2010–2019
Innerlich immer wieder aufstehen und mit ganzem Herzen dabei sein
April 2017


11:59

Innerlich immer wieder aufstehen und mit ganzem Herzen dabei sein

Mögen wir unseren Kurs neu berechnen, wenn es nötig ist, und mit großer Hoffnung und Glauben in die Zukunft blicken. Mögen wir innerlich immer wieder aufstehen und tapfer mit ganzem Herzen dabei sein.

Vor ein paar Jahren rannte unsere kleine Enkelin auf mich zu und verkündete aufgeregt: „Opa, Opa, ich habe heute bei meinem Fußballspiel alle drei Tore geschossen!“

Begeistert entgegnete ich: „Das ist ja toll, Sarah!“

Ihre Mutter sah mich daraufhin augenzwinkernd an und meinte: „Es ist 2:1 ausgegangen.“

Ich traute mich gar nicht zu fragen, wer gewonnen hatte!

Bei der Generalkonferenz können wir in uns gehen, Offenbarung empfangen und uns manchmal auch neu ausrichten.

Es gibt eine Autovermietung, die mit ihrem Navigationssystem NeverLost quasi verspricht, dass man sich nie verfährt. Biegt man falsch ab, nachdem man das gewünschte Ziel eingegeben hat, wird man nicht getadelt, sondern hört die sehr angenehme Ansage: „Route wird neu berechnet – wenn möglich, bitte wenden.“

In Ezechiel lesen wir diese wunderbare Verheißung:

„Wenn der Schuldige sich von allen Sünden, die er getan hat, abwendet, auf alle meine Gesetze achtet und nach Recht und Gerechtigkeit handelt, dann wird er bestimmt am Leben bleiben und nicht sterben.

Keines der Vergehen, deren er sich schuldig gemacht hat, wird ihm angerechnet.“

Was für eine fabelhafte Verheißung! Allerdings muss man zweierlei tun, damit sie sich erfüllt: sich von allem abwenden und auf alles achten. Und dann erlangt man für alles Vergebung. Man muss also mit ganzem Herzen dabei sein!

Wir dürfen nicht wie der Mann sein, der einem Bericht im Wall Street Journal zufolge einen Umschlag mit Bargeld ans Finanzamt schickte und einen anonymen Brief beilegte, worin stand: „Liebes Finanzamt, anbei erhalten Sie Steuergeld, das ich noch schulde. P.S.: Sollte ich jetzt immer noch Gewissensbisse bekommen, schicke ich Ihnen auch den Rest.“

Das ist nicht unsere Art! Wir halten uns nicht zurück, um herauszufinden, wo das Mindestmaß liegt, mit dem wir davonkommen. Der Herr fordert das Herz und einen willigen Sinn. Und zwar das ganze Herz! Bei der Taufe werden wir vollständig untergetaucht – zum Zeichen unseres Versprechens, dem Erretter voll und ganz zu folgen und nicht nur halbherzig. Wenn wir uns voll und ganz verpflichten und mit ganzem Herzen dabei sind, erbebt der Himmel zu unserem Guten. Wenn wir lau sind oder uns nur teilweise verpflichten, entgehen uns einige der kostbarsten Segnungen des Himmels.

Vor vielen Jahren fuhr ich mit den Scouts zum Zelten in die Wüste. Die Jungs schliefen bei einem großen Feuer, das sie gemacht hatten, ich hingegen, wie jeder gute Scoutführer, hinten in meinem Pickup. Als ich mich morgens aufsetzte und auf das Lager blickte, sah ich einen Scout, den ich Paul nennen werde. Er sah ziemlich mitgenommen aus. Ich fragte ihn, wie er geschlafen habe, und er antwortete: „Nicht so gut.“

Als ich ihn nach dem Grund fragte, sagte er: „Mir war kalt. Das Feuer ist ausgegangen.“

Ich entgegnete: „Ja, ein Feuer geht schon mal aus. War dein Schlafsack denn nicht warm?“

Keine Antwort.

Da rief einer der anderen Scouts: „Er hat den Schlafsack ja gar nicht benutzt.“

Fassungslos fragte ich: „Aber wieso denn nicht, Paul?“

Stille. Dann endlich kam verlegen die Antwort: „Na ja, ich dachte, wenn ich meinen Schlafsack nicht ausrolle, muss ich ihn auch nicht wieder aufrollen.“

Tatsächlich fror er stundenlang, weil er sich fünf Minuten Arbeit ersparen wollte. Vielleicht denken wir: So etwas Dummes! Wer macht denn sowas? Aber wir alle machen ständig sowas, und zwar in viel gefährlicherer Hinsicht. Wir weigern uns nämlich, geistig den Schlafsack auszurollen, wenn wir uns nicht die Zeit nehmen, jeden Tag aufrichtig zu beten, zu studieren und ernsthaft das Evangelium zu leben. Dann geht nicht nur das Feuer aus, sondern wir sind schutzlos und erkalten geistig.

Wenn uns unsere Bündnisse gleichgültig sind, machen wir uns mitschuldig an den Folgen. Der Herr ermahnt uns, „achtzuhaben in Bezug auf euch selbst und den Worten des ewigen Lebens eifrig Beachtung zu schenken“. Weiter verkündet er: „Mein Blut wird sie nicht säubern, wenn sie nicht auf mich hören.“

Tatsächlich ist es viel einfacher, mit ganzem Herzen dabei zu sein, als nur halbherzig. Wenn wir nur halbherzig oder gar nicht dabei sind, erfolgt, wie es in Star Wars heißt, eine „Erschütterung der Macht“. Dann sind wir nicht im Einklang mit dem Willen Gottes und daher auch nicht mit der Natur des Glücklichseins. Jesaja sagt:

„Die Ruchlosen sind wie das aufgewühlte Meer, das nie zur Ruhe kommen kann und dessen Wasser Schmutz aufwühlt und Schlamm.

Die Ruchlosen finden keinen Frieden, spricht mein Gott.“

Zum Glück sind wir unabhängig davon, wo wir sind oder wo wir waren, nicht außerhalb der Reichweite des Erretters, der sagt: „Darum, wer umkehrt und zu mir kommt wie ein kleines Kind, den werde ich empfangen, denn solchen gehört das Reich Gottes. Siehe, für solche habe ich mein Leben niedergelegt und habe es wieder aufgenommen.“

Wenn wir immer wieder umkehren und auf den Herrn bauen, schöpfen wir Kraft und erlangen die Demut und den Glauben eines kleinen Kindes, erweitert um die Weisheit, die unsere Lebenserfahrung mit sich bringt. Ijob verkündet: „Doch der Gerechte hält fest an seinem Weg, wer reine Hände hat, gewinnt an Kraft.“ Tennyson schreibt: „Meine Stärke ist wie die Stärke von zehn, denn mein Herz ist rein.“ Der Herr rät uns: „Steht an heiligen Stätten und wankt nicht.“

Unser Sohn Justin erlag mit 19 Jahren einer lebenslangen Krankheit. In einer Ansprache, die er kurz vor seinem Tod in der Abendmahlsversammlung hielt, erzählte er eine Geschichte, die ihm viel bedeutet haben muss. Sie handelte von einem Vater und dessen kleinem Sohn, die in einem Spielwarengeschäft einen aufblasbaren Boxsack in Form eines Mannes sahen. Der Junge versetzte dem aufblasbaren Mann mehrere Schläge. Dieser kippte zwar stets um, richtete sich dann aber sofort wieder auf. Der Vater fragte seinen kleinen Sohn, wieso sich der Mann wohl immer wieder aufrichtete. Der Junge überlegte kurz und sagte dann: „Keine Ahnung. Vielleicht, weil er innerlich immer wieder aufsteht.“ Damit man mit ganzem Herzen dabei ist, muss man „innerlich immer wieder aufstehen“, „was immer kommen mag“.

Wir stehen innerlich immer wieder auf, wenn wir geduldig darauf warten, dass der Herr uns den Stachel im Fleisch entweder entfernt oder uns die Kraft gibt, ihn zu ertragen. Ein solcher Stachel kann ein körperliches Leiden sein, eine Behinderung, eine psychische Erkrankung, der Tod eines geliebten Menschen und vieles mehr.

Wir stehen innerlich immer wieder auf, wenn wir die herabgesunkenen Hände emporheben. Wir stehen innerlich immer wieder auf, wenn wir vor einer schlechten, säkularisierten Welt, für die das Licht immer unerträglicher wird, die das Böse gut und das Gute böse nennt und die „die Rechtschaffenen wegen ihrer Rechtschaffenheit schuldig“ spricht, für die Wahrheit einstehen.

Dass man trotz Schwierigkeiten innerlich immer wieder aufsteht, ist möglich durch ein reines Gewissen, die stärkende, tröstende Zusicherung des Heiligen Geistes und eine ewige Perspektive, die das irdische Verständnis übersteigt. Im vorirdischen Leben ließ uns die Aussicht auf das irdische Leben vor Freude jubeln. Wir waren mit ganzem Herzen dabei, als wir freudig beschlossen, den Plan unseres himmlischen Vaters tapfer zu verteidigen. Es ist an der Zeit, aufzustehen und seinen Plan erneut zu verteidigen!

Vor kurzem ist mein Vater mit 97 Jahren verstorben. Jedes Mal, wenn ihn jemand fragte, wie es ihm gehe, antwortete er: „Auf einer Skala von 1 bis 10 bin ich etwa bei 25!“ Selbst als dieser liebe Mann nicht mehr stehen oder auch nur sitzen und kaum mehr sprechen konnte, gab er noch immer die gleiche Antwort. Er stand innerlich immer wieder auf.

Als mein Vater 90 war, fragte ich ihn am Flughafen, ob ich ihm einen Rollstuhl besorgen könne. Er antwortete: „Nein, Gary – vielleicht, wenn ich alt werde.“ Dann setzte er hinzu: „Und wenn ich zu müde zum Gehen bin, kann ich ja immer noch losrennen.“ Wenn wir bei unserem derzeitigen Tempo nicht mit ganzem Herzen dabei sein können, müssen wir vielleicht losrennen; vielleicht müssen wir unsere Route neu berechnen. Vielleicht müssen wir sogar wenden. Vielleicht müssen wir intensiver studieren, ernsthafter beten oder einfach auf einiges verzichten, damit wir uns an dem festhalten können, was wirklich zählt. Vielleicht müssen wir auf die Welt verzichten, damit wir uns an der Ewigkeit festhalten können. Mein Vater hatte das begriffen.

Elder Sabins Vater bei der Marine

Als er im Zweiten Weltkrieg bei der Marine war, machten sich einige aus dem großen und geräumigen Gebäude über seine Grundsätze lustig. Zwei seiner Schiffskameraden, Dale Maddox und Don Davidson, denen dies auffiel, beteiligten sich nicht daran. Sie fragten: „Sabin, warum bist du so anders als alle anderen? Du hast hohe moralische Werte, du trinkst, rauchst und fluchst nicht und wirkst trotzdem gelassen und glücklich.“

Ihr positiver Eindruck von meinem Vater entsprach nicht dem, was sie über die Mormonen gehört hatten. Mein Vater konnte die beiden unterweisen und taufen. Dales Eltern waren sehr aufgebracht und warnten ihn, dass er seine Freundin Mary Olive verlieren würde, wenn er sich der Kirche anschloss. Doch auf seinen Wunsch traf sie sich mit den Missionaren und ließ sich ebenfalls taufen.

Gegen Ende des Krieges bat Präsident Heber J. Grant um mehr Missionare, darunter auch verheiratete Männer. 1946 beschlossen Dale und seine Frau Mary Olive, er solle auf Mission gehen, obwohl sie gerade ihr erstes Kind erwarteten. Im Laufe der Zeit bekamen sie neun Kinder: drei Jungen und sechs Mädchen. Alle neun gingen auf Mission, und danach erfüllten Dale und Mary Olive selbst drei Missionen. Dutzende ihrer Enkel sind ebenfalls auf Mission gegangen. Zwei ihrer Söhne, John und Matthew Maddox, sowie Matthews Schwiegersohn Ryan singen derzeit im Tabernakelchor. Insgesamt zählt die Familie Maddox heute 144 Köpfe und ist ein herrliches Beispiel dafür, mit ganzem Herzen dabei zu sein.

Mitglieder der Familie Maddox im Tabernakelchor

Als wir die Unterlagen meines Vaters durchgingen, fanden wir einen Brief von Jennifer Richards, einer der fünf Töchter des anderen Schiffskameraden, Don Davidson. Sie schrieb: „Ihre Rechtschaffenheit hat unser Leben verändert. Es ist kaum vorstellbar, wie unser Leben ohne die Kirche aussehen würde. Bis zu seinem Tod hat das Evangelium meinem Vater alles bedeutet, und er hat sich bis zum Ende bemüht, es zu leben.“

Welch positive Wirkung ein Einzelner haben kann, wenn er innerlich immer wieder aufsteht, lässt sich kaum ermessen. Mein Vater und seine zwei Schiffskameraden weigerten sich, auf diejenigen im großen und geräumigen Gebäude zu hören, die mit dem Finger der Verachtung auf sie deuteten. Sie wussten, dass es viel besser ist, dem Schöpfer zu folgen als der Masse.

Der Apostel Paulus könnte unsere Zeit beschrieben haben, als er Timotheus erklärte, dass „manche abgekommen [sind und] sich leerem Geschwätz zugewandt“ haben. Es gibt viel „leeres Geschwätz“ in der heutigen Welt. Es ist das Gerede derer im großen und geräumigen Gebäude. Es nimmt oft die Gestalt von Ausreden an, mit denen man Schlechtigkeit rechtfertigen will, oder zeigt sich, wenn sich jemand verfährt und dann noch Gas gibt. Manchmal ist es von denen zu hören, die nicht den Preis dafür bezahlt haben, mit ganzem Herzen dabei zu sein, und lieber dem natürlichen Menschen folgen als dem Propheten.

Zum Glück wissen wir, wie es für die Glaubenstreuen ausgeht. Wenn wir mit ganzem Herzen dabei sind, haben wir die allumfassende Gewissheit, dass „Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt“. Elder Neal A. Maxwell hat gesagt: „Haben Sie keine Angst, leben Sie einfach richtig!“

Mein Schwiegervater unterrichtete an der BYU und war Fan der dortigen Footballmannschaft. Er konnte sich jedoch nie dazu durchringen, die Spiele anzusehen, weil er sich über deren Ausgang zu viele Sorgen machte. Dann geschah etwas Grandioses: Der Videorekorder wurde erfunden! Nun konnte mein Schwiegervater die Spiele aufzeichnen. Wenn die BYU gewann, sah er sich das Spiel voller Zuversicht an, denn er wusste ja ganz genau, wie es ausgehen würde. Wurde jemand unfair bestraft oder verletzt oder lag die Mannschaft am Ende noch zurück, blieb er entspannt, weil er ja wusste, dass sie noch gewinnen würde. Man könnte sagen, er war „erfüllt vom vollkommenen Glanz der Hoffnung“.

Das gilt auch für uns. Wenn wir treu sind, können wir ebenso sicher sein, dass auch für uns am Ende alles gut ausgeht. Die Verheißungen des Herrn sind gewiss. Das bedeutet nicht, dass die Schule des Erdenlebens einfach ist und wir keine Tränen vergießen müssen. Paulus schreibt ja, dass das Große, das Gott denen bereit hat, die ihn lieben, noch kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und noch keinem Menschen in den Sinn gekommen ist.

Brüder und Schwestern, niemand hat morgen bereits gesündigt. Mögen wir unseren Kurs neu berechnen, wenn es nötig ist, und mit großer Hoffnung und Glauben in die Zukunft blicken. Mögen wir „innerlich immer wieder aufstehen“ und tapfer „mit ganzem Herzen dabei“ sein. Mögen wir rein sein und mutig für den Plan unseres himmlischen Vaters und die Mission seines Sohnes, unseres Erretters, einstehen. Ich gebe Ihnen mein Zeugnis, dass unser Vater lebt, dass Jesus der Messias ist und dass es den großen Plan des Glücklichseins wirklich gibt. Ich bitte den Herrn um seine kostbarsten Segnungen für Sie und tue dies im Namen Jesu Christi. Amen.