Generalkonferenz
Lassen Sie Christus Urheber Ihrer Geschichte sein
Herbst-Generalkonferenz 2021


10:8

Lassen Sie Christus Urheber Ihrer Geschichte sein

Lassen Sie Ihre Geschichte eine Geschichte des Glaubens sein, in der Sie Ihrem Vorbild, dem Erretter Jesus Christus, folgen!

Als Erstes möchte ich einige Fragen stellen und bitte Sie, für sich darüber nachzudenken:

  • Wie sieht die persönliche Geschichte aus, die Sie für Ihr Leben schreiben?

  • Ist der Weg, den Sie in Ihrer Geschichte beschreiben, geradlinig?

  • Hört Ihre Geschichte dort auf, wo sie begann, nämlich in Ihrer himmlischen Heimat?

  • Gibt es in Ihrer Geschichte ein Vorbild – den Erretter Jesus Christus vielleicht?

Ich bezeuge, dass der Erretter der „Urheber und Vollender [unseres] Glaubens“1 ist. Bitten Sie ihn, der Urheber und Vollender Ihrer Geschichte zu sein?

Er kennt das Ende von Anfang an. Er war der Schöpfer des Himmels und der Erde. Er möchte, dass wir nach Hause zurückkehren – zu ihm und unserem Vater im Himmel. Er hat alles für unser Wohl getan und möchte, dass wir Erfolg haben.

Was, meinen Sie, hält uns davon ab, ihm das Schreiben unserer Geschichte anzuvertrauen?

Vielleicht veranschaulicht Folgendes Ihre Überlegungen dazu:

Ein guter Strafverteidiger weiß, dass man im Kreuzverhör möglichst nie einen Zeugen etwas fragen sollte, worauf man die Antwort nicht schon kennt. Eine solche Frage wäre ja geradezu eine Einladung an den Zeugen, Ihnen als Verteidiger – wie auch dem Richter und den Geschworenen – etwas zu erzählen, was Sie bislang noch nicht wussten. Die Antwort könnte Sie unliebsam überraschen und der Schilderung, die Sie als Verteidigungsstrategie entworfen haben, entgegenstehen.

Für einen Strafverteidiger mag es zwar generell unklug sein, einem Zeugen eine Frage zu stellen, auf die die Antwort noch nicht bekannt ist, doch in unserem Fall gilt das Gegenteil: Wir können unserem liebevollen Vater im Himmel im Namen unseres barmherzigen Erretters Fragen stellen, und der Zeuge, der unsere Fragen beantwortet, ist dann der Heilige Geist, der stets für die Wahrheit Zeugnis gibt.2 Da der Heilige Geist in vollkommener Eintracht mit dem Vater im Himmel und Jesus Christus zusammenarbeitet, wissen wir, dass wir uns auf seine Kundgebungen verlassen können. Warum also widerstrebt es uns mitunter, um diese Art der himmlischen Hilfe zu bitten, um Wahrheit, die der Heilige Geist uns kundtut? Warum halten wir eine Frage zurück, auf die wir die Antwort noch nicht kennen, obschon uns der Zeuge nicht nur wohlgesonnen ist, sondern auch immer die Wahrheit sagen wird?

Vielleicht weil wir nicht den Glauben haben, die Antwort, die wir erhalten könnten, anzunehmen. Vielleicht weil sich der natürliche Mensch in uns dagegen sträubt, alles gänzlich dem Herrn zu überlassen und ihm vorbehaltlos zu vertrauen. Vielleicht bleiben wir doch lieber bei der Geschichte, die wir für uns selbst geschrieben haben – eine hübsch zurechtgelegte Fassung, die der größte aller Urheber lieber nicht redigieren soll. Wir wollen keine Antwort auf eine Frage erhalten, die nicht hübsch und fein in die Geschichte passt, die wir für uns selbst schreiben.

Ehrlich gesagt, würden wohl nur wenige von uns die Prüfungen in unsere Geschichte einbauen, die uns läutern. Doch finden wir alle nicht den fulminanten Höhepunkt einer Geschichte immer so herrlich, wo der Protagonist dann siegreich aus dem Kampf hervorgeht? Prüfungen sind im Handlungsstrang das, was unsere Lieblingsgeschichten so fesselnd, zeitlos, glaubensstärkend und erzählenswert macht. Durch die wunderbaren Kämpfe, die in unserer Geschichte stehen, kommen wir dem Erretter näher. Sie läutern und formen uns, sodass wir mehr wie er werden.

Damit der junge David Goliat besiegen konnte, musste er es mit einem Riesen aufnehmen. Davids Geschichte hätte einen bequemeren Verlauf genommen, wenn er umgekehrt und zu seinen Schafen zurückgekehrt wäre. Doch stattdessen dachte er darüber nach, wie er schon Lämmer vor einem Löwen und einem Bären gerettet hatte. Gestützt auf diese Heldentaten, brachte er den Glauben und den Mut auf, Gott seine Geschichte schreiben zu lassen. Er sagte: „Der Herr, der mich aus der Gewalt des Löwen und des Bären gerettet hat, wird mich auch aus der Gewalt dieses Philisters retten.“3 Mit dem Wunsch, Gott siegen zu lassen, das Ohr dem Heiligen Geist zugeneigt und willens, den Erretter als Urheber und Vollender seiner Geschichte anzunehmen, besiegte der junge David Goliat und rettete so sein Volk.

Der erhabene Grundsatz der Entscheidungsfreiheit ermöglicht es uns natürlich, dass wir unsere eigene Geschichte schreiben können. David hätte nach Hause gehen und wieder Schafhirte sein können. Doch Jesus Christus steht bereit und möchte uns als Werkzeuge Gottes nutzen – wie gespitzte Bleistifte in seiner Hand, um ein Meisterwerk zu verfassen! In seiner Barmherzigkeit möchte er sich auch meiner bedienen, eines dünnen Bleistifts als Werkzeug in seiner Hand, so ich denn den Glauben habe und ihn lasse – und ihn auch Urheber meiner Geschichte sein lasse.

Ester ist ein weiteres wunderbares Beispiel dafür, wie man Gott siegen lässt. Sie blieb nicht bei dem möglich gewesenen Verlauf der Geschichte, nämlich zaghaft zu sein und ihr eigenes Leben zu retten, sondern sie übte Glauben aus und begab sich ganz und gar in die Hand des Herrn. Haman plante insgeheim, alle Juden in Persien zu vernichten. Mordechai, ein Verwandter Esters, erfuhr von der Verschwörung und schrieb ihr dringlich, sie möge im Namen und zugunsten ihres Volkes mit dem König sprechen. Ester sagte Mordechai, wer zum König ginge, ohne von ihm gerufen worden zu sein, müsse sterben. Doch in einem gewaltigen Glaubensakt bat sie Mordechai, die Juden zusammenzurufen und für sie zu fasten. „Auch ich und meine Dienerinnen wollen ebenso fasten“, sagte sie. „Dann will ich zum König gehen, obwohl es gegen das Gesetz verstößt. Wenn ich umkomme, komme ich eben um.“4

Ester war willens, den Erretter ihre Geschichte schreiben zu lassen, auch wenn es – aus irdischem Blickwinkel betrachtet – ein tragisches Ende hätte nehmen können. Doch dem Himmel sei gedankt: Der König ließ Ester vor sich treten, und die Juden in Persien wurden gerettet.

Sicherlich wird Esters Maß an Mut uns nur selten abverlangt. Doch Gott siegen zu lassen, ihn Urheber und Vollender unserer Geschichte sein zu lassen, setzt voraus, dass wir seine Gebote sowie die mit ihm geschlossenen Bündnisse halten. Durch das Halten der Gebote und der Bündnisse öffnen wir den Kommunikationskanal auf unserer Seite und können so Offenbarung durch den Heiligen Geist empfangen. Und durch die Kundgebungen des Geistes wiederum spüren wir die Hand des Meisters, wie sie unsere Geschichte gemeinsam mit uns schreibt.

Im April 2021 bat uns unser Prophet, Präsident Russell M. Nelson, darüber nachzudenken, was wir alles tun könnten, wenn wir mehr Glauben an Jesus Christus hätten. Mit mehr Glauben an Christus könnten wir eine Frage stellen, auf die wir die Antwort noch nicht kennen – wir können unseren Vater im Himmel im Namen Jesu Christi fragen und ihn bitten, uns Antwort zu geben durch den Heiligen Geist, der für die Wahrheit Zeugnis ablegt. Hätten wir mehr Glauben, würden wir die Frage stellen und wären willens, die Antwort darauf anzunehmen, selbst wenn sie in unsere hübsch zurechtgelegte Geschichte nicht hineinpasst. Der verheißene Segen, der uns zufließt, wenn wir im Glauben an Jesus Christus handeln, ist vermehrter Glaube an ihn als unseren Urheber und Vollender. Präsident Nelson hat erklärt: Wir erlangen mehr Glauben, indem wir „etwas tun, was mehr Glauben erfordert5.

Ein Ehepaar etwa, das unter seiner Kinderlosigkeit leidet, könnte im Glauben fragen, ob es Kinder adoptieren solle – willens, die Antwort anzunehmen, auch wenn in der Geschichte, die es für sich selbst zurechtgelegt hat, die wundersame Geburt eines Kindes vorkommt.

Ein älteres Ehepaar könnte fragen, ob es nun an der Zeit sei, auf Mission zu gehen, und dann bereit sein, dies zu tun, auch wenn es in der Geschichte, die es für sich selbst zurechtgelegt hat, eigentlich noch länger berufstätig sein wollte. Vielleicht lautet die Antwort aber auch „noch nicht“, und in späteren Kapiteln der Geschichte erfahren die beiden dann, weshalb sie noch etwas länger zuhause gebraucht wurden.

Ein junger Mann oder eine junge Frau im Teenageralter fragt vielleicht im Glauben, ob es das Beste wäre, eine Karriere im sportlichen, akademischen oder musischen Bereich zu verfolgen, und ist dann bereit, den Eingebungen des Heiligen Geistes, des vollkommenen Zeugen, zu folgen.

Warum möchten wir, dass der Erretter der Urheber und der Vollender unserer Geschichte ist? Weil er unser Potenzial zu hundert Prozent kennt, führt er uns dorthin, wo wir uns selbst niemals gesehen hätten. Er kann aus uns einen David oder eine Ester machen. Er lässt uns wachsen und läutert uns, damit wir mehr wie er sind. Alles, was wir erreichen, wenn wir mit mehr Glauben handeln, vergrößert unseren Glauben an Jesus Christus.

Brüder und Schwestern, vor knapp einem Jahr hat unser Prophet gefragt: „Sind Sie bereit, Gott in Ihrem Leben siegen zu lassen? … Sind Sie bereit, allem, was er Ihnen aufträgt, einen höheren Stellenwert einzuräumen als jedem anderen Bestreben?“6 Diesen Fragen eines Propheten füge ich demütig hinzu: „Lassen Sie Gott Urheber und Vollender Ihrer Geschichte sein?“

Aus dem Buch der Offenbarung geht hervor, dass wir vor Gott stehen und gemäß unseren Taten aus dem Buch des Lebens gerichtet werden.7

Wir werden anhand unseres Buches des Lebens gerichtet. Wir können wählen, ob wir für uns selbst bloß eine hübsch zurechtgelegte Fassung schreiben wollen. Oder wir können zulassen, dass der größte aller Urheber und Vollender unsere Geschichte gemeinsam mit uns schreibt und dass die Rolle, die er uns zugedacht hat, einen höheren Stellenwert erhält als jedes andere Bestreben.

Lassen Sie Christus Urheber und Vollender Ihrer Geschichte sein!

Lassen Sie den Heiligen Geist Ihr Zeuge sein!

Schreiben Sie eine Geschichte, in der der Weg, auf dem Sie sich befinden, geradlinig ist und Sie in Ihre himmlische Heimat zurückführt, wo Sie in der Gegenwart Gottes leben können.

Lassen Sie Ungemach und Bedrängnis, was ja in jeder guten Geschichte vorkommt, ein Mittel sein, um Jesus Christus näherzukommen und mehr wie er zu werden.

Erzählen Sie in Ihrer Geschichte, wodurch Sie erkennen, dass die Himmel offen sind. Stellen Sie Fragen, auf die Sie die Antwort noch nicht kennen, in dem Wissen, dass Gott bereit ist, Ihnen seinen Willen durch den Heiligen Geist kundzutun.

Lassen Sie Ihre Geschichte eine Geschichte des Glaubens sein, in der Sie Ihrem Vorbild, dem Erretter Jesus Christus, folgen. Im Namen Jesu Christi. Amen.