Eigenverantwortung im Priestertum
Wenn Sie zu einem Amt im Priestertum ordiniert werden, wird Ihnen Vollmacht gewährt. Macht entsteht jedoch dadurch, dass man diese Vollmacht in Rechtschaffenheit ausübt.
Liebe Brüder im Priestertum, auch wenn wir aus vielen Ländern stammen, so vereint uns doch, wie Paulus gesagt hat, „ein Herr, ein Glaube, eine Taufe“1. Aber die Macht des Glaubens entwickelt jeder Einzelne in sich selbst, nicht die Gruppe.
Stellen Sie sich beispielsweise vor, welchen Glauben ein etwa achtjähriger Junge wohl hatte, dem eine Notoperation wegen einer akuten Blinddarmentzündung bevorstand. Als er auf dem Operationstisch lag, blickte er zum Chirurgen auf und sagte: „Herr Doktor, können Sie für mich beten, bevor Sie mit der Operation anfangen?“
Der Chirurg sah den Jungen erstaunt an und sagte: „Wie? Ich kann nicht für dich beten.“
Daraufhin sagte der kleine Kerl: „Wenn Sie nicht für mich beten, dann warten Sie bitte, bis ich selbst für mich gebetet habe.“ Und mitten auf dem Operationstisch kniete der Junge nieder, faltete die Hände und begann zu beten. Er sagte: „Himmlischer Vater, ich bin nur ein kleiner Waisenjunge. Ich bin sehr krank und diese Ärzte werden mich operieren. Kannst du ihnen bitte helfen, dass sie es richtig machen? Himmlischer Vater, wenn du mich gesund machst, will ich auch ganz brav sein. Danke, dass du mich gesund machst.“ Er legte sich dann wieder hin, sah in die mit Tränen gefüllten Augen der Ärzte und Schwestern und sagte: „Jetzt bin ich so weit.“2
Er wurde körperlich wieder gesund und seine geistige Macht entwickelte sich. Sie, Brüder, sind älter und Ihnen ist das Priestertum übertragen worden. Ihr Priestertumskollegium bietet Ihnen die Gelegenheit, Freundschaften zu schließen, zu dienen und zu lernen. Doch der Pflicht, Macht im Priestertum zu entwickeln, muss jeder selbst genügen. Nur Sie selbst können einen festen Glauben an Gott und eine Leidenschaft für das Gebet entwickeln. Nur Sie selbst können die Gebote Gottes halten. Nur Sie selbst können umkehren. Nur Sie selbst können sich für die heiligen Handlungen der Errettung und Erhöhung bereitmachen. Und wenn Sie an Ihre Frau gesiegelt werden, wird ihre Kraft und ihr Potenzial das Ihre vermehren.
Ich gehöre einem wunderbaren Priestertumskollegium an. Wir erfreuen uns einer kostbaren Bruderschaft. Wir beten zusammen, wir dienen zusammen. Wir unterweisen, lieben und unterstützen einander. Die Zwölf Apostel haben einen unterschiedlichen Werdegang – in der Wirtschaft, im Bildungswesen, im Recht und in der Wissenschaft. Doch keiner von ihnen wurde wegen dieses Werdegangs berufen. Tatsache ist, dass alle Männer, die in verantwortungsvolle Positionen im Priestertum berufen werden, aufgrund dessen ausgewählt werden, wer sie sind und was sie werden können.3
Im Laufe Ihres Lebens werden Sie eine Vielzahl von Pflichten und Aufgaben haben. Viele von ihnen sind befristet und werden weitergegeben, wenn Sie entlassen werden. (Vermutlich werden Sie nicht widersprechen, wenn Sie aus der Berufung entlassen werden, auf einer Wohlfahrtsfarm Unkraut zu jäten.) Sie werden jedoch niemals aus Ihrer Verantwortung für Ihre eigene Entwicklung und die Ihrer Familie entlassen.
Wenn Sie zu einem Amt im Priestertum ordiniert werden, wird Ihnen Vollmacht gewährt. Macht entsteht jedoch dadurch, dass man diese Vollmacht in Rechtschaffenheit ausübt.
Verantwortung gegenüber dem Herrn
Vom Präsidenten der Kirche bis zum jüngsten Diakon – wir alle sind dem Herrn gegenüber verantwortlich. Wir müssen wahrhaftig und treu sein und nach jedem Grundsatz und jeder Lehre leben, die er uns gegeben hat. Wir können Offenbarungen und Gebote, die wir befolgen müssen, nicht nur teilweise beachten. Er vertraut uns, dass wir „das Reich Gottes aufbauen und seine Rechtschaffenheit errichten“.4
Jeder von uns wird eines Tages dem Herrn Rechenschaft ablegen müssen.5 Diese Erkenntnis trat in einem ernsten Gespräch deutlich zutage, das ich mit einem lieben Freund führte, der vor dem Ende seines Erdenlebens stand. Ich fragte ihn, ob er bereit sei zu sterben. Seine Antwort werde ich niemals vergessen. Voll Mut und Überzeugung sagte er: „Mein Leben ist für eine Inspektion bereit.“
Als der Prophet Joseph Smith dem Tod ins Auge sah, sagte er: „Ich gehe wie ein Lamm zur Schlachtbank, aber ich bin so ruhig wie ein Sommermorgen; mein Gewissen ist frei von Schuld gegenüber Gott und allen Menschen.“6
Jetzt ist die Zeit, in der Sie sich auf Ihre eigene Abschlussbesprechung vorbereiten können. Sie können sich selbst fragen: „Zahle ich den Zehnten mit willigem Herzen? Halte ich das Wort der Weisheit? Ist meine Sprache frei von Vulgärem und von Schimpfwörtern? Bin ich sittlich rechtschaffen? Bin ich wirklich dankbar f ür das Sühnopfer, wodurch meine Auferstehung Realität und ewiges Leben möglich wird? Halte ich die Tempelbündnisse, die mich für immer an meine Lieben siegeln, in Ehren?“ Wenn Sie ehrlich mit „Ja“ antworten können, dann sind Sie dabei, Macht im Priestertum zu e ntwickeln.
Die Gabe des Heiligen Geistes kann diese Macht vermehren. Die heiligen Schriften berichten von Menschen, die den Heiligen Geist empfangen haben, es aber nicht wussten.7 Passen Sie auf, dass dies nicht auch Ihnen widerfährt. Pflegen Sie diese Gabe und machen Sie sich für diese Verheißung Gottes würdig: „Sprecht die Gedanken aus, die ich euch ins Herz gebe, dann werdet ihr vor den Menschen nicht zuschanden werden. Denn es wird euch zur selben Stunde, ja, im selben Augenblick eingegeben werden, was ihr sagen sollt.“8
Eigenverantwortung und Macht im Priestertum
Priestertumsvollmacht hat es in vielen Evangeliumszeiten gegeben, so unter anderem auch in der Adams, Noachs, Henochs, Abrahams und Moses, in der Mitte der Zeiten, unter den Jarediten und den Nephiten. Alle früheren Evangeliumszeiten waren zeitlich begrenzt und endeten im Abfall vom Glauben. Sie waren außerdem auf kleine Teile der Erde begrenzt. Im Gegensatz dazu ist unsere Evangeliumszeit – die Evangeliumszeit der Fülle – weder zeitlich noch örtlich begrenzt. Weltweit findet in ihr eine gänzliche, vollständige und vollkommene Vereinigung statt, bei der Ausschüttungen, Schlüssel, Mächte und Herrlichkeiten von den Tagen Adams an bis in die Gegenwart verschmolzen werden.9
Das Aaronische Priestertum wurde am 15. Mai 1829 durch Johannes den Täufer wiederhergestellt; das Melchisedekische Priestertum kurz darauf von Petrus, Jakobus und Johannes.10 Andere himmlische Boten übertrugen besondere Schlüssel des Priestertums. Moroni hatte die Schlüssel des Buches Mormon inne.11 Mose brachte die Schlüssel der Sammlung Israels und der Rückführung der Zehn Stämme.12 Elias übertrug die Schlüssel der Wiederherstellung aller Dinge, 13 wozu auch der Bund mit Abraham gehört.14 Und Elija übertrug die Schlüssel der Siegelungsvollmacht.15
Sie sind mit Schlüsseln vertraut. Vielleicht haben Sie in Ihrer Hosentasche einen Schlüssel für zu Hause oder das Auto. Priestertumsschlüssel sind im Gegensatz dazu weder greifbar noch sichtbar. Durch sie wird die Vollmacht des Priestertums „in Gang gesetzt“. Einige Schlüssel übertragen sogar die Macht, sowohl im Himmel als auch auf Erden zu binden.16
Joseph Smith übertrug Priestertumsschlüssel an jeden der Zwölf.17 Diese Schlüssel sind an die nachfolgenden Führer übergeben worden. Heute hat Präsident Gordon B. Hinckley die Vollmacht für jede wiederhergestellte Schlüsselvollmacht inne, die von „all denen, die irgendwann, vom Anfang der Schöpfung an, eine Ausschüttung empfangen haben“18, besessen wurden.
Mit diesem geschichtlichen Wissen über die Lehre im Hinterkopf wird es deutlich, dass man das Priestertum nicht erkaufen kann. Die heiligen Schriften sagen aus: „Keiner nimmt sich eigenmächtig diese Würde, sondern er wird von Gott berufen, so wie Aaron.“19
Wenn Sie das Priestertum tragen, haben Sie damit auch die ganz persönliche Pflicht, Ihre Berufung groß zu machen. Jede Gelegenheit zu dienen kann Ihnen dabei helfen, Ihre Macht im Priestertum zu entwickeln. Halten Sie sich in Ihrer äußeren Erscheinung an das Vorbild der lebenden Propheten. Wenn Sie dies tun, bringen Sie damit unausgesprochen zum Ausdruck, dass Sie wirklich verstehen, wie wichtig „das heilige Priestertum nach der Ordnung des Sohnes Gottes“20 ist.
Wenn Sie, Brüder, die Gelegenheit haben, das Melchisedekische Priestertum anzuwenden, dann überlegen Sie, was Sie zu tun haben. Wenn Sie jemandem die Hände auflegen, dann sprechen Sie nicht ein Gebet, das selbstverständlich keiner Vollmacht bedarf. Sie sind bevollmächtigt, einzusetzen, zu ordinieren, zu segnen und im Namen des Herrn zu sprechen.21 Denken Sie an seine Verheißungen: „Alle, die du segnest, die will ich segnen“,22 und „Ich will dir von meinem Geist mitteilen, … und dann … wirst du alles wissen, … was mit Rechtschaffenheit zu tun hat, sofern du in mir fest daran glaubst, da du es empfangen wirst.“23
Ihr jungen Männer solltet, um eure Berufung im Aaronischen Priestertum groß zu machen, eure persönlichen Anstrengungen auf fünf Ziele ausrichten:
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Erkenntnis vom Evangelium Jesu Christi erlangen,
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würdig für den Missionsdienst sein,
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sich sittlich rein und würdig halten, den heiligen Tempel zu betreten,
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die eigene Ausbildung voranbringen,
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die Grundsätze der Kirche hochhalten und der zukünftigen Partnerin würdig sein.
Wie könnt ihr diese fünf Ziele im Kopf behalten? Es ist ganz einfach. Schaut auf eure Hand. Euer Zeigefinger soll auf die heiligen Schriften zeigen. Entnehmt ihnen größere Erkenntnis vom Evangelium Jesu Christi und lebt dann im Einklang mit seinen Lehren. Euer Mittelfinger soll euch daran erinnern, würdig für den Missionsdienst zu sein. Der Ringfinger soll euch an die Ehe, die Begabung, die Siegelung und die Segnungen des Tempels erinnern. Der kleine Finger soll euch daran erinnern, dass es eine religiöse Pflicht ist, sich eine Ausbildung anzueignen.24 Lasst den Daumen nach oben zeigen, als Erinnerung daran, die Grundsätze der Kirche hochzuhalten und eurer Partnerin für die Ewigkeit würdig zu sein. Wenn ihr diese fünf Ziele verwirklicht, werdet ihr gesegnet.
Sie, die Sie das Melchisedekische Priestertum tragen, müssen sich für den höchsten Grad des celestialen Reiches bereitmachen. „Um [ihn] zu erlangen, muss man in diese Ordnung des Priestertums [nämlich den neuen und immerwährenden Bund der Ehe] eintreten. Tut jemand das nicht, so kann er ihn nicht erlangen.“25
Dieser Bund wird in Ehren gehalten, wenn Sie Ihre Frau in Ehren halten. Die oberste Priorität eines Ehemanns muss es sein, für seine Frau zu sorgen. Seien Sie ihr treu. Gestatten Sie Ihren Augen keinen einzigen Blick auf Pornografie und erlauben Sie sich keine anzügliche Sprache. Dieselben Entscheidungen, die wir aufgrund unserer Entscheidungsfreiheit treffen, schränken unsere künftigen Entscheidungsmöglichkeiten ein. Sie können nicht Ihre Entscheidungsfreiheit ausüben und sich dann der Verantwortung für jede Entscheidung entziehen.
Vergessen Sie nie: „Die Rechte des Priestertums sind mit den Himmelskräften untrennbar verbunden, … [diese Kräfte] können nur nach den Grundsätzen der Rechtschaffenheit beherrscht und gebraucht werden.“26 Wenn wir diese Kraft missbrauchen, um unsere Sünden zu verdecken, unseren Stolz und eitlen Ehrgeiz zu befriedigen, oder wenn wir auch nur mit dem geringsten Maß an Unrecht andere zu beherrschen versuchen, verlieren wir sowohl die Vollmacht als auch die Macht des Priestertums.27
Brüder, dienen Sie mit Milde, Langmut, Wohlwollen, Sanftmut, ungeheuchelter Liebe, reiner Erkenntnis und Nächstenliebe gegenüber allen.28 Dann wird Ihnen „die Lehre des Priestertums … auf die Seele träufeln wie Tau vom Himmel“.29
Seien Sie sich bewusst, dass wir jeden von Ihnen lieb haben und ihm dankbar sind. Wir danken Ihnen für Ihren Glauben, Ihr Dienen und Ihre stützende Kraft. Mögen Sie, Ihre Lieben und Ihre Nachkommen dadurch gesegnet sein, dass Sie rechtschaffen nach Macht im Priestertum streben.
Gott lebt. Jesus ist der Messias. Er führt seine Kirche durch seine Propheten und Apostel. Dies bezeuge ich im Namen Jesu Christi. Amen .