2002
Aus der Sicht der Heiligen der Letzten Tage: Mohammed
Juni 2002


Aus der Sicht der Heiligen der Letzten Tage: Mohammed

Wenn man Mohammed aus der Sicht des wiederhergestellten Evangeliums betrachtet, wird einem noch deutlicher bewusst, wie sehr der himmlische Vater seine Kinder in allen Ländern liebt.

Vor wenigen Jahren riefen mich zwei Mitglieder in den Vereinigten Staaten an, die mit einem muslimischen Nachbarn aus Pakistan Bekanntschaft geschlossen hatten. Als sie ihm die Geschichte von der ersten Vision Joseph Smiths erzählten, waren sie von seiner Reaktion überrascht. Er sagte nämlich, dass es zwar für die Muslime nach Mohammed keinen weiteren Propheten gäbe, dass die Geschichte von Joseph Smith aber Parallelen zur Geschichte von Mohammed aufweise. Er erklärte: „Wir glauben, dass Mohammed einen himmlischen Boten sah, der ihn über seine neue Berufung als Prophet aufklärte. Ihm wurde eine neue heilige Schrift offenbart, die Gottes Wort an die Menschen enthält, und er gründete eine Gemeinschaft von Gläubigen, aus der eine große Weltreligion entstand.“ Weil die beiden erwähnten Mitglieder so gut wie nichts über Muslime, den Islam*) und auch Mohammed wussten, wussten sie nicht genau, wie sie sich weiter verhalten sollten.

Dieses Beispiel führt zu einer umfassenderen Frage, die für alle Heiligen der Letzten Tage von Bedeutung ist, denn die Kirche ist mittlerweile in aller Welt vertreten und unsere Gesellschaft wird immer pluralistischer: Wie sollen sich Heilige der Letzten Tage anderen Religionen gegenüber verhalten, die behaupten, von Gott inspirierte Propheten, Schriften, Visionen und Wunder zu haben? Die folgenden Ausführungen können hier hilfreich sein. Ich habe mich mit der muslimischen Gesellschaft befasst und auch selbst unter Muslimen gelebt, und meine Ausführungen gründen sich auf Erkenntnisse, die ich im Laufe der Jahre aus dem Evangelium gewonnen habe. Wenn man Mohammeds Rolle in der Religionsgeschichte aus der Sicht des wiederhergestellten Evangeliums betrachtet, kann man einen der einflussreichsten geistlichen Führer der Geschichte viel besser verstehen. Außerdem lernt man so die Liebe besser schätzen, die der himmlische Vater seinen Kindern in allen Ländern entgegenbringt, und macht sich Grundsätze bewusst, die einen dazu anhalten, zu Nachbarn und Freunden aus anderen Glaubensrichtungen positive Beziehungen aufzubauen.

Die Heiligen Der Letzten Tage Und Andere Religionen

Präsident Gordon B. Hinckley spricht sich immer wieder für den Dialog mit anderen Religionen und für gegenseitige Achtung aus. Er hält die Mitglieder dazu an, gegenüber den Anhängern der verschiedenen religiösen, politischen und weltanschaulichen Bekenntnisse „einen Geist dankbarer Zuwendung zu pflegen.“ Weiter hat er gesagt, dass wir dabei aber „keinesfalls von unserer Theologie abweichen.“ Er rät vielmehr: „Achten Sie die Ansichten und Gefühle anderer Menschen. Machen Sie sich deren Tugenden bewusst und suchen Sie nicht nach Fehlern. Suchen Sie vielmehr nach Stärken und Tugenden; dann werden Sie Stärken und Tugenden finden, die Ihnen selbst helfen.“1

Die Bedeutung, die Präsident Hinckley der Verständigung der verschiedenen Religionen untereinander beimisst, entspringt grundlegenden Prinzipien des Evangeliums wie Demut, Nächstenliebe, Achtung vor der ewigen Wahrheit sowie der Tatsache, dass Gott alle Menschen liebt, so wie Jesus Christus und die Propheten sowohl in alter als auch in neuer Zeit es gelehrt haben. Der Erretter hat immer wieder deutlich gemacht, wie sehr sich der himmlische Vater um das Wohlergehen seiner Söhne und Töchter sorgt, beispielsweise im Gleichnis vom verlorenen Schaf (siehe Lukas 15). Im Gleichnis vom barmherzigen Samariter hat er gezeigt, dass jeder, der ein wahrer Jünger sein will, freundlich und liebevoll mit seinen Mitmenschen umgehen muss, und zwar unbesehen der Unterschiede in Politik, Rassenzugehörigkeit und Religion (siehe Lukas 10:25–37). Er sprach sich gegen Intoleranz und Rivalität der einzelnen religiösen Gruppen untereinander aus, ebenso gegen die Neigung, die eigenen Tugenden überzubewerten und den geistigen Stand der anderen herabzuwürdigen. Jesus erzählte denen, die „von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten“, ein Beispiel, in dem er den Stolz des Pharisäers verurteilte, der betete: „Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin“. Und er lobte die Demut des Zöllners, der betete: „Gott, sei mir Sünder gnädig.“ (Siehe Lukas 18:9–14.)

Im Buch Mormon lesen wir, dass der himmlische Vater „aller Völker gedenkt, in welchem Land auch immer sie sein mögen; … und sein herzliches Erbarmen ist über der ganzen Erde“ (Alma 26:37; siehe auch 1. Nephi 1:14). Weil der Herr alle seine Kinder liebt, hat er für geistiges Licht gesorgt, das sie führen und ihr Leben bereichern soll. Elder Orson F. Whitney (1855–1931) vom Kollegium der Zwölf Apostel hat erklärt, dass Gott sich „nicht nur seines Bundesvolkes bedient, sondern auch anderer Völker, damit sie dieses Werk vollbringen, das so gewaltig und erhaben und für diese kleine Handvoll Heiliger viel zu mühselig ist, als dass sie es aus eigener Kraft bewältigen könnten“.2

Elder B. H. Roberts (1857–1933) von den Siebzigern hat sich ebenfalls zu dieser Lehre geäußert: „Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ist zwar aus eben dem Grund gegründet worden, dass die Menschen unterwiesen werden, und Gott bedient sich ihrer, um die Wahrheit bekannt zu machen, aber er muss sich dabei natürlich nicht auf diese eine Institution beschränken – weder, was die Zeit noch den Ort betrifft. Gott erweckt hier und da unter allen Menschenkindern weise Männer und Propheten, die zu den Völkern in deren eigener Sprache sprechen und selbst dem betreffenden Volk angehören, und er spricht auf eine Weise zu ihnen, die sie verstehen können. … Alle großen Lehrer sind Knechte Gottes; in allen Ländern und zu allen Zeiten. Das sind inspirierte Männer, die bestimmt worden sind, Gottes Kinder gemäß ihren Lebensumständen zu unterweisen.“3

Der Prophet Joseph Smith (1805–1844) hat oft ausführlich über dieses Thema gesprochen, nämlich dass Gott alle seine Kinder liebt und dass man deshalb jeder Quelle göttlichen Lichts und Wissens gegenüber aufgeschlossen bleiben muss. „Einer der großen, grundlegenden Leitsätze des Mormonismus ist der“, hat er gesagt, „dass wir die Wahrheit annehmen, mag sie kommen, woher sie will.“4 Der Prophet hat die Mitglieder aufgefordert, „alle die guten und wahren Prinzipien der Welt“ zusammenzutragen „und wie einen Schatz“ zu hüten.5

Die Führer der Kirche fordern die Mitglieder immer wieder auf, mit Menschen anderer Glaubensrichtungen positive Kontakte zu pflegen, indem sie die geistige Wahrheit anerkennen, die der andere besitzt, und auf Parallelen im Glauben und im Lebenswandel hinweisen. Die Führer der Kirche haben uns auch ans Herz gelegt, Meinungsverschiedenheiten höflich anzugehen. Elder Bruce R. McConkie (1915–1985) vom Kollegium der Zwölf Apostel hat bei einer Gebietskonferenz in Tahiti über dieses Thema zu Heiligen der Letzten Tage und Angehörigen anderer Glaubensrichtungen gesprochen: „Behaltet alle Wahrheit und alles Gute, das ihr habt. Lasst von keinem vernünftigen, guten Grundsatz. Gebt keinen Wertmaßstab aus der Vergangenheit auf, wenn er gut, rechtschaffen und wahr ist. Wir glauben an jede Wahrheit, die in irgendeiner Kirche auf der Welt zu finden ist. Aber wir sagen allen Menschen auch dies: Kommt und nehmt das zusätzliche Licht und die zusätzliche Wahrheit an, die Gott in unseren Tagen wiederhergestellt hat. Je mehr Wahrheit wir besitzen, desto größer ist unsere Freude hier und jetzt; und je mehr Wahrheit wir empfangen, desto größer ist unser Lohn in der Ewigkeit.“6

Anlässlich der Generalkonferenz im Oktober 1991 hat Präsident Howard W. Hunter, der damalige Präsident des Kollegiums der Zwölf Apostel, gesagt: „Als Mitglieder der Kirche Jesu Christi bemühen wir uns, alle Wahrheit zusammenzubringen. Wir bemühen uns darum, den Kreis der Liebe und des Verständnisses unter allen Menschen auf der Erde zu erweitern. Wir bemühen uns also um Frieden und Glücklichsein, und zwar nicht nur innerhalb der Christenheit, sondern unter allen Menschen.“7

Elder Russell M. Nelson vom Kollegium der Zwölf Apostel hat zu demselben Thema aus einer offiziellen Erklärung der Ersten Präsidentschaft und des Kollegiums der Zwölf Apostel vom Oktober 1992 zitiert: „Wir rufen alle Menschen in aller Welt auf, sich von neuem solch altbewährten Idealen wie Toleranz und gegenseitiger Achtung zu verpflichten. Wir glauben aufrichtig daran, dass wir, wenn wir einander voll Rücksichtnahme und Anteilnahme anerkennen, feststellen werden: Wir können alle friedlich zusammenleben, auch wenn zwischen uns große Unterschiede bestehen.“ Dann fügte er noch hinzu: „Was da verkündet wurde, bestätigt in unserer Zeit das Eintreten des Propheten Joseph Smith für Toleranz. Gemeinsam dürfen wir dem folgen. Wir stehen zusammen, intolerant gegen Übertretung, doch tolerant gegen den Nächsten mit all den Unterschieden, die ihm heilig sind. Unsere geliebten Brüder und Schwestern auf der ganzen Welt sind alle Kinder Gottes.“8

Die Heiligen Der Letzten Tage Und Ihr Interesse An Mohammed

Ein bemerkenswertes Beispiel dafür, wie sehr die Heiligen der Letzten Tage bemüht sind, wahre Grundsätze wie einen Schatz zu hüten, ist die Bewunderung, die die Führer der Kirche im Lauf der Jahre für das geäußert haben, was Mohammed im geistlichen Bereich bewirkt hat.

Schon 1855, als Mohammed in der christlichen Literatur in der Regel eher lächerlich gemacht wurde, hielten Elder George A. Smith (1817–1775) und Elder Parley P. Pratt (1807–1857) vom Kollegium der Zwölf Apostel ausführliche Predigten, aus denen hervorging, wie genau und objektiv ihre Kenntnisse der Geschichte des Islam waren und welche Hochachtung sie den Führungseigenschaften Mohammeds entgegenbrachten. Elder Smith erklärte, dass Mohammed „ein Nachkomme Abrahams sei und zweifellos zu einem bestimmten Zweck von Gott erweckt wurde“, um nämlich den Götzendienst anzuprangern. Er äußerte sein Mitgefühl mit der Situation der Muslime, denen es so erging wie den Heiligen der Letzten Tage und über die kaum jemand „ehrlich berichtete“. Nach ihm sprach Elder Pratt, der seiner Bewunderung für die Lehren Mohammeds Ausdruck gab und vorbrachte, dass „im Großen und Ganzen … die [Muslime] bessere moralische Grundsätze und Einrichtungen haben als viele christliche Länder“.9

Dass die Heiligen der Letzten Tage Mohammeds historische Rolle zu schätzen wissen, wird auch an einer Erklärung der Ersten Präsidentschaft aus dem Jahre 1978 deutlich, in der es darum geht, dass Gott alle Menschen liebt. In dieser Erklärung wird Mohammed ausdrücklich erwähnt und als einer „der größten Religionsstifter der Welt“ bezeichnet, der „einen Teil des Lichtes Gottes“ empfangen hatte. Außerdem wird darin bestätigt, dass [den genannten Führern] von Gott „sittliche Wahrheiten“ gegeben wurden, „um ganze Nationen zu erleuchten und den Einzelnen auf eine höhere Ebene der Erkenntnis zu führen“.10

In den letzten Jahren hat die Achtung vor dem geistlichen Vermächtnis Mohammeds und den religiösen Wertvorstellungen der islamischen Gemeinschaft weltweit zu häufigeren Kontakten und intensiverer Zusammenarbeit zwischen Heiligen der Letzten Tage und Muslimen geführt. Diese Zusammenarbeit ist teilweise auch darauf zurückzuführen, dass es in Gebieten wie beispielsweise an der Ostküste des Mittelmeeres, in Nordafrika, am Persischen Golf und in Südostasien Gemeinden der Heiligen der Letzten Tage gibt. Die Kirche respektiert die Gesetze und Bräuche des Islam, die es einem Muslim untersagen, sich zu einem anderen Glauben zu bekehren, und verzichtet daher in den islamischen Ländern des Nahen Ostens auf Missionsarbeit.

Dennoch gibt es unzählige Beispiele für Gesprächskontakte und Zusammenarbeit, beispielsweise die Besuche von muslimischen Würdenträgern am Hauptsitz der Kirche in Salt Lake City, die Nutzung der Konservenfabrik der Kirche durch Muslime zur Herstellung von halal (rituell reinen) Nahrungsprodukten, humanitäre Hilfe und Unterstützung im Katastrophenfall in hauptsächlich von Muslimen bewohnten Gebieten wie Jordanien, dem Kosovo und der Türkei, Vereinbarungen zur akademischen Zusammenarbeit zwischen der Brigham-Young-Universität und verschiedenen pädagogischen und staatlichen Stellen der islamischen Welt, das Bestehen einer muslimischen Studentenverbindung an der Brigham-Young-Universität sowie die ständig intensivierte Zusammenarbeit zwischen der Kirche und islamischen Organisationen zur weltweiten Sicherung traditioneller Werte.11 Erst vor kurzem wurde eine Übersetzungsreihe islamischer Texte ins Leben gerufen, die sowohl von der Brigham-Young-Universität als auch von der Kirche finanziell unterstützt wird und schon so manchen wichtigen Austausch zwischen Vertretern des Islam und Führern der Kirche herbeigeführt hat. Ein muslimischer Botschafter bei den Vereinten Nationen geht davon aus, dass die Übersetzungsreihe „eine positive Rolle beim Bestreben des Westens spielen wird, den Islam besser zu verstehen“.12

Diese Beispiele für die Zusammenarbeit zwischen Heiligen der Letzten Tage und Muslimen sowie die Tatsache, dass die Kirche im Jahre 1989 zwei wichtige Zentren für pädagogischen und kulturellen Austausch im Nahen Osten (in Jerusalem und Amman) gegründet hat, spiegeln die althergebrachte Achtung vor dem Islam wider, den die Führer der Kirche schon von Anfang an unter Beweis gestellt haben. Die genannten Aktivitäten sind ein eindrucksvoller Beweis dafür, dass die Heiligen der Letzten Tage stark bemüht sind, das Verständnis für die muslimische Welt zu fördern, und machen deutlich, dass die Kirche bei der Überbrückung der historischen Kluft zwischen Muslimen und Christen eine immer wichtigere Rolle spielt. Ein ägyptischer Regierungsbeamter, der um die Parallelen zwischen Muslimen und Heiligen der Letzten Tage weiß, sagte einmal zu Elder Howard W. Hunter, der damals dem Kollegium der Zwölf Apostel angehörte: „Wenn jemals eine Brücke zwischen dem Christentum und dem Islam geschlagen wird, so kann diese Brücke nur von der Mormonenkirche geschlagen werden.“13

Das Leben Mohammeds

Wer aber war Mohammed? Was an seinem Leben und seinen Lehren hat das Interesse und die Bewunderung der Führer der Kirche geweckt? Welche Stärken und Tugenden lassen sich im Islam entdecken, die uns, wie Präsident Hinckley gesagt hat, bei unserer eigenen geistigen Gesinnung helfen werden?

Heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, gehört der Islam zu den größten und am schnellsten wachsenden Religionen der Welt. Derzeit gibt es mehr als eine Milliarde Muslime (fast ein Fünftel der Weltbevölkerung). Sie leben vor allem in Südostasien, in Indien, im Nahen Osten und in Nordafrika; darüber hinaus existieren bedeutende Gruppen in Europa und Nordamerika. Es gibt Hochrechnungen, die besagen, dass der Islam in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts zur größten religiösen Kraft auf der Welt werden wird. Die Wurzeln dieser dynamischen – und von manchen Menschen auch missverstandenen – religiösen Bewegung lassen sich vierzehn Jahrhunderte zurückverfolgen zu den schlichten Anfängen und dem Wirken ihres Stifters Mohammed, den die Muslime als letzten in einer langen Reihe von Propheten sehen, die Gott gesandt hat, um der Welt den Islam zu bringen.

Mohammed (arabisch Muhammad, „der Gepriesene“) wurde um 570 n. Chr. in Mekka geboren, einer wohlhabenden Stadt im Nordwesten der arabischen Halbinsel und einem Zentrum des Karawanenhandels und der Pilgerfahrten. Da er schon in frühester Kindheit Waise wurde, lebte er als junger Mensch in Armut und hütete für seinen Onkel und seine Nachbarn das Vieh. Dadurch hatte er viel Zeit und Muße, um über die tief schürfenden Fragen des Lebens nachzudenken. Mohammed erarbeitete sich in seinem Umfeld den Ruf eines vertrauenswürdigen Schiedsmanns und Friedensstifters. Die folgende Geschichte ist ein Beispiel dafür:

„Eines Tages beschlossen die Koraisch [der Stamm, dem Mohammed angehörte], die Kaaba [das Heiligtum in Mekka] zu erneuern und die Steine neu auf dem Fundament zu positionieren. In die eine Ecke sollte der schwarze Stein kommen. Man konnte sich aber nicht einigen, wem die Ehre zukommen sollte, ihn dort niederzulegen. Wahrscheinlich wäre es unter den Männern zu einem heftigen Streit gekommen, wenn nicht der junge [Mohammed], den sie alle bewunderten, vorbeigekommen wäre. Sie baten [ihn], … den Streit zu schlichten. Er forderte sie auf, einen großen Umhang auszubreiten und den schwarzen Stein in die Mitte zu legen. Dies taten sie. Dann rief er aus den vier streitenden Stämmen jeweils einen Mann herbei, der eine Ecke des Umhangs in die Hand nehmen sollte. So kamen sie alle zu der Ehre, den Stein tragen zu dürfen.“14

Als Mohammed fünfundzwanzig Jahre alt war, heiratete er Chadidscha, eine wohlhabende Kaufmannswitwe, die fünfzehn Jahre älter war als er. Sie wusste, dass er im Ruf stand, ehrlich und fleißig zu sein, und trug ihm deshalb die Ehe an, die sich als sehr glücklich erwies; aus ihr gingen vier Töchter und zwei Söhne hervor. Die nächsten fünfzehn Jahre arbeitete Mohammed gemeinsam mit Chadidscha als Kaufmann und zog seine Kinder groß. Während dieser Zeit zog er sich oft in die einsame Wüste zurück, um zu beten, zu meditieren und Gott zu verehren. Er war inzwischen enttäuscht von der Korruption, dem Götzendienst und der sozialen Ungerechtigkeit, die in Mekka herrschten; deshalb suchte er nach einer höheren Wahrheit, die ihm und seinem Volk Frieden, Gerechtigkeit und geistige Erfüllung schenken konnte.

Im Jahre 610 wurde Mohammed vierzig Jahre alt. Sein geistiges Streben und die Phase, in der er sich bereitgemacht hatte, erreichten nun ihren Höhepunkt. Laut der islamischen Geschichte befand sich Mohammed eines Abends auf dem Berg Hira in der Nähe von Mekka, um zu beten und nachzusinnen. Da erschien ihm der Engel Gabriel, um ihm eine Botschaft von Gott (arabisch Allah ) zu verkünden.15Drei Mal gebot der Engel ihm: „Lies im Namen deines Herrn, der alles geschaffen hat und der den Menschen aus geronnenem Blut erschuf. Lies, bei deinem Herrn, dem glorreichen, der den Gebrauch der Feder lehrte und den Menschen lehrt, was er nicht gewusst hat.“ (Der Koran 96:1–5.)16

Zweiundzwanzig Jahre lang, nämlich von 610 n. Chr. bis zu seinem Tod im Jahr 632 n. Chr., empfing Mohammed durch den Mund des Engels Gabriel Kundgebungen, die, wie er sagte, von Allah stammten. Diese Kundgebungen lernte er auswendig und trug sie seinen Jüngern vor. Die Muslime bezeichnen die Sammlung dieser mündlichen Wiedergabe des Sinns und des Willens Allahs als al-Qur’an („Rezitation“). Doch Mohammeds Lehren gegen Götzendienst, Vielgötterei und den Mord an weiblichen Neugeborenen sowie andere religiöse und soziale Verderbtheit stießen in Mekka auf heftigen Widerstand. In dieser frühen Phase wurde seine Botschaft in Mekka verworfen. Mohammed und seine Anhänger, die sich gerade erst bekehrt hatten und hauptsächlich aus ein paar wenigen Angehörigen und guten Freunden bestanden, wurden gemieden, verfolgt und sogar gefoltert.

Doch dann kamen mehrere Männer aus der Stadt Jathrib und baten Mohammed, sich als Schiedsmann der Streitigkeiten anzunehmen, die die Stadt zu spalten drohten. Hierin sah Mohammed eine gute Möglichkeit, die Leiden zu lindern, denen seine Anhänger ausgesetzt waren. Deshalb erklärte er sich bereit, Mekka zu verlassen. Zuerst sandte er seine Anhänger in die Stadt und machte sich später selbst auf den Weg dorthin. Diese Stadt bekam später den Namen Madinat an-Nabi („Stadt des Propheten“) bzw. einfach Medina. Diese Übersiedlung oder Hadsch (von arabisch hijra, gesprochen Hidschra) von Mekka nach Medina fand im Jahre 622 n. Chr. statt. Mit dem Jahr der Hadsch beginnt auch der muslimische Kalender. Die Muslime betrachten die Hadsch als Wendepunkt im Leben des Propheten und in der Gestaltung der muslimischen Gemeinschaft. Vom verlachten Prediger stieg Mohammed zum Staatsmann, Gesetzgeber, Richter, Lehrer und Militärbefehlshaber auf. In Medina konnten sich die Muslime fest etablieren, Regierungs- und Bildungsinstitutionen gründen und sich zu einer blühenden Gemeinschaft entwickeln, die im krassen Gegensatz zu ihrem Status in Mekka stand, wo sie als religiöse Minderheit verfolgt worden waren.

Einige wenige Jahre nach der Hadsch konnte Mohammed nach Mekka zurückkehren, wo seine Lehren nun auch nach und nach angenommen wurden. Heute betrachten die Muslime Mekka als geistiges Zentrum des Islam und die heiligste Stadt der Welt. An zweiter Stelle steht Medina und an dritter Stelle Jerusalem.

Im Jahre 632 n. Chr. starb Mohammed ganz unerwartet im Alter von 62 Jahren nach einer kurzen fiebrigen Erkrankung. Mohammed hat in jedweder Weise enorm großen Erfolg gehabt, auch wenn sein Name und sein Wirken in der westlichen Welt kontrovers betrachtet werden. Doch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind nicht-muslimische Historiker objektiver geworden und zeigen eine positivere Einstellung zum Islam. Sie erkennen Mohammeds Leistungen sowohl im politischen als auch im religiösen Bereich an und weisen ihm einen Platz unter den einflussreichsten Persönlichkeiten der Geschichte zu.

Im Gegensatz zum klischeehaften Bild der westlichen Welt, die in Mohammed einen Feind der Christen sieht, stellen muslimische Quellen ihn als Mann von unerschöpflicher Demut, Güte, guter Laune, Großzügigkeit und Schlichtheit dar. Obwohl er oft ein Lächeln auf den Lippen trug, heißt es, dass er selten lachte, denn in einem berühmten Hadith (Aufzeichnungen der Aussprüche und Verhaltensweisen Mohammeds) steht: „Wenn ihr wüsstet, was ich weiß, würdet ihr viel weinen und wenig lachen.“ Sein stiller Humor zeigt sich in der folgenden Geschichte: „Eines Tages kam eine kleine alte Frau zu ihm und fragte, ob alte, bedauernswerte Frauen auch ins Paradies kämen. ‚Nein’, gab er zur Antwort. ‚Im Paradies gibt es keine alten Frauen!’ Als er ihr trauriges Gesicht sah, sagte er lächelnd: ‚Im Paradies werden sie nämlich verwandelt, denn dort sind alle jung!’“

Er gab seinen Anhängern kluge und praktische Ratschläge. Als ein Mann ihn einmal fragte, ob er sein Kamel anbinden müsse, wo er doch auf Gottes Hilfe und Schutz vertraue, gab Mohammed zur Antwort: „Binde es erst an und vertraue dann auf Gott.“ Aus manchen Aufzeichnungen scheint hervorzugehen, dass Mohammeds Familie arm war und oft Hunger leiden musste. Sie konnte sich hin und wieder wohl nur ein Stück grob geschrotetes Brot leisten. Seine eigene Aussage faqri fakhri – „Meine Armut ist mein Stolz“ zeigt, dass er schlichte Freuden genoss. Diesen Spruch nahmen sich die muslimischen Asketen später als Leitwort. Mohammed mochte Kinder besonders gerne. Er ließ seine beiden kleinen Enkelsöhne sogar auf seinen Rücken klettern, während er seine Gebete sprach. Ein Mann kritisierte ihn einmal dafür, dass er seinen Enkel Hassan geküsst hatte, und sagte: „Ich habe zehn Jungen, habe aber nie auch nur einen von ihnen geküsst.“ Mohammed gab zur Antwort: „Wer anderen keine Barmherzigkeit erweist, dem wird auch keine Barmherzigkeit zuteil werden.“17

Während der letzten Rede in der Moschee von Medina, die Mohammed an seinem Sterbetag hielt, stellte er seine Demut und Großherzigkeit unter Beweis, als er sich nach mehr als dreißig Jahren voller Opferbereitschaft für seine Anhänger von ihnen verabschiedete: „Wenn es jemanden gibt, den ich in seiner Ehre gekränkt habe, dann will ich dafür gerade stehen. Wenn ich jemandem ungerechtfertigterweise körperlichen Schaden zugefügt habe, dann bin ich bereit, die Strafe dafür auf mich zu nehmen. Wenn ich irgendjemandem etwas schulde, dann biete ich ihm hiermit meinen Besitz an, damit er sich daran schadlos halte. … Niemand soll sagen: ‚Ich fürchte die Feindschaft und den Hass des Gottesgesandten.‘ Ich hege gegen niemanden Groll. Dies widerspricht meiner Wesensart und meiner Veranlagung. Ich verabscheue solches Verhalten sehr.“18

Wenn man sich dies alles vor Augen hält, dann kann man leicht verstehen, warum die Muslime Mohammed allerorten loben, sich im Gespräch auf seinen Namen berufen und seinen Geburtstag feiern. Ein frommer Muslim ist bestrebt, Mohammeds Beispiel in allen Lebensbereichen nachzueifern: Kleidung, Erscheinungsbild, Tischmanieren, religiöse Rituale und Wohltätigkeit.

Die Lehren Mohammeds

Das Leben im Islam dreht sich um fünf Grundprinzipien, die im Koran in allgemeinen Grundsätzen dargelegt und in den Lehren und Gebräuchen (arabisch sunna ) Mohammeds ausführlicher erklärt werden. Diese fünf Säulen sind das Bekennen des Glaubens, das Gebet, das Almosengeben, das Fasten und die Pilgerfahrt nach Mekka. Einige Beispiele für die Lehren Mohammeds zum wohltätigen Spenden und Fasten machen deutlich, wie er sein Volk unterwiesen hat und welche zentrale Rolle er im Leben der Muslime spielt.

Der Grundsatz des Almosengebens soll gewährleisten, dass für die Armen gesorgt wird, und gleichzeitig das Mitgefühl der Gläubigen fördern. Im Koran heißt es, Nächstenliebe und Mitgefühl bestimmen, ob man in den Augen Gottes würdig sei, und nicht das mechanische Befolgen bestimmter Rituale (siehe 2:178). Mohammed fordert von seinen Anhängern ganz eindeutig, dass sie Nächstenliebe üben:

„Niemand von euch ist [wahrhaft] gläubig, wenn er sich nicht für seinen Bruder das Gleiche wünscht wie für sich selbst.“

„Jeder muss von ganzem Herzen an jedem Tag, an dem die Sonne aufgeht, eine gute Tat vollbringen: gerecht zwischen zwei Menschen zu handeln, ist eine gute Tat; einem Mann mit seinem Tier zu helfen, ist eine gute Tat; ihn selbst oder sein Eigentum darauf zu heben, ist eine gute Tat; jeder Schritt, den man macht, um zu beten, ist eine gute Tat; etwas Schädliches aus dem Weg zu räumen, ist eine gute Tat.“

„Nächstenliebe löscht die Sünde aus wie Wasser das Feuer.“

„Wer einen anderen anlächelt, erweist ihm Nächstenliebe.“

„Wer mit vollem Magen schlafen geht, obwohl er weiß, dass sein Nächster Hunger leidet, [ist kein Glaubender].“19

Nach Ansicht der Muslime werden mit dem Fasten zwei unterschiedliche Ziele verfolgt: Es soll erstens dazu führen, dass man demütig wird und seine Seele Gott unterwirft, und zweitens Nächstenliebe fördern und es so ermöglichen, dass für die Armen innerhalb der Gemeinschaft gesorgt wird. Daher gehen Fasten und das Almosengeben Hand in Hand: Man kann sich selbst nicht vollständig verleugnen, wenn man nicht etwas von sich hergibt.

Als ich in Ägypten, genauer gesagt in Kairo, wohnte, wurde ich an diesen Grundsatz der Muslime und an den weit reichenden Einfluss des Beispiels Mohammeds erinnert, und zwar während des Ramadans, des heiligen Fastenmonats.20 Ich war zusammen mit meiner Familie von einem muslimischen Freund namens Nabil zu dem Abendessen eingeladen worden, mit dem das Fasten beendet wurde. Als wir seine bescheidene Wohnung in einem der ärmsten Viertel Kairos betraten, fiel mir auf, dass sich in einem Zimmer zahlreiche Frauen und Kinder befanden. Sie saßen alle auf dem Fußboden und hatten vor sich auf einem Tuch etwas zu essen liegen. Nun warteten sie still auf den Ruf zum Gebet, der jeden Tag das Ende des Fastens einläutet. Als ich Nabil fragte, ob das seine Verwandten seien, gab er mir zur Antwort: „Nein, ich kenne sie gar nicht. Wir haben es uns zur Gewohnheit gemacht, auf der Straße Fremde, die sich keine gute Mahlzeit leisten können, einzuladen, an unserem Ramadanessen teilzunehmen. Dies tun wir, weil auch Mohammed, unser Prophet, dies zu tun pflegte.“

Die Selbstlosigkeit und die Nächstenliebe, die mein muslimischer Freund den Armen entgegenbrachte, bewegten mich tief. Sein gutes Beispiel stimmte mich demütig. Aus der Bibel hatte ich schon viele Jahre zuvor etwas gelernt, was ich aber selbst nur selten befolgt hatte: „Wenn du mittags oder abends ein Essen gibst, so lade nicht deine Freunde oder deine Brüder, deine Verwandten oder reiche Nachbarn ein. … Nein, wenn du ein Essen gibst, dann lade Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein. Du wirst selig sein, denn sie können es dir nicht vergelten.“ (Lukas 14:12–14.)

Aus Der Sicht Der Heiligen Der Letzten Tage

Welche Einstellung sollen die Heiligen der Letzten Tage denn nun gegenüber der Gemeinschaft der Muslime haben? Am besten ist es, wenn man sich die Wahrheiten und Ideale bewusst macht, die wir mit unseren muslimischen Brüdern und Schwestern teilen, auch wenn man manchmal höflich darauf hinweisen muss, dass es theologische Unterschiede gibt. Ganz gewiss stimmen die Heiligen der Letzten Tage nicht den Lehren des Islams zu, die das Gottsein Jesu Christi, die Notwendigkeit neuzeitlicher Propheten und den Grundsatz des ewigen Fortschritts leugnen. Doch wer demütig und für geistiges Licht aufgeschlossen ist, wo immer es auch zu finden sein mag, der profitiert von den religiösen Erkenntnissen der Muslime und macht sich die Parallelen bewusst wie beispielsweise den Glauben, das Beten, das Fasten, die Umkehr, die Nächstenliebe, die Bescheidenheit und eine starke Familie – alles Ecksteine der geistigen Gesinnung des Einzelnen und der Gemeinschaft.21

In einer Versammlung mit muslimischen Würdenträgern ist Elder Neal A. Maxwell vom Kollegium der Zwölf Apostel auf Gemeinsamkeiten im geistlichen Erbe der Mormonen und der Muslime eingegangen. Er zitierte eine Sure aus dem Koran und sagte dann: „Alles Licht im Himmel und auf der Erde stammt von Gott. Diesen Glauben teilen wir mit Ihnen. Wir widersetzen uns der säkularen Welt. Wie Sie glauben auch wir, dass das Leben einen Sinn und ein Ziel hat. … Wir halten die Familie in Ehren. … Wir bewundern Sie wegen der Fürsorge, die Sie der Familie angedeihen lassen. … Gegenseitige Achtung, Freundschaft und Liebe sind in der heutigen Welt kostbare Güter. Dies alles bringen wir unseren islamischen Brüdern und Schwestern entgegen. Liebe braucht kein Visum. Sie überschreitet alle Grenzen und verbindet Generationen und Kulturen.“22

In einer seiner eindrucksvollsten Reden zum Thema Toleranz und Mitgefühl forderte der Prophet Joseph Smith die Mitglieder auf, ihr Bild von der Menschenfamilie zu erweitern und Angehörige anderer Religionen und Kulturen so zu betrachten wie der himmlische Vater es tut, und „nicht nach den engstirnigen Vorstellungen der Menschen“. Er erklärte, dass der Vater am letzten Tag die vielschichtigen persönlichen, politischen und sozialen Umstände berücksichtigen und sein endgültiges Urteil gemäß seiner göttlichen, von Barmherzigkeit geprägten Betrachtungsweise fällen wird, die unser begrenztes menschliches Verständnis übersteigt:

„Während aber ein Teil der Menschheit den anderen ohne Gnade be- und verurteilt, blickt der erhabene Vater des Universums liebevoll und mit väterlicher Fürsorge auf alle Menschen hernieder. Er betrachtet sie ja als seine Abkömmlinge und ohne die engherzigen Gefühle, von denen die Menschen beherrscht werden. Er lässt die Sonne aufgehen über die Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. Die richterliche Gewalt ist in seiner Hand: Er ist ein weiser Gesetzgeber und wird alle Menschen richten – nicht nach den engstirnigen Vorstellungen der Menschen, sondern gemäß ‚dem Guten oder Bösen, das er im irdischen Leben getan hat‘, sei es, dass es in England oder Amerika, in Spanien oder in der Türkei oder in Indien getan wurde. Er wird sie nicht nach dem beurteilen, was sie nicht haben, sondern nach dem, was sie haben. Wer ohne Gesetz gelebt hat, wird ohne Gesetz gerichtet werden, und wer ein Gesetz gehabt hat, wird nach diesem Gesetz gerichtet werden. Wir brauchen an der Weisheit und Intelligenz des großen Jahwe nicht zu zweifeln; er wird einer jeden Nation nach ihrem Verdienst Verurteilung oder Barmherzigkeit zuerkennen, je nachdem, wie sie Intelligenz erlangt hat, nach welchen Gesetzen sie regiert worden ist, was für Möglichkeiten sie hatte, richtige Kenntnis zu erlangen – alles in seiner unergründlichen Absicht in Bezug auf das Menschengeschlecht. Wenn die Absichten Gottes einmal offenkundig werden und die Zukunft sich enthüllen wird, dann werden wir schließlich alle bekennen müssen, dass der Richter über alle Erde recht getan hat.“23

Als Antwort auf Fragen zu Kontakten zwischen der Kirche und anderen Glaubensgemeinschaften möchte ich voller Dankbarkeit darauf hinweisen, dass wir einer Kirche angehören, die die Wahrheiten bestätigt, die Mohammed und andere große Lehrer, Reformer und Religionsstifter gelehrt haben. Wir erkennen die Tugenden an, die in der Lebensführung von Menschen sichtbar werden, die anderen Glaubensgemeinschaften angehören. Auch wenn wir nicht von den offenbarten ewigen Wahrheiten des wiederhergestellten Evangeliums abrücken, so vermeiden wir es doch, uns anderen Glaubensrichtungen gegenüber feindselig zu verhalten. Stattdessen sind wir gemäß einem prophetischen Rat aus neuer Zeit bemüht, das, was an anderen Glaubensrichtungen tugendhaft und lobenswert ist, wie einen Schatz zu hüten und es dankbar aufzunehmen. Wir Heilige der Letzten Tage können das geistige Licht aus anderen Religionen respektieren und davon profitieren, während wir selbst bemüht sind, andere an dem zusätzlichen Maß geistiger Wahrheit teilhaben zu lassen, das uns durch neuzeitliche Offenbarung gschenkt worden ist.

* Unter Muslimen versteht man die Anhänger des Islam (bedeutet „völlige Gottergebenheit“). Der Koran (arabisch Qur’an) ist die heilige Schrift des Islam..

James A. Toronto ist außerordentlicher Professor für islamische Studien und vergleichende Religionswissenschaften an der Brigham-Young-Universität.

Anmerkungen

  1. Zitiert in Sheri L. Dew, Go Forward with Faith: The Biography of Gordon B. Hinckley (1996), Seite 536 und 576.

  2. Generalkonferenz, April 1921.

  3. Defense of the Faith and the Saints, 2 Bände, (1907), 1:512f.

  4. Lehren des Propheten Joseph Smith, Seite 319.

  5. Lehren des Propheten Joseph Smith, Seite 323.

  6. Zitiert in Russell M. Nelson, „Lehr uns Duldsamkeit und Lieb“, Der Stern, Juli 1994, Seite 61f.

  7. „Das Evangelium umspannt die Welt“, Der Stern, Januar 1992, Seite 16.

  8. Siehe Der Stern, Juli 1994, Seite 62; Hervorhebung im Original.

  9. Siehe Deseret News, 10. Oktober 1855, Seite 242, 245.

  10. Erklärung der Ersten Präsidentschaft, 15. Februar 1978.

  11. Die Aktivitäten im Zusammenhang mit der Familie werden vom „World Family Policy Center“ an der Brigham-Young-Universität koordiniert. Außerdem unterstützt dieses Zentrum einen internationalen Glaubensverband finanziell, nämlich den Weltkongress der Familien, dem Vertreter aus vielen islamischen Ländern angehören.

  12. Siehe Michael R. Leonard, „Islamic diplomats hosted in New York“, Church News, 3. April 1999, Seite 6.

  13. Howard W. Hunter, „,All Are Alike unto God‘“, Ensign, Juni 1979, Seite 74.

  14. Ikbal Ahmad Azami, Muhammad the Beloved Prophet (1990), Seite 14f. Die Kaaba ist ein Heiligtum in Mekka, das laut Mohammed ursprünglich von Abraham und seinem Sohn Ischmael errichtet worden ist.

  15. Der Name Allah ist aus dem Begriff al-lah hervorgegangen, was „der Gott“ bedeutet. Alle muslimischen und christlichen Araber verwenden dieses Wort als Bezeichnung für Gott. Es wird ebenfalls in den neuzeitlichen Schriften der Heiligen der Letzten Tage verwendet und ist die gebräuchlichste Bezeichnung für Gott in der arabisch sprechenden Welt.

  16. Der Koran in der Übertragung von Ludwig Ullmann und L. W. Winter, Goldmann Verlag, 1979, Seite 494.

  17. Die hier erwähnten Anekdoten zur Person Mohammeds stammen aus Annemarie Schimmel, And Muhammad Is His Messenger: The Veneration of the Prophet in Islamic Piety (1985), Seite 46ff.

  18. Ja’far Qasimi, „The Life of the Prophet“, in Islamic Spirituality, Hg. Seyyed Hossein Nasr (1991), Seite 92.

  19. Die ersten drei hier zitierten Hadithe stamen aus al-Arba’in al-Nawawiyya [Nawawi’s Forty Hadith] (1976), Seite 56, 88, 98. Die letzten beiden Hadithe wurden im Gespräch mit muslimischen Freunden und Bekannten vom Verfasser aufgezeichnet.

  20. Während des Ramadan fasten die Muslime dreißig Tage lang von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, das heißt, sie verzichten während dieser Zeit auf Nahrung, Getränke, Tabak und die Erfüllung anderer körperlicher Bedürfnisse.

  21. Mehr über die Weltanschauung der Muslime und Parallelen sowie Unterschiede in der Lehre finden Sie in Daniel C. Peterson, Abraham Divided: An LDS Perspective on the Middle East (1995), oder in James A. Toronto, „Islam“, in Spencer J. Palmer und Roger R. Keller, Religions of the World: A Latter-day Saint View (1997), Seite 213f.

  22. Church News, 3. April 1999, Seite 6, sowie persönliche Beobachtungen und Aufzeichnungen des Verfassers.

  23. Siehe Lehren des Propheten Joseph Smith, Seite 223.