Heiligabend bei Familie Córdoba
Die Verfasserin lebt in Peru.
Marycielo und ich bekamen jede nur ein einziges Geschenk. Wie sollten wir da mit anderen teilen?
„Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Matthäus 25:40)
An Heiligabend lagen nur zwei Geschenke unter unserem kleinen Baum. Das eine war für meine zweijährige Schwester Marycielo, das andere für mich. Mama sagte uns, das Geld sei knapp und dies sei alles, was wir bekämen.
Am selben Abend las Mama uns eine Geschichte aus dem Liahona vor, die von einem Weihnachtsfest ohne Geschenke handelte. Während sie vorlas, fühlte ich mich glücklich und Frieden überkam mich. Vielleicht war es gar nicht so schlimm, nur ein Geschenk zu haben. Dann sagte Mama: „Wie wäre es, wenn wir nicht wie sonst an Heiligabend Spiele machen, sondern einer Familie aus der Gemeinde Geschenke bringen?“
„Aber was könnten wir denn verschenken?“, fragte ich.
„Naja, wir haben schon ein wenig, was wir abgeben könnten.“
Ich warf erst einen Blick auf unsere beiden Geschenke, dann auf das Jesusbild an der Wand. „Ich glaube, Jesus hätte von dem, was er hatte, abgegeben.“
Wir fragten den Vater im Himmel im Gebet, welche Familie wir besuchen sollten. Viele Familien aus unserem Bekanntenkreis hatten dieses Jahr nämlich nicht viel. Nach unserem Gebet hatten wir das Gefühl, dass wir Familie Córdoba besuchen sollten. Sie hatten drei Kinder und der Vater hatte seine Arbeit verloren.
Wir gingen zu einem Geschäft und kauften Panetón (ein Weihnachtsbrot), ein Brathähnchen und drei kleine Geschenke. Es machte Spaß, sie auszusuchen. Mama gab ihr ganzes Geld dafür aus, etwa 30 peruanische Sol (etwa 9 Euro).
Anschließend fuhren wir zu den Córdobas. Ich hielt Marycielos Hand, als wir zur Tür gingen.
Als Schwester Córdoba uns sah, kam sie heraus und umarmte uns. „Was für eine schöne Überraschung! Kommt herein und setzt euch!“, sagte sie. Als wir hineingingen, drückte sie Mamas Hand und klopfte mir sacht auf die Schulter. „Rolando und die Mädchen werden sich riesig freuen, euch zu sehen“, sagte sie zu mir.
Das Haus hatte einen Lehmboden. Es gab kein elektrisches Licht, nur Kerzen. Ich empfand für die Córdobas ein wenig Mitleid. Wenn wir nur mehr für sie hätten tun können! Aber Mama schien weder den Lehmboden noch die Kerzen zu sehen. Sie war einfach glücklich, bei Schwester Córdoba zu sein.
„Wir sind gekommen, um euch Feliz Navidad zu wünschen“, sagte Mama. „Wir sind froh, eure Freunde zu sein.“ Sie gab Schwester Córdoba das Essen und die Geschenke. Schwester Córdoba strahlte über das ganze Gesicht und bedankte sich.
Rolando, Madeline und Raquel kamen aus dem Nebenzimmer angerannt, um uns willkommen zu heißen. Marycielo lugte zwischen meinen Beinen hervor und lächelte. Sie musste lachen, als Rolando eine Grimasse für sie schnitt. Schon bald waren alle damit beschäftigt, sich zu unterhalten, Witze zu erzählen und zu lachen.
„Das ist besser, als nur im Familienkreis Spiele zu machen“, dachte ich. Ich war froh, dass wir gekommen waren. Es war nicht wichtig, dass wir nicht viel zum Teilen hatten. Und es war auch egal, dass der Boden aus Lehm bestand. An Weihnachten geht es ja nicht darum, was wir haben. Es geht darum, beisammen zu sein.
Als wir uns auf den Weg machen wollten, umarmte uns Schwester Córdoba noch einmal. „Vielen, vielen Dank“, sagte sie. Ihre Stimme zitterte und ich konnte Tränen in ihren Augen sehen. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und gab Schwester Córdoba einen Kuss auf die Wange.
„Feliz Navidad!“, sagte ich.