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10. Schritt: Tägliche Verantwortlichkeit


10. Schritt

Tägliche Verantwortlichkeit

Grundsatz: Nehmen Sie weiterhin eine persönliche Bestandsaufnahme vor, und geben Sie Fehler sofort zu.

Wenn Sie beim 10. Schritt angelangt sind, sind Sie bereit für eine neue Lebensweise. Bei den ersten neun Schritten haben Sie gelernt, wie ein Leben aussieht, das auf geistigen Grundsätzen basiert. Diese Grundsätze werden jetzt das Fundament, worauf Sie nun Ihr Leben lang bauen werden.

Als Sie die ersten neun Schritte durchliefen, haben Sie Grundsätze des Evangeliums angewandt: Glauben an den Herrn Jesus Christus und Umkehr. Ihr Leben hat sich auf wunderbare Weise verändert. Sie haben Liebe und Toleranz erfahren und den Wunsch nach Frieden entwickelt. Ihr Bedürfnis, der Sucht nachzugeben, ist nahezu verschwunden. Wenn Sie versucht werden, schrecken Sie eher davor zurück, in Suchtverhalten zurückzufallen, als sich danach zu sehnen. Was der himmlische Vater für Sie getan hat – wozu Sie allein ja nicht imstande wären –, erfüllt Sie mit Demut und Ehrfurcht.

Die letzten drei Schritte werden Ihnen helfen, Ihre neue, auf Geistigkeit ausgerichtete Lebensweise beizubehalten. Deshalb werden sie oft auch Schritte zur Aufrechterhaltung genannt.

Der Gedanke, dass wir uns unser Leben lang immer wieder selbst bewerten müssen, ist nicht neu. Im Buch Mormon lehrt Alma, dass man sich anstrengen muss, um die Wandlung des Herzens aufrechtzuerhalten. Vers für Vers zeigt er uns auf, dass eine ehrliche und gebeterfüllte Selbsteinschätzung und sofortige Umkehr ein permanenter Bestandteil unseres Lebens sein müssen (siehe Alma 5:14-30). Um das zu erhalten, was man sich erarbeitet hat, muss man in geistiger Hinsicht fit bleiben. Dies erreichen Sie, indem Sie sich so eingehende Fragen zu Ihren Gefühlen, Gedanken und Beweggründen sowie zu Ihrem Verhalten stellen, wie Alma es vorschlägt. Wenn Sie sich täglich selbst bewerten, bleiben Sie davor bewahrt, in Verleugnung und Selbstzufriedenheit zurückzufallen.

Wie Sie bereits beim 4. und 5. Schritt erfahren haben, genügt es nicht, nur Ihr Verhalten zu bewerten, um einen Herzenswandel herbeizuführen. Sie müssen auch Ihre Gedanken und Gefühle überprüfen. Diese Regel gilt für den 10. Schritt gleichermaßen. Hüten Sie sich weiterhin vor Stolz in jeglicher Form und sprechen Sie in aller Demut mit Ihrem himmlischen Vater über Ihre Schwächen, wie Sie es bereits beim 6. und 7. Schritt gelernt haben. Wenn Sie besorgt, beunruhigt, nervös oder ärgerlich sind, wenn Sie Groll hegen oder sich selbst bemitleiden, lüsterne Gedanken hegen oder Angst haben, dann wenden Sie sich sofort an den Vater im Himmel und lassen Sie ihn diese Gedanken durch seinen Frieden vertreiben.

Wenn Sie auf Ihre Gedanken und Gefühle achten, können Sie auch negative Auffassungen entdecken, die Sie womöglich noch hegen. Bitten Sie Ihren Vater im Himmel, sie von Ihnen zu nehmen. Wenn Sie den 10. Schritt gehen, brauchen Sie sich nicht mehr zu rechtfertigen, Sie brauchen nichts mehr zu erklären und müssen die Schuld nicht mehr auf irgendetwas oder irgendjemanden schieben. Es ist Ihr Ziel, Ihr Herz offen und Ihre Gedanken darauf gerichtet zu halten, was der Heiland gelehrt hat.

Die meisten von uns gehen den 10. Schritt, indem sie sich jeden Tag bewerten. Wenn Sie Ihren Tag planen, betrachten Sie gebeterfüllt Ihre Beweggründe. Tun Sie zu viel oder zu wenig? Achten Sie auf Ihre geistigen, emotionalen und körperlichen Grundbedürfnisse? Dienen Sie Ihren Mitmenschen?

Stellen Sie sich diese und ähnliche Fragen, damit Sie Ihren Tag ausgewogen gestalten und dadurch eher gelassen bleiben können. Wenn Sie negative Gedanken und Gefühle bemerken, können Sie sie rasch zum Schweigen bringen, ehe sie überhandnehmen. Achten Sie vor allem in sehr stressreichen Situationen auf alte Verhaltensoder Denkmuster.

Manche betrachten diese Bestandsaufnahme als eine Auszeit. Überlegen Sie sich doch dabei in Ruhe, wie sich die Grundsätze, die Sie bei den einzelnen Schritten gelernt haben, auf Ihre derzeitige Situation beziehen lassen. Schon bald wird es sich Ihnen eingeprägt haben, dass Sie sich in all Ihren Bemühungen, geheilt zu werden, unbedingt an den Herrn halten müssen. Wenn es einmal kritisch wird, könnten Sie etwa dieses Selbstgespräch führen: „Welche meiner Charakterschwächen wird hier angesprochen? Wodurch habe ich mich in diese Situation gebracht? Gibt es etwas, was ich aufrichtig sagen oder tun kann, was den Konflikt für mich und mein Gegenüber so löst, dass unsere Würde gewahrt bleibt? Der Herr ist doch allmächtig! Also entspanne ich mich jetzt und vertraue ihm.“

Wenn Sie jemand anderen schlecht behandelt haben, bemühen Sie möglichst schnell darum, den Schaden wiedergutzumachen. Tun Sie allen Stolz beiseite und denken Sie daran: Um mit jemandem wieder ins Reine zu kommen, ist es oft genauso wichtig, Ihr Fehlverhalten zuzugeben, wie dem anderen zu sagen, dass Sie ihn lieb haben.

Bevor Sie zu Bett gehen, lassen Sie den gesamten Tag Revue passieren. Überlegen Sie, ob Sie mit dem Herrn noch über irgendwelche schlechten Verhaltensweisen, Gedanken oder Gefühle sprechen müssen. Zusätzlich zu Ihren Gesprächen mit dem Herrn können Sie mit einem Berater oder einem Freund reden, der dieses Programm kennt. Es muss jemand sein, dem Sie zutrauen, Ihre Gedanken objektiv zu betrachten.

Sie werden auch weiterhin Fehler im Umgang mit anderen machen, doch da Sie sich ja verpflichtet haben, den 10. Schritt zu gehen, haben Sie sich ebenso verpflichtet, für Ihre Fehler die Verantwortung zu übernehmen. Wenn Sie Ihre Gedanken und Taten jeden Tag überprüfen und sie im Bedarfsfall abstellen und wiedergutmachen, können negative Gedanken und Gefühle gar nicht so überhandnehmen, dass sie Ihre Enthaltsamkeit gefährden. Sie müssen sich nicht länger vom Herrn oder anderen Menschen absondern. Sie werden die Kraft und den Glauben haben, Schwierigkeiten anzugehen und sie zu überwinden. Sie können sich an Ihrem Fortschritt erfreuen und darauf vertrauen, dass Ihre Genesung kontinuierlich vorangeht, wenn Sie an den Schritten arbeiten und geduldig sind.

Umsetzung

Betrachten Sie Interviews mit Priestertumsführern als Teil Ihrer Selbsteinschätzung und nehmen Sie diese in Anspruch; festigen Sie weiterhin Ihre Beziehung zu anderen Mitgliedern der Kirche

Wir können uns alle an die Zeit erinnern, als wir uns davor fürchteten, unser eigenes Verhalten ehrlich zu betrachten. Dass wir dies umgehen wollten, war einer der Gründe, warum viele von uns ihr Engagement in der Kirche einschränkten. Als wir uns jedoch in diesem Programm voranarbeiteten, bei dem es um absolute Ehrlichkeit geht, wurde uns klar, wie wichtig es ist, uns selbst einzuschätzen.

Inzwischen haben wir keine Angst mehr davor, in der Kirche aktiv zu sein und dabei immer wieder einmal gefordert zu sein, uns selbst zu bewerten. Jetzt sind wir dankbar dafür, dass es wahr ist, was Elder Joseph B. Wirthlin vom Kollegium der Zwölf Apostel sagt:

„Das Würdigkeitsinterview, die Abendmahlsversammlung, der Tempelbesuch und sonstige Versammlungen der Kirche gehören zu dem Plan, den der Herr aufgestellt hat, um unsere Seele zu bilden, um uns zu helfen, dass wir die gesunde Gewohnheit entwickeln, stets unsere Position zu überprüfen, um auf dem Weg des Glaubens zu bleiben. Diese regelmäßige geistige Kontrolle hilft uns, alle Klippen des Lebens sicher zu umschiffen. …

Es kann uns allen … guttun, wenn wir in ehrfürchtigen Augenblicken der Gottesverehrung und des Betens tief in unser Herz blicken und uns diese einfache Frage stellen: ‚Bin ich treu?‘

Die Frage bekommt mehr Macht und Sinn, wenn wir mit unserer Antwort völlig ehrlich sind, und sie motiviert uns, im Sinne der Umkehr Kurskorrekturen vorzunehmen, die uns davon abhalten, vom Weg des Glaubens abzuweichen.“ (Der Stern, Juli 1997, Seite 16.)

Wenn Sie diese Gelegenheiten zur Selbsteinschätzung nutzen, werden Sie feststellen, dass Ihre Liebe für Ihre Brüder und Schwestern in der Kirche zunimmt.

Überprüfen Sie täglich Ihre Gedanken, Worte und Taten; korrigieren Sie sofort jegliches Fehlverhalten

Im 10. Schritt müssen Sie die Tatsache akzeptieren, dass Sie Ihr Leben weiterhin nach geistigen Grundsätzen ausrichten müssen. Wenn Sie davon abkommen, kehren Sie sofort um und bitten Sie Gott, Ihnen durch seinen Geist wieder Frieden zu schenken. Aufrichtigkeit und Demut können Ihnen Kraft geben. Wenn Sie den himmlischen Vater um Hilfe dabei bitten, geistig rein zu bleiben, wird Ihnen noch bewusster, wie allgegenwärtig er in Ihrem Leben ist. Sie lernen, bei sich selbst und anderen Fortschritte zu würdigen und Unvollkommenheiten zu vergeben. Sie wollen nicht länger unzufrieden mit den Umständen oder uneins mit anderen Menschen sein. Mit der Zeit wird es ganz selbstverständlich, dass Sie sich selbst einschätzen, und so können Sie Ängste loslassen und Versuchungen meistern, Tag für Tag.

Studieren und Verstehen

Beschäftigen Sie sich mit den folgenden Schriftstellen und Aussagen von Führern der Kirche. Denken Sie über diese Schriftstellen, Aussagen und Fragen nach, befassen Sie sich damit und halten Sie Ihre Gedanken dazu schriftlich fest. Seien Sie ehrlich und konkret.

Achtet auf eure Gedanken, Worte und Taten

„Wenn ihr nicht achthabt auf euch und eure Gedanken und eure Worte und eure Taten und nicht die Gebote Gottes beachtet und nicht im Glauben an das fest bleibt, was ihr über das Kommen unseres Herrn gehört habt, selbst bis ans Ende eures Lebens, müsst ihr zugrunde gehen. Und nun, o Mensch, denke daran und gehe nicht zugrunde.“ (Mosia 4:30.)

  • Wenn Sie beim Autofahren nicht darauf achten, was Sie tun, ist das gefährlich und kann sogar tödlich enden. Wie hilft Ihnen der 10. Schritt, stets wach und aufmerksam zu verfolgen, welche Richtung Sie im Leben einschlagen?

  • Schreiben Sie etwas darüber, wie man sich selbst beobachtet. Inwiefern kann Selbsteinschätzung Sie davor bewahren, wieder in Ihr altes Suchtverhalten zurückzufallen (und zugrunde zu gehen)?

Demut und Selbstkontrolle

„Diejenigen [sind] gesegnet, die sich demütigen, ohne dass sie gezwungen sind, demütig zu sein.“ (Alma 32:16.)

  • Wenn Sie bereit sind, negative Gedanken abzustellen, ehe sie in Taten münden, die andere verletzen, demütigen Sie sich, ohne dazu gezwungen zu sein. Schreiben Sie etwas über Ihre Bereitschaft, sich zu demütigen. Probieren Sie es einen Tag lang aus, negative Gedanken abzustellen. Wie profitieren Sie davon?

In der Gegenwart leben

„Je mehr Licht ein Mensch besitzt, desto mehr trachtet er nach der Gabe der Umkehr, und umso intensiver bemüht er sich, von der Sünde freizuwerden, sooft er den Willen Gottes nicht erfüllt hat. … Daraus folgt, dass den Gottesfürchtigen und den Rechtschaffenen ihre Sünden beständig vergeben werden, weil sie umkehren und den Herrn jeden Tag und zu jeder Stunde von neuem suchen.“ (Bruce R. McConkie, Doctrinal New Testament Commentary, 3 Bd., 1966–1973, 3:342f.)

  • Wenn man nach den Grundsätzen in den Schritten lebt, wirkt sich dies sowohl mental als auch emotional und geistig sehr positiv aus. So lernen Sie auch, in der Gegenwart zu leben. Wie hilft Ihnen der 10. Schritt dabei, mit dem Leben zurechtzukommen – wenn es sein muss, immer nur eine Stunde nach der anderen?

  • Inwiefern hilft es Ihnen zu wissen, dass Sie diese Grundsätze immer nur einen Tag nach dem anderen umsetzen müssen?

Ständige Umkehr und Vergebung

„Aber sooft sie mit wirklichem Vorsatz umkehrten und nach Vergebung trachteten, wurde ihnen vergeben.“ (Moroni 6:8.)

  • Die Gewissheit, dass der Herr bereit ist, Ihnen zu vergeben, sooft Sie mit wirklichem Vorsatz umkehren, kann Sie immer dann, wenn Sie einen Fehler machen, ermutigen, es nochmals zu versuchen. Was bedeutet es für Sie, mit wirklichem Vorsatz umzukehren und nach Vergebung zu trachten? Schreiben Sie Ihre Gedanken dazu auf.

Weiterhin geistig wachsen

„Ich [möchte], dass ihr demütig seid und fügsam und sanft seid; leicht zu bewegen; voller Geduld und Langmut; maßvoll seid in allem.“ (Alma 7:23.)

  • Wer immer den Spruch „Übung macht den Meister“ geprägt hat, vergaß zu erwähnen, wie viel Geduld es erfordert, um immer weiter zu üben! Inwiefern sorgen Sie dafür, dass Sie weiterhin an Ihrer Demut und Ihrer geistigen Entwicklung arbeiten, wenn Sie sich täglich selbst einschätzen und Wiedergutmachung leisten?

„Siehe, in den Letzten Tagen, … sowohl diejenigen, die in dieses Land kommen werden, als auch diejenigen, die in anderen Ländern sein werden, ja, selbst in allen Ländern der Erde, siehe, sie werden trunken sein von Übeltun und allerart Gräuel …

Siehe, ihr alle, die ihr Übles tut, haltet ein und verwundert euch, denn ihr werdet aufschreien und rufen; ja, ihr werdet trunken sein, doch nicht von Wein, ihr werdet wanken, doch nicht von starkem Getränk.“ (2 Nephi 27:1,4.)

„Als die Nacht kam, waren sie vom Zorn trunken, ja, wie jemand, der vom Wein trunken ist; und sie schliefen abermals auf ihren Schwertern.“ (Ether 15:22.)

  • In diesen Versen werden Menschen als betrunken beschrieben, allerdings nicht durch Wein. Abhängige, die von ihrer Sucht geheilt werden, bezeichnen so einen Zustand als „trocken, aber betrunken“ oder „gefühlstrunken“. Schreiben Sie darüber, ob Sie eventuell dazu neigen, sich in Ärger oder andere schmerzhafte Gefühle hineinzusteigern.

  • Wie hilft Ihnen eine Inventur am Ende jedes Tages dabei, solch eine Neigung zu überwinden?

Lebenslanger Fortschritt

„Ich muss euch Heiligen der Letzten Tage einfach sagen, wie wichtig es ist, dass man die Grundsätze des Evangeliums ganz innig in sein Leben aufnimmt, in sein Verhalten und Reden und in alles, was man tut; das fordert den ganzen Menschen. Das ganze Leben muss dem Fortschritt gewidmet sein, damit man die Wahrheit so erkennt, wie sie in Jesus Christus ist.“ (Lehren der Präsidenten der Kirche: Brigham Young, Seite 22.)

  • Wenn man diese Schritte geht, nimmt man die Grundsätze des Evangeliums auf jeden Fall „innig … auf“. Inwiefern hilft es Ihnen, sich zu lebenslangem Fortschritt zu verpflichten, wenn Sie bereit sind, sich täglich in jedem Bereich, also in Ihren Handlungen und Worten, Gedanken, Gefühlen und Ansichten zu bewerten?

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