Generalkonferenz
Möge der Herr sich unserer bedienen
Herbst-Generalkonferenz 2021


10:36

Möge der Herr sich unserer bedienen

Kleine, gute Taten in ihrer Gesamtheit bewirken Unglaubliches und machen unsere vielen individuellen Bemühungen als Jünger Jesu Christi groß

Dieser Keks aus Filoteig und Pistazien ist ein Dankeschön. Gebacken hat ihn Familie Kadado, die jahrzehntelang drei Bäckereien in Damaskus, der Hauptstadt Syriens, besaß. Als der Krieg begann, verhinderte eine Blockade, dass Lebensmittel und Vorräte ihren Stadtteil erreichen konnten. Familie Kadado musste Hunger leiden. Als sich die Lage dramatisch zuspitzte, begannen Latter-day Saint Charities und einige sehr mutige Mitarbeiter von Rahma Worldwide, täglich eine warme Mahlzeit und für die kleinen Kinder Milch zu verteilen. Nach einer schwierigen Zeit nahm die Familie ihr Leben – sowie ihren eigenen Bäckereibetrieb – in einem neuen Land wieder auf.

Vor kurzem kam im Büro der Kirche ein Paket mit Keksen an, samt folgender Nachricht: „Über zwei Monate lang bekamen wir Essen aus der Rahma-/Latter-day-Saint-[Charities]-Küche. Ohne es wären wir verhungert. Diese Kostprobe aus meinem Laden soll ein kleines Zeichen des Dankes sein. Ich bitte Gott, den Allmächtigen, Sie in allem, was Sie tun, zu segnen.“1

Ein Keks der Dankbarkeit und der Erinnerung. Er ist für Sie bestimmt – für alle, die gebetet haben, nachdem sie eine Nachrichtenreportage gesehen haben, für alle, die sich freiwillig gemeldet haben, auch wenn es gerade nicht gut passte, oder die so freundlich Geld für den humanitären Fonds gespendet haben, im Vertrauen darauf, dass es etwas Gutes bewirken werde. Danke.

Die von Gott gegebene Verantwortung, für die Armen zu sorgen

Gott hat der Kirche Jesu Christi den Auftrag gegeben, für die Armen zu sorgen.2 Das ist eine der Säulen des Werkes der Errettung und Erhöhung.3 Was zur Zeit Almas galt, gilt gewiss für uns: „Und so, in ihren gedeihlichen Umständen, schickten sie keinen fort, der nackt war oder der hungrig war oder der durstig war oder der krank war oder den sie nicht gestärkt hatten; und sie setzten ihr Herz nicht auf Reichtümer; darum waren sie freigebig zu allen, seien sie alt oder jung, seien sie geknechtet oder frei, seien sie männlich oder weiblich, sei es außerhalb der Kirche oder in der Kirche, und sahen bei denen, die bedürftig waren, nicht auf die Person.“4

Die Kirche geht diesem Auftrag auf unterschiedliche Weise nach, unter anderem durch:

  • die Betreuungsarbeit der FHV, der Priestertumskollegien und der Mitglieder der verschiedenen Unterrichtsklassen

  • Fasten und die Verwendung des Fastopfers

  • Wohlfahrtsfarmen und Konservenfabriken

  • Willkommenscenter für Einwanderer

  • Gefängnisseelsorge

  • humanitäre Hilfe

  • die App JustServe, wo verfügbar, über die ehrenamtliche Helfer Dienstprojekte finden können

Dies alles sind Mittel und Wege, organisiert durch das Priestertum, wo kleine, gute Taten in ihrer Gesamtheit Unglaubliches bewirken und unsere vielen individuellen Bemühungen als Jünger Jesu Christi groß machen.

Propheten haben Treuhandschaft für die ganze Erde

Propheten tragen Verantwortung für die ganze Erde, nicht nur für die Mitglieder der Kirche. Ich kann aus eigener Erfahrung berichten, wie engagiert die Erste Präsidentschaft diesen Auftrag höchstpersönlich übernimmt. Da die Not wächst, hat die Erste Präsidentschaft uns beauftragt, erheblich mehr humanitäre Hilfe zu leisten. Sie interessiert sich für die größten Trends und die kleinsten Einzelheiten.

Vor kurzem brachten wir einen der medizinischen Schutzanzüge mit, die Beehive Clothing für Krankenhäuser zur Verwendung in der Pandemie genäht hatte. Als Arzt war Präsident Russell M. Nelson daran sehr interessiert. Er wollte den Anzug nicht einfach nur ansehen, er wollte ihn anprobieren und die Ärmelaufschläge, die Länge und die Art und Weise, wie er hinten zu binden war, überprüfen. Später sagte er uns mit bewegter Stimme: „Wenn Sie im Rahmen Ihrer Aufträge mit den Menschen zusammenkommen, danken Sie ihnen für ihr Fasten, ihre Opfergaben und ihren Dienst im Namen des Herrn.“

Humanitärer Bericht

Auf Weisung von Präsident Nelson berichte ich Ihnen, was die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage angesichts von Wirbelstürmen, Erdbeben, Flüchtlingsströmen, ja, selbst einer Pandemie alles tun kann – dank der Güte der Mitglieder und vieler Freunde. Die über 1.500 Corona-Projekte waren sicherlich der größte Schwerpunkt der Hilfsaktionen der Kirche in den letzten 18 Monaten, aber die Kirche eilte auch bei 933 Naturkatastrophen und Flüchtlingskrisen in 108 Ländern zu Hilfe. Die Statistik zeigt jedoch nicht das ganze Bild. Lassen Sie mich vier kurze Beispiele anführen, um Ihnen eine Ahnung von dem zu vermitteln, was getan wird.

Corona-Hilfsprojekt in Südafrika

Seit dem Tod ihrer Eltern vor einigen Jahren musste sich die 16-jährige Dieke Mphuti aus Welkom in Südafrika allein um drei jüngere Geschwister kümmern. Seit jeher war es für sie schwierig, genug Essen aufzutreiben, aber der Nahrungsmangel und die Quarantäne aufgrund der Coronakrise machten dies fast unmöglich. Sie waren oft hungrig und überlebten nur dank der Großzügigkeit ihrer Nachbarn.

Dieke Mphuti

An einem sonnigen Tag im August 2020 wurde Dieke von einem Klopfen an der Tür überrascht. Sie fand zwei Fremde vor sich – einen Repräsentanten der Kirche aus dem Gebietsbüro in Johannesburg und einen Beamten des südafrikanischen Sozialentwicklungsministeriums.

Die beiden Organisationen hatten sich zusammengeschlossen, um gefährdete Haushalte mit Lebensmitteln zu versorgen. Dieke fiel ein Stein vom Herzen, als sie den Berg aus Maismehl und anderen Grundnahrungsmitteln erblickte, die mit den humanitären Mitteln der Kirche gekauft worden waren. Damit konnte sie ihre Familie mehrere Wochen lang versorgen, bis sie in den Nutzen eines staatlichen Hilfspakets kommen konnte.

Diekes Geschichte ist ein Beispiel von tausenden solcher Ereignisse, die sich dank Ihrer geweihten Spenden in aller Welt während der Coronapandemie zutragen.

Hilfe für Afghanen in Ramstein

Wir alle haben kürzlich in den Nachrichten die Bilder gesehen: Tausende Evakuierte wurden aus Afghanistan ausgeflogen. Viele kamen an Luftwaffenstützpunkten oder in anderen provisorischen Lagern in Katar, den Vereinigten Staaten, Deutschland und Spanien unter, bevor sie die Reise an ihr endgültiges Ziel fortsetzen konnten. Sie brauchten sofortige Hilfe, und die Kirche stellte Hilfsgüter und ehrenamtliche Helfer bereit. Auf dem Stützpunkt Ramstein in Deutschland organisierte die Kirche große Spenden an Windeln, Babynahrung, Lebensmitteln und Schuhen.

Spenden für Flüchtlinge
Frauen nähen für afghanische Flüchtlinge

Einige FHV-Schwestern bemerkten, dass viele afghanische Frauen das Hemd ihres Mannes benutzten, um den Kopf zu bedecken, weil ihre traditionelle Kopfbedeckung in der Hektik am Kabuler Flughafen heruntergerissen worden war. Als Zeichen einer Freundschaft, die religiöse oder kulturelle Grenzen überschreitet, kamen die Schwestern der Gemeinde Ramstein 1 zusammen, um traditionelle muslimische Kleidung für die afghanischen Frauen zu nähen. Schwester Bethani Halls meinte: „Wir haben gehört, dass Frauen Gebetskleidung brauchen, und wir nähen, damit sie sich beim Beten wohlfühlen.“5

Hilfe nach Erdbeben in Haiti

Das nächste Beispiel zeigt, dass man nicht reich oder älter sein muss, um ein Werkzeug zum Guten zu sein. Die 18-jährige Marie „Djadjou“ Jacques kommt aus dem Zweig Cavaillon in Haiti. Bei dem verheerenden Erdbeben im August in der Nähe ihrer Heimatstadt war das Haus ihrer Familie eines von zigtausend Gebäuden, die einstürzten. Man kann sich kaum vorstellen, wie verzweifelt man ist, wenn man sein Zuhause verliert. Doch anstatt in Verzweiflung zu versinken – es ist kaum zu glauben –, wandte sich Djadjou anderen zu.

Marie Jacques
Erdbeben in Haiti

Associated Press

Sie sah eine ältere Nachbarin, die Probleme hatte, und kümmerte sich um sie. Sie half anderen, Trümmer wegzuräumen. Trotz eigener Erschöpfung verteilte sie gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Kirche Lebensmittel und Hygienepäckchen an andere. Djadjous Geschichte ist eines von vielen eindrucksvollen Beispielen dafür, wie Jugendliche und junge Erwachsene Dienst am Nächsten leisten und bestrebt sind, dem Beispiel Jesu Christi nachzueifern.

Hilfe für Überschwemmungsopfer in Deutschland

Nur wenige Wochen vor dem Erdbeben half eine weitere Gruppe junger Erwachsener auf der anderen Seite des Atlantiks in ähnlicher Weise. Die Überschwemmungen in Westeuropa im Juli waren die schlimmsten seit Jahrzehnten.

Überschwemmungen in Deutschland

Als der Wasserpegel endlich sank, sah sich ein Ladenbesitzer im Landkreis Ahrweiler den Schaden an und war völlig aufgelöst. Dieser demütige Mann, ein frommer Katholik, betete leise darum, dass Gott ihm jemanden zu Hilfe senden möge. Gleich am nächsten Morgen erschien Präsident Dan Hammon von der Deutschland-Mission Frankfurt mit einer kleinen Schar Missionare in den gelben Westen der Helping Hands. Das Wasser war im Laden des besagten Mannes bis zu 3 Meter hoch gestiegen und hatte eine dicke Schlammschicht hinterlassen. Die Freiwilligen schaufelten den Schlamm hinaus, entfernten den Teppich und den Wandputz und häuften alles an der Straße zur Entsorgung auf. Der überglückliche Ladenbesitzer arbeitete stundenlang an ihrer Seite und war erstaunt, dass der Herr als Antwort auf sein stilles Gebet eine Gruppe seiner Diener gesandt hatte, und zwar innerhalb von 24 Stunden!6

„Ich bete darum, dass er sich auch unserer bedienen möge“

Über die humanitären Bemühungen der Kirche sagte Elder Jeffrey R. Holland einmal: „Meistens erhört Gott unsere Gebete wohl durch andere Menschen. Ich bete darum, dass er sich auch unserer bedienen möge. Ich bete darum, dass wir die Antwort auf das Gebet anderer sein können.“7

Brüder und Schwestern, durch Ihr Wirken, Ihre Spenden, Ihre Zeit und Ihre Liebe sind Sie die Antwort auf unglaublich viele Gebete gewesen. Und doch gibt es noch viel mehr zu tun. Als getaufte Mitglieder der Kirche haben wir den Bund geschlossen, für die Bedürftigen zu sorgen. Unsere individuellen Bemühungen erfordern nicht unbedingt Geld oder weites Reisen.8 Vielmehr erfordern sie Führung durch den Heiligen Geist und ein williges Herz, sodass wir dann zum Herrn sagen: „Hier bin ich, sende mich!“9

Das Gnadenjahr des Herrn

In Lukas 4 lesen wir, wie Jesus nach Nazaret kam, wo er aufgewachsen war. In der Synagoge stand er auf, um vorzulesen. Dies war zu Beginn seines irdischen Wirkens. Jesus las eine Schriftstelle aus dem Buch Jesaja vor:

„Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze

und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe. …

Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.“10

Ich bezeuge, dass sich dieses Schriftwort auch in unserer Zeit erfüllt. Ich bezeuge, dass Jesus Christus gekommen ist, um die zu heilen, die gebrochenen Herzens sind. Sein Evangelium besteht darin, den Blinden das Augenlicht zurückzugeben. Seine Kirche hat den Auftrag, den Gefangenen die Entlassung zu verkünden, und seine Jünger überall auf der Welt sind bestrebt, die Zerschlagenen in Freiheit zu setzen.

Ich möchte zum Schluss die Frage wiederholen, die Jesus seinem Apostel Simon Petrus stellte: „Liebst du mich?“11 Der Kern des Evangeliums besteht darin, wie wir diese Frage selbst beantworten, und darin, dass wir seine Schafe weiden.12 Mit großer Ehrfurcht und Liebe zu Jesus Christus, unserem Meister, lade ich jeden von uns ein, Teil seines erhabenen Wirkens zu sein. Möge der Herr sich unserer bedienen. Im heiligen Namen Jesu Christi. Amen.