2009
Vorausschauende Fürsorge – zeitlich und geistig
Mai 2009


Vorausschauende Fürsorge – zeitlich und geistig

Wenn wir vorausschauend leben, können wir für uns selbst und für unsere Familie sorgen und außerdem dem Beispiel Jesu folgen und unseren Mitmenschen dienen und helfen.

Elder Robert D. Hales

Wie gesegnet wir doch sind, von einem lebenden Propheten geführt zu werden! Präsident Thomas S. Monson ist in der Zeit der Weltwirtschaftskrise aufgewachsen und hat gelernt, wie man seinem Nächsten dient. Seine Mutter bat ihn oft, bedürftigen Nachbarn Essen zu bringen, und sie gab obdachlosen Männern die Möglichkeit, im Austausch für eine warme Mahlzeit kleinere Arbeiten zu verrichten. Später, als junger Bischof, erhielt er von Präsident J. Reuben Clark den Rat: „Sei gut zu den Witwen, und sorg für die Armen.“ (Thomas S. Monson, „Ein Vorsorgeplan – eine kostbare Verheißung“, Der Stern, 1986, 112. Jahrgang, Nr. 6, Seite 62.) Präsident Monson kümmerte sich um 84 Witwen und sorgte bis zu ihrem Tod für sie. Im Laufe der Jahre wurde sein Einsatz für die Mitglieder und seine Mitmenschen auf der ganzen Welt das herausragende Merkmal seines Wirkens. Wir sind dankbar für sein Beispiel. Danke, Präsident Monson.

Brüder und Schwestern, wie Präsident Monson wachsen auch unsere Kinder in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit auf. Unsere Großeltern und Urgroßeltern haben durch wirtschaftliche Not ganz wesentliche Lektionen fürs Leben gelernt. Ebenso kann sich das, was wir in der gegenwärtigen Lage lernen, auf uns und spätere Generationen segensreich auswirken.

Heute spreche ich zu all denen, deren Entscheidungsfreiheit aufgrund der Folgen früher getroffener unüberlegter Entscheidungen eingeschränkt ist. Damit meine ich vor allem Entscheidungen, die zu übermäßigen Schulden geführt haben oder zu einer Abhängigkeit – vom Essen, von Drogen, von Pornografie oder sonstigen Denk- oder Verhaltensmustern, die das Selbstwertgefühl schwächen. All diese Ausschweifungen wirken sich auf uns aus und schaden auch den familiären Beziehungen. Natürlich können einige Schulden – etwa für eine Ausbildung, ein bescheidenes Eigenheim oder ein einfaches Auto – nötig sein, um für die Familie sorgen zu können. Doch leider entstehen weitere Schulden, wenn wir unsere Wünsche und den Hang zur Sucht nicht im Griff haben. Ob Schulden oder Abhängigkeit – die hoffnungsvolle Lösung ist dieselbe: Wir müssen uns an den Herrn wenden und seine Gebote befolgen. Wir müssen uns mehr als alles andere wünschen, unser Leben zu ändern, damit wir den Kreislauf der Verschuldung durchbrechen und unsere ausufernden Wünsche bezwingen können. Ich bete darum, dass Sie in den nächsten Minuten, und während der ganzen Konferenz, von Hoffnung erfüllt werden – Hoffnung auf unseren Erlöser Jesus Christus –, und auch in den Lehren seines wiederhergestellten Evangeliums Hoffnung finden.

Unsere Schwierigkeiten, einschließlich derer, die wir durch unsere eigenen Entscheidungen verursacht haben, sind Teil unserer irdischen Bewährungsprobe. Ich versichere Ihnen, dass die Macht des Erlösers auch in Ihren Lebensumständen wirken kann. Durch ihn kann jeder Kampf uns Erfahrung bringen und uns zum Guten dienen (siehe LuB 122:7). Jede Versuchung, die wir überwinden, soll uns stärken, nicht zerstören. Der Herr wird niemals zulassen, dass wir über unsere Kraft hinaus leiden (siehe 1 Korinther 10:13).

Wir dürfen nicht vergessen, dass der Widersacher uns sehr gut kennt. Er weiß, wo, wann und wie er uns versuchen kann. Wenn wir den Eingebungen des Heiligen Geistes Folge leisten, lernen wir, die Verlockungen des Widersachers zu erkennen. Anstatt der Versuchung nachzugeben, müssen wir lernen, mit unerschütterlicher Entschlossenheit zu sagen: „Weg mit dir, Satan.“ (Matthäus 16:23.)

Unser Erfolg wird nicht daran gemessen, wie stark wir versucht werden, sondern daran, ob wir treu bleiben. Wir müssen unseren himmlischen Vater um Hilfe bitten und durch das Sühnopfer seines Sohnes Jesus Christus Kraft finden. Sowohl im zeitlichen wie auch im geistigen Bereich versetzt uns diese göttliche Hilfe in die Lage, vorausschauend für uns selbst und für andere zu sorgen.

Was bedeutet vorausschauende Fürsorge?

Jeder von uns hat die Aufgabe, für sich selbst und seine Familie zu sorgen, sowohl in zeitlicher wie auch in geistiger Hinsicht. Um vorausschauend für uns und andere zu sorgen, müssen wir die Grundsätze einer vorausschauenden Lebensweise in die Tat umsetzen: mit Freude unseren Verhältnissen entsprechend leben, zufrieden sein mit dem, was wir haben, übermäßige Schulden meiden, gewissenhaft sparen und uns auf Notzeiten vorbereiten. Wenn wir vorausschauend leben, können wir für uns selbst und für unsere Familie sorgen und außerdem dem Beispiel Jesu folgen und unseren Mitmenschen dienen und helfen.

Wenn wir so leben wollen, müssen wir ein grundlegendes Gebot befolgen, nämlich: „Du sollst nicht … verlangen.“ (Exodus 20:17.) Anspruchsdenken ist in unserer Welt weit verbreitet. Manch einer ist verlegen, schämt sich, fühlt sich weniger wert, nur weil seine Familie nicht alles hat, was die Nachbarn haben. Das hat zur Folge, dass man Schulden aufnimmt für Sachen, die man sich nicht leisten kann – und eigentlich auch gar nicht braucht. Sobald wir das tun, werden wir zeitlich und geistig arm. Wir geben ein Stück unserer kostbaren, unbezahlbaren Entscheidungsfreiheit auf und begeben uns in selbstverschuldete Knechtschaft. Geld, das wir dazu hätten verwenden können, für uns und andere zu sorgen, wird nun gebraucht, um Schulden abzuzahlen. Übrig bleibt oft nur so wenig, dass es gerade einmal für die elementaren Grundbedürfnisse ausreicht. Wenn man am Existenzminimum lebt, ist man niedergeschlagen, das Selbstwertgefühl leidet, und die Beziehung zur Familie, zu Freunden, Nachbarn und zum Herrn wird geschwächt. Man hat weder Zeit noch Energie oder Interesse, nach Geistigem zu trachten.

Wie also vermeiden und überwinden wir Verhaltensweisen, die zu Schulden und Abhängigkeit von zeitlichen, weltlichen Dingen führen? Ich möchte Ihnen erzählen, was ich über eine vorausschauende Lebensweise gelernt habe – zwei Lektionen, die jedem von uns helfen können. Diese habe ich, wie viele andere wichtige Lektionen fürs Leben, von meiner lieben Frau gelernt. Ich habe die Lektionen zu zwei verschiedenen Zeitpunkten in unserer Ehe gelernt – beide Male ging es darum, dass ich meiner Frau ein besonderes Geschenk kaufen wollte.

Die erste Lektion lernte ich, als wir frisch verheiratet waren und nur sehr wenig Geld hatten. Ich war in der Luftwaffe, und wir konnten Weihnachten nicht zusammen feiern. Ich hatte in Übersee einen Auftrag zu erfüllen. Als ich wieder zu Hause war, sah ich in einem Schaufenster ein wunderschönes Kleid und sagte zu meiner Frau, ich wolle es ihr kaufen, wenn es ihr gefalle. Wir betraten das Geschäft und Mary ging in die Umkleidekabine. Kurze Zeit später kam die Verkäuferin heraus, huschte an mir vorbei und hängte das Kleid zurück ins Schaufenster. Als wir das Geschäft wieder verließen, fragte ich: „Was ist passiert?“ Meine Frau antwortete: „Es war ein wunderschönes Kleid, aber wir können es uns nicht leisten!“ Diese Worte gingen mir sehr zu Herzen. Ich habe festgestellt, dass „Ich liebe dich“ die liebevollsten Worte sind, aber die fürsorglichsten Worte, die wir zu unseren Lieben sagen können, lauten: „Wir können es uns nicht leisten.“

Die zweite Lektion lernte ich einige Jahre später, als wir finanziell in gesicherten Verhältnissen lebten. Unser Hochzeitstag rückte näher, und ich wollte Mary einen eleganten Mantel kaufen, um meine Liebe und meine Dankbarkeit für die vielen glücklichen gemeinsamen Jahre zum Ausdruck zu bringen. Ich fragte sie, was sie von dem Mantel hielte, und ihre Antwort drang mir wiederum tief in Herz und Sinn. „Wo sollte ich ihn anziehen?“, fragte sie (sie war damals FHV-Leiterin unserer Gemeinde und kümmerte sich um bedürftige Familien).

Dann lehrte sie mich etwas, was ich nie vergessen werde. Sie sah mir in die Augen und fragte sanft: „Möchtest du ihn für mich kaufen oder für dich?“ Mit anderen Worten: „Möchtest du mir mit diesem Geschenk deine Liebe zeigen oder möchtest du mir zeigen, dass du gut für mich sorgen kannst, oder möchtest du der Welt etwas beweisen?“ Ich dachte über ihre Frage nach, und mir wurde bewusst, dass ich dabei weniger an sie und unsere Familie dachte als an mich.

Danach führten wir ein ernsthaftes Gespräch, das unser Leben veränderte. Wir sprachen über eine vorausschauende Lebensweise und kamen überein, dass wir unser Geld lieber dafür verwenden wollten, die Schulden für das Haus abzuzahlen und für die Ausbildung unserer Kinder zu sparen.

Diese beiden Lektionen sind der Wesenskern einer vorausschauenden Lebensweise. Wenn wir entscheiden müssen, ob wir etwas kaufen oder konsumieren oder Geld für weltliche Unternehmungen ausgeben, müssen wir alle lernen, einander zu sagen: „Wir können uns das nicht leisten, auch wenn wir es gern haben wollen!“, oder: „Wir können es uns leisten, aber wir brauchen es nicht – und wir wollen es eigentlich auch gar nicht!“

Diese Beispiele verdeutlichen aber auch noch einen weiteren, ebenso wichtigen Grundsatz: Wir können sehr viel aus Gesprächen mit unserem Ehepartner lernen. Wenn wir uns im Familienrat beraten und zusammenarbeiten, können wir einander helfen, vorauszudenken, und wir lehren unsere Kinder, ebenfalls vorausschauend zu leben.

Die Grundlage einer vorausschauenden Lebensweise ist das Gesetz des Zehnten. Dieses Gesetz hat vor allem den Zweck, dass wir Glauben an den himmlischen Vater und an seinen Sohn Jesus Christus entwickeln. Der Zehnte hilft uns, unseren Wunsch nach den Dingen dieser Welt zu überwinden und bereitwillig für andere Opfer zu bringen. Der Zehnte ist ein vollkommen gerechtes Gesetz, denn ganz unabhängig davon, wie reich oder arm wir sind, zahlen wir alle jährlich ein Zehntel unseres Ertrags (siehe LuB 119:4), und wir alle empfangen Segnungen „im Übermaß“ (siehe Maleachi 3:10).

Zusätzlich zum Zehnten sollen wir das Fastopfer zahlen. Auch hierin müssen wir Vorbild sein. Das Fastopfer entspricht wenigstens dem Gegenwert der beiden aufeinanderfolgenden Mahlzeiten, die wir des Fastens wegen auslassen. Wir verzichten auf diese beiden Mahlzeiten und kommen dadurch dem Herrn in demütigem Gebet näher. Außerdem trägt unsere anonyme Spende dazu bei, dass unseren Brüdern und Schwestern in aller Welt geholfen werden kann.

Um unseren Kindern ein vorausschauendes Verhalten beizubringen, ist es auch wichtig, dass wir ein Budget aufstellen. Wir müssen regelmäßig im Familienrat über unsere Einnahmen, Ausgaben und Rücklagen sprechen. Dadurch lernen unsere Kinder, zwischen Wünschen und Bedürfnissen zu unterscheiden und im Voraus zu planen, wie man die Mittel der Familie sinnvoll verwenden kann.

Als unsere Söhne noch klein waren, hielten wir einmal einen Familienrat ab und setzten uns das Ziel, einen „Traumurlaub“ am Colorado River zu verbringen. Jedes Mal, wenn einer von uns im Lauf des Jahres etwas kaufen wollte, stellten wir einander die Frage: „Wollen wir das jetzt wirklich kaufen, oder wollen wir später unseren Traumurlaub machen?“ Das war eine wunderbare Lehre, wie man sich für eine vorausschauende Lebensweise entscheidet. Weil wir uns nicht jeden aufkommenden Wunsch erfüllten, erlangten wir einen viel erstrebenswerteren Lohn, nämlich gemeinsame Zeit als Familie und schöne Erinnerungen für viele Jahre.

Immer wenn wir etwas erleben oder besitzen wollen, was sich auf uns und unsere finanziellen Mittel auswirkt, können wir uns fragen: „Hat es nur vorübergehenden Nutzen oder ist es von ewigem Wert und ewiger Bedeutung?“ Wenn wir diese Fragen wahrheitsgemäß beantworten, hilft uns das, übermäßige Schulden und anderes Suchtverhalten zu vermeiden.

In dem Bestreben, Schulden und Suchtverhalten zu meiden, müssen wir daran denken, dass Sucht das Begehren des natürlichen Menschen ist und nie befriedigt werden kann. Sie ist ein unstillbares Verlangen. Wenn wir süchtig sind, trachten wir nach weltlichen Gütern oder körperlichem Vergnügen, das verlockend zu sein scheint. Aber das tiefste Sehnen, das wir als Kinder Gottes verspüren, das, wonach wir wirklich trachten sollten, ist das, was nur der Herr uns geben kann – seine Liebe, seine Wertschätzung, seine Sicherheit, sein Vertrauen, seine Hoffnung auf die Zukunft und die Zusicherung seiner Liebe, die uns ewige Freude bringt.

Wir müssen uns, mehr als alles andere, wünschen, den Willen des Vaters im Himmel zu tun und vorausschauend für uns selbst und andere zu sorgen. Wie König Lamonis Vater müssen wir sagen: „Ich werde alle meine Sünden aufgeben, um dich zu erkennen.“ (Alma 22:18.) Dann können wir uns mit fester Entschlossenheit an Gott wenden und ihm versprechen: „Ich tue alles, was notwendig ist.“ Durch Gebet, Fasten, Gehorsam gegenüber den Geboten, Priestertumssegen und durch das Sühnopfer werden wir die Liebe und die Macht des Herrn in unserem Leben spüren. Wir werden durch die Eingebungen des Heiligen Geistes geistige Führung und Kraft empfangen. Nur durch das Sühnopfer des Herrn können wir eine mächtige Wandlung im Herzen erleben (siehe Mosia 5:2; Alma 5:14) – und auch eine mächtige Wandlung in unserem Suchtverhalten.

Mit all der Liebe, die ich empfinde, und mit der Liebe, die der Heiland mir verleiht, lade ich Sie ein, zu ihm zu kommen und seine Worte zu vernehmen: „Darum gebt nicht Geld hin für das, was ohne Wert ist, noch eure Arbeit für das, was nicht zufrieden machen kann. Hört eifrig auf mich, und denkt an die Worte, die ich gesprochen habe; und kommt zum Heiligen Israels und labt euch an dem, was nicht zugrunde geht noch verderbt werden kann, und lasst eure Seele an Fettem sich erfreuen.“ (2 Nephi 9:51.)

Ich bezeuge, dass das Verlangen nach weltlichem Besitz nur überwunden werden kann, wenn wir uns an den Herrn wenden. Der Hunger der Sucht kann nur durch unsere Liebe zu ihm ersetzt werden. Er ist bereit, jedem von uns zu helfen. „Fürchtet euch nicht“, sagt er, „denn ihr seid mein, und ich habe die Welt überwunden.“ (LuB 50:41.)

Ich gebe mein besonderes Zeugnis, dass er durch das Sühnopfer alles überwunden hat. Mögen wir alle ebenfalls die weltlichen Versuchungen überwinden, indem wir zu ihm kommen und auf vorausschauende Weise in zeitlicher und geistiger Hinsicht für uns und andere sorgen. Das erbitte ich demütig im Namen Jesu Christi. Amen.