Die Wahrheit über meine Familie
Gegen Ende der Ferien saß ich einmal mit meinen Freunden Grace und Ron auf der Terrasse. Das Gespräch drehte sich wieder einmal darum, wie sehr Grace ihren Vater ablehnte.
„Es ist so peinlich, wenn man mich mit ihm zusammen sieht. Es geht mir so auf die Nerven, wenn er …“ Und dann folgte eine Aufzählung der Schwächen ihres Vaters. Er war einfach nicht so, wie sie sich ihn wünschte!
Ron meinte offenbar, er müsse auch etwas dazu sagen. Er zog über seine Familie her und meinte, seine Mutter sei zu viel außer Haus; außerdem mochte er ihre Art, sich zu kleiden, nicht. Er fand es unfair, dass er abends zu einer bestimmten Zeit zu Hause sein musste, und es störte ihn, dass sein Vater ihn anschrie.
Die ganze Zeit saß ich bloß auf der Schaukel und rechnete damit, dass sie mich fragten, was mir an meiner Familie nicht gefiel. Aber ich konnte nicht sagen, dass ich meine Familie nicht liebte. Wir sind fünf Mal umgezogen, und das hat meinen Bruder, meine Schwester und mich sehr zusammengeschweißt. Wir können uns aufeinander verlassen und halten zusammen. Meine Mutter war sehr stolz darauf, dass wir einander so nahe waren.
Dann fragte Grace: „Und was ist mit deiner Familie, Scott?“
Eine Weile blieb ich still. Ich überlegte genau, was ich sagen sollte, denn ich wusste, dass ich damit das kundtat, woran ich glaubte. Als ich schließlich das Wort ergriff, spürte ich, wie der Geist mich führte. Sie unterbrachen mich nicht. Ich sprach darüber, wie viel mir meine Familie bedeutet und dass ich hoffte, auch in Ewigkeit mit ihr zusammensein zu können. Ich bat sie, mit ihrer Familie mehr Geduld zu haben. Ich sagte ihnen, sie sollen sich doch das Große, Ganze vor Augen halten.
Ich lief ins Haus und holte mein Exemplar der Proklamation zur Familie von der Ersten Präsidentschaft und vom Kollegium der Zwölf Apostel. Ich las ihnen den siebten Absatz vor und legte mein Hauptaugenmerk auf die Eigenschaften, auf die sich ein glückliches Familienleben gründet: „Ein glückliches Familienleben kann am ehesten erreicht werden, wenn die Lehren des Herrn Jesus Christus seine Grundlage sind. Erfolgreiche Ehen und Familien gründen und sichern ihren Bestand auf den Prinzipien Glaube, Gebet, Umkehr, Vergebungsbereitschaft, gegenseitige Achtung, Liebe, Mitgefühl, Arbeit und sinnvolle Freizeitgestaltung.“ ( Liahona, Oktober 1998, Seite 24.)
Danach sagte ich: „Daran glaubt meine Familie. Das wünschen wir uns, und daran arbeiten wir. Und ich weiß, wenn ich es schaffe, kann ich beim Jüngsten Gericht bei meiner Familie stehen und wissen, dass wir für immer zusammen leben werden.“
Ich hatte keine Ahnung, wie meine Freunde meine Worte aufnahmen, denn sie schwiegen beide. Wir saßen einfach nur da und dachten über meine Worte nach.
Später gingen mir Tausende Gedanken durch den Kopf. Ich war stolz darauf, dass ich mich auf eine Mission vorbereitete, indem ich die Lehren der Kirche meinen Freunden nahe brachte. Aber hatte ich es auch in angemessener Weise getan? Was dachten sie wohl, wenn ich versuchte, ihnen noch mehr über das Evangelium zu erzählen?
Vor dem Schlafengehen schlug ich noch rasch die heiligen Schriften auf, und zwar Lehre und Bündnisse, Abschnitt 4. Hier heißt es: Wenn wir dem Herrn bei der Missionsarbeit „mit ganzem Herzen, aller Macht, ganzem Sinn und aller Kraft“ dienen, stehen wir „am letzten Tag schuldlos vor Gott“ (LuB 4:2).
Natürlich sind meine Freunde und ich nicht in allem einer Meinung. Aber ich weiß jetzt, dass man einen wahren Freund niemals deswegen verliert, weil man mit ihm über seinen Glauben gesprochen hat. Grace und Ron haben sich nicht der Kirche angeschlossen, aber sie sind nach wie vor meine Freunde. Ich hatte ein gutes Gefühl dabei, als ich ihnen meinen Glauben näherbrachte. Es macht nichts, wenn sie ihre Ansichten über Familie oder Religion nicht gleich ändern. Ich weiß, es gibt Hunderte Geschichten, die gut ausgehen, weil jemand bei der Missionsarbeit nicht aufgegeben hat. Vielleicht geht meine insofern ja auch gut aus.
Scott Bean gehört zur Gemeinde Elkhorn im Pfahl Omaha in Nebraska.