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Anhang: „Lasst euch verwandeln durch die Erneuerung des Denkens“


Anhang: „Lasst euch verwandeln durch die Erneuerung des Denkens“

Andacht an der Brigham-Young-Universität Idaho

13. Mai 2003

Als ich sechzehn Jahre alt war, kam ich eines Abends von einer geselligen Aktivität nach Hause. Ich war immer noch putzmunter und wollte noch nicht ins Bett gehen. Ich dachte daran, nach draußen zu gehen, um Basketball zu spielen, wusste aber, dass das den Nachbarn nicht gefallen würde, da sie wahrscheinlich schon im Bett lagen. Ich dachte auch daran, vielleicht etwas Musik auf meinem Plattenspieler zu spielen, wusste aber, dass meine Eltern etwas dagegen hätten, da ihr Schlafzimmer unter meinem lag!

Auf meinem Nachttisch lag ein Exemplar des Buches Mormon, das meine Mutter mir immer dorthin legte, in der Hoffnung, dass ich es lesen würde. Zum damaligen Zeitpunkt hatte ich zwar bereits im Buch Mormon gelesen, aber es eigentlich noch nicht wirklich gelesen. Der einzige Satz, den ich aus dem Buch in Erinnerung hatte, war: „Ich, Nephi, stamme von guten Eltern.“ An diesem Abend fing ich an, das Buch Mormon zu lesen, und zwar einfach nur deshalb, weil ich nichts Besseres zu tun hatte.

Um 11:00 Uhr am nächsten Morgen, es war ein Samstag, dachten meine Eltern, dass ich ausschlief, da ich erst am Nachmittag zur Arbeit musste. Ich war jedoch putzmunter. Ich las die abschließenden Worte Moronis: „Ja, kommt zu Christus, und werdet in ihm vollkommen, und verzichtet auf alles Ungöttliche, und wenn ihr auf alles Ungöttliche verzichtet und Gott mit all eurer Macht, ganzem Sinn und aller Kraft liebt, dann ist seine Gnade ausreichend für euch.“ (Moroni 10:32.) Nachdem ich die abschließende Aufforderung, diese Abschiedsworte Moronis, gelesen hatte, kniete ich neben meinem Bett nieder und stellte die Verheißung, die er an früherer Stelle macht, auf den Prüfstand: „Wenn ihr dieses hier empfangt, so fragt Gott, den ewigen Vater, im Namen Christi, ob es wahr ist; und wenn ihr mit aufrichtigem Herzen, mit wirklichem Vorsatz fragt und Glauben an Christus habt, wird er euch durch die Macht des Heiligen Geistes kundtun, dass es wahr ist.“ (Moroni 10:4.)

An diesem Samstagvormittag bat ich um das Zeugnis des Heiligen Geistes, und ich erhielt es deutlicher und machtvoller als jedes Versuchsergebnis und jede rationale Schlussfolgerung, die ich je gezogen habe. Es wurde zu der Grundlage, aus der meine wichtigsten Überzeugungen hervorgegangen sind.

Am folgenden Montagvormittag traf ich in der Schule einen guten Freund, der kein Mitglied der Kirche war, mit dem ich aber viele Gespräche über das Evangelium geführt hatte. Er sagte mir, dass er über eine Liste von 50 Anachronismen im Buch Mormon verfüge, die bewiesen, dass das Buch Mormon nicht auf einem alten Text beruhe, sondern im 19. Jahrhundert frei erfunden worden sei. (Ein Anachronismus bezieht sich auf eine Person, ein Ereignis oder eine Sache, die chronologisch fehl am Platz ist, so als würden wir behaupten, Julius Caesar sei mit einem SUV in Rom eingezogen.)

Ich sagte meinem Freund, dass er zu spät käme, denn ich hatte ein sicheres Zeugnis vom Buch Mormon erhalten! Aber ich sagte ihm auch: „Gib mir deine Liste und ich werde sie behalten.“ Ich behielt diese Liste, und im Laufe der Jahre und mit fortschreitender Forschung und Studien durch verschiedene Analytiker und Wissenschaftler konnte ich einen Punkt nach dem anderen aus der Liste streichen. Vor einigen Jahren hielt ich einen Vortrag vor einer Gruppe an der Cornell University und erwähnte die Liste mit der Feststellung, dass nach all diesen Jahren nur ein einziger Punkt übrig geblieben war – aber ich hätte Zeit. Nach dem Vortrag kam ein angesehener Professor auf mich zu und sagte: „Nun, du kannst den letzten Punkt auch streichen, denn unsere Studien haben ergeben, dass es kein Anachronismus ist.“

Überlegt euch kurz, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn ich meine Überzeugung vom Buch Mormon zurückgehalten hätte, bis ich alle Fragen gelöst hätte, die mein Freund mir gestellt hatte. Ich habe schon oft gesagt, dass ich in Bezug auf die grundlegendsten Wahrheiten keine Zweifel hege, auch wenn ich vielleicht einige Fragen habe! Bei manchem brauchen wir eine Überzeugung, die über unser unvollständiges Verständnis und unsere unmittelbaren Fragen hinausgeht. Moroni wies den Weg zu wirklicher Erkenntnis der grundlegendsten Fragen und der erhabensten Wahrheiten.

Am 11. Januar 2003 forderte Präsident Boyd K. Packer vom Kollegium der Zwölf Apostel die Führungsverantwortlichen bei der ersten weltweiten Führerschaftsversammlung auf, „alles, was Sie über Ihre Ordinierung und Ihre Berufung lernen, an grundlegenden Wahrheiten zu messen“, und umriss diese Wahrheiten. Dazu gehören die göttliche Mission Jesu Christi und der Kirche, die er gegründet hat, der Verlust der kostbaren Wahrheiten des Evangeliums, die Abänderung der Verordnungen und der Verlust der apostolischen Schlüssel durch den Abfall vom Glauben, die Wiederherstellung all dessen, was verlorengegangen ist, unter der Leitung des Vaters und des Sohnes und durch den Propheten Joseph Smith sowie die Erhaltung der apostolischen Schlüssel und der Priestertumsschlüssel in der heutigen Kirche.

Präsident Packer wies auf den Heiligen Geist als den Sextanten hin, den jeder Mensch bei der Taufe empfängt, um diese Wahrheiten zu erkennen und in seinem Leben zu verankern. Elder Neal A. Maxwell, ebenfalls vom Kollegium der Zwölf Apostel, verwies gleichermaßen auf unsere Verantwortung, persönliche Offenbarung zu empfangen, damit jeder von uns ein sicheres Zeugnis dieser grundlegendsten Wahrheiten haben kann.

Was genau ist das Wesen der Wahrheit von Offenbarung und des Zeugnisses des Geistes?

Von der Information zur Erkenntnis

Es heißt, wir befänden uns mitten in einer Informationsrevolution – Computer, Datenspeicher, Analyse- und Abrufsysteme, Netzwerke, künstliche Intelligenz, Kommunikationssatelliten, Fernseh- und Telefonsysteme. Obwohl wir mit Informationen überflutet werden, ertrinken viele in Unwissenheit. Selbst im Kontext dieser großen säkularen Revolution geht es im Kern darum, wie wir aus Informationen Erkenntnisse machen, wie wir die Einzelheiten und Daten so einordnen, dass wir tatsächlich sagen können, dass wir etwas wissen. Woher wissen wir, nachdem wir aus Informationen Erkenntnisse gewonnen haben, dass das, was wir wissen, auch richtig oder vollständig ist? Wissenschaftler und Philosophen sind sich einig, dass wir es grundsätzlich nicht wissen. Alle empirischen Erkenntnisse sind vorläufig, vorbehaltlich weiterer Informationen und verschiedener Interpretationsmodelle.

Manchmal verwechseln wir unsere vorläufige Erkenntnis jedoch mit bekanntem Wissen. In einer Schlagzeile in der New York Times hieß es: „Masse in schwer fassbarem Teilchen entdeckt – verändert das unser Verständnis des Universums?“ (5. Juni 1998.) Der Artikel enthielt die Mutmaßung, dass Wissenschaftler aufgrund der jetzigen Erkenntnis der Masse in Neutrinos davon ausgehen, dass sich die Ausdehnung des Universums verlangsamen wird. Ich vermute, dass das Universum heute noch dasselbe ist wie an dem Tag, bevor die Wissenschaftler ihre Theorien überarbeiteten!

Es ist daher möglich, zu wissen, ohne zu wissen. Es steht nämlich geschrieben, dass der Satan, dem es sicherlich nicht an Informationen mangelte, im Rat im Himmel „die Absicht Gottes nicht [erkannte], und darum trachtete er danach, die Welt zu vernichten“ (Mose 4:6). Paulus sprach über Menschen, „die ständig am Lernen sind und die doch nie zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen können“ (2 Timotheus 3:7). Amos sagte voraus, dass es in unserer Zeit einen großen Hunger nach Erkenntnis geben werde, und Moroni sprach von einem Schleier des Unglaubens, der die Menschen veranlasst, in Sinnesverblendung zu verharren (siehe Ether 4:15).

Andererseits hat der Herr geboten, dass wir ihm mit ganzem Sinn dienen (siehe Lehre und Bündnisse 4:2) und dass wir durch Studium und durch Glauben nach Wissen trachten (siehe Lehre und Bündnisse 88:118). Er hat uns geraten, Kenntnis von Ländern und von Reichen, von der Geschichte und von der Natur zu erlangen – von Vergangenem, Gegenwärtigem und Künftigem (siehe Lehre und Bündnisse 88:79; 93:24,53). Er hat verheißen, dass der Schleier von unserem Verstand genommen wird (siehe Lehre und Bündnisse 110:1) und dass dieser durch den Geist erleuchtet werden wird (siehe Lehre und Bündnisse 11:13). Als Folge davon sind wir dann frei und heilig (siehe Helaman 14:30; Lehre und Bündnisse 20:31). Wir werden die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird uns befreien (siehe Johannes 8:32).

Wovon befreien? Von Unwissenheit, Sünde und den Qualen im Zusammenhang mit dem Tod. „Wenn du bittest, wirst du Offenbarung um Offenbarung, Erkenntnis um Erkenntnis empfangen, damit du die Geheimnisse und das Friedfertige erkennen mögest – das, was Freude bringt, das, was ewiges Leben bringt.“ (Lehre und Bündnisse 42:61.)

Das Wesen geistiger Erkenntnis – das göttliche Paradigma

In jedem Bereich der menschlichen Intelligenz kann man bei fast jeder Aussage nach dem Warum fragen. Alle Eltern verstehen das. Aber nach einem langen Gespräch über das Warum erreicht man einen Punkt, an dem die einzige Antwort lautet: „Nun, so ist es eben!“ Tatsächlich sagen wir damit, dass die Welt eben so funktioniert. Wir wissen auch, dass selbst diese grundlegenden Wahrheiten manchmal durch zusätzliche Beweise umgestoßen werden können. Das haben revolutionäre Entdeckungen in der Geschichte der Wissenschaft gezeigt. Gibt es denn nichts, was nicht endgültig festgestellt werden kann, ohne weitere Erfahrungen abzuwarten? Doch.

In unserem Leben gibt es bestimmte Wahrheiten, die so grundlegend sind, dass sie in unserem Geist und in unserem Herzen so fest verankert sein müssen, dass kein weiterer Beweis für ihre Richtigkeit erforderlich ist. Damit wir die Prüfungen des Erdenlebens bestehen, verschafft unser Vater im Himmel uns ein sicheres Zeugnis von diesen äußerst wichtigen Erkenntnissen, denen wir später dann im Einklang mit ihnen das Licht und die Erkenntnis, die wir noch erlangen mögen, hinzufügen können. Wir kennen vielleicht nicht alle Antworten; ja, vielleicht verstehen wir nicht einmal alle Fragen, aber wir haben dann in unserem Leben ein bestimmtes Rahmenverständnis verankert, das nicht nur ein unerschütterliches intellektuelles und geistiges Fundament bietet, sondern sogar unser Leben selbst verwandelt.

Was ist dieses Zeugnis, das uns Verständnis schenkt, das über das Verständnis der Sinne hinausgeht? Das Zeugnis durch den Heiligen Geist. Das vom Heiligen Geist empfangene Verständnis hat drei Schlüsselaspekte. Erstens: Es betrifft die wichtigsten und höchsten Wahrheiten. Zweitens: Es verschafft endgültige Gewissheit. Und drittens: Es führt zu einer Verhaltensänderung.

Das durch das Zeugnis des Heiligen Geistes erlangte Verständnis bietet in erster Linie eine Architektur der Erkenntnis – Räume, in denen zusätzliche Erkenntnis Platz hat. Mit anderen Worten: Der Heilige Geist gibt uns ein Verständnis der ersten Voraussetzungen für Weisheit. Ihr erinnert euch daran, dass in den Sprichwörtern steht, dass der Anfang der Weisheit die Furcht vor dem Herrn ist.

Der Prophet Joseph Smith hat gesagt, dass ein Mann oder eine Frau in Bezug auf dreierlei Gewissheit braucht, um die Prüfungen des Lebens zu bestehen; benötigt wird: die Erkenntnis, dass es Gott gibt, ein Verständnis seines Wesens, seiner Eigenschaften und seiner Vollkommenheit sowie die Überzeugung, dass der Weg, den man in diesem Leben eingeschlagen hat, im Einklang mit seinem Willen ist.

Beim Hochschulstudium habe ich gelernt, dass die ursprüngliche Prämisse oder Aussage eines Syllogismus oder einer logischen Folgerung entscheidend ist. Man kann wunderbar ausgefeilte und komplexe Argumentationslinien verfolgen, deren Logik auf jedem Schritt faszinierend erscheint, aber wenn die Voraussetzungen fehlerhaft oder unvollständig sind, wird die gesamte Argumentation auch fehlerhaft sein, egal wie brillant die Schlussfolgerungen sind.

Wenn wir beispielsweise mit der Prämisse beginnen, dass das Leben durch Zufall entstanden ist und sein Verlauf weitgehend dem Zufall überlassen ist, werden wir physische, biologische und gesellschaftliche Informationen oder Daten auf bestimmte Weise interpretieren, was unser Verständnis verzerren und fragmentieren wird. Solche Gedanken haben Konsequenzen für die Funktion unserer Gesellschaft und unser Handeln. Wenn wir jedoch mit der Prämisse beginnen, dass das irdische Leben gewollt entstanden ist und sich gemäß ewigen Gesetzen entwickeln wird, werden wir die Komponenten der Informationen anders verstehen und die Verbundenheit und Ganzheit des Lebens erkennen. Wir werden die Hierarchie der Wahrheit erfassen und Muster und eine Absicht erkennen, wo andere Chaos und Zufall sehen. Selbst in seinem tiefsten Elend erkannte Ijob die Bedeutung der ursprünglichen Prämisse, als er erklärte:

„Die Weisheit aber, wo ist sie zu finden und wo ist der Ort der Einsicht? … Zum Menschen aber sprach er: Sieh, die Furcht des Herrn, das ist Weisheit, das Meiden des Bösen ist Einsicht.“ (Ijob 28:12,28.)

Das Ausmaß der menschlichen Vernunft ist an sich schon beeindruckend durch ihren ewigen und göttlichen Ursprung und wird bei der Geburt durch das Licht Christi erleuchtet. Aber wir sollten die Beschränkung der Perspektive nicht unterschätzen, die entsteht, wenn die Wahrheit jenseits von Gott gesucht wird. Die Grenzen und Gefahren der, wie Paulus sie nennen würde, „fleischlichen“ Psychologie, Soziologie, Philosophie, Politikwissenschaft, Literatur, Schauspielkunst, Musik, Physik, Chemie und Biologie verblüffen mich immer mehr.

Wir sollten uns nicht in theoretischen Gedankengebäuden oder Erklärungen verlieren, die uns daran hindern, „die Grenzen der Zeit zu überschreiten“. Wir müssen die Prämisse der zufälligen und absichtslosen Kausalität ablehnen, die dazu führt, dass wir die falschen Fragen stellen, uns auf Kosten des Ewigen auf das Vergängliche konzentrieren, unangemessene Schlussfolgerungen ziehen und unvollständige oder unpassende Empfehlungen aussprechen. Zusammenfassend laufen wir Gefahr, die vergänglichen Lehren der Menschen als unumstößliche Wahrheit zu predigen, und schauen dann, wie Paulus es ausdrückte, „in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse“, obwohl wir vom Vater im Himmel aufgefordert werden, ihn „von Angesicht zu Angesicht“ zu sehen. Paulus schrieb: „Jetzt ist mein Erkennen Stückwerk, dann aber werde ich durch und durch erkennen, so wie ich auch durch und durch erkannt worden bin.“ (1 Korinther 13:12.)

Aufgrund all dessen haben die Propheten uns geraten, die Tiefen der Schrift und der Worte der lebenden Propheten im Glauben und Gebet zu erforschen. In der Tat stellen die Schriften unter der Führung des Heiligen Geistes den wahren „Führer der Unschlüssigen“ dar.

Zweitens: Diese Erkenntnis ist, wie bereits erwähnt, endgültig. Obwohl unsere Erfahrungen, Beobachtungen und rationalen Fähigkeiten uns zu bestimmten Schlussfolgerungen führen können, können sie nie die Überzeugung herbeiführen, die Zweifel zerstreut und uns zu Ausdauer motiviert. Jesus sagte zu Petrus, dass weder Fleisch noch Blut ihm offenbart hätten, dass Jesus der Christus ist, sondern sein „Vater im Himmel“ (Matthäus 16:17). Der Apostel Paulus schrieb: „Keiner kann sagen: Jesus ist der Herr!, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet.“ (1 Korinther 12:3.) Versteht ihr, warum es furchtbar ist, das Zeugnis des Heiligen Geistes zu leugnen? Im Gegensatz zu anderen Beweisen beendet es die Diskussion. Eine solche Bestätigung durch den Heiligen Geist bringt eine Gewissheit mit sich, die in allen anderen Bereichen des Denkens unbekannt ist. Es mag viele philosophische Überlegungen geben in Bezug auf die Frage, ob es Gott gibt, ob Jesus der Sohn Gottes ist oder ob die Wiederherstellung wirklich stattfindet, aber sie bleiben im Grunde Spekulation, wie überzeugend sie auch sein mögen.

Sobald man sich um das Zeugnis des Heiligen Geistes bemüht und es empfangen hat, übernimmt man eine lebensverändernde Verpflichtung. Dies führt uns zum dritten Merkmal dieses Verständnisses des Geistes. Er führt einen Wandel herbei. Paulus schrieb, dass er den „Geist Christi“ hatte (2 Korinther 2:16), und das Volk König Benjamins erklärte, dass es „keine Neigung mehr [hatte], Böses zu tun, sondern ständig Gutes zu tun“ (Mosia 5:2). Nachdem sie das Zeugnis des Geistes empfangen hatten, wurden sie vom Geist gerufen und reagierten dann darauf. Da wir Christus durch den Geist erkennen, lieben wir ihn und halten seine Gebote, und wir werden vom Geist weiter getröstet und unterwiesen, bis wir, wie Mormon erklärt hat, „wenn er erscheinen wird, ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist; damit wir diese Hoffnung haben; damit wir rein gemacht werden, so wie er rein ist“ (Moroni 7:48; siehe auch 1 Johannes 3:1-3).

In seinem Brief an die Römer schrieb der Apostel Paulus:

„Gleicht euch nicht [der] Welt an, sondern lasst euch verwandeln durch die Erneuerung des Denkens, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: das Gute, Wohlgefällige und Vollkommene!“ (Römer 12:2.)

Paulus unterscheidet zwischen einer menschlichen Natur, die durch Ungehorsam und Irrglauben verzerrt ist, und einer menschlichen Natur, die Gott unterworfen ist und durch den Heiligen Geist erneuert wird. Erst wenn diese Erneuerung beginnt, wissen wir, welche Fragen wir stellen und was wir beten sollten (siehe Römer 8:6-8,26,27). Wenn der Geist in uns wirkt, haben wir eine „große Bereitschaft“, die Wahrheit zu erkennen und die Gedanken Christi zu empfangen (siehe Apostelgeschichte 17:11; (1 Korinther 2:16).

Alma führt an, dass unser „Verständnis allmählich erleuchtet wird und sich [unser] Sinn allmählich erweitert“ (Alma 32:34), wenn wir durch Glauben an Christus unseren Willen dem Vater unterwerfen. In den Letzten Tagen hat der Herr gesagt, dass er „das Herz und einen willigen Sinn“ fordert (Lehre und Bündnisse 64:34), und uns geraten, in unserem Sinn beständig die Worte des Lebens aufzuhäufen (siehe Lehre und Bündnisse 84:85) und uns zu heiligen, damit unser „Sinn nur auf Gott gerichtet sei, dann werden die Tage kommen, da [wir] ihn sehen werde[n]; denn er wird für [uns] den Schleier von seinem Angesicht nehmen“ (Lehre und Bündnisse 88:68).

Die uns wandelnde Kraft geistiger Erkenntnis ist nicht auf den Einzelnen beschränkt. Paulus hat festgestellt, dass die Gemeinschaft der Heiligen vollkommen gemacht wird, wenn wir als Volk unseren Willen Gott beugen und unseren Sinn nur auf ihn richten, sodass es unter uns keine Spaltung gibt und wir „eines Sinnes und einer Meinung“ sind (1 Korinther 1:10; siehe auch Römer 14:1,5,19).

Die Voraussetzungen zum Erlangen geistiger Erkenntnis

Wie erlangen wir solch umfassende, endgültige und uns wandelnde Erkenntnis? Betrachten wir vier Aspekte der Anforderungen für die Erlangung geistiger Erkenntnis: erstens, eine dringende Suche nach der Wahrheit, zweitens, die Bereitschaft, der entdeckten Wahrheit zu gehorchen, drittens, die Bereitschaft, überall und zu jeder Zeit Zeugnis für die Wahrheit abzulegen, und viertens, die Motivation, anderen in der Wahrheit zu dienen.

Empfänglichkeit und fleißiges Lernen: eine Form der Demut

Zuerst müssen wir also offen für die Unterweisung sein sowie fleißig in unserem Streben, durch den Geist zu lernen. Ein solches Streben erfordert ein Gespür für unsere eigenen Bedürfnisse und mehr als ein beiläufiges Interesse an den Antworten, nach denen wir suchen. Der Herr hat gesagt, dass diejenigen, die nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten, vom Heiligen Geist erfüllt werden (siehe Matthäus 5:6; 3 Nephi 12:6), aber er hat auch gesagt: „Weh euch, die ihr jetzt satt seid; denn ihr werdet hungern.“ (Lukas 6:25.) Der Herr erklärte Johannes dem Offenbarer, dass er diejenigen verwerfen wird, die lau sind, weder kalt noch heiß, und meinen, dass sie sich selbst genügen und ihnen nichts fehlt (siehe Offenbarung 3:16,17).

Laut einer Erzählung kam einst ein junger Mann zu Sokrates, dem alten griechischen Philosophen, und bat ihn, ihn Weisheit zu lehren. Es heißt, dass Sokrates den jungen Mann sofort packte, ihn in einen Bach in der Nähe stieß und seinen Kopf unter Wasser hielt. Schließlich ließ er von ihm und der junge Mann schnappte nach Luft. Sokrates sagte dann: „Wenn du Weisheit so sehr willst wie du Luft wolltest, dann kann ich dich unterweisen.“

Mit den Worten von Robert Frost müssen wir uns weit hinaus und tief in das Meer unserer Verpflichtungen wagen, wenn etwas von Dauer erreicht werden soll. Der Prophet Joseph Smith sprach über den Zusammenhang zwischen der Suche nach wahrem Verständnis und Opferbereitschaft und erklärte, dass man die Wahrheit nur erkennen kann, wenn man bereit ist, alles zu opfern (siehe Lectures on Faith, 6. Vorlesung).

Den Gegensatz zu solchem Hunger und Durst bildet das, was die Propheten Herzenshärte nennen – die Unfähigkeit, das zu sehen, was wirklich ist, zu hören, was wirklich gesagt wird, und mit offenem Herzen etwas zu verspüren. Im letzten Band seiner Narnia-Erzählungen, Der letzte Kampf („Wie die Zwerge sich nicht hinters Licht führen lassen wollten“), berichtet C. S. Lewis, wie nach dem Sieg des Löwen Aslan (ein Sinnbild für Christus) und seiner Gefolgsleute die Gefängnisse und die Ketten, die die Weiße Hexe so vielen angelegt hatte, verschwanden. In einem Gefängnisstall war eine Gruppe von Zwergen in einem Kreis angekettet worden. Plötzlich verschwanden der Stall und ihre Ketten und sie waren frei. Aber sie weigerten sich, an ihre eigene Befreiung zu glauben, und blieben in ihrem engen Kreis, ohne die frische Luft zu spüren, die Sonne zu sehen oder die Blumen zu riechen. Selbst als Aslan ihnen ins Ohr brüllte, um sie aufzurütteln, hielten sie das Brüllen für Donner oder einen Trick. Aslan stellte fest, dass sie mittlerweile so viel Angst davor hatten, hinters Licht geführt zu werden, dass sie nicht aus dem Gefängnis geholt werden konnten, das in ihrem eigenen Verstand entstanden war. Ein andermal stellte Aslan: „Oh, Söhne Adams, wie klug ihr euch gegen alles verteidigt, was euch gut tun könnte.“ (C. S. Lewis, The Magician’s Nephew.) Nephi schrieb klagend:

„Und nun kann ich, Nephi, … nur noch über den Unglauben und die Schlechtigkeit und die Unwissenheit und die Halsstarrigkeit der Menschen … trauern; denn sie wollen nicht nach Erkenntnis trachten noch große Erkenntnis verstehen, wenn sie ihnen in Klarheit gegeben wird, selbst so klar, wie ein Wort nur sein kann.“ (2 Nephi 32:7.)

Viele können die Einflüsterungen des Geistes nicht hören oder die Wahrheit finden, weil sie klare Wunder mit ihren Erklärungsversuchen gewissermaßen wegerklären. In vielen Studien über Christus wird versucht, seine Mission und seinen Einfluss zu erklären, indem seine Rolle als Sohn Gottes wegerklärt wird, und in anderen wird versucht, Erklärungen für den Propheten Joseph Smith zu finden, indem seine prophetische Berufung wegerklärt wird. Wie Jakob so weise feststellte, ist es töricht, zu viel Vertrauen in unsere begrenzten Beobachtungen und unser eingeschränktes Verständnis zu setzen und die Weisheit, die vom Heiligen Geist kommt, abzulehnen. Er kommt aber zu dem Schluss: „Es ist gut, gelehrt zu sein, wenn [wir] auf Gottes Ratschläge [hören].“ (2 Nephi 9:28,29.)

Um vom Geist Weisheit gelehrt zu werden, müssen wir bereit sein, alles, was uns ausmacht, diesem Zweck zu widmen, einem Studium, das durch viel Gebet und Fasten beschleunigt wird. Wir lesen, dass Alma „viele Tage gefastet und gebetet“ hat, um Erkenntnis zu erlangen (Alma 5:46). Es erfordert also nicht nur eifriges und gebeterfülltes Studium, sondern auch die Bereitschaft, etwas zu opfern, was für uns kostbar sein mag, selbst unsere eigenen Sünden, jene Elemente unserer Lebensführung, die das Lernen behindern. Wir müssen das tun, was der Vater Lamonis aus seinem Wunsch heraus, Gott zu erkennen, erklärt hat: „Ich werde alle meine Sünden aufgeben, um dich zu erkennen.“ (Alma 22:18.) Jakobs letzte Worte bringen die ganze Sache auf den Punkt: „O seid weise; was mehr kann ich sagen?“ (Jakob 6:12.)

Gehorsam

Nachdem wir der Wahrheit eifrig nachgegangen sind, müssen wir dann bereit sein, der Wahrheit zu gehorchen. Alma spricht davon, unsere Geisteskraft (also unser Herz und unseren Verstand) zu wecken und aufzurütteln, um mit dem Wort einen Versuch zu machen zu können (siehe Alma 32:27). Dies bezieht sich sicherlich nicht auf passives Lernen, sondern auf aktives Handeln. Der Apostel Johannes prangert diejenigen an, die zwar vorgeben, Christus erkannt zu haben, aber dessen Rat nicht folgen: „Wer sagt: Ich habe ihn erkannt!, aber seine Gebote nicht hält, ist ein Lügner und in dem ist die Wahrheit nicht.“ (1 Johannes 2:4.) Im Buch Lehre und Bündnisse verkündet der Herr: „Und kein Mensch empfängt eine Fülle [der Wahrheit], wenn er nicht [Gottes] Gebote hält. Wer seine Gebote hält, empfängt Wahrheit und Licht, bis er in der Wahrheit verherrlicht ist und alles weiß.“ (Lehre und Bündnisse 93:27,28.)

Solches Suchen und Befolgen kann auch Geduld erfordern, während man auf den Herrn wartet. Er hat gesagt: „Siehe, ihr seid kleine Kinder, und ihr könnt jetzt noch nicht alles ertragen; ihr müsst in der Gnade und in der Erkenntnis der Wahrheit wachsen.“ (Lehre und Bündnisse 50:40.) Elder Neal A. Maxwell hat festgestellt: „Das Gleichgewicht zu finden zwischen dem Streben nach mehr Licht und Erkenntnis und dem genügsamen Warten darauf, scheint keine leichte Aufgabe zu sein!“ (We Talk of Christ, We Rejoice in Christ, Deseret Book, Salt Lake City 1994, Seite 93.)

John Henry Newman hat das eifrige Suchen, Lernen und Folgen, begleitet von geduldigem Warten, gut in Worte gefasst: „Ich will nicht fragend in die Zukunft sehn, nur Schritt für Schritt von dir geleitet gehn.“ [Gesangbuch, Nr. 58.] Wenn wir der Wahrheit gehorsam folgen, öffnen sich die Kanäle der Wahrheit immer weiter für uns und wir wachsen, in unserem Bild betrachtet, in die Wahrheit hinein. In Christi Äußerung „Ich bin die Wahrheit“ in Verbindung mit seiner Aufforderung, so zu werden, wie er ist, steckt eine tiefe Bedeutung.

Zeugnis ablegen und dienen

Wenn wir geistige Erkenntnis erlangen wollen, müssen wir schließlich bereit sein, Zeugnis für die erlangte Wahrheit abzulegen und anderen in der Wahrheit zu dienen und sie in der Wahrheit zu erbauen, da wir wie Enos den „Wunsch nach dem Wohlergehen [unserer] Brüder“ verspüren (Enos 1:9).

In seiner Aufforderung an das Volk König Noas, zum Bündnis mit dem Herrn in die Wasser der Taufe zu steigen, brachte Alma der Ältere auf wunderbare Weise den logischen Zusammenhang zwischen dem Bezeugen und Dienen und der Wahrheit, die wir in Christus und durch den Heiligen Geist erkennen, zum Ausdruck. Die Früchte der erkannten Wahrheit bestehen in der Bereitschaft, einander zu trösten, des anderen Lasten zu tragen sowie „allzeit und in allem und überall … als Zeugen Gottes aufzutreten“ (Mosia 18:8,9). Darüber hinaus eröffnet sich uns dann aufgrund der Redlichkeit, die sich darin zeigt, dass wir die Wahrheit sprechen und Gutes tun, ein immer größerer Horizont der Wahrheit. Die Verheißung des Herrn erfüllt sich dann in unserem Leben: „Dann wird dein Vertrauen in der Gegenwart Gottes stark werden, und die Lehre des Priestertums wird dir auf die Seele niederträufeln wie der Tau vom Himmel. Der Heilige Geist wird dein ständiger Begleiter sein.“ (Lehre und Bündnisse 121:45,46.)

Geheiligt durch das, was wir wissen, erlangen wir die Gewissheit, die Zweifel und Furcht verbannt und dank der wir, wie der Apostel Paulus, den Herausforderungen des Lebens mit dem „vollkommenen Glanz der Hoffnung“ trotzen können (2 Nephi 31:20), sodass nichts uns scheiden kann „von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“ (Römer 8:39).

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