderungen vornimmt und man in seinen Augen Licht sehen kann! Missionare, die die Freude erlebt haben, wenn ein Bekehrter in die Wasser der Taufe steigt und später durch die Türen des Tempels tritt, können bezeugen, welch Segen es ist, wenn man anderen die Gelegenheit gibt – und sie dazu anspornt –, sich zu ändern. Mitglieder, die Bekehrte willkommen heißen, die man auf den ersten Blick nicht in der Kirche vermutet hätte, finden Erfüllung darin, sie die Liebe des Herrn spüren zu lassen. Das Wunderbare am Evangelium Jesu Christi ist, dass wir wirklich ewig Fortschritt machen können. Es wird uns nicht nur ermöglicht, uns zum Besseren zu verändern, sondern wir werden dazu auch angespornt; ja, es ist uns sogar geboten, uns stets weiter zu verbessern, bis wir einmal vollkommen sind.

Präsident Thomas S. Monson hat uns geraten: „In vielfältiger Art und Weise strahlt eine jede von Ihnen Nächstenliebe aus. … Verurteilen und kritisieren wir einander doch nicht, sondern empfinden wir die reine Liebe Christi für diejenigen, die mit uns den Lebensweg beschreiten. Halten Sie sich vor Augen, dass eine jede von Ihnen ihr Bestes gibt, die Herausforderungen, die ihr begegnen, zu bewältigen. Bemühen Sie sich, Ihr Bestes zu geben, um dabei zu helfen.“

Wer Nächstenliebe besitzt, ist geduldig, freundlich und zufrieden. Er setzt andere an die erste Stelle, ist demütig, selbstdiszipliniert, achtet auf das Gute in anderen und freut sich, wenn jemandem etwas gelingt.

Werden wir als Schwestern (und Brüder) in Zion „vereint … wirken [und] dienen und helfen und lieben, wie [der Erretter] es getan“? Können wir, voller Liebe und mit großer Hoffnung, auf die schönen Wesenszüge in anderen achten und dabei Fortschritt zulassen und fördern? Können wir uns an den Erfolgen anderer freuen, während wir weiter daran arbeiten, uns selbst zu verbessern?

Ja, wir können das Licht des Evangeliums in unser Zuhause, unsere Schule und an den Arbeitsplatz tragen, wenn wir auf das Gute in anderen achten und positiv übereinander reden und die Unvollkommenheiten verblassen lassen. Mich erfüllt große Dankbarkeit, wenn ich daran denke, dass unser Erretter Jesus Christus uns allen, die wir in dieser unvollkommenen und manchmal schwierigen Welt unweigerlich sündigen, die Umkehr ermöglicht hat.

Ich bezeuge, dass wir die Gabe der Nächstenliebe empfangen können, wenn wir seinem vollkommenen Beispiel folgen. Sie wird uns große Freude in diesem Leben bringen und den verheißenen Segen des ewigen Lebens mit unserem Vater im Himmel. Im Namen Jesu Christi. Amen.