2021
Wie man Angehörigen hilft, mit Glaubensfragen und Zweifeln umzugehen
Januar 2021


Nur online: Junge Erwachsene

Wie man Angehörigen hilft, mit Glaubensfragen und Zweifeln umzugehen

Zweifel und Glaubensfragen können belastend sein – hier einige Tipps, wie ihr Nahestehenden durch eine solche Phase hindurchhelfen könnt

Als ich eines Abends von der Arbeit nach Hause fuhr, rief mich ein Freund an. Kaum hatte er sich erkundigt, wie es mir ging, begannen allerlei Gefühle in mir zu brodeln. Ich hatte nämlich ein paar Fragen auf dem Herzen, die mich sehr beschäftigten. Bestimmte Aspekte im Zusammenhang mit der Kirche schienen mir nicht recht zusammenzupassen. Es frustrierte mich, dass mir auf meine Fragen niemand eine klare Antwort gab. Obwohl ich sonst eigentlich recht ausgeglichen bin, war ich richtig wütend. Ich schlug mich mit meinen Fragen schon eine Zeit lang herum und wusste nicht, was ich tun sollte.

Als ich nun in meine Einfahrt abbog, sprudelte alles aus mir heraus. Ich erzählte ihm von den Fragen, die mich beunruhigten, und wie mir dabei zumute war. Nach unserem Gespräch ging es mir deutlich besser. Nicht etwa, weil er für alles gleich eine Antwort parat hatte – das war gar nicht der Fall. Aber er war bereit gewesen, mir einfach zuzuhören. Er konnte sich in mich hineinversetzen und gab mir das Gefühl, ich sei nicht die Einzige, die Fragen auf dem Herzen hat. Meine Fragen seien nicht Ausdruck mangelnden Glaubens, und es sei völlig normal, sich einer Sache mal nicht sicher zu sein.

Wenn Fragen zum Evangelium aufkommen, kann das belastend sein und dem Leben vielleicht eine ganz andere Richtung geben. Jemanden, den wir lieben, auf diesem Weg unterstützen zu wollen, kann wehtun und wirft vielleicht auch in uns Fragen auf. Vielleicht hat er das Gefühl, er gehöre nicht dazu oder er wäre der Einzige, den solche Fragen beschäftigen.

Doch wir können ihm zur Seite stehen und ihm zeigen, dass er dazugehört und selbst dann, wenn er sich unsicher ist, doch nicht alleine ist.

Wie gehen wir vor, wenn ein Freund Fragen auf dem Herzen hat?

Wenn Freunde oder Angehörige Fragen oder Zweifel haben oder mit ihrem Glauben ringen, möchten wir so ziemlich alles tun, um ihnen zur Seite zu stehen. Doch zu wissen, was tatsächlich hilft, ist mitunter ein schwieriges Unterfangen. So könnt ihr Verwandten und Bekannten vielleicht besser helfen:

  • Lasst euch vom Heiligen Geist führen. Betet, um herauszufinden, wie ihr helfen und was ihr sagen könnt, und verlasst euch dann auf den Herrn.

  • Seid einfühlsam. Stellt Fragen zu dem, was dem anderen durch den Kopf geht, und hört mit der Absicht zu, ihn besser zu verstehen. Lasst ihn wissen, dass das eine schwierige Lebensphase ist, und vermittelt ihm, dass ihr für ihn da sein möchtet, so gut ihr könnt.

  • Seid einfach für den Betreffenden da. Vielleicht braucht er vor allem einen mitfühlenden Freund, der ein guter Zuhörer ist und nicht voreilig Schlüsse zieht.

  • Haltet euch vor Augen, dass es nicht eure Aufgabe ist, die Probleme eures Freundes zu lösen oder aus der Welt zu schaffen. Ihr könnt zuhören und helfen, aber letztlich muss er seinen Weg gehen. Wofür sich euer Freund auch entscheidet – es muss nicht das widerspiegeln, was ihr seid oder woran ihr glaubt.

  • Auch wenn euch die Fragen oder Sorgen derer, die ihr liebt, zutiefst beunruhigen: Bleibt ruhig und helft ihnen, zumindest dann inneren Frieden zu empfinden, wenn sie mit euch zusammen sind. Ungelöste Fragen können verunsichern, verstören oder zu Gereiztheit führen. Wenn ihr also Ruhe bewahrt, statt mit scharfer Zunge zu reagieren, ist das viel hilfreicher.

  • Denkt daran, dass ihr nicht auf alles eine Antwort parat haben müsst. Ihr könnt eure Gedanken und eure Sichtweise zum Ausdruck bringen, aber es ist auch völlig in Ordnung, wenn ihr sagt, dass ihr euch da auch nicht sicher seid, oder wenn ihr euch Zeit zum Nachdenken oder für die Beschäftigung mit einschlägigem Material nehmt, bevor ihr ihm eine Antwort gebt.

  • Zaubert nicht gleich eine rasche Lösung aus dem Ärmel. Oft brauchen die Leute eigentlich nur jemanden, der ihnen erst einmal zuhört – bevor man ihm mit Vorschlägen kommt.

  • Wenn eine Antwort oder ein Tipp von euch nicht auf fruchtbaren Boden fällt, beharrt nicht darauf. Jeder muss für sich selbst und auf eigene Weise Antworten finden, und jeder empfängt Offenbarung anders.

  • Betet und fastet für diejenigen, die euch viel bedeuten. Für einen anderen zu beten kann die Mächte des Himmels freisetzen. Alma der Jüngere wurde letztlich durch die Gebete seines Vaters zur Umkehr gebracht (siehe Mosia 27:14). Unterschätzt niemals, was euer Glaube bei anderen bewirken kann!

  • Denkt daran, dass ihr den Betreffenden liebt – ganz gleich, was geschieht. Wenn jemand andere Ansichten hat als wir oder Entscheidungen trifft, die wir nicht verstehen – wir ihn aber aufrichtig lieben –, können wir immer noch seine Entscheidungsfreiheit respektieren und ihn trotz allem lieben.

Denkt daran, dass es in Ordnung ist, Fragen zu haben oder sich einer Sache nicht sicher zu sein. Das ist ein wichtiger Teil des Wachstumsprozesses hier auf Erden. Elder Dieter F. Uchtdorf vom Kollegium der Zwölf Apostel hat gesagt: „Es ist ganz normal, dass man Fragen hat. Doch aus einem Körnchen aufrichtiger Neugier ist schon oft ein mächtiger Baum der Erkenntnis emporgesprossen und herangereift. Es gibt kaum Mitglieder der Kirche, die sich nicht hin und wieder mit sehr ernsthaften oder heiklen Fragen herumgeschlagen haben. Eines der Ziele der Kirche besteht darin, den Samen des Glaubens zu hegen und zu pflegen – selbst in dem mitunter sandigen Boden des Zweifels und der Ungewissheit. Glaube ist die Hoffnung auf etwas, was man nicht sieht, was aber dennoch wahr ist.“1

Meine Fragen sind noch immer nicht alle beantwortet. Am meisten hat mir mein Freund dadurch geholfen, dass er mir klargemacht hat, dass ich nicht sofort alles wissen muss. Im Laufe der Zeit kam mal hier, mal da eine Antwort. Ich vertraue darauf, dass Gott alle Antworten kennt und auf mich achtgibt. Außerdem hoffe ich darauf, dass ich die Antworten erhalte, wenn ich sie brauche. Für den Moment reicht mir das.

Anmerkung

  1. Dieter F. Uchtdorf, „Kommen Sie zu uns!“, Liahona, November 2013, Seite 23