2002
Harold B. Lee: ein hervorragender Lehrer
Februar 2002


Harold B. Lee: ein hervorragender Lehrer

Das Beispiel des elften Präsidenten der Kirche zeigt uns, wie man sich bei der Suche nach einer Lösung dem Herrn und den heiligen Schriften zuwendet.

Im April 1970 sah Präsident Harold B. Lee ebenso wie die übrige Welt zu, als die Raumfähre Apollo 13 nach einer plötzlichen Explosion mit drei Astronauten an Bord aus dem Weltall zur Erde zurückkehren wollte. „Anscheinend betete die ganze Welt für etwas ganz Wichtiges, nämlich dafür, dass die drei tapferen Männer sicher zur Erde zurückkehrten“, schreibt Präsident Lee und leitet daraus eine wichtige Lehre des Evangeliums ab: „Die Sicherheit der drei hing nun… vom Gehorsam der Männer… gegenüber jeder Anweisung der Techniker [ab],… sonst hätte [die Raumfähre] die Erde um Tausende von Meilen verpasst.“

In seiner Eigenschaft als großer Lehrer zog Präsident Lee eine Parallele zwischen diesem dramatischen Ereignis und der Notwendigkeit, auf den himmlischen Vater zu hören, um wieder in seine Gegenwart zurückkehren zu können. Präsident Lee hat gesagt: „Nur wenn Sie bereit sind, zuzuhören und zu gehorchen, so wie die Astronauten auf der [Apollo 13], können Sie und alle in Ihrem Haushalt sich auf die Weise des Herrn zur letzten Sicherheit und Geborgenheit führen lassen.“1Dass man dem schmalen und geraden Pfad folgen muss, um das ewige Leben zu finden, gehörte zu den wichtigsten Themen Präsident Lees; andere auf diesem Weg zu führen, war seine Lebensaufgabe.

Präsident Lee diente zwar nur 17 Monate als elfter Präsident der Kirche, nämlich von Juli 1972 bis Dezember 1973 – doch sein Einfluss reicht weit über diese kurze Zeitspanne hinaus. Er beaufsichtigte die Anfänge des Wohlfahrtsprogramms der Kirche in den 30er Jahren, diente 31 Jahre lang als Mitglied des Kollegiums der Zwölf Apostel und rief in den 60er Jahren ein umfassendes Korrelationsprogramm ins Leben, um alle Abteilungen, Hilfsorganisationen und geschäftliche Unternehmungen der Kirche dem Einfluss des Priestertums zu unterstellen. Damit sollte die Familie in ihrem Bemühen gestärkt und unterstützt werden, auf das von Gott festgelegte Ziel hinzuarbeiten, nämlich das ewige Leben. Und bei allem machte Präsident Lee sich einen Namen als Schriftforscher und Lehrer des Evangeliums.

Die Lehren von Harold B. Lee bilden den Unterrichtsstoff für das Melchisedekische Priestertum und die FHV für das Jahr 2002 und den dritten Band in der Serie Lehren der Präsidenten der Kirche.

Auf Den Geist Gehört

Harold Bingham Lee wurde am 28. März 1899 in Clifton, Idaho, als Sohn von Samuel Marion und Louisa Emeline Bingham Lee geboren. Clifton war ein Bauerndorf, in dem es nur ein einziges Geschäft und eine einzige unasphaltierte Straße gab. Dafür aber gab es in dem Tal frische Luft und reines Wasser. Vielleicht trug die Ruhe in diesem Landstrich dazu bei, dass der Junge ein Gespür für die sanfte, leise Stimme entwickelte, die ihn sein Leben lang führen sollte. Er pflegte den Garten der Familie, die Obstplantage, melkte Kühe und lernte Klavier spielen.2

Weil der Vater des kleinen Harold Bischof war, erlebte der Junge die Auswirkungen des Wohlfahrtsprogramms der Kirche hautnah mit. „Damals wie heute war der Bischof für die Versorgung der Bedürftigen zuständig“, schreibt Präsident Gordon B, Hinckley, ein alter Freund der Familie. „Bischof Lee hatte ein eigenes Vorratshaus, und die Hilfsgüter stammten aus seiner Vorratskammer. Abends sah die Familie ihn häufig mit einem Sack Mehl weggehen, aber sie wussten nicht, wohin, da die Vertraulichkeit gewahrt werden musste, damit die Hilfsbedürftigen nicht dem peinlichen Klatsch zum Opfer fielen.“3

Aus einem Erlebnis zusammen mit seinem Vater lernte der kleine Harold, wie man auf die Stimme des Herrn hört. „Ich war wohl etwa zehn, elf Jahre alt,… [als] ich mich beschäftigen musste, bis mein Vater wieder nach Hause fuhr. Auf der anderen Seite des Zauns standen ein paar halbverfallene Schuppen, die einen neugierigen Jungen natürlich anzogen, und ich war voller Abenteuerlust. Ich fing an, durch den Zaun zu klettern, da hörte ich eine Stimme…. Sie rief mich beim Namen und sagte: ‚Geh nicht dorthin!‘ Ich drehte mich um, weil ich dachte, mein Vater spräche mit mir, aber er befand sich am anderen Ende des Felds. Es war niemand zu sehen. Da wurde mir, schon als Kind, bewusst, dass es Wesen gab, die ich nicht sehen konnte, denn ich hatte eindeutig eine Stimme gehört. Seitdem weiß ich auch, wenn ich etwas über den Propheten Joseph Smith höre oder lese, was es heißt, eine Stimme zu hören, da ich es ja selbst erlebt habe.“4

Diese Erfahrung, nämlich dass der Heilige Geist über ihn wachte, prägte Harold die Gewissheit ein, dass die sichere Reise in das Reich des himmlischen Vaters davon abhängt, ob man bereit ist, diese Stimme zu hören und ihr zu folgen. „Ich habe etwas aus dem gelernt, was der Geist gelehrt hat“, überlegte er später. „Und ich weiß jetzt, dass Israel nur dann… Sicherheit findet, wenn es die Gebote hält und so lebt, dass es sich der Gemeinschaft, der Weisung, des Trostes und der Führung des Heiligen Geistes des Herrn erfreuen kann.“5

Harold ging zur Highschool an der Oneida Academy, die in Preston, Idaho, 24 Kilometer von Clifton entfernt, von der Kirche betrieben wurde. Ezra Taft Benson (1899– 1994) aus dem nahe gelegenen Whitney, der später der 13. Präsident der Kirche wurde, ging in dieselbe Klasse. Harold spielte im Schulorchester Posaune. Als er die Schule abgeschlossen hatte, wollte er Lehrer werden und besuchte das Lehrerseminar Albion State Normal School in Albion, Idaho. Mit siebzehn Jahren fing er mit der Lehrtätigkeit an und wurde mit achtzehn Jahren Leiter der Bezirksschule in Oxford, Idaho. Mit 21 Jahren ging er in die Weststaaten auf Mission und präsidierte über die Denver-Konferenz. Während seines Dienstes dort lernte er Fern Lucinda Tanner, eine Missionarin aus Salt Lake City, kennen, die „in ihrem Freundeskreis als gebildet und schön und als außergewöhnliche Schriftgelehrte“ galt.6Als er seine Mission beendet hatte, warb er um sie und verkaufte schließlich sogar seine Posaune, um ihr einen Verlobungsring zu kaufen. Die beiden heirateten am 14. November 1923 im Salt-Lake-Tempel. Bald darauf wurden zwei Töchter geboren – Maurine und Helen.

Die Familie ließ sich in Salt Lake City nieder, wo Bruder Lee an der Schule unterrichtete und nebenher noch seltsame Jobs hatte. „Einen Sommer über verkaufte ich Autos von Nash“, erinnerte er sich, „und arbeitete später in der Lebensmittelabteilung des Kaufhauses ZCMI und dann noch für die Firma Bennett Gas and Oil.“7Schließlich wurde er Vertreter des Verlags Foundation Press, der inspirierende Bücher verlegte. Er gab den Schuldienst auf und übernahm die Vertriebsleitung für den Westen der Vereinigten Staaten.

Zu Beginn der dreißiger Jahre wurde Harold B. Lee in den Stadtrat von Salt Lake City gewählt. Er erwarb sich den Ruf eines effizienten, sparsamen Verwaltungsbeamten, der schon im ersten Amtsjahr die Kosten senkte und gleichzeitig den Bürgerservice verbesserte.8

Die Arbeit Für Die Mitglieder

Mit 31 Jahren wurde Präsident Lee als Präsident des Pfahls Pioneer in Salt Lake City berufen. Damit war er damals der jüngste Pfahlpräsident überhaupt. Das war 1930. Die weltweite Weltwirtschaftskrise hatte begonnen, und mehr als 4800 der 7300 Mitglieder des Pfahls Pioneer brauchten Hilfe. Präsident Lee brachte viele Stunden damit zu, den Herrn um Hilfe zu bitten, damit er wusste, was er tun sollte. Er hörte auf die Stimme der Inspiration und baute ein Vorratshaus wie das Gemeindelagerhaus, das sein Vater in Clifton errichtet hatte. Er tat aber noch mehr und nahm Arbeitsprojekte in Angriff, wo Arbeitslose sich um den großen Pfahlgarten kümmerten und eine Sporthalle für den Pfahl bauten.9

Beeindruckt von Präsident Lees Führungsqualitäten und angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage innerhalb der Kirche bat die Erste Präsidentschaft ihn eines Morgens im Jahr 1935, ein neues Wohlfahrtsprogramm zu leiten, das nach seinen Worten „dazu beitragen sollte, die Kirche in die Lage zu versetzen, sich selbst um die Bedürftigen in ihren Reihen zu kümmern“.

Er wandte sich unverzüglich an den Herrn, um Weisung zu empfangen. „Nach jenem Morgen fuhr ich mit dem Auto… den City Creek Canyon hinauf in den damaligen Rotary Park; dort betete ich so demütig wie selten in meinem Leben….

Ich kniete nieder und flehte: ‚Was für eine Organisation sollen wir gründen, um das, womit die Erste Präsidentschaft uns beauftragt hat, zu schaffen?‘ Und da erkannte ich an jenem herrlichen Morgen auf himmlische Weise die Macht des Priestertums Gottes. Es war, als ob etwas zu mir sagte: ‚Es ist keine neue Organisation nötig, damit für die Bedürfnisse dieses Volks gesorgt werden kann. Es ist nur nötig, dass das Priestertum Gottes an die Arbeit geht. Ihr braucht keinen Ersatz dafür.‘“10

Schon bald wurden Pfahlfarmen aufgebaut, Fabriken und Lagerhäuser errichtet und bedürftige Mitglieder auf Weisung des Priestertums mit Arbeit versorgt – und das alles, weil Harold B. Lee durch den Geist kundgetan worden war, was er tun sollte.

Ein Zeuge Für Christus

Am 6. April 1941, also sechs Jahre, nachdem Harold B. Lee die Leitung des Wohlfahrtsprogramms übernommen hatte, wurde er als Mitglied des Kollegiums der Zwölf Apostel berufen. Seine Tochter Helen sagt über die „tiefsinnigen Predigten zum Evangelium“, die er als Apostel hielt: „Er hatte keine blumige Ausdrucksweise; er war direkt. Gehorsam und die heiligen Schriften – das waren seine Themen. Seine Predigten waren erstaunlich schlicht; er ließ uns einen Blick in sein Herz tun und zeigte uns, was er empfand. Er brachte sich ein. Seine Predigten waren eine schöne Kombination aus Schriftstellen und Geschichten, mit denen er seine Worte veranschaulichte. Er sprach nie über etwas Unwichtiges.“11

In den heiligen Schriften fand er die Hilfsmittel, die er brauchte, um die Menschen zu führen. „Alles, was in dieser Kirche gelehrt wird“, sagte er, „muss sich auf die heiligen Schriften gründen…. Wir müssen unsere Worte aus den heiligen Schriften holen. Wenn wir die Wahrheit bemessen wollen, dann müssen wir sie anhand der vier heiligen Schriften bemessen, und zwar unbesehen dessen, wer sie schreibt.“12

In seiner Eigenschaft als Apostel kam Elder Lee viele Jahre lang im Obergeschoss des Salt-Lake-Tempels mit neuen Missionaren zusammen, um ihre Fragen zu beantworten. Viele tausend erinnern sich noch an diese Versammlungen und daran, wie er sich auf die heiligen Schriften verließ. Am Ende einer solchen Zusammenkunft pflegte er zu sagen: „Eins sollen Sie wissen: Alle Antworten, die ich Ihnen gegeben habe, stammen aus den heiligen Schriften. Ich würde es auch gar nicht wagen, die Antworten auf Ihre Fragen aus einer anderen Quelle als den heiligen Schriften und den Aussagen eines Präsidenten der Kirche zu ziehen.“13

Die Familie Geführt

Zu Hause lebte Harold B. Lee nach dem Rat, für den er später bekannt wurde: „Die wichtigste Arbeit, die Sie jemals für den Herrn tun können, ist das, was Sie in Ihren vier Wänden tun.“ 14Wenn seine Töchter ihm Fragen zum Evangelium stellten, antwortete er: „Holt eure heiligen Schriften; wir wollen sehen, was der Herr dazu sagt.“ Und dann unterwies er sie direkt aus den heiligen Schriften. Seine Tochter Helen Lee Goates berichtet: „Später begriff ich, dass er uns damit… die unschätzbare Möglichkeit gab, wichtige Lektionen zu lernen. Dabei vermittelte er uns auch, dass man die Lösung zuerst in den heiligen Schriften sucht.“15

Helen erinnert sich auch an das Familiengebet: „Unser abendliches Ritual begann damit, dass wir vier uns im Wohnzimmer zum Beten niederknieten. Anschließend nahm Daddy uns nacheinander auf den Arm und trug uns ins Bett, damit wir nicht über den kalten Fußboden laufen mussten.“16

Die stille Heiterkeit im Haus der Lees war in erster Linie Fern Tanner Lee zu verdanken. Tochter Helen erinnert sich: „Vater war aktiv; er traf die Entscheidungen. Mutter sah es als ihre Aufgabe an, den Frieden aufrechtzuerhalten. Er stand im Licht der Öffentlichkeit, deshalb schuf sie zu Hause einen Zufluchtsort. Hier fand er Frieden und konnte von allen Sorgen ausruhen. Bei uns zu Hause herrschten Liebe und Stille, die in erster Linie auf Mutters Einfluss zurückzuführen waren. Sie war ein sehr geistig gesinnter Mensch und hatte ein Gespür für Höflichkeit, Wärme, Liebe und friedliche Stille.“ Aber es gab auch viel zu lachen. „Vater konnte auf dem Klavier Märsche spielen. Wir Kinder marschierten dann im Wohnzimmer herum, während er bekannte Märsche spielte und das Klavier unter seinen begeisterten Anschlägen erzitterte.“17

Das Priestertum Gestärkt

In den sechziger Jahren wies Präsident David O. McKay Elder Lee an, eine umfassende „Korrelation“ der Kirchenprogramme durchzuführen, und zwar auf der Basis der schlichten Grundsätze, dass man Gott gehorchen muss und dass die Familie heilig ist. Dieses Korrelationsprogramm wirkte sich auf jedes einzelne Mitglied aus und bereitete die Kirche auf das rasante weltweite Wachstum vor, ebenso wie auf den Umgang mit dem zunehmenden Zerfall der Familie – also auf die beiden größten Herausforderungen, denen sich die Kirche in der heutigen Zeit gegenüber sieht. Präsident Lee hat erklärt; „Ganz allgemein gesprochen bedeutet Korrelation,… dass das Priestertum Gottes an der Stelle steht, wo der Herr es haben will – im Mittelpunkt der Kirche, des Gottesreichs – und dass es darauf achtete, dass auch die Familien der Heiligen der Letzten Tage im göttlichen Plan der Errettung der Seelen ihren Platz einnehmen.“18

Das von Elder Lee geleitete Korrelationsprogramm führte manche Neuerung ein: das neue Heimlehrprogramm des Priestertums, den neuen, auf den heiligen Schriften basierenden Lehrplan, eine bessere Beaufsichtigung der Jugendprogramme durch das Priestertum sowie die neuen Zeitschriften der Kirche, die den Generalautoritäten unterstanden. Die Priestertumskollegien und Hilfsorganisationen der Kirche wurden angewiesen, sich darauf zu konzentrieren, den Einzelnen und die Familie in der Kirche zu stärken. 1965 wurde die Familie durch das neu aufgelegte Familienabendprogramm gestärkt, das ja schon 1915 eingeführt worden war.

Aus Prüfungen Gelernt

Elder Lee bewältigte dieses große Arbeitspensum zu einer Zeit, als er privat großen Kummer hatte. Das Unglück brach über seine Familie herein, als der Tod seine Frau im September 1962 dahinraffte. Ein paar Jahre später starb seine Tochter Maurine plötzlich mit 40 Jahren, während er sich im Dienst der Kirche im Pazifikgebiet aufhielt. In seiner Generalkonferenzansprache nach dem Tod seiner Tochter sagte er: „Nun, da ich älter werde, fange ich in gewissen Maße an zu verstehen, wie sich der Meister [in Getsemani] gefühlt haben mag. In einem einsamen Hotelzimmer in der Ferne, 2500 Meilen [4000 Kilometer] von zu Hause entfernt, werden vielleicht auch Sie eines Tages aus den Tiefen Ihrer Seele aufschreien:… ‚O lieber Gott, lass sie nicht sterben! Ich brauche sie; ihre Familie braucht sie.‘“ Aber es sollte nicht sein, und Elder Lee dachte: „Möge Gott es geben, dass wir lernen, Gottes Willen zu befolgen – wenn nötig auch durch das, was wir leiden.“19

Diese Prüfungen führten Elder Harold B. Lee näher zum Herrn. „Haben Sie keine Angst vor den Prüfungen des Lebens“, sagte er Jahre später anlässlich der Gebiets-Generalkonferenz in München. „Wenn man die schwierigsten Prüfungen zu bestehen hat, ist man Gott manchmal näher, als man es selbst merkt.“20Am 17. Juni 1963 heirate er Freda Joan Jensen.

Als Präsident Der Kirche Zeugnisgegeben

1970 wurde Harold B. Lee Erster Ratgeber von Präsident Joseph Fielding Smith, und am 7. Juli 1972 wurde er Präsident der Kirche. Als man ihn fragte, was er der Kirche denn als Präsident ans Herz legen würde, gab er eine ganz typische Antwort: „Halten Sie die Gebote Gottes, denn darauf beruht die Sicherheit der Kirche und die Sicherheit des Einzelnen…. Es gibt für mich heute einfach nichts Mächtigeres oder Wichtigeres zu sagen.“21

Bei der Arbeit am Korrelationsprogramm und später als Präsident der Kirche lehrte er, dass alles, was in der Kirche getan wird, dazu beitragen muss, „das ewige Leben des Menschen zustande zu bringen“ (Mose 1:39). Wir müssen „uns ausschließlich auf dieses Ziel konzentrieren“, sagte er.22Deshalb maß er dem weltweiten Missionsdienst des Priestertums auch so ungeheuer große Bedeutung bei. „Das Evangelium Jesu Christi ist nicht nur für einen einzigen Kontinent bzw. Erdteil bestimmt“, sagte er. „Das Evangelium ist für jede Seele bestimmt, die auf der Erde wandelt[;] sie sind alle Kinder Gottes.“23

Präsident Lee nahm das Ziel ernst, allen Menschen das Licht des Evangeliums zu bringen. Marjorie Pay Hinckley, die Frau von Präsident Gordon B. Hinckley, erinnert sich noch, wie sie und ihr Mann einmal mit Präsident Lee und seiner Frau in England waren: „Es war ein ausgefüllter Tag gewesen: zwei Konferenzversammlungen und am Abend eine Fireside. Als wir gegen halb zehn ins Hotel zurückkamen, waren wir völlig erschöpft und hungrig. Wir gingen in den Speisesaal des Hotels, um ein bisschen zu essen. Der Tag war vorüber – wir konnten uns entspannen. Zumindest dachte ich das. Wir saßen am Tisch und die Kellnerin hatte schon den Stift in der Hand, um unsere Bestellung aufzunehmen. Präsident Lee sah sie an und fragte: ‘Welcher Kirche gehören Sie an?‘ Für ihn war der Tag noch nicht vorbei. Er war auf Mission. Ehe die Mahlzeit vorbei war, hatte er alles über die junge Frau erfahren. Sie hatte ihren Mann verloren und war einsam und ängstlich. Sie hatte versprochen, sich mit den Missionaren zu treffen und mehr in Erfahrung zu bringen. Es war wunderbar zu sehen, wie der Präsident der Kirche praktizierte, was er den ganzen Tag gepredigt hatte.“24

In seiner Eigenschaft als Präsident der Kirche trug Präsident Lee seine Botschaft und sein Zeugnis vom Herrn Jesus Christus zu allen Enden der Erde. Er legte in England, Europa, Mexiko und dem Nahen Osten viele tausend Kilometer zurück. Er präsidierte über die ersten Gebietskonferenzen in Mexiko City und München. Er besuchte Jerusalem und wandelte voller Begeisterung dort, wo der Erretter gewandelt war. „1972 waren wir gemeinsam zu Fuß im heiligen Land unterwegs…“, berichtet Präsident Hinckley. „In diesem heiligen Augenblick, als [während der Versammlung am Gartengrab] Mondlicht durch die Blätter der Olivenbäume fiel, gab der Mann, den wir als Propheten bestätigt hatten, demütig und mit leiser Stimme Zeugnis. Dort spürten wir ein Stück vom Himmel. An jenem Abend sah ich, dass Präsident Harold B. Lee ein Mensch war, der wahre Demut besaß und mit dem Glauben eines Kindes in seiner Eigenschaft als Prophet Zeugnis gab, dass der Herr Jesus Christus wirklich lebt.“25

Nach nur 538 Tagen als Präsident der Kirche starb Präsident Lee mit 74 Jahren unerwartet an Herzversagen. Sein Tod erschütterte die Heiligen der Letzten Tage, die davon ausgegangen waren, dass seine Amtszeit lange dauern würde. Viele wie beispielsweise Präsident Boyd K. Packer, heute Amtierender Präsident des Kollegiums der Zwölf Apostel, hatten mit der Lücke zu kämpfen, die Präsident Lees Tod gerissen hatte: „Ich kann sagen, dass ich schlaflose Nächte hatte, während derer ich betete und über das ‚Warum’ nachdachte. Warum war Präsident Lee, der mit den Programmen der Kirche so vertraut war wie kein anderer, gerade dann von uns genommen worden, als wir ihn am notwendigsten brauchten? Doch sofort spürte ich inneren Frieden. Es gibt keine Frage: Der Herr bestimmt das Geschehen.“26

Präsident Lee zeichnete sich sein Leben lang dadurch aus, dass er nach der Stimme des Herrn Jesus Christus suchte und auf sie hörte. Als er Prophet war, bat er alle Mitglieder und alle übrigen Menschen eindringlich, dies ebenfalls zu tun – nämlich auf die Weisungen des Herrn zu hören, so wie die Astronauten der beschädigten Apollo 13 auf die Anweisungen ihrer Fluglotsen gehört hatten.

Alle Familien in der Kirche werden gesegnet, wenn sie über die Grundsätze und Lehren des Evangeliums nachdenken, die in dem neuen Leitfaden Lehren der Präsidenten der Kirche: Harold B. Lee ausgeführt sind. Anhand der heiligen Schriften hat dieser Prophet Gottes „den wundervoll ersonnenen Plan“ dargelegt, „dem jeder gehorchen muss, wenn er auf seiner Reise durch die Sterblichkeit sein höchstes Ziel – Errettung und die Rückkehr zu dem Gott, der ihm das Leben geschenkt hat – erreichen will“.27

Breck England gehört zur Gemeinde Canyon Park im Pfahl Bountiful, Utah-Mitte.

Lernt, mit Gott zu reden

„Das Wichtigste, was man tun kann, ist, dass man lernt, mit Gott zu reden. Reden Sie mit ihm wie mit Ihrem Vater, denn er ist Ihr Vater und er möchte, dass Sie mit ihm reden. Er möchte, dass Sie sich im Zuhören üben, wenn er Ihnen die Eingebungen des Geistes schenkt, um Ihnen zu sagen, was Sie tun sollen. Wenn Sie lernen, auf die Ideen, die Ihnen plötzlich in den Sinn kommen, zu achten, werden Sie feststellen, dass sie genau dann kommen, wenn Sie sie brauchen. Wenn Sie sich darin üben, diese Eingebungen wahrzunehmen, werden Sie irgendwann gelernt haben, mit dem Geist der Offenbarung zu leben.“

– Präsident Harold B. Lee ( Lehren der Präsidenten der Kirche: Harold B. Lee, Seite 55)

Fussnoten

  1. Lehren der Präsidenten der Kirche: Harold B. Lee, Seite 2.

  2. Siehe L. Brent Goates, Harold B. Lee: Prophet and Seer (1985), Seite 37, 46.

  3. Zitiert in Lehren der Präsidenten der Kirche: Harold B. Lee, xiv.

  4. Lehren der Präsidenten der Kirche: Harold B. Lee, Seite 47.

  5. Conference Report, April 1943, Seite 129.

  6. Gordon B. Hinckley, zitiert in Lehren der Präsidenten der Kirche: Harold B. Lee, xv.

  7. Zitiert in Goates, Harold B. Lee, Seite 86.

  8. Siehe Goates, Harold B. Lee, Seite 106 ff.

  9. Siehe Goates, Harold B. Lee, Seite 94, 97 ff.

  10. Lehren der Präsidenten der Kirche: Harold B. Lee, Seite 165 f.

  11. Interview mit Helen Lee Goates, Salt Lake City, Utah, 9. Dezember 1998.

  12. „Using the Scriptures in Our Church Assignments“, Improvement Era, Januar 1969, Seite 13.

  13. The Teachings of Harold B. Lee, Hrsg. Clyde J. Williams (1996), Seite 153 f.

  14. Lehren der Präsidenten der Kirche: Harold B. Lee, Seite 134.

  15. Zitiert in Goates, Harold B. Lee, Seite 122.

  16. Zitiert in Goates, Harold B. Lee, Seite 117.

  17. Interview mit Helen Lee Goates.

  18. Lehren der Präsidenten der Kirche: Harold B. Lee, Seite 149.

  19. Generalkonferenz, Oktober 1965.

  20. Conference Report, Munich Germany Area Conference, 1973, Seite 114.

  21. Lehren der Präsidenten der Kirche: Harold B. Lee, Seite 35.

  22. The Teachings of Harold B. Lee, Seite 564.

  23. Zitiert in J. M. Heslop, „Präsident Harold B. Lee: Directs Church; Led by the Spirit“, Church News, 15. Juli 1972, Seite 4.

  24. Zitiert in Lehren der Präsidenten der Kirche: Harold B. Lee, Seite 153.

  25. Zitiert in Goates, Harold B. Lee, Seite 601.

  26. „That All May Be Edified“ (1982), Seite 130.

  27. Lehren der Präsidenten der Kirche: Harold B. Lee, Seite 2.