Generalkonferenz
Die Liebe Gottes
Herbst-Generalkonferenz 2021


13:11

Die Liebe Gottes

Unser Vater und unser Erlöser haben uns die Gebote als Segen gegeben, und wenn wir ihre Gebote halten, verspüren wir ihre vollkommene Liebe in größerem, intensiverem Maß

Unser Vater im Himmel empfindet eine tiefe und vollkommene Liebe für uns.1 Aus dieser Liebe heraus hat er einen Plan ausgearbeitet – einen Plan der Erlösung und des Glücklichseins, der uns all die Möglichkeiten und die Freude eröffnen soll, die wir empfangen möchten, ja, selbst all das, was er hat und was er ist.2 Um das zu erreichen, war er sogar bereit, seinen geliebten Sohn, Jesus Christus, als unseren Erlöser hinzugeben. „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.“3 Seine Liebe ist die reine Liebe eines Vaters – allgemeingültig für alle und doch persönlich zu jedem Einzelnen.

Jesus Christus hat diese vollkommene Liebe mit dem himmlischen Vater gemein. Als der Vater seinen großen Plan des Glücklichseins zu Beginn genauer darlegte, fragte er, wer als Erretter fungieren wolle, um uns zu erlösen – ein entscheidender Bestandteil dieses Plans. Jesus erbot sich freiwillig: „Hier bin ich, sende mich!“4 Der Erretter „tut nichts, was nicht der Welt zum Nutzen ist; denn er liebt die Welt, sodass er sogar sein eigenes Leben niederlegt, damit er alle Menschen zu sich ziehen kann. Darum gebietet er niemandem, nicht an der Errettung durch ihn teilzuhaben.“5

Diese göttliche Liebe sollte uns viel Trost und große Zuversicht schenken, wenn wir im Namen Christi zum Vater beten. Niemand von uns ist ihnen fremd. Wir können uns ohne zu zögern an Gott wenden, selbst wenn wir uns unwürdig fühlen. Wir können uns darauf verlassen, dass die Barmherzigkeit und die Verdienste Jesu Christi Gehör finden.6 Wenn wir in der Liebe Gottes verbleiben, sind wir immer weniger darauf angewiesen, uns auf Basis der Zustimmung anderer leiten zu lassen.

Die Liebe Gottes billigt keine Sünde, vielmehr bietet sie Erlösung an

Weil Gottes Liebe allumfassend ist, sagt so mancher, sie sei „bedingungslos“, und zieht daraus womöglich für sich den Schluss, dass deshalb auch die Segnungen Gottes „bedingungslos“ seien und dass die Errettung „bedingungslos“ sei. Doch dem ist nicht so. So mancher pflegt zu sagen: „Der Erretter liebt mich so, wie ich eben bin.“ Das stimmt natürlich. Aber der Herr kann niemanden von uns, so wie wir sind, in sein Reich aufnehmen, „denn nichts Unreines kann dort wohnen oder in seiner Gegenwart wohnen“7. Erst müssen unsere Sünden beseitigt werden.

Wie Professor Hugh Nibley einst anmerkte, kann das Reich Gottes keinen Bestand haben, wenn dort auch nur die kleinste Sünde geduldet wird: „Der winzigste Anflug von Verderbtheit würde bedeuten, dass die andere Welt weder unverderblich noch ewig ist. Jede noch so kleine Schwachstelle in einem Gebäude, einer Organisation, einem Code oder einem Charakter wird sich auf lange Sicht in der Ewigkeit unausweichlich als verheerend erweisen.“8 Die Gebote Gottes sind „strikt“9, weil sein Reich und dessen Bewohner nur dann bestehen können, wenn sie ohne Unterlass und ohne Ausnahme das Böse zurückweisen und das Gute wählen.10

Elder Jeffrey R. Holland hat festgestellt: „Jesus wusste genau, was viele in unserer modernen Kultur zu vergessen scheinen: Es besteht ein entscheidender Unterschied zwischen dem Gebot, Sünde zu vergeben (wozu er in unbegrenztem Maße imstande war), und der Warnung, sie zu dulden (was er nicht ein einziges Mal getan hat).“11

Trotz unserer gegenwärtigen Unzulänglichkeiten können wir jedoch nach wie vor darauf hoffen, „einen … Namen und Stand“12, eine Bleibe, in der Kirche Christi und in der celestialen Welt zu erlangen. Nachdem er klargemacht hat, dass er Sünde nicht billigen oder geflissentlich übersehen kann, versichert uns der Herr:

„Doch wer umkehrt und die Gebote des Herrn tut, dem wird vergeben werden.“13

„Und sooft mein Volk umkehrt, werde ich ihm seine Verfehlungen gegen mich vergeben.“14

Umkehr und göttliche Gnade lösen das Dilemma:

„Denkt auch an die Worte, die Amulek in der Stadt Ammoniha zu Zeezrom gesprochen hat; denn er sagte ihm, der Herr werde gewiss kommen, um sein Volk zu erlösen, er werde aber nicht kommen, um es in seinen Sünden zu erlösen, sondern um es von seinen Sünden zu erlösen.

Und ihm ist Macht gegeben vom Vater, die Menschen von ihren Sünden zu erlösen infolge von Umkehr; darum hat er seine Engel gesandt, die Nachricht von der Bedingung der Umkehr zu verkünden, die zur Macht des Erlösers führt, zur Errettung ihrer Seele.“15

Durch die Bedingung der Umkehr kann der Herr Barmherzigkeit walten lassen, ohne die Gerechtigkeit zu berauben, und „Gott hört nicht auf, Gott zu sein“16.

Der Weg der Welt ist, wie Sie wissen, antichristlich oder „alles, Hauptsache ohne Christus“. In unserer Zeit wiederholen sich geschichtliche Ereignisse aus dem Buch Mormon: Charismatische Persönlichkeiten trachten nach ungerechter Herrschaft über andere, feiern sexuelle Freizügigkeit und preisen die Anhäufung von Reichtum als den Sinn und Zweck unseres Daseins an. Ihre Philosophien rechtfertigen es, wenn man eine kleine Sünde begeht17 oder auch viele – doch keine kann mit Erlösung aufwarten. Diese erfolgt nur durch das Blut des Lammes. Das Beste, was die große Gruppe „Alles, Hauptsache ohne Christus“ oder „Alles, Hauptsache keine Umkehr“ zu bieten hat, ist die haltlose Behauptung, es gäbe Sünde gar nicht oder dass sie, gäbe es sie doch, letzten Endes keine Konsequenzen habe. Für diese Argumentation rechne ich mir vor dem Jüngsten Gericht keine großen Erfolgschancen aus.18

Wir müssen gar nicht erst das Unmögliche versuchen und logisch klingende Ausflüchte für unsere Sünden hervorholen. Andererseits müssen wir aber auch nicht das Unmögliche versuchen, indem wir die Auswirkungen unserer Sünden allein durch unseren eigenen Verdienst ungeschehen machen. Unsere Religion ist weder eine Religion der Rechtfertigung noch eine des Perfektionismus, sondern eine Religion der Erlösung – der Erlösung durch Jesus Christus. Wenn wir zu den Reumütigen gehören, werden unsere Sünden durch sein Sühnopfer an sein Kreuz geschlagen, und „durch seine Wunden sind wir geheilt“19.

Die beseelte Liebe der Propheten spiegelt die Liebe Gottes wider

Seit langem schon bin ich beeindruckt von der beseelten Liebe der Propheten Gottes, wenn sie vor Sünde warnen, und ich spüre diese Liebe auch. Ihr Beweggrund ist nicht, dass sie verdammen wollen. Ihr wahrer Wunsch spiegelt die Liebe Gottes wider; tatsächlich ist es die Liebe Gottes. Sie lieben die Menschen, zu denen sie gesandt werden, wer und wie sie auch seien. Genau wie der Herr wollen auch seine Diener nicht, dass irgendjemand die Qualen erleiden muss, die Sünde und schlechte Entscheidungen mit sich bringen.20

Alma wurde entsandt, die Botschaft von der Umkehr und der Erlösung einem hasserfüllten Volk zu verkünden, das ohne viel Federlesens gläubige Christen verfolgte, folterte und sogar tötete. Auch vor Alma machte es keinen Halt. Und doch liebte er das Volk und ersehnte dessen Errettung. Nachdem er dem Volk in Ammoniha das Sühnopfer Christi verkündet hatte, flehte Alma es an: „Und nun, meine Brüder, wünschte ich aus dem Innersten meines Herzens, ja, mit großer Besorgnis bis zum Schmerz, ihr würdet auf meine Worte hören und eure Sünden abwerfen[,] damit ihr am letzten Tag emporgehoben werden und in [die] Ruhe [Gottes] eingehen könnt.“21

Präsident Russell M. Nelson hat es so ausgedrückt: „Gerade weil uns alle Kinder Gottes zutiefst am Herzen liegen, verkünden wir seine Wahrheit.“22

Gott liebt Sie – lieben Sie ihn auch?

Die Liebe des Vaters und des Sohnes ist eine freie Gabe, aber sie geht auch mit Hoffnungen und Erwartungen einher. Um noch einmal Präsident Nelson zu zitieren: „Gottes Gesetze beruhen einzig und allein auf seiner unendlichen Liebe zu uns und seinem Wunsch, dass wir unser Potenzial gänzlich ausschöpfen.“23

Gerade weil der Vater und der Sohn uns lieben, möchten sie uns nicht so belassen, „wie wir eben sind“. Gerade weil sie uns lieben, möchten sie, dass wir Freude und Erfolg haben. Gerade weil sie uns lieben, möchten sie, dass wir umkehren, weil das der Weg zum Glücklichsein ist. Wir haben jedoch die Wahl – sie respektieren unsere Entscheidungsfreiheit. Wir müssen uns dazu entschließen, sie zu lieben, ihnen zu dienen, ihre Gebote zu halten. Dann können sie uns in noch reicherem Maß segnen und lieben.

Ihre Hauptanforderung an uns ist, dass auch wir lieben. „Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist Liebe.“24 Johannes schrieb auch: „Geliebte, wenn Gott uns so geliebt hat, müssen auch wir einander lieben.“25

Joy D. Jones, ehemalige Präsidentin der Primarvereinigung der Kirche, erzählte einmal, wie sie und ihr Mann als junges Ehepaar berufen wurden, eine Familie aufzusuchen und zu betreuen, die seit vielen Jahren nicht mehr in die Kirche kam. Ihnen wurde sofort bei ihrem ersten Besuch klar, dass sie unerwünscht waren. Nach weiteren frustrierenden Fehlschlägen und nach viel aufrichtigem Beten und Nachsinnen fanden Bruder und Schwester Jones eine Antwort darauf, weshalb ihr Dienst so wichtig war. Sie lasen folgenden Vers im Buch Lehre und Bündnisse: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen, mit all deiner Macht, ganzem Sinn und aller Kraft; und im Namen Jesu Christi sollst du ihm dienen.“26 Schwester Jones erzählte:

„Uns wurde klar, dass wir aufrichtig bemüht waren, dieser Familie und unserem Bischof zu dienen, aber wir mussten uns fragen, ob wir wirklich aus Liebe zum Herrn dienten. …

Wir fingen an, uns wegen unserer Liebe zum Herrn auf unsere Besuche bei dieser lieben Familie zu freuen [siehe 1 Nephi 11:22]. Wir taten es für ihn. Dank ihm war es keine Last mehr. Nachdem wir monatelang bei der Familie vor der Haustür gestanden hatten, wurden wir hereingelassen. Irgendwann sprachen wir auch regelmäßig ein Gebet mit ihnen und unterhielten uns über das Evangelium. Daraus entwickelte sich eine langjährige Freundschaft. Wir haben Gott verehrt und ihm unsere Liebe erwiesen, indem wir seinen Kindern Liebe erwiesen.“27

Wenn wir anerkennen, dass Gott uns auf vollkommene Weise liebt, könnte sich jeder von uns fragen: „Wie sehr liebe ich Gott? Kann er sich auf meine Liebe verlassen, wie ich mich auf die seine?“ Wäre es nicht ein angemessenes Ziel, so zu leben, dass Gott uns nicht nur trotz unserer Fehler lieben kann, sondern auch dessentwegen, wie wir werden? O, dass er über Sie und mich dasselbe sagen könnte, was er auch über Hyrum Smith sagte, wie etwa: „Ich, der Herr, liebe ihn wegen der Lauterkeit seines Herzens.“28 Vergessen wir nicht die liebevolle Ermahnung des Johannes: „Denn darin besteht die Liebe zu Gott, dass wir seine Gebote halten; und seine Gebote sind nicht schwer.“29

In der Tat sind seine Gebote nicht schwer – ganz im Gegenteil. Sie säumen den Weg der Heilung, des Glücklichseins, des Friedens und der Freude. Unser Vater und unser Erlöser haben uns die Gebote als Segen gegeben, und wenn wir ihre Gebote halten, verspüren wir ihre vollkommene Liebe in größerem, intensiverem Maß.30

Dies ist die Lösung für unsere Zeit, die so von Streit und Unfrieden geprägt ist: die Liebe Gottes. Über das goldene Zeitalter, das laut der Geschichte im Buch Mormon nach dem Wirken des Erretters anbrach, wird berichtet: „Wegen der Gottesliebe, die dem Volk im Herzen wohnte, gab es im Land keinen Streit.“31 Da wir gen Zion streben, denken Sie an die Verheißung im Buch Offenbarung: „Selig, die ihre Gewänder waschen: Sie haben Anteil am Baum des Lebens und sie werden durch die Tore in die [heilige] Stadt eintreten können.“32

Ich gebe Zeugnis, dass unser Vater im Himmel und unser Erlöser Jesus Christus wirklich leben und uns eine beständige, unsterbliche Liebe entgegenbringen. Im Namen Jesu Christi. Amen.