Kapitel 6
Ein weltweiter Kreis von Schwestern
Als der Prophet Joseph Smith mit den Schwestern der Frauenhilfsvereinigung in Nauvoo zusammenkam, forderte er sie auf, nicht nur zeitlich Hilfe zu leisten, sondern die Menschen geistig zu stärken (siehe Kapitel 2). Diesem Rat folgend haben die Schwestern bei ihrem gemeinsamen Dienst am Nächsten Liebe und Sicherheit vor den Stürmen des Lebens gefunden. Sie haben einander und ihren Mitmenschen das Evangelium Jesu Christi nahegebracht. Die FHV ist ein Schutz vor der Welt – ein Zufluchtsort – und ein Licht für die Welt – ein einflussreicher Ort.
Bei einer FHV-Versammlung in Ogden in Utah dankte Schwester Eliza R. Snow, die zweite Präsidentin der Frauenhilfsvereinigung, den Schwestern für ihr Bemühen, einander beizustehen und einander geistig zu stärken. Sie sagte ihnen, dass nicht jede Spende und Gabe, mit der sie den Bedürftigen halfen, in der Kirche verzeichnet wurde, der Herr aber ganz sicher eine vollständige Aufzeichnung ihres Errettungswerkes führe:
„Mir ist sehr wohl bewusst, dass sehr viel gespendet wird, was in den Aufzeichnungen nie auftaucht. Präsident Joseph Smith sagte, diese Vereinigung sei gegründet worden, um Seelen zu erretten. Was haben die Schwestern alles getan, um diejenigen zurückzugewinnen, die abgeirrt sind? Um das Herz derer zu erwärmen, deren Begeisterung für das Evangelium abgekühlt ist? Es gibt ein weiteres Buch, in dem euer Glaube, eure Freundlichkeit, eure guten Werke und Worte aufgezeichnet werden. All dies wird niedergeschrieben. Nichts geht verloren.“1
Im Himmel wird aufgezeichnet, was FHV-Schwestern alles tun, um sich derer anzunehmen, deren Herz kalt geworden ist und die Glauben, Freundlichkeit, gute Werke und gute Worte brauchen.
Eine weltweite Gemeinschaft von Schwestern
„Sie sind erwählt worden, in unserer Zeit treue, gottesfürchtige Frauen zu sein und sich über Kleinlichkeit, Tratsch, Egoismus, Lüsternheit und alle übrigen Formen der Gottlosigkeit zu erheben. Erkennen Sie Ihr göttliches Geburtsrecht als Töchter des himmlischen Vaters.“
Howard W. Hunter
Der Stern, Januar 1993, Seite 87
Mitte des 20. Jahrhunderts, als die Welt unter den Auswirkungen von Kriegen und Naturkatastrophen litt, wurde die Arbeit der FHV weiter ausgeweitet. Gemäß den Zielen der Vereinigung – den Glauben und die Rechtschaffenheit zu fördern, die Familie und das Zuhause zu stärken und die Bedürftigen ausfindig zu machen und ihnen zu helfen – bildete die FHV einen Zufluchtsort für die Frauen in der Kirche und war ein Einfluss zum Guten. 1947 erklärte die Präsidentschaft der Frauenhilfsvereinigung (Belle S. Spafford, Marianne Sharp und Gertrude Garff): „Unsere Mission besteht darin, zu heilen, und erfordert ein größeres Herz, ein gütigeres Wesen, einen festeren Willen.“2
Damals gab es in manchen Staaten politische Einschränkungen und manche errichteten sogar greifbare Barrieren. Diese Einschränkungen und Barrieren, etwa der Eiserne Vorhang oder die Berliner Mauer, dienten dem Zweck, die einen einzuschränken und die anderen auszuschließen. Im Gegensatz dazu bauten die FHV-Schwestern im geistigen Sinne Mauern, in denen man Zuflucht fand, die schützen und alle mit einbeziehen sollten. Sie bildeten einen weltweiten Kreis von Schwestern und luden andere ein, sich ihnen anzuschließen.
Selbst in Ländern mit politischen Beschränkungen und Gesetzen, die eine offene Ausübung der Religion nicht zuließen, fühlten sich die Frauen in der FHV mit ihren Schwestern in aller Welt verbunden. Still blieben sie ihrem Zeugnis vom wiederhergestellten Evangelium und den Zielen der FHV treu.
1980 besuchte Präsident Boyd K. Packer vom Kollegium der Zwölf Apostel mit seiner Frau Donna eine FHV-Versammlung in der damaligen Tschechoslowakei. Er erzählte später:
„Es war nicht leicht, ein Visum zu bekommen, und wir waren sehr vorsichtig, um nicht die Sicherheit und das Wohlergehen unserer Mitglieder zu gefährden, die seit Generationen darum gerungen hatten, trotz unsäglicher Unterdrückung ihren Glauben am Leben zu erhalten.
Die denkwürdigste Versammlung fand in einem Obergeschoss statt. Die Fensterläden waren geschlossen. Sogar abends kamen die Teilnehmer zu verschiedenen Zeiten und aus verschiedenen Richtungen an, um keine Aufmerksamkeit zu erregen.
Zwölf Schwestern waren anwesend. Wir sangen Zionslieder aus Gesangbüchern, die – ohne Noten – vor mehr als fünfzig Jahren gedruckt worden waren. [Eine Lektion] wurde andächtig aus einem handgeschriebenen Leitfaden durchgenommen. …
Ich erklärte diesen Schwestern, dass sie zu der größten und bestimmt auch großartigsten Frauenorganisation der Welt gehörten. Ich zitierte, was der Prophet Joseph Smith gesagt hatte, als er und die anderen Führer der Kirche die FHV gründeten. …
Der Geist war da. Die liebe Schwester, die würdevoll und andächtig die Versammlung geleitet hatte, weinte.
Ich erklärte ihnen, ich würde nach unserer Heimkehr auf einer FHV-Konferenz sprechen. Sollte ich eine Botschaft von ihnen ausrichten? Verschiedene Schwestern schrieben etwas auf. Jeder einzelne Satz war im Geist des Gebens gehalten – keine bat um irgendetwas. Ich werde nie vergessen, was eine Schwester schrieb: ‚Ein kleiner Kreis von Schwestern wendet sich allen Schwestern mit Herz und Gedanken zu und bittet den Herrn, uns zu helfen, dass wir vorwärts gehen können.‘
Dieser Ausdruck Kreis von Schwestern war für mich inspirierend. Ich sah sie als einen Kreis, der über diesen Raum hinausging und die ganze Welt umfasste.“3
Rückblickend sagte Präsident Packer: „Einen Augenblick lang habe ich in diesem Kreis gestanden und gespürt, wie Glaube, Mut und Liebe von einem zum anderen weitergegeben wurden.“4
Solcher Glaube und Mut und solche Liebe bilden gemeinsam das Erbe der FHV-Schwestern in aller Welt. Präsident Henry B. Eyring, Ratgeber in der Ersten Präsidentschaft, forderte die FHV-Schwestern auf, dieses Erbe weiterzureichen. „Sie geben das Erbe weiter, wenn Sie anderen helfen, im Herzen die Gabe der Nächstenliebe zu empfangen“, sagte er. „Sie können diese dann wieder an andere weitergeben. Die Geschichte der FHV ist in Worten und Zahlen festgehalten, aber ihr Erbe wird von Herz zu Herz weitergereicht.“5 Dies geschieht in der Gemeinschaft der Schwestern in der Frauenhilfsvereinigung.
Ein Zufluchtsort
Seit den Anfängen der Frauenhilfsvereinigung haben die Schwestern einen Zufluchtsort geschaffen – einen Ort der Heilung, der Liebe, der Güte, der Fürsorge und der Zugehörigkeit. In Nauvoo fanden die Schwestern Zuflucht in der Frauenhilfsvereinigung, indem sie einander im Glauben stützten, ihre Fertigkeiten füreinander einsetzten und einander mit Essen und Kleidung halfen. Dies setzte sich fort, als sie die Prärie überquerten und sich im Territorium Utah niederließen. Heute breitet sich die Kirche überall auf der Welt aus, und die Schwestern finden nach wie vor Zuflucht in der FHV.
Präsident Boyd K. Packer sagte: „Dieser große Kreis von Schwestern wird für jede von Ihnen und für Ihre Familie ein Schutz sein. Die FHV kann mit einer Zuflucht verglichen werden – einem geschützten Ort, wo man in Sicherheit ist, wie das Heiligtum vor alters. Dort werden Sie sicher sein. Sie umgibt jede Schwester wie ein Schutzwall.“6
1999 zog Bobbie Sandberg, eine junge Frau und Mutter, mit ihrer Familie von den Vereinigten Staaten nach Taiwan. Obwohl sie dort nur sechs Monate lang bleiben sollte – sie und ihr Mann unterrichteten dort Englisch –, umfingen die taiwanesischen Schwestern sie mit dem schützenden Einfluss der FHV.
Dieser Schutz wurde besonders deutlich, als ein schreckliches Erdbeben das Land erschütterte. Das Zentrum des Bebens war nicht weit vom Haus der Familie Sandberg entfernt. Auf beiden Seiten der Schule, wo sie wohnten, stürzten Gebäude ein. Wenige Stunden nach dem ersten Beben kam Schwester Sandbergs FHV-Leiterin wie ein barmherziger Engel, um festzustellen, was Familie Sandberg brauchte, und um ihnen zu helfen. Da viele Straßen und Gebäude zerstört waren und sämtliche telefonischen und sonstigen Verbindungen unterbrochen waren, nutzte die fürsorgliche FHV-Leiterin das einzige Transportmittel, das ihr zur Verfügung stand. Sie fuhr mit dem Fahrrad mitten durch die Trümmer, bis sie viele Schwestern der Gemeinde besucht hatte.
Inmitten einer Katastrophe war Schwester Sandberg unter dem sicheren Schutz der FHV. Ihre FHV-Leiterin war um die Sicherheit und die Bedürfnisse jeder Schwester in der Gemeinde besorgt.
Wie Schwester Sandberg können viele Frauen in der Kirche überall auf der Welt diese Aussage von Präsident Packer bestätigen: „Wie tröstlich ist da das Bewusstsein, dass überall, wohin sie auch ziehen, eine Kirchenfamilie auf sie wartet. Vom ersten Tag an gehört er zu einem Priestertumskollegium und sie zur FHV.“7
Ein einflussreicher Ort
Schwester Belle S. Spafford wurde im April 1945 zur neunten Präsidentin der Frauenhilfsvereinigung berufen, und etwa sechs Wochen später wurde Präsident George Albert Smith als achter Präsident der Kirche eingesetzt. Präsident Smith forderte Schwester Spafford und alle FHV-Schwestern auf, den Menschen, die immer noch unter den Folgen des Zweiten Weltkriegs litten, materielle Hilfe zukommen zu lassen. Außerdem bat er sie, unter allen Frauen in der Welt ihren Einfluss geltend zu machen. Er sagte: „Als der Prophet Joseph Smith den Schlüssel für die Gleichberechtigung der Frau umdrehte, geschah dies für die ganze Welt.“8
Das FHV-Gebäude – ein Ort, von dem ein Einfluss ausgeht
Im Oktober 1945 wurden Pläne zum Bau eines FHV-Gebäudes bekanntgegeben.9 Im Oktober 1947 genehmigte die Erste Präsidentschaft einen Plan, den Schwester Belle S. Spafford vorgeschlagen hatte: Jedes Mitglied der Frauenhilfsvereinigung, die damals 100.000 Mitglieder hatte, wurde gebeten, fünf Dollar für das Projekt zu spenden. Schwestern aus aller Welt sandten Spenden. Manche spendeten auch Kunstgegenstände aus ihrer Heimat für die Innenausstattung des Gebäudes. Innerhalb eines Jahres hatten die Schwestern 554.016 Dollar an Spenden gesammelt.
Schwester Spafford erklärte: „Diese Leistung ist von großem Wert, aber nicht nur des Geldes wegen. Hierin kommen viele ideelle Werte zum Ausdruck, die unendlich kostbar sind – die Anerkennung der ehrenvollen Stellung der Frau im Evangeliumsplan, ein Zeugnis vom göttlichen Auftrag der Vereinigung und Dankbarkeit dafür, dass die Schwestern in der Kirche mitwirken können … , Treue gegenüber den führenden Beamten, selbstlose Hingabe an eine große Sache. Diese Leistung zeigt die Größe, die der FHV innewohnt.“10
Das Gebäude, das unmittelbar nordöstlich des Salt-Lake-Tempels steht, wurde am 3. Oktober 1956 geweiht. Im Weihungsgebet sprach Präsident David O. McKay, der neunte Präsident der Kirche, über den Einfluss, der von diesem Gebäude in alle Welt ausgehen sollte: „Um den Bedürftigen und Leidenden in der Kirche und in der Welt noch besser helfen zu können, hat die Frauenhilfsvereinigung mithilfe der Mitglieder der Kirche diese wunderschöne Heimstatt für die FHV errichtet.“11
Seit 1984 befinden sich in dem Gebäude auch das Büro der JD-Präsidentschaft und das Büro der PV-Präsidentschaft.
Einfluss unter Menschen anderen Glaubens
„Wenn wir würdig sind, wenn wir mit unerschütterlichem Glauben danach streben, die uns bestimmten Aufgaben zu erfüllen und uns dabei um Inspiration vom Allmächtigen bemühen, können wir Wunder wirken.“
Thomas S. Monson
Frühjahrs-Generalkonferenz 1988; Ensign, Mai 1988, Seite 43
Schwester Spafford lernte etwas sehr Wichtiges von Präsident George Albert Smith, als es darum ging, die Frauen in der Welt mit den Idealen der Kirche bekanntzumachen. Kurz nachdem sie als Präsidentin der Frauenhilfsvereinigung bestätigt worden war, „erhielt sie einen Brief vom Nationalen Frauenrat mit einer Einladung zum Jahrestreffen in New York.
Schwester Spafford hatte früher bereits an einigen dieser Treffen teilgenommen, und aufgrund der vergangenen Erfahrungen überlegte sie mit ihren Ratgeberinnen mehrere Wochen lang, ob sie die Einladung annehmen sollten.
Dann beschlossen sie, dem Präsidenten der Kirche den Vorschlag zu unterbreiten, dass die Frauenhilfsvereinigung ihre Mitgliedschaft in diesem Rat aufgeben sollte. Sie verfassten dazu ein Schreiben, in dem sie alle Gründe für ihren Entschluss aufführten.
Zitternd und unsicher legte Schwester Spafford das Schreiben auf Präsident George Albert Smiths Schreibtisch und sagte: ‚Die Präsidentschaft der Frauenhilfsvereinigung möchte empfehlen, dass der Hauptausschuss seine Mitgliedschaft im Nationalen Frauenrat und im Internationalen Frauenrat aufgibt. Die Gründe hierfür sind in diesem Schreiben aufgeführt.‘
Präsident Smith las das Schreiben aufmerksam. Ob sie denn nicht schon seit mehr als einem halben Jahrhundert Mitglieder in diesem Rat gewesen seien, fragte er.
Schwester Spafford erklärte, wie teuer es war, nach New York zu fahren, wie viel Zeit es kostete, und wie verächtlich sie gelegentlich behandelt worden waren. Sie empfahl, die Mitgliedschaft aufzugeben, weil ‚wir überhaupt nichts davon haben‘.
Der weise alte Prophet lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schaute sie beunruhigt an. ‚Sie wollen die Mitgliedschaft aufgeben, weil Sie nichts davon haben?‘, fragte er.
‚Genau so ist es‛, erwiderte sie.
‚Sagen Sie mir doch bitte‘, meinte er dann, ‚was Sie dem Frauenrat geben!
Schwester Spafford‘, sagte er, ‚Sie überraschen mich. Überlegen Sie immer nur, was Sie davon haben? Denken Sie nicht auch darüber nach, was Sie geben können?‛
Er gab ihr das Schreiben zurück und gab ihr die Hand. Mit fester Stimme sagte er: ‚Sie bleiben weiterhin Mitglied in diesen Räten und machen Ihren Einfluss geltend.“12
Und sie machte ihren Einfluss wirklich geltend. Sie arbeitete im Nationalen Frauenrat und im Internationalen Frauenrat mit und bekleidete in beiden Gremien mehrere Jahre lang leitende Ämter. Sie trat immer für die Grundsätze des Evangeliums Jesu Christi und die Ziele der Frauenhilfsvereinigung ein.
Jedes Mal, wenn Schwester Spafford am Internationen Frauenrat (ICW) teilnahm, wurde sie beauftragt, an der Sitzung zum Thema „soziale und sittliche Wohlfahrt“ teilzunehmen. Sie erzählte:
„Einmal protestierte ich, dass ich schon wieder an der [Sitzung zum Thema] soziale und sittliche Wohlfahrt teilnehmen sollte. Damals kannte ich die Präsidentin des Internationalen Frauenrats sehr gut. … Ich sagte: ‚Immer gehe ich in die gleiche Sitzung, und es wird langsam so unangenehm, dass mir eine Veränderung recht wäre.‛ Sie antwortete: ‚Das steht dir ganz sicher zu. Ich kümmere mich darum.‛
Als sie wieder zurückkam, sagte sie: ‚Wir können deiner Bitte nicht nachkommen, weil dein eigener Frauenrat darauf besteht, dass du weiterhin im Bereich soziale und sittliche Wohlfahrt arbeitest.‘ Sie erklärte: ‚Vielleicht interessiert dich der Grund dafür. Die Vorsitzende des amerikanischen Frauenrats sagt, dass du in all diesen Fragen immer den Standpunkt deiner Kirche vertrittst, und da sie den Standpunkt deiner Kirche kennen, fühlen sie sich sicher, wenn du sie in diesem Bereich vertrittst.‘“13
Die Frauen in diesen Räten wussten, dass ihre Freundin Belle Spafford immer die Grundsätze der Kirche vertrat, und sie brauchten ihre Weisheit und ihre Stärke. 1954 wurde sie zur Leiterin der amerikanischen Delegation bestimmt, die die Konferenz des Internationalen Frauenrats in Helsinki besuchte. Als sie zur Eröffnung der Konferenz an der Spitze der Delegation den Raum betrat, schweiften ihre Gedanken in die Vergangenheit:
„Als ich das schillernde Publikum, die vielen Frauen aus so vielen Ländern sah … , musste ich plötzlich an die Worte unserer Schwestern aus den Anfangstagen der Frauenhilfsvereinigung denken … Frauen, ‚die – wie es jetzt auch der Fall ist – an der Spitze der Frauen in der Welt stehen‘, … und ‚für die Rechte der Frauen in Zion und die Rechte der Frauen in allen Ländern‛ eintreten. … Ich wusste, dass die Pionierinnen, die damals die FHV leiteten, durch göttliche Eingebung die Bestimmung der Frauenhilfsvereinigung kannten. … Ich bin überzeugt, dass es an der Zeit war, dass der Einfluss der Frauenhilfsvereinigung unter den Frauen überall auf der Welt geltend gemacht werden sollte.“14
1987 riet die Erste Präsidentschaft der Frauenhilfsvereinigung, sich aus dem Nationalen Frauenrat und dem Internationalen Frauenrat zurückzuziehen. Für die Präsidentschaft der Frauenhilfsvereinigung war es nun an der Zeit, mehr Energie auf die FHV selbst zu verwenden, die zu einer rasch wachsenden weltweiten Vereinigung geworden war, anstatt sich mit sonstigen nationalen und internationalen Angelegenheiten zu befassen. Die Kirche wuchs weiter, und die Frauen in der Kirche haben weiterhin überall auf der Welt ihren Einfluss geltend gemacht – an ihrem Wohnort, in Schulen und in unterstützenswerten Organisationen vor Ort. Sie sind dem Beispiel gefolgt, das Präsident Smith und Schwester Spafford gegeben haben, nämlich der Überlegung, was sie geben können, und nicht, was sie vielleicht davon haben.
Alle, die sich für das Evangelium interessieren oder neubekehrt sind, bekommen Zuwendung und Anleitung
In der Kirche, die in aller Welt wächst, hat die FHV auf alle, die sich für das Evangelium interessieren oder neubekehrt sind, großen Einfluss. Dazu gehört auch, dass neue Mitglieder die Gelegenheit erhalten, zu dienen und zu führen. Schwester Silvia H. Allred, Ratgeberin in der FHV-Präsidentschaft, erzählte einmal von ihrer Mutter Hilda Alvarenga, die in ihrem Zweig in San Salvador in El Salvador FHV-Leiterin war:
„Meine Mutter war erst seit kurzer Zeit Mitglied der Kirche, als sie als FHV-Leiterin in unserem kleinen Zweig in San Salvador berufen wurde. Sie sagte dem Zweigpräsidenten, dass sie unerfahren, unvorbereitet und ungeeignet sei. Sie war Mitte dreißig, besaß wenig Schulbildung und war ihr Leben lang in erster Linie für ihren Mann und ihre sieben Kinder dagewesen. Der Zweigpräsident berief sie trotzdem.
Ich sah, wie Mutter mit der Herausforderung wuchs. Bei der Ausübung ihrer Berufung entwickelte sie Führungseigenschaften und neue Talente, beispielsweise unterrichten, in der Öffentlichkeit reden und Versammlungen, Aktivitäten und Dienstprojekte planen und organisieren. Sie beeinflusste die Frauen im Zweig. Sie diente ihnen und lehrte sie, einander zu dienen. Die Schwestern liebten und respektierten sie. Sie half anderen Frauen, Gaben und Talente zu entdecken, einzusetzen und weiterzuentwickeln; sie half ihnen, zum Aufbau des Reiches Gottes und starker, geistig gesinnter Familien beizutragen. Sie blieb den Bündnissen treu, die sie im Tempel geschlossen hatte. Als sie starb, war sie mit ihrem Schöpfer im Reinen.
Eine Schwester, die als Ratgeberin in der FHV-Leitung an ihrer Seite gestanden hatte, schrieb mir Jahre später einen Brief: ‚Ihre Mutter hat mir gezeigt, wie ich der Mensch werden konnte, der ich jetzt bin. Von ihr habe ich Nächstenliebe, Güte, Ehrlichkeit und verantwortungsvolles Handeln in Berufungen gelernt. Sie war mir Mentorin und Vorbild. Ich bin mittlerweile achtzig Jahre alt, aber ich bin dem Herrn und seinem Evangelium treu geblieben. Ich habe eine Mission erfüllt, und der Herr hat mich reich gesegnet.‘“15
Diese treue FHV-Leiterin trug dazu bei, das Zeugnis der Schwestern zu stärken, die dem Zweig schon längere Zeit angehörten. Sie stärkte auch den Glauben von Frauen, die sich mit der Kirche befassten oder sich erst vor kurzem hatten taufen und konfirmieren lassen. Unter ihrer Leitung bemühten sich alle verstärkt darum, die Frauenhilfsvereinigung zu einem Ort zu machen, wo man willkommen war und aufgebaut wurde.
Einfluss durch die Verkündigung des Evangeliums
Nicht lange nachdem Präsident Packer und seine Frau den kleinen Kreis von Schwestern in der damaligen Tschechoslowakei besucht hatten, fühlte sich eine junge Frau, die nach einer geistigen Zuflucht, nach Liebe und dem Sinn des Lebens suchte, zu diesem Kreis hingezogen. Sie hieß Olga Kovarova und studierte damals Medizin an der Universität in Brünn. An der Universität mussten sich die Studenten die Lehren des Atheismus anhören. Olga hatte den Eindruck, dass die Studenten und auch viele andere Menschen völlig richtungslos waren. Sie sehnte sich nach einem tieferen geistigen Erleben und spürte dieses Sehnen auch bei Freunden und Kommilitonen.
Im Laufe ihres Studiums an der Universität lernte Olga den 75-jährigen Otakar Vojkuvka kennen, der der Kirche angehörte. Sie erzählte später: „Auch wenn er fünfundsiebzig war, kam es mir so vor, als sei er im Herzen nicht älter als achtzehn, und er war voller Freude. Das war sehr ungewöhnlich, da in der Tschechoslowakei damals eher Zynismus vorherrschte. … Ich stellte fest, dass er nicht nur gebildet war, sondern auch wusste, wie man Freude am Leben fand.“ Sie stellte ihm und seiner Familie Fragen zum Sinn des Lebens, und schließlich lernte sie durch sie weitere Mitglieder der Kirche kennen. Sie wollte wissen, woher ihre Freude kam und was sie lasen, um mehr über Gott zu erfahren. Sie gaben ihr ein Buch Mormon, das sie sogleich zu lesen begann.
Olga bekehrte sich zum wiederhergestellten Evangelium und wollte sich taufen lassen. Die Taufe musste abends im Wald stattfinden, damit keine Aufmerksamkeit erregt wurde. Leider waren an diesem Abend viele Fischer in dem Wald unterwegs. Doch nachdem Olga und ihre Freunde gewartet und schließlich ernsthaft gebetet hatten, gingen die Fischer.
Ein Mitglied der Kirche, das bei Olgas Taufe dabei gewesen war, fragte sie: „Weißt du, warum heute Abend so viele Fischer in der Nähe des Flusses waren?“ Dann sagte er: „Denk daran, dass Jesus, als er am See von Galiläa entlangging, zu Simon Petrus und Andreas, die ihr Netz in den See warfen, sagte: ‚Folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen.‘“ Olga meinte, dass „er damit sagen wollte, dass ich bald ein Werkzeug in Gottes Hand sein sollte, um junge Menschen in die Kirche zu bringen“.
Genau so war es dann auch. Olga hatte Einfluss auf viele, die auf der Suche nach Wahrheit und Glück waren. Man durfte in ihrem Land nicht offen das Evangelium verkünden, deshalb unterrichteten sie und Familie Vojkuvka einen Kurs, den sie „Schule der Weisheit“ nannten. Hier lehrten sie sittliche und ethische Werte, um Menschen zu helfen, Geistiges zu erleben und Freude im Leben zu finden. Viele der Kursteilnehmer spürten den Einfluss des Heiligen Geistes, sodass sich oft die Gelegenheit bot, mit Einzelnen über den Vater im Himmel und das Evangelium Jesu Christi zu sprechen.16
Später bereiste Schwester Barbara W. Winder, die elfte Präsidentin der Frauenhilfsvereinigung, einmal die Tschechoslowakei, wobei sie von ihrem Mann Richard begleitet wurde, der Jahre zuvor als junger Mann dort eine Mission erfüllt hatte. Als sie eine Wohnung betraten, wo eine Versammlung stattfinden sollte, kam eine lebhafte junge Frau begeistert auf sie zu und sagte: „Willkommen! Ich heiße Olga und bin die FHV-Leiterin.“ Schwester Winder und ihr Mann bemerkten das Licht, das sie ausstrahlte, und spürten, dass der Geist des Herrn mit ihr war. Als FHV-Leiterin in ihrem kleinen Zweig übte Olga Kovarova in einer Welt der politischen Unterdrückung und religiösen Verfolgung einen positiven Einfluss aus und schaffte gemeinsam mit anderen eine Zuflucht für alle, die sich der Kirche anschlossen und der FHV angehörten. Sie half mit, Seelen zu erretten, indem sie Menschen zu Christus führte.
Schwester Kovarovas Bekehrungsgeschichte und ihre Missionsarbeit waren Teil der Erfüllung einer Prophezeiung von Spencer W. Kimball, dem zwölften Präsidenten der Kirche: „Ein Großteil des immensen Wachstums der Kirche in den Letzten Tagen wird daher rühren, dass viele der guten Frauen der Welt (die dem Geist so oft sehr aufgeschlossen sind) sich in großer Zahl zur Kirche hingezogen fühlen werden. Das wird in dem Maße geschehen, wie die Frauen der Kirche Rechtschaffenheit und Klarheit ausstrahlen, und in dem Maße, wie wahrgenommen wird, dass sie sich – in positiver Hinsicht – ganz deutlich von den Frauen der Welt abheben.“17
Einfluss durch Dienst am Nächsten
1992 feierten Schwestern überall auf der Welt das 150-jährige Bestehen der Frauenhilfsvereinigung, indem sie sich vor Ort an Dienstprojekten beteiligten. Durch diese Aktion, die unter der Leitung der führenden Brüder und der örtlichen Priestertumsführer durchgeführt wurde, machten die Schwestern überall auf der Welt den Einfluss der FHV spürbar. Schwester Elaine L. Jack, die zwölfte Präsidentin der Frauenhilfsvereinigung, sagte seinerzeit:
„Wir baten alle örtlichen Einheiten, herauszufinden, welchen Bedarf es vor Ort gab, und zu entscheiden, welche Hilfe am dringendsten gebraucht wurde. Können Sie sich vorstellen, was dies in unserer Welt bewirkt hat?
Eine unserer FHV-Leiterinnen ging zum Stadtrat einer Stadt in Kalifornien und fragte: ‚Wobei können wir in dieser Stadt helfen? Was wird vorrangig benötigt?‘ Die Männer fragten: ‚Wollen Sie damit sagen, dass 20.000 Gruppen überall auf der Welt ein solches Projekt durchführen?‘ Sie bejahte. Da sagte [einer der Stadträte]: ‚Damit werden Sie die Welt verändern.‛ Und ich glaube, wir haben sie verändert … zum Besseren. Das hat uns wirklich vereint. [Es gab] ganz unterschiedliche Dienstprojekte. … [Schwestern] in Südafrika fertigten für ältere Menschen Kniedecken an. … In Samoa pflanzten Frauen Blumen um einen Glockenturm. So vielerlei wurde bewerkstelligt: Manche halfen in Obdachlosenheimen, andere spendeten Bücher für Kinder, wieder andere renovierten die Wohnung einer unverheirateten Mutter, vieles in dieser Art. Wir meinen, dass diese Dienstprojekte auf der ganzen Welt wirklich etwas Großartiges waren, sowohl für die Schwestern als auch für die Städte und Gemeinden.“18
Einfluss durch Leseunterricht
Während die FHV-Schwestern vor Ort Dienstprojekte durchführten, konzentrierten sich Schwester Jack und ihre Ratgeberinnen auf ein weltweites Hilfsprojekt: Schwestern zu helfen, lesen zu lernen. „Wir waren der Ansicht, dass es für Frauen überall auf der Welt wichtig ist, lesen zu können, und es gab viele, die es nicht konnten“, sagte sie. „Stellen Sie sich vor: Wenn sie nicht lesen können, wie sollen sie ihre Kinder lehren, wie sollen sie ihre Lebensbedingungen verbessern, wie sollen sie sich mit dem Evangelium befassen? Daher fanden wir, dass es am nützlichsten sei, die Alphabetisierung zu fördern. … Wir hatten aber auch die Absicht, jede Schwester dazu zu ermuntern, ihr Leben lang zu lernen.“19
Präsident Thomas S. Monson, der sechzehnte Präsident der Kirche, lernte einmal in Monroe in Louisiana eine Frau kennen, die von diesem Projekt der FHV profitiert hatte und dann auch anderen das Lesen beigebracht hatte. Sie sprach ihn auf dem Flughafen an: „Präsident Monson, bevor ich Mitglied der Kirche und der FHV war, konnte ich nicht lesen und schreiben. Niemand in meiner Familie konnte lesen und schreiben.“ Sie sagte Präsident Monson, dass FHV-Schwestern ihr das Lesen beigebracht hatten und sie nun anderen half, lesen zu lernen. Nach diesem Gespräch sann Präsident Monson „darüber nach, wie überaus glücklich sie gewesen sein muss, als sie die Bibel aufschlug und zum ersten Mal [die] Worte des Herrn las. … An jenem Tag in Monroe, Louisiana, habe ich durch den Geist die Bestätigung Ihres hohen Ziels erhalten, nämlich Ihren Schwestern zu helfen, Lesen und Schreiben zu lernen“, sagte er.20
Die Schwestern in den Gemeinden und Zweigen erhalten Anleitung und werden gestärkt
„Sie gehören zur größten Frauenorganisation der Welt, zu einer Organisation, die ein wesentlicher Bestandteil des Reiches Gottes auf Erden ist und die so ausgelegt ist und so arbeitet, dass sie ihren treuen Mitgliedern hilft, ewiges Leben im Reich unseres Vaters zu erlangen.“
Joseph Fielding Smith
Relief Society Magazine, Dezember 1970, Seite 883
Auch wenn die treuen FHV-Schwestern ihren Einfluss an ihrem Wohnort und überall auf der Welt geltend gemacht haben, haben sie nicht vergessen, einander in ihren eigenen Gemeinden und Zweigen zu stärken. Schwester Julie B. Beck, die später zur fünfzehnten Präsidentin der Frauenhilfsvereinigung berufen wurde, fand als junge, unerfahrene Mutter und Hausfrau Zuflucht und positiven Einfluss in der FHV. Sie erzählte:
„Die FHV muss so organisiert, ausgerichtet und zum Einsatz gebracht werden, dass die Familie gestärkt wird und dazu beiträgt, dass das Zuhause ein heiliger Zufluchtsort vor der Welt wird. Das habe ich vor Jahren gelernt, als ich frisch verheiratet war. Meine Eltern, die auch meine Nachbarn waren, kündigten an, dass sie in einen anderen Teil der Welt ziehen würden. Meine kluge Mutter, die mich umsorgte und mir durch ihr Beispiel Mut machte, war meine Stütze gewesen. Nun würde sie lange Zeit nicht da sein. Damals gab es weder E-Mail noch Fax, Handy oder Webcam, und jeder wusste, dass die Post immer sehr lang auf sich warten ließ. Eines Tages kurz vor ihrer Abreise saß ich weinend bei ihr und fragte: ‚Wer wird meine Mutter sein?‘ Mutter dachte nach, und mit dem Geist und der Macht der Offenbarung, die stets an Frauen dieser Art ergeht, sagte sie: ,Falls ich nie zurückkomme und du mich nie wiedersiehst, falls ich dir nie wieder etwas beibringen kann, dann halte dich an die FHV. Die FHV wird deine Mutter sein.‘
Mutter wusste: Wenn ich krank wäre, würden die Schwestern für mich sorgen, und wenn ich ein Baby bekäme, würden sie mir helfen. Aber die größte Hoffnung meiner Mutter war, dass die Schwestern in der FHV mich vor allem in geistiger Hinsicht prägen und führen würden. Seither habe ich sehr viel von charakterstarken Frauen mit starkem Glauben gelernt.“21
Ein immer größer werdender Kreis von Schwestern
Bei einer Allgemeinen FHV-Versammlung im Jahr 1980 erzählte Präsident Boyd K. Packer zum ersten Mal öffentlich von seinem Erlebnis mit den FHV-Schwestern in der Tschechoslowakei. Er sagte: „Ich hatte wie in einer Vision einen großen Kreis von Schwestern vor Augen.“22 1998 erzählte er in einer Generalkonferenzansprache, die an die gesamte Kirche gerichtet war, noch einmal von diesem Erlebnis. Er sagte darüber: „Die FHV ist jetzt mehr als ein Kreis. Sie ähnelt eher einem feinen Geflecht, das sich über jeden Kontinent ausbreitet.“23
Die FHV-Schwestern gehören zu einer Organisation, die aufgrund von göttlicher Inspiration vom Propheten Joseph Smith unter der Vollmacht des Priestertums eingerichtet wurde. Wenn die Frauen in der FHV mitarbeiten und sich für sie einsetzen, werden sie weiterhin einen Zufluchtsort und eine Gemeinschaft von Schwestern bilden und großen Einfluss zum Guten ausüben. Präsident Packer verhieß den Schwestern, die in dieser Sache tätig sind, große Segnungen:
„Jedes Ihrer Bedürfnisse wird erfüllt werden, jetzt und in Ewigkeit, jegliche Vernachlässigung wird ausradiert, jeder Missbrauch gutgemacht. All das können Sie erleben – schon bald –, wenn Sie sich für die FHV einsetzen.
Der Dienst in der FHV erhebt und heiligt jede einzelne Schwester. Ihre Mitgliedschaft in der FHV soll Ihnen stets bewusst sein. Wenn Sie sich für die FHV einsetzen und sie organisieren, zum Laufen bringen und sich beteiligen, unterstützen Sie eine Sache, die jeder Frau, die in ihren Einflussbereich gelangt, Nutzen bringt.“24
Eine starke Gemeinschaft durch tätige Nächstenliebe
In einer Ansprache an die FHV-Schwestern äußerte Präsident Thomas S. Monson seine Gedanken dazu, wie die Bande der Schwesternschaft in der FHV gestärkt werden, wenn Nächstenliebe zum Ausdruck gebracht wird:
„Ich betrachte Nächstenliebe, also die ‚reine Christusliebe‘, als das Gegenteil von Kritik und Verurteilung. Wenn ich von Nächstenliebe spreche, meine ich damit im Moment nicht, dass man Leid lindert, indem man von seiner Habe abgibt. Das ist natürlich erforderlich und richtig. Heute Abend spreche ich aber von der Art Nächstenliebe, die sich darin zeigt, dass man anderen gegenüber tolerant ist und angesichts ihres Verhaltens Nachsicht walten lässt; die Art Nächstenliebe, die einen vergeben lässt; die Art Nächstenliebe, die einen geduldig macht.
Ich denke an die Art Nächstenliebe, die in einem Einfühlsamkeit, Mitgefühl und Barmherzigkeit weckt, und das nicht nur, wenn jemand krank, bedrängt oder verzweifelt ist, sondern auch, wenn jemand Schwäche zeigt oder einen Fehler macht.
Es besteht wirklich Bedarf an der Art Nächstenliebe, die einen dazu bewegt, jemandem, den sonst niemand bemerkt, Aufmerksamkeit zu schenken, dem Mutlosen Hoffnung einzuflößen und dem Bedrängten beizustehen. Wahre Nächstenliebe veranlasst uns zum Handeln. Nächstenliebe wird überall gebraucht.
Gebraucht wird die Art Nächstenliebe, die es einem unerträglich macht, sich am Unglück anderer zu weiden und es auch noch fröhlich weiterzuerzählen, es sei denn, dem Leidtragenden ist damit gedient. …
Nächstenliebe bedeutet, dass man Geduld hat mit jemandem, der einen enttäuscht hat; sie bedeutet, dass man sich nicht leicht kränken lässt. Sie bedeutet, dass man Fehler und Schwächen akzeptiert. Sie bedeutet, dass man die Menschen so nimmt, wie sie sind. Sie bedeutet, dass man hinter die Fassade blickt und auf Eigenschaften achtet, die nicht mit der Zeit verblassen. Sie bedeutet, dass man dem Drang widersteht, andere in eine bestimmte Schublade zu stecken.
Nächstenliebe, diese reine Christusliebe, zeigt sich darin, dass einige junge Frauen aus einer Gemeinde für Alleinstehende ein paar hundert Kilometer fahren, um an der Beerdigung der Mutter einer ihrer FHV-Schwestern teilzunehmen. Nächstenliebe zeigt sich darin, dass eifrige Besuchslehrerinnen Monat für Monat, Jahr für Jahr dieselbe Schwester besuchen, die kein Interesse zeigt und immer etwas kritisch ist. Sie zeigt sich darin, dass man an eine in die Jahre gekommene Witwe denkt und sie zu Gemeinde- und FHV-Aktivitäten mitnimmt. Man kann sie spüren, wenn eine Schwester, die in der FHV ganz allein sitzt, die Einladung hört: ‚Komm, setz dich doch zu uns.‘
In vielfältiger Art und Weise strahlt eine jede von Ihnen Nächstenliebe aus. Das Leben ist für niemanden von uns vollkommen. Verurteilen und kritisieren wir einander doch nicht, sondern empfinden wir die reine Liebe Christi für diejenigen, die mit uns den Lebensweg beschreiten. Halten Sie sich vor Augen, dass eine jede von Ihnen ihr Bestes gibt, die Herausforderungen, die ihr begegnen, zu bewältigen. Bemühen Sie sich, Ihr Bestes zu geben, um dabei zu helfen.
Nächstenliebe wurde definiert als ‚die höchste, edelste, stärkste Form der Liebe‘, die ‚reine Christusliebe … ; und bei wem am letzten Tag gefunden wird, dass er sie besitzt, mit dem wird es wohl sein‘.
‚Die Liebe hört niemals auf.‘ Möge dieser seit langem bestehende Wahlspruch der FHV – diese zeitlose Wahrheit – Ihnen bei all Ihren Unternehmungen Richtschnur sein. Möge er Teil Ihres Wesens werden und in Ihrem ganzen Denken und Handeln zum Ausdruck kommen.“25