Was wir von Alma und Amulek lernen
Ich hoffe, dass diejenigen, die vom Weg eines Jüngers abgeirrt sind, mit dem Herzen sehen und von Alma und Amulek lernen.
Alma der Jüngere
Eine der unvergesslichsten Figuren in den heiligen Schriften ist Alma der Jüngere. Er war der Sohn eines bedeutenden Propheten, und doch kam er eine Zeit lang vom Weg ab und wurde ein „schlechter und götzendienerischer Mensch“. Aus Gründen, die wir nur vermuten können, lehnte er sich offen gegen seinen Vater auf und trachtete danach, die Kirche zu vernichten. Dank seiner Wortgewandtheit und Überzeugungskraft hatte er damit großen Erfolg.
Doch Almas Leben änderte sich, als ihm ein Engel des Herrn erschien und mit Donnerstimme sprach. Drei Tage und drei Nächte lang wurde er „von ewiger Qual gepeinigt, … selbst mit den Schmerzen einer verdammten Seele“. Doch dann, irgendwie, brachte eine schwache Erinnerung Licht in seinen verfinsterten Verstand – eine ewige Wahrheit, die sein Vater gelehrt hatte, nämlich dass Jesus Christus kommen werde, „um für die Sünden der Welt zu sühnen“. Alma hatte derlei Auffassungen schon lange zuvor verworfen, doch nun gab er diesem Gedanken Raum und er setzte sein Vertrauen demütig und aufrichtig in die sühnende Macht Christi.
Danach war Alma nicht mehr derselbe. Von diesem Augenblick an wandte er sein ganzes Leben dafür auf, den von ihm angerichteten Schaden wiedergutzumachen. Er ist ein eindrucksvolles Beispiel für Umkehr, Vergebung und unerschütterliche Treue.
Letztlich wurde Alma als Nachfolger seines Vaters als Oberhaupt der Kirche Gottes erwählt.
Jeder Angehörige des nephitischen Volkes muss Almas Geschichte gekannt haben. Hätte es zu seiner Zeit Twitter, Instagram oder Facebook gegeben, hätte man dort zuhauf Bilder und Geschichten über ihn finden können. Vermutlich war er regelmäßig auf der Titelseite des Zarahemlaer Wochenboten zu sehen und Gegenstand von Leitartikeln und Sondersendungen. Vielleicht war er sogar der bekannteste Prominente seiner Zeit.
Als Alma jedoch sah, dass sein Volk Gott vergaß und in Stolz und Streit verfiel, beschloss er, sein öffentliches Amt aufzugeben und „sich gänzlich auf das Hohe Priestertum der heiligen Ordnung Gottes“ zu beschränken und unter den Nephiten Umkehr zu predigen.
Anfänglich hatte Alma großen Erfolg. Doch dann kam er nach Ammoniha. Die Einwohner der Stadt wussten nur zu genau, dass Alma keine politische Macht mehr hatte, und seiner Priestertumsvollmacht brachten sie nur wenig Achtung entgegen. Sie beschimpften und verhöhnten ihn und trieben ihn aus der Stadt.
Voller Kummer kehrte Alma der Stadt Ammoniha den Rücken.
Doch ein Engel gebot ihm, dorthin zurückzugehen.
Das muss man sich einmal vorstellen: Ihm wurde geboten, zu Menschen zurückzugehen, die ihn verabscheuten und der Kirche feindlich gesinnt waren. Dieser Auftrag war riskant und vielleicht sogar lebensbedrohlich. Doch Alma zögerte nicht. Er kehrte schnell zurück.
Alma hatte viele Tage gefastet, ehe er die Stadt betrat. Dort fragte er einen wildfremden Mann, ob er einem demütigen Knecht Gottes etwas zu essen geben würde.
Amulek
Der Mann hieß Amulek.
Amulek war wohlhabend und in Ammoniha kein Unbekannter. Viele seiner Vorfahren waren zwar gläubig gewesen, doch sein eigener Glaube war erkaltet. Später bekannte er: „Ich wurde oft gerufen, und ich wollte nicht hören; darum wusste ich von all diesem, doch ich wollte es nicht wissen; darum lehnte ich mich weiter … gegen Gott auf.“
Doch Gott bereitete Amulek vor, und als Amulek mit Alma zusammentraf, nahm er den Diener des Herrn bei sich zu Hause auf, wo Alma viele Tage blieb. In dieser Zeit öffnete Amulek der Botschaft Almas das Herz und er erlebte eine erstaunliche Wandlung. Von da an glaubte Amulek nicht nur, sondern er setzte sich auch unablässig für die Wahrheit ein.
Als Alma sich erneut unter die Einwohner Ammonihas begab, um ihnen zu predigen, hatte er einen zweiten Zeugen an seiner Seite – Amulek, einen der ihren.
Was nun folgte, ist zugleich eine der schmerzlichsten, aber auch schönsten Schilderungen, die in den heiligen Schriften zu finden sind. Zu lesen ist sie in Alma, Kapitel 8 bis 16.
Heute möchte ich Sie bitten, zwei Fragen zu betrachten:
Erstens: Was kann ich von Alma lernen?
Zweitens: Inwiefern bin ich wie Amulek?
Was kann ich von Alma lernen?
Zunächst möchte ich alle früheren, derzeitigen oder künftigen Führer in der Kirche Jesu Christi fragen: „Was können Sie von Alma lernen?“
Alma war ein außergewöhnlich begabter und fähiger Mann. Man hätte leicht meinen können, dass er niemandes Hilfe brauchte. Doch was tat Alma bei seiner Rückkehr nach Ammoniha?
Er traf auf Amulek und bat ihn um Hilfe.
Und er bekam Hilfe.
Woran es auch liegen mag, als Führer zögern wir manchmal, uns einen Amulek zu suchen und ihn um Hilfe zu bitten. Vielleicht denken wir, dass wir die Arbeit besser selbst bewältigen können, oder wir wollen anderen nicht zur Last fallen oder wir gehen davon aus, dass andere nicht mithelfen wollen. Zu oft halten wir uns zurück damit, andere zu ermuntern, ihre gottgegebenen Talente einzusetzen und sich dem großen Erlösungswerk zu widmen.
Denken wir nur an den Erretter – hat er seine Kirche alleine aufgerichtet?
Nein.
Seine Botschaft lautete nicht: „Halte dich zurück! Ich mach das schon.“ Vielmehr sagte er: „Komm und folge mir nach!“ Er inspirierte, ermunterte und unterwies seine Jünger und gebot ihnen voller Vertrauen, „das zu tun, was ihr mich habt tun sehen“. Auf diese Weise baute Jesus Christus nicht nur seine Kirche auf, sondern auch seine Diener.
Welches Amt Sie derzeit auch innehaben – sei es Diakonskollegiumspräsident, Pfahlpräsident oder Gebietspräsident –, Sie werden nur Erfolg haben, wenn Sie sich einen Amulek suchen.
Das mag jemand sein, der ganz bescheiden ist oder in der Gemeinde kaum auffällt. Das mag jemand sein, der augenscheinlich nicht willens oder nicht fähig ist, mitzuarbeiten. Ihr Amulek mag jung sein oder alt, Mann oder Frau, unerfahren, erschöpft oder nicht aktiv in der Kirche. Doch was man unter Umständen nicht auf den ersten Blick erkennt, ist die Hoffnung, aus Ihrem Mund zu hören: „Der Herr braucht dich! Ich brauche dich!“
Tief im Inneren möchten viele ihrem Gott dienen. Sie möchten ein Werkzeug in seiner Hand sein. Sie möchten die Sichel einschlagen und mit aller Kraft dabei mithelfen, die Erde auf die Rückkehr unseres Erretters vorzubereiten. Sie möchten seine Kirche aufbauen. Doch sie zögern noch. Sie möchten ermuntert werden.
Bitte überlegen Sie sich, wer in Ihrer Gemeinde oder Ihrem Zweig, in Ihrer Mission oder Ihrem Pfahl zur Tat gerufen werden muss. Der Herr wirkt auf die Betreffenden ein, bereitet sie vor, erweicht ihnen das Herz. Machen Sie sie ausfindig, indem Sie mit dem Herzen sehen.
Gehen Sie auf sie zu. Unterweisen Sie sie. Inspirieren Sie sie. Ermuntern Sie sie.
Sagen Sie ihnen, was der Engel zu Amulek gesagt hat, nämlich dass der Segen des Herrn auf ihnen und ihrem Haus ruhen wird. Vielleicht lernen Sie dann zu Ihrer Überraschung einen tapferen Diener des Herrn kennen, der andernfalls womöglich im Verborgenen geblieben wäre.
Inwiefern bin ich wie Amulek?
Während einige von uns nach einem Amulek Ausschau halten sollten, lautet für andere die Frage eher: Inwiefern bin ich wie Amulek?
Vielleicht hat über die Jahre Ihr Engagement als Jünger ein wenig nachgelassen. Vielleicht ist die Flamme Ihres Zeugnisses schwächer geworden. Vielleicht haben Sie sich vom Leib Christi entfernt. Vielleicht sind Sie desillusioniert oder sogar erzürnt. Wie einige Heilige im alten Ephesus haben Sie vielleicht Ihre erste Liebe verlassen – die erhabenen, ewigen Wahrheiten des Evangeliums Jesu Christi.
Vielleicht wissen Sie wie Amulek im Herzen, dass der Herr Sie oft gerufen hat, Sie aber nicht hören wollten.
Dennoch sieht der Herr in Ihnen, was er in Amulek gesehen hat: das Potenzial eines tapferen Dieners, der ein wichtiges Werk zu verrichten hat und der ein Zeugnis besitzt, das es zu geben gilt. Es gibt etwas beizutragen, was niemand sonst in gleicher Weise leisten kann. Der Herr hat Ihnen sein heiliges Priestertum anvertraut, dem das göttliche Potenzial innewohnt, andere zu segnen und emporzuheben. Hören Sie mit dem Herzen zu und folgen Sie den Eingebungen des Geistes.
Der Weg eines Mitglieds
Mir ging nahe, was ein Bruder erlebt hat, der sich fragte: Werde ich es hören, wenn der Herr ruft? Ich nenne diesen guten Bruder David.
David bekehrte sich vor gut 30 Jahren zur Kirche. Er erfüllte eine Mission und studierte anschließend Jura. Während er studierte und den Lebensunterhalt für seine junge Familie verdiente, stieß er auf Informationen über die Kirche, die ihn durcheinanderbrachten. Je mehr er von diesen negativen Aussagen las, desto mehr warf es ihn aus der Bahn. Schließlich bat er darum, seinen Namen aus den Büchern der Kirche zu streichen.
Von da an verbrachte David, ganz so wie Alma in seiner aufrührerischen Zeit, viel Zeit damit, mit Mitgliedern der Kirche zu debattieren. Er verwickelte sie online in Konversationen mit dem Ziel, ihre Überzeugungen in Frage zu stellen.
Dabei ging er sehr geschickt vor.
Eines der Mitglieder, mit dem er debattierte, nenne ich hier Jacob. Jacob begegnete David stets freundlich und respektvoll, aber er setzte sich auch unnachgiebig für die Kirche ein.
Über die Jahre brachten David und Jacob einander nicht nur Respekt entgegen, sondern wurden auch Freunde. David wusste jedoch nicht, dass Jacob für ihn betete und das unablässig für mehr als ein Jahrzehnt. Er setzte den Namen seines Freundes sogar auf die Gebetslisten in den Tempeln des Herrn und hoffte, dass David das Herz erweicht werden würde.
Mit der Zeit und ganz allmählich wandelte sich David. Immer wieder dachte er mit Freude an die geistigen Erlebnisse zurück, die er einst gehabt hatte, und er erinnerte sich daran, wie glücklich er als Mitglied der Kirche gewesen war.
Wie Alma hatte auch David die Evangeliumswahrheiten, die er einst angenommen hatte, nicht gänzlich vergessen. Und wie Alma spürte auch David, dass der Herr die Hand nach ihm ausstreckte. David war nun Teilhaber in einer Anwaltskanzlei, eine angesehene Tätigkeit. Er hatte sich als Kritiker der Kirche einen Namen gemacht und sein Stolz hielt ihn davon ab, um Wiederaufnahme zu bitten.
Und dennoch spürte er weiterhin, wie der Hirte ihn zu sich zog.
Er nahm sich diese Worte aus den Schriften zu Herzen: „Fehlt es aber einem von euch an Weisheit, dann soll er sie von Gott erbitten; Gott wird sie ihm geben, denn er gibt allen gern und macht niemand einen Vorwurf.“ Er betete: „Lieber Gott, ich möchte wieder ein Heiliger der Letzten Tage sein, aber ich habe Fragen, die eine Antwort brauchen.“
Wie noch nie zuvor hörte er auf die Einflüsterungen des Geistes und die inspirierten Antworten von Freunden. Einer nach dem anderen verwandelten sich seine Zweifel in Glauben, bis er schließlich erkannte, dass sich in ihm erneut ein Zeugnis von Jesus Christus und seiner wiederhergestellten Kirche regte.
An diesem Punkt wusste er, dass er in der Lage war, seinen Stolz zu überwinden und alles zu tun, was nötig war, um wieder in die Kirche aufgenommen zu werden.
Schließlich stieg David in die Wasser der Taufe und zählte die Tage, bis er sich seine Segnungen wiederherstellen lassen konnte.
Ich freue mich, berichten zu können, dass jetzt im Sommer Davids Segnungen wiederhergestellt wurden. Er beteiligt sich wieder ohne Abstriche am Kirchenleben und dient in seiner Gemeinde als Lehrer in der Evangeliumslehreklasse. Er lässt keine Gelegenheit aus, anderen von seiner Wandlung zu erzählen, den Schaden zu beheben, den er angerichtet hat, und Zeugnis für das Evangelium und die Kirche Jesu Christi abzulegen.
Zum Abschluss
Meine lieben Brüder, meine lieben Freunde, machen wir die Amuleks in unseren Gemeinden und Pfählen ausfindig, inspirieren wir sie und bauen wir auf sie. In der heutigen Kirche gibt es manch einen Amulek.
Vielleicht kennen Sie einen. Vielleicht sind Sie selber einer.
Vielleicht flüstertet der Herr Ihnen ja zu und drängt Sie, zu Ihrer ersten Liebe zurückzukehren, Ihre Talente einzubringen, würdig das Priestertum auszuüben und an der Seite Ihrer Brüder und Schwestern zu dienen, um Jesus Christus näherzukommen und das Reich Gottes hier auf Erden aufzubauen.
Unser geliebter Erretter weiß, wo Sie sie sind. Er kennt Ihr Herz. Er möchte Sie retten. Er streckt die Hand nach Ihnen aus. Öffnen Sie ihm einfach das Herz. Ich hoffe, dass diejenigen, die vom Weg eines Jüngers abgeirrt sind – und seien es auch nur ein paar Grad –, darüber nachdenken, wie gütig und gnädig Gott ist, mit dem Herzen sehen, von Alma und Amulek lernen und diese lebensverändernden Worte des Erretters vernehmen: „Komm und folge mir nach!“
Bitte folgen Sie seinem Ruf, denn die Ernte des Himmels wird gewisslich Ihnen gehören. Der Segen des Herrn wird auf Ihnen und Ihrem Haus ruhen.
Davon gebe ich Zeugnis, und ich segne Sie als ein Apostel des Herrn. Im Namen Jesu Christi. Amen.