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Fünf Botschaften, die wir alle hören müssen
Die beiden großen Gebote sind der Wesenskern des Evangeliums Jesu Christi. Sie bilden die Grundlage dessen, wer wir als Nachfolger des Herrn sind.
Unsere Lebensumstände mögen sich unterscheiden, doch im Herzen empfinden wir alle ähnlich. Daher gibt es bestimmte Botschaften, die alle Kinder Gottes hören müssen. Ich möchte Ihnen fünf dieser Botschaften nahebringen – Wahrheiten und Ratschläge, die für jedermann gelten.
1. Gehen Sie auf das Licht zu
In meiner Zeit als Flugkapitän steuerte ich meine Boeing 747 manchmal von Deutschland zur Westküste der Vereinigten Staaten. Auf solchen Flügen nach Westen schien sich der Tag endlos auszudehnen. Wir hoben um 13 Uhr in Deutschland ab und landeten zehn Stunden später in Kalifornien – am selben Tag um 14 Uhr! Die Sonne stand während des gesamten Flugs hoch am Himmel.
Bei Flügen nach Osten war es genau andersherum. Der Sonnenuntergang kam schneller als sonst. Wenn wir um 13 Uhr abhoben, bedeutete das, dass wir nur wenige Stunden später in finsterste Nacht gehüllt waren. Doch weil wir mit hoher Geschwindigkeit gen Osten unterwegs waren, tauchten wir ein paar Stunden darauf wiederum in gleißendes, oftmals blendendes Licht.
Ob ich nun nach Westen oder nach Osten flog – die Sonne änderte nie ihren Kurs. Sie hatte ihre Position am Himmel inne und spendete der Erde Wärme und Licht.
Ob ich Zugang zu dieser Wärme und diesem Licht hatte, hing von meinem Standort sowie von meiner Flugrichtung und Geschwindigkeit ab.
Auf ähnliche Weise verhält es sich mit Gott im Himmel. Er ändert sich nie, wir hingegen schon.
Wir alle brauchen das Licht Gottes, und doch gibt es auch für uns Zeiten, da wir das Gefühl haben, in Finsternis gefangen zu sein.
Ist dies der Fall, können wir jedoch sicher sein, dass Gott – wie die Sonne – immer da ist. Wenn wir ihm das Herz zuneigen, umarmt er uns, erfüllt uns die Seele mit Wärme und Erkenntnis und gibt uns Orientierung.
2. Sie sind besser, als Sie meinen
Seit jeher bedient sich der Herr des Kleinen und Schwachen der Welt, um seine herrlichen Absichten zuwege zu bringen (siehe Alma 26:12; 37:6).
Jeremia meinte, er sei zu jung dafür, Prophet zu sein (siehe Jeremia 1:6,7).
Mose zweifelte an sich selbst, weil seine Zunge schwerfällig war (siehe Exodus 4:10-12).
Henoch empfand sich als ungeeignet, zur Umkehr aufzurufen, da ja laut seinen Worten „alles Volk [mich] hasst“ (Mose 6:31).
Der Herr vollbringt oft gerade mit denen am meisten, die sich am wenigsten dazu geeignet fühlen. Einem Hirtenjungen verlieh er die Macht, einen gewaltigen Riesen zu töten und ein noch junges Volk zu Höhenflügen zu führen (siehe 1 Samuel 17).
In unserer Evangeliumszeit nahm Gott einen Bauernjungen mit geringer Schulbildung unter seine Fittiche und ließ ihn zum großen Propheten der Neuzeit heranreifen, der ein wunderbares Werk, ja, ein Wunder ins Rollen brachte, das sich nun in jeder Nation der Welt ausbreitet.
Vielleicht setzen wir uns alle ein wenig herab und halten uns für unwürdig. Unbegabt. Nichts Besonderes. Wir meinen, es fehle uns an Herz, Verstand, Mitteln, Ausstrahlung oder Format, um Gott wirklich von Nutzen zu sein.
Sie finden, Sie seien nicht vollkommen? Willkommen im Club! Vielleicht sind Sie genau derjenige, nach dem Gott Ausschau hält.
Der Herr erwählt die Demütigen und Sanftmütigen – zum Teil gerade deshalb, weil sie eben demütig und sanftmütig sind. Auf diese Weise steht stets außer Frage, worauf ihr Erfolg beruht. Diese wunderbaren, ganz normalen Menschen vollbringen Großes nicht etwa, weil sie sind, wer sie sind, sondern weil Gott ist, wer er ist! „Was für Menschen unmöglich ist, ist für Gott möglich.“ (Lukas 18:27; siehe auch Markus 10:27.)
Für Gott müssen Sie nicht außergewöhnlich und schon gar nicht vollkommen sein.
Er nimmt Ihre Talente und Fähigkeiten und mehrt sie – auch wenn sie Ihnen vielleicht so dürftig vorkommen wie ein paar Brote und Fische. Wenn Sie Gott vertrauen und treu sind, macht er Ihre Worte und Taten groß und setzt sie zum Nutzen und Segen vieler ein (siehe Johannes 6:8-13).
Gott braucht keinen, der fehlerfrei ist.
Er sucht sich jemanden, der ihm das Herz und einen willigen Sinn darbringt (siehe Lehre und Bündnisse 64:31-34), und ihn macht er dann in Christus vollkommen (siehe Moroni 10:32,33).
3. Lernen Sie, Gott und einander zu lieben
Als ein Pharisäer Jesus fragte, welches das wichtigste Gebot sei, stellte der Erretter ein für alle Mal klar, welche Prioritäten jeder Einzelne und die Kirche als Ganzes setzen sollen:
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Du sollst Gott lieben (siehe Matthäus 22:37)
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Du sollst deinen Nächsten lieben (siehe Matthäus 22:39; siehe auch Vers 34-40)
Das ist der Wesenskern des Evangeliums und sollte auch den Mittelpunkt all unserer Bemühungen als Kirche und als Jünger Jesu Christi bilden.
Das Evangelium ist ein so weites, reichhaltiges Feld, dass wir uns ein Leben lang damit befassen können und doch gerade erst an der Oberfläche kratzen. Wir alle haben Themen oder Grundsätze, die uns vorrangig interessieren. Zu ihnen fühlen wir uns von Natur aus hingezogen, über sie sprechen wir am liebsten, und bei unserem Dienst in der Kirche stellen wir sie heraus.
Sind diese Grundsätze wichtig? Ganz ohne Frage.
Aber wir täten gut daran, darüber nachzudenken, ob sie die wichtigsten sind.
Die Pharisäer vor alters hatten aus den heiligen Aufzeichnungen hunderte Regeln und Gebote zusammengestellt. Mit äußerstem Einsatz katalogisierten und beachteten sie diese und zwangen andere dazu, sich genauestens daran zu halten. Sie glaubten, das präzise Befolgen selbst der kleinsten dieser Verfahrensweisen werde die Menschen zu Gott führen.
Worin lagen sie falsch?
Sie verloren den Mittelpunkt aus den Augen.
Sie verloren das aus den Augen, was für ihren ewigen Lebenszweck von größtem Wert war.
Für sie waren die vielen Regeln keinerlei Mittel zum Zweck, sondern reiner Selbstzweck.
Laufen wir heutzutage Gefahr, den gleichen Fehler zu machen? Bei gründlichem Nachdenken könnten wir sicher eine Liste mit Erwartungen an die Mitglieder der Kirche zusammenstellen, die der in alter Zeit an Länge gleichkommt oder sie vielleicht sogar übertrifft.
Diese Regeln und Evangeliumsthemen sind wichtig und wertvoll, keine Frage. Sie erfüllen einen Zweck. Sie sind ein Teil des Ganzen.
Sie können uns zum Mittelpunkt führen, sind aber nicht der eigentliche Mittelpunkt.
Sie sind Zweige des Baumes, aber nicht der Baum selbst. Werden sie jemals vom Baum getrennt, haben sie kein Leben mehr in sich. Sie verdorren dann und gehen zugrunde (siehe Johannes 15:1-12).
Vor den Schranken des Gerichts müssen wir dem Erretter eines Tages darüber Rechenschaft ablegen, wie gut wir nach den beiden wichtigsten Geboten gelebt haben.1
Haben wir wirklich Gott gesucht? Haben wir ihn mit ganzem Herzen, aller Macht, ganzem Sinn und aller Kraft geliebt?
Haben wir unsere Familie, unsere Freunde und unseren Nächsten geliebt? Wie haben wir diese Liebe zum Ausdruck gebracht?
Wir schätzen alle Grundsätze des Evangeliums. Wir leben „von jedem Wort …, das aus dem Mund Gottes hervorkommt“ (Lehre und Bündnisse 84:44). Dabei dürfen wir jedoch nicht vergessen, dass „das ganze Gesetz und die Propheten“ (Matthäus 22:40) auf diese beiden großen Gebote hinweisen.
Sie sind der Wesenskern des Evangeliums Jesu Christi. Sie bilden die Grundlage dessen, wer wir als Nachfolger des Herrn sind.
4. Konflikte sind unvermeidlich, Streit hingegen ist eine Entscheidung
Manchmal denken wir, wie schön das Leben doch wäre, wenn wir nur nicht so viel Gegenwind bekämen.
Jesus Christus, unserem vollkommenen Beispiel, blieben Konflikte jedoch auch nicht erspart. Im Verlauf seines gesamten geistlichen Wirkens schlug ihm Widerstand entgegen. In den letzten Stunden seines Erdenlebens wurde er von einem Freund verraten, von falschen Zeugen wurde ihm allerhand zur Last gelegt, er wurde verleumdet, blutig geschlagen und gekreuzigt.
Wie reagierte er?
Einigen gegenüber blieb er stumm.
Zu anderen wiederum sprach Jesus die schlichte Wahrheit – nicht im Zorn, sondern in ruhiger Erhabenheit.
Während andere mit ihm debattieren wollten, stand er aufrecht da, vertraute auf seinen Vater, gab ruhig Zeugnis, war fest in der Wahrheit verankert.
Konflikte sind unvermeidlich. Sie gehören zum Erdenleben. Sie sind Teil unserer Prüfungen.
Streit dagegen ist eine Entscheidung. Es ist eine Möglichkeit, wie jemand auf Konflikte reagieren will. Doch wir können uns für einen besseren Weg entscheiden.
Über unsere Welt ergießt sich eine Flut von Streit. Er ist omnipräsent: in den Nachrichten, in den sozialen Medien – manchmal sogar in der Beziehung zu unseren Lieben.
Wir haben keinen Einfluss auf das Ausmaß an Verbitterung, Grimm oder Wut unserer Mitmenschen.
Aber: Wir können selbst festlegen, wie wir reagieren wollen.
Natürlich ist das leichter gesagt als getan.
Es erfordert große Disziplin, nicht zum Gegenangriff überzugehen, wenn jemand mit uns streiten möchte. Doch genau das gehört dazu, wenn man ein Jünger sein will. Jesus hat gesagt: „Wer den Geist des Streites hat, ist nicht von mir, sondern ist vom Teufel, der der Vater des Streites ist. … Es ist meine Lehre, dass Derartiges hinweggetan werden soll.“ (3 Nephi 11:29,30.)
Wenn Gott spricht – selbst wenn er uns zur Umkehr ruft –, ist seine Stimme wohl kaum „eine Stimme des Donners …, auch nicht eine Stimme von großem, heftigem Lärm, sondern … eine leise Stimme von vollkommener Milde, gleichwie ein Flüstern, [die] tief in die Seele [dringt]“ (Helaman 5:30).
Als Nachfolger Jesu Christi folgen wir seinem Beispiel. Wir beschämen andere nicht und greifen sie nicht an. Wir bemühen uns, Gott zu lieben und unserem Nächsten zu dienen. Wir bemühen uns, freudig die Gebote Gottes zu halten und nach den Evangeliumsgrundsätzen zu leben. Und wir legen unseren Mitmenschen ans Herz, dies ebenfalls zu tun.
Wir können niemanden dazu zwingen, sich zu ändern. Aber wir können ihn liebhaben. An uns soll jeder beispielhaft erkennen können, worum es beim wiederhergestellten Evangelium Jesu Christi geht. Wir können alle einladen, zu kommen und dazuzugehören.
Feuern wir zurück, wenn wir beleidigt werden?
Es gibt einen besseren Weg.
Einigen gegenüber bleiben wir stumm. Anderen sagen wir in stiller Würde, wer wir sind, woran wir glauben und warum wir glauben. Wir sind uns unseres Glaubens an Gott sicher und vertrauen darauf, dass er uns in unseren Prüfungen beisteht.
Lassen Sie uns mit dem beschäftigt sein, was unserem himmlischen Vater ein Anliegen ist.
Wir haben mehr als genug damit zu tun, Christus nachzueifern. Und das tun wir, indem wir lernen, Gott zu lieben, und indem wir unseren Mitmenschen Gutes tun.
Konflikte wird es jedenfalls weiterhin geben. Doch unser allmächtiger Vater im Himmel verheißt, dass er unsere Schlachten schlagen wird (siehe Exodus 14:13,14; Deuteronomium 3:21,22; Psalm 20:7; 34:18; Sprichwörter 20:22).
5. Unser Vater im Himmel ist ein Gott der Neuanfänge
Solange wir Sterblichen auf diesem wunderschönen Planeten unseren Fußabdruck hinterlassen, machen wir auch Fehler. Für Gott kommt das keineswegs überraschend.
Aus diesem Grund hat er ja schließlich seinen einziggezeugten Sohn gesandt, damit dieser von einer sterblichen Frau zur Welt gebracht werde, um ein vollkommenes Leben zu führen und das große, ewige Opfer zu bringen, das uns von Sünde reinigt und die Tür zu Heiligkeit, Frieden und Herrlichkeit in alle Ewigkeit aufstößt, so wir umkehren und an ihn glauben.
Dank Jesu Christi können unsere Fehler, unsere Sünden – und auch unsere alltäglichen Sorgen, Schmerzen und Enttäuschungen – ausgemerzt werden. Dank unseres Erretters müssen uns derartige Umstände nicht davon abhalten, unsere göttliche Bestimmung zu erfüllen!
Der Erretter fordert uns auf: „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken.“ (Matthäus 11:28.) Er bietet uns Vergebung und die Kraft, uns zu bessern. Dank Jesu Christi können wir unsere Lasten ablegen und uns jeden Tag vornehmen, ihm besser nachzufolgen.
Unser Vater im Himmel ist der Gott der Neuanfänge. Jeder Tag, jede Stunde kann ein neuer Anfang sein – eine Gelegenheit, uns im Heiligen Geist zu erneuern und besser darin zu werden, als wahrer und treuer Jünger des Erretters durchs Leben zu gehen. Sein Evangelium ist die frohe Botschaft, dass wir von neuem beginnen können, denn in Christus können wir eine neue Schöpfung werden (siehe 2 Korinther 5:17).
Damit meine ich nicht, dass wir unsere Sünden und Fehler herunterspielen oder bagatellisieren sollen. Wir kehren sie nicht unter den Teppich und versuchen auch nicht, sie zu verheimlichen.
Im Gegenteil: Um von Gott Vergebung zu erlangen, müssen wir unsere Sünden bekennen. Nur wenn wir unsere Schwächen ehrlich und uneingeschränkt eingestehen, können wir aus ihnen lernen und sie überwinden. Wir müssen demütig einschätzen, wo wir stehen, bevor wir den Kurs ändern und dorthin gelangen können, wo wir sein wollen.
Mit anderen Worten: Wir müssen umkehren!
Wenn wir vom Abendmahl nehmen, denken wir an den Bund, den wir bei der Taufe geschlossen haben, nämlich den Namen des Erretters auf uns zu nehmen und als Jünger unseren Weg zu gehen. Wir nahen uns Gottes Gnadenthron, bringen ihm in Demut unsere Sünden als Opfer dar und flehen um Barmherzigkeit. Wir verpflichten uns erneut, ihn zu lieben und ihm zu dienen und unseren Nächsten ebenfalls zu lieben und ihm zu dienen. Wir erbitten seinen Segen, um uns in Gedanken und Tat seinem Dienst widmen zu können.
Wenn Sie das tun, spüren Sie, wie Gott die Hand über Sie hält. Der Gott des Universums verleiht Ihnen dann die Kraft und Motivation, sich zu bessern.
Auch in Zukunft werden Fehler und Fehltritte vorkommen. Doch so wie jeder Sonnenaufgang vom Beginn eines neuen Tages kündet, so beschreiten wir jedes Mal, wenn wir umkehren, von neuem den Weg als Jünger.
Wir können wieder von vorn beginnen.
Gott sehnt sich danach, dass wir zu ihm kommen. Seine Gnade ist ausreichend und vermag unsere Wunden zu heilen, uns zu motivieren voranzugehen, uns von Sünde zu reinigen, uns für kommende Prüfungen zu stärken und uns mit Hoffnung und seinem Frieden zu segnen.
Wenn wir es uns von ganzem Herzen wünschen, führt Gott uns durch dieses Erdenleben, und er wartet sehnsüchtig darauf, uns bei der Auferstehung in die Arme zu schließen.
Ungeachtet unserer Unzulänglichkeiten und Defizite kann Gott uns heilen, inspirieren und reinwaschen.
Er ist der Gott der Neuanfänge.
So wie Sie bin auch ich ein armer Pilger, der sich in unvollkommener Weise bemüht, den Weg eines Jüngers zu gehen, und der hofft, den innigen Wunsch des Vaters im Himmel zu erfüllen, nämlich zu ihm zurückzukehren und – gemeinsam mit Ihnen – „in einem Zustand nie endenden Glücks“ (Mosia 2:41) zu leben.
Ich bete darum, dass Sie auf Ihrem Lebensweg Hoffnung, Kraft und Freude finden, dass Sie Gott finden und ihn von ganzem Herzen lieben und dabei bestrebt sind, auch anderen ein Segen zu sein.
Nach einer Ansprache mit dem Titel „Five Messages That All of Godʼs Children Need to Hear“ anlässlich der Bildungswoche der Brigham-Young-Universität am 17. August 2021