2017
Der Elefant im Klassenzimmer
October 2017


Auf die Weise des Erretters lehren

Der Elefant im Klassenzimmer

Das Lehrerforum verändert nicht nur, wie wir lehren, sondern auch, wie wir lernen.

elephant

Mzwakhe Sitole steht vor einer Herausforderung. Als Gemeinde-Sonntagsschulleiter hat er die gottgegebene Aufgabe, dazu beizutragen, „das Lernen und Lehren des Evangeliums in der Gemeinde zu verbessern“1.

Doch die Mitglieder in seiner Gemeinde im südafrikanischen Johannesburg kommen zum Teil aus völlig unterschiedlichen Verhältnissen und haben grundverschiedene Erwartungen. Manche sind gebildet, andere nicht. Vielen wurde beigebracht, dass ein Schüler zuzuhören hat und nicht reden soll. Andere müssen kulturelle Schranken überwinden und verstehen lernen, dass Männer und Frauen in der Kirche und zu Hause lehren sollen.

„Zudem gibt es Leute, die eine andere Sprache sprechen“, so Bruder Sitole. „Doch der Geist möchte jedem Eingebungen zukommen lassen.“

Als letztes Jahr das Lehrerforum und die Anleitung Auf die Weise des Erretters lehren eingeführt wurden, fingen Gemeinden und Zweige überall in der Kirche an, Lehrerforen abzuhalten und dort zu besprechen, zu lernen und zu üben, wie man auf die Weise des Erretters lehrt.

Bruder Sitole erkannte gleich, inwiefern das Lehrerforum seiner Gemeinde nutzen konnte: Kulturelle Herausforderungen können angesprochen werden, die Mitarbeit in den Klassen kann verbessert werden und die unterschiedlichen Blickwinkel der Mitglieder können sich als Segen erweisen.

Wie vielen anderen in aller Welt wurde Bruder Sitole bewusst, dass der Herr durch das Lehrerforum nicht nur bewirkt, dass sich das Lehren ändert, sondern auch das Lernen.

Die Blinden und der Elefant

Bruder Sitole stellte fest: Wenn Lehrer den Unterrichtsteilnehmern die Chance geben, selbst zu ihrem Lernen beizutragen, profitieren alle von dem erweiterten Gesamtbild, das aus unterschiedlichen Betrachtungsweisen entsteht. Das war eine der interessantesten Entdeckungen für ihn.

Zu dieser Erkenntnis kam Bruder Sitole bei einem Lehrerforum. Ein Mitglied der Gemeinde erzählte das Gleichnis von den Blinden und dem Elefanten, allerdings unter einem anderen Gesichtspunkt. In dem Gleichnis geht es um sechs Blinde, die allesamt einen Elefanten unterschiedlich beschreiben (ein Bein gleicht einer Säule, der Schwanz gleicht einem Seil, der Rüssel gleicht einem Wasserschlauch und so weiter), weil jeder einen anderen Teil ertastet.2

parts of an elephant

„Nehmen wir einmal an, der Elefant steht für den Evangeliumsunterricht“, so Bruder Sitole. „Dann müssen wir jedem Unterrichtsteilnehmer die Chance geben, seinen Blickwinkel darzulegen, damit wir gemeinsam erkennen, inwiefern das Evangelium uns allen ein Segen ist.“

Deshalb sitzen die Lehrer in Bruder Sitoles Gemeinde beim Lehrerforum immer alle gemeinsam an einem Tisch – damit ein Gespräch entstehen kann. „Das erinnert uns daran, dass jeder gleichberechtigt seine Gedanken äußern kann“, erklärt er.

Gemäß ihren Bedürfnissen

Natsuko Soejima aus Tokio bezweifelte, dass sie eine gute Lehrerin sein könnte. „Als ich als Sonntagsschullehrerin der Jugendlichen berufen wurde“, berichtet sie, „sagte ich dem Bischof, dass ich Angst habe. Doch er sagte, die Berufung komme von Gott, also nahm ich sie an.“

Die Klasse machte ihr Angst, weil es in der Gruppe viele Schüler mit besonderen Herausforderungen gab. Zwei der Jugendlichen hatten Hörbehinderungen. Einige waren aus anderen Ländern nach Japan gezogen und sprachen nur Englisch. Außerdem bereitete ihr der Altersunterschied zwischen ihr und den Jugendlichen Sorge.

Doch dann erhielt Schwester Soejima beim Lehrerforum eine Antwort. „Wir sprachen darüber, dass wir jeden Unterrichtsteilnehmer gern haben, den Namen kennen, für jeden Einzelnen beten und sie alle – geführt vom Heiligen Geist – gemäß ihren Bedürfnissen unterrichten sollen“, erklärt sie. „Also habe ich mich darangemacht, das umzusetzen.“ Zudem wendete sie noch etwas an, was sie beim Forum gelernt hatte: „Ich drücke mich so aus, dass man meine Liebe spüren kann.“

Und das Ergebnis? „Ich habe eine Herzenswandlung erlebt. Ich habe Zuneigung zu meinen Schülern entwickelt. Mir waren auch diejenigen wichtig, die nicht da waren, und ich betete auch für sie. Sobald ein Unterricht vorbei war, begann ich, mich auf den nächsten vorzubereiten, damit ich Zeit hatte, über die Unterrichtsgestaltung nachzudenken. Es machte mir sehr viel Freude.“

Konkrete Antworten

Brad Wilson ist Sonntagsschulleiter in Minnesota. Er achtet darauf, dass die Lehrer das Lehrerforum nicht verlassen, ohne zu besprechen, was sie basierend auf ihren Erkenntnissen aus der Forumsdiskussion ändern wollen.

„Wir folgen dem vorgegebenen Ablauf im Heft Auf die Weise des Erretters lehren“, erklärt Bruder Wilson. „Wir sprechen über die Erfahrungen der Lehrer. Dann besprechen wir eines der vorgeschlagenen Themen. Ich als Moderator stelle Fragen und fasse Gedanken zusammen. Dann üben wir die Umsetzung. Wir teilen uns in kleine Gruppen auf und besprechen, was jeder auf Grundlage des jeweiligen Treffens anders machen will.“

Ron Goodson, Lehrer im Diakonskollegium in derselben Gemeinde, ist beeindruckt, wie Bruder Wilson beim Forum vorgeht. „Wir sprechen darüber, wie der Erretter lehren würde“, sagt er. „Dann spürt man den Geist und denkt sich: Das sollte ich mal in meiner Klasse ausprobieren! Wenn man an den Erretter denkt, ändert sich die eigene Herangehensweise. Es geht mir dann weniger darum, dass ich einen Unterricht vorbereiten muss, sondern mehr darum, was die Diakone brauchen und wie ich dazu beitragen kann, dass sie es erhalten.“

Er erinnert sich an einen Tagebucheintrag, in dem er schrieb: „Ich war heute beim Lehrerforum. Ab jetzt muss ich Folgendes machen.“ Tatsächlich ist sein Tagebuch voll von solchen Notizen. Jetzt bereitet er sich im Voraus vor: „Wenn man frühzeitig beginnt, bekommt man die ganze Woche lang Eingebungen.“ Er fragt die Diakone, was sie gerade beschäftigt: „Ich kann ihnen besser helfen, wenn ich sie besser kenne.“ Und er lässt auch die Diakone mit unterrichten: „So lernen sie auch mehr.“3

Ich sang weiter

„Wir haben bei uns im Forum darüber gesprochen, dass Musik den Geist einladen kann“, erklärt Jocelyn Herrington, PV-Lehrerin in derselben Gemeinde in Minnesota. „Danach habe ich die Klasse der Sonnenstrahlen unterrichtet. Ich dachte mir: Ich singe einfach, während sie ein Bild ausmalen. Das wäre doch schön. Ich begann also zu singen, und sie alle hörten auf zu malen und lauschten. Also sang ich weiter. Das brachte uns den Geist, und als ich fertig war, waren die Kinder andächtig und warteten darauf, dass ich etwas sage. Wir hatten [beim Forum] auch darüber gesprochen, dass wir Zeugnis geben sollen, wenn sich die Gelegenheit bietet. Also gab ich so Zeugnis, dass sie es verstehen konnten.“

Schwester Herrington schätzt es sehr, dass auch PV-Lehrer beim Lehrerforum dabei sind. „Wir sprechen darüber, wie man die Erwachsenen unterrichtet“, sagt sie, „doch dann fragt Bruder Wilson: ‚Wie macht man das, wenn man Jugendliche unterrichtet? Wie macht man das bei Kindern?‘ Er ruft uns allen ins Gedächtnis, dass wir die verschiedensten Altersgruppen unterrichten.“

Vom Gemeinderat zum Forum

Adam Martin, Gemeinde-Sonntagsschulleiter in Calgary in der kanadischen Provinz Alberta, schätzt Anregungen aus dem Gemeinderat: „Wenn die FHV-Leiterin oder der Ältestenkollegiumspräsident sagen: ‚Wir möchten, dass die Lehrer dies oder jenes in den Mittelpunkt stellen‘, sprechen wir das im Lehrerforum an.“

Als das Lehrerforum eingeführt wurde, wussten die Lehrer nicht so recht, was da auf sie zukam, daher lud Bruder Martin viele persönlich ein und führte sie an das Schulungsmaterial auf unterrichten.lds.org heran. „Jetzt ist der Ball ins Rollen gekommen“, meint er. „Die Lehrer wissen jetzt, dass sie beim Lehrerforum besprechen können, was in ihren Klassen los ist.“

Vor kurzem ging es bei einem Lehrerforum darum, dem Geist zu folgen. „Wir sprachen darüber, dass man sich zwar gut vorbereiten soll, aber nicht alles behandeln muss, erklärt er. „Eine Schwester hatte immer den Eindruck gehabt, dass sie jeden Punkt in ihrem Unterrichtsplan behandeln müsse. Ich konnte sehen, wie ihr förmlich ein Licht aufging, als wir darüber sprachen, dass man beim Leiten des Unterrichtsgespräch Eingebungen folgen soll.“

Gemeinsam Lösungen finden

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Jede Unterrichtssituation birgt unterschiedliche Möglichkeiten, Herausforderungen und potenzielle Segnungen. Deshalb ist das Lehrerforum so effektiv, denn dabei können Lehrer sich mit der Hilfe des Geistes um Antworten zu ihren konkreten Herausforderungen bemühen und diese erhalten.

Laut Geoffrey Reid, Pfahl-Sonntagsschulleiter in Arizona, funktioniert das Lehrerforum am besten, wenn sich die Lehrer bewusst sind, dass es dazu dient, sich miteinander zu beraten: „Dann erkennen sie, dass sie einander helfen können.“

In seinem Pfahl gehe es vor allem darum, den Lehrern zu einer neuen Sichtweise zu verhelfen. Anstatt sich Gedanken darüber zu machen, wie gut sie als Lehrer sind, sollen sie sich darüber Gedanken machen, wie ihre Botschaft ankommt.

Marisa Canova, PV-Lehrerin im selben Pfahl, erklärt, sie sporne nun – einer Eingebung beim Lehrerforum folgend – die Achtjährigen in ihrer Klasse der Tapferen an, füreinander zu beten. Das hat bei ihr funktioniert, aber in einer Klasse für Erwachsene funktioniert es vielleicht nicht auf dieselbe Weise. „Für jeden Teilnehmer in einer großen Evangeliumslehreklasse zu beten, überfordert die Mitglieder womöglich“, bemerkt sie. „Zum Glück fragen die betreffenden Lehrer dann: ‚Hat jemand eine Idee, wie wir das für unsere Klasse anpassen können?‘ Und dann finden wir gemeinsam Lösungen.“

Sie fährt fort: „Mir gefällt am Lehrerforum, dass wir Zeit bekommen, darüber nachzudenken, wie wir unsere Sache machen und was wir machen. Die Unterstützung und die Rückmeldungen sind hilfreich und man hat das Gefühl, dass alle auf dasselbe Ziel hinarbeiten. Ich finde es auch schön, dass die verschiedenen Leute unterschiedliche Blickwinkel mitbringen. Dadurch denke ich über einiges nach, was mir selbst gar nicht eingefallen wäre.“

Durch unsere Teilnahme und unser Mitwirken beim Lehrerforum erkennen wir immer besser, wie der Elefant mit dem Namen „Evangeliumsunterricht“ aussehen sollte. Wie Bruder Sitole in Afrika erkennen Mitglieder überall in der Kirche: Wenn es uns vermehrt gelingt, auf die Weise des Erretters zu lehren, verändert das nicht nur die Art und Weise, wie wir lehren, sondern auch, wie wir lernen.

Anmerkungen

  1. Handbuch 2: Die Kirche führen und verwalten, Abschnitt 12.2.2

  2. Dieses Gleichnis wird wiedergegeben in Dieter F. Uchtdorf, „Was ist Wahrheit?“, CES-Andacht für junge Erwachsene, 13. Januar 2013, broadcasts.lds.org

  3. Weitere Anregungen dazu siehe Brian K. Ashton, „Jugendlichen helfen, zu lehren“, Liahona, August 2016, Seite 24f.