Geschichte der Kirche
Kapitel 10: „Lebt so, wie es euer verbürgtes Recht ist‘


Kapitel 10

„Lebt so, wie es euer verbürgtes Recht ist“

In einer der ersten Versammlungen der Frauenhilfsvereinigung von Nauvoo forderte Joseph Smith die Schwestern auf: „Lebt so, wie es euer verbürgtes Recht ist.“1 Mit diesem Ansporn werden die Frauen in der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage aufgerufen, ihr göttliches Potenzial auszuschöpfen, indem sie Gottes Absichten für sie erfüllen. Wenn sie immer besser begreifen, wer sie wirklich sind – nämlich Gottes Töchter mit der natürlichen Gabe, sich liebevoll um andere zu kümmern –, entwickeln sie sich zu heiligen Frauen. Mit Nächstenliebe im Herzen erfüllen sie die Ziele der FHV: den Glauben und die Rechtschaffenheit zu fördern, die Familie und das Zuhause zu stärken und die Bedürftigen ausfindig zu machen und ihnen zu helfen.

woman and child hugging

Gott hat seine Töchter mit der besonderen Gabe ausgestattet, sich liebevoll um andere zu kümmern.

Die FHV, die als wesentlicher Bestandteil der Wiederherstellung gegründet wurde, hilft den Frauen in der Kirche, so zu leben, wie es ihr verbürgtes Recht ist. Durch die FHV gewinnen die Schwestern die Gewissheit, dass sie Töchter Gottes sind, und eine Vorstellung davon, was dies bedeutet. Sie erhalten auch Gelegenheit, zu dienen, und die notwendige Anleitung und Vollmacht, um ihre Aufgaben erfüllen zu können.

Töchter Gottes

Joseph Smith machte den Schwestern in der Frauenhilfsvereinigung ihren edlen Stand als Töchter Gottes bewusst und erklärte ihnen, dass Gott sie liebe und Großes mit ihnen vorhabe. Die Frauen in der Kirche spielen eine wesentliche Rolle im Erlösungsplan Gottes, die ebenso wichtig ist wie die Rolle der Männer, die das Priestertum tragen. Der Herr hat die Frau mit dem natürlichen Wunsch, zu helfen und Gutes zu tun, ausgestattet und hat sie mit der heiligen Aufgabe betraut, ihre Gaben einzusetzen, um bei der Errettung seiner Kinder mitzuhelfen.

Es kommt vor, dass Frauen ihre wahre edle Natur vergessen und den Ablenkungen und Verlockungen der Welt nachgeben. Schwester Mary Ellen Smoot, die dreizehnte Präsidentin der Frauenhilfsvereinigung, sowie ihre Ratgeberinnen, Schwester Virginia U. Jensen und Schwester Sheri L. Dew, machten sich Sorgen wegen dieser Entwicklung und spürten, dass es wichtig war, den Frauen in der Kirche ihr wahres Wesen bewusst zu machen. In einer Allgemeinen FHV-Versammlung fassten sie zusammen, was es bedeutet, eine Tochter Gottes zu sein:

„Wir sind geliebte Geisttöchter Gottes, und unser Leben hat Sinn und Zweck. Als weltweite Gemeinschaft von Schwestern verehren wir gemeinsam Jesus Christus, unseren Erretter und unser Vorbild. Wir sind Frauen des Glaubens, der Tugend, der Vision und der Nächstenliebe, die

– ihr Zeugnis von Jesus Christus durch Beten und Studium der heiligen Schriften stärken,

– sich um geistige Stärke bemühen, indem sie den Eingebungen des Heiligen Geistes folgen,

– ihr Leben einsetzen, um die Ehe und die Familie zu stärken,

– Größe in der Mutterschaft und Freude im Frauentum finden,

– am Dienen und an guten Werken Freude haben,

– das Leben und das Lernen lieben,

– sich für Wahrheit und Rechtschaffenheit einsetzen,

– das Priestertum als die Vollmacht Gottes auf der Erde unterstützen,

– sich der Segnungen des Tempels erfreuen, sich ihrer göttlichen Bestimmung bewusst sind und nach Erhöhung streben.“2

Auch Priestertumsführer haben wiederholt über das göttliche Wesen und die heiligen Aufgaben der Frau gesprochen. Elder M. Russell Ballard vom Kollegium der Zwölf Apostel hat gesagt: „Wir glauben an Ihre Güte und Ihre Kraft, Ihren Wunsch nach Tugend und Tapferkeit, Ihre Freundlichkeit und Ihren Mut, Ihre Kraft und Ihre Widerstandsfähigkeit. Darauf zählen wir. Wir glauben an Ihre Mission als Gottesfrau. … Wir glauben, dass die Kirche ohne Ihren Glauben und Ihre Glaubenstreue, ohne die Ihnen angeborene Neigung, das Wohlergehen anderer über Ihr eigenes Wohlergehen zu stellen, und ohne Ihre geistige Kraft und Zuverlässigkeit einfach nicht das leisten könnte, was sie leisten muss. Und wir glauben, dass Gottes Plan für Sie vorsieht, dass Sie Königin werden und die höchsten Segnungen empfangen, die eine Frau in Zeit und Ewigkeit empfangen kann.“3

Wenn eine Frau so lebt, wie es ihr verbürgtes Recht als Tochter Gottes ist, macht sie sich dafür bereit, mit ewigem Leben gesegnet zu werden. Dies ist die herrliche Bestimmung, die Gott für seine treuen Töchter vorgesehen hat.

Wahre Nächstenliebe – ein Erbe, das von Herz zu Herz weitergereicht wird

„Meine Worte, ‚geben Sie Ihr Bestes‘, sind bereits zitiert worden. Mir kommt es aber darauf an, dass Sie Ihr Allerbestes geben. Nur zu gern geben wir uns mit einer mittelmäßigen Leistung zufrieden. Wir könnten jedoch sehr viel mehr erreichen.“

Gordon B. Hinckley

Weltweite Führerschaftsschulung, 10. Januar 2004, Seite 21

women reading in a garden

Wenn eine Frau so lebt, wie es ihr verbürgtes Recht als Tochter Gottes ist, macht sie sich dafür bereit, mit ewigem Leben gesegnet zu werden.

Das Herz der Familie zugewandt, Gemälde von Anne Marie Oborn; © 1997 Anne Marie Oborn

Der Prophet Joseph Smith erklärte: „Für Frauen ist es etwas Natürliches, Nächstenliebe … zu empfinden.“ Bei der Gründung der Frauenhilfsvereinigung sagte er zu den Schwestern: „Ihr seid nun in die Lage versetzt, so handeln zu können, wie es der Anteilnahme entspricht, die Gott euch ins Herz gepflanzt hat.“4 Damit im Herzen der Frau wahre Nächstenliebe gedeihen kann, muss sie ihr angeborenes Mitgefühl mit dem Glauben an Jesus Christus und sein Sühnopfer verbinden. Präsident Henry B. Eyring, Ratgeber in der Ersten Präsidentschaft, erklärte, dass diese wahre Nächstenliebe das Erbe der FHV ausmacht:

Präsident Henry B. Eyring

Henry B. Eyring

„Ich möchte … über das große Vermächtnis sprechen, das diejenigen, die Ihnen in der FHV vorangegangen sind, an Sie weitergegeben haben. [Mir] erscheint … am wichtigsten und nachhaltigsten, dass die Seele der FHV in der Nächstenliebe besteht und dass diese jedem ihrer Mitglieder ins Herz dringen und zu einem Wesensmerkmal werden soll. Für die Schwestern damals bedeutete Nächstenliebe viel mehr als nur Mildtätigkeit. Nächstenliebe entsteht aus dem Glauben an den Herrn Jesus Christus und kommt zustande, wenn sein Sühnopfer im Herzen der Mitglieder wirkt. …

Diese Organisation besteht aus Frauen, deren Nächstenliebe einem Herzen entspringt, das sich dadurch gewandelt hat, dass sie sich für Bündnisse, die es nur in der wahren Kirche des Herrn gibt, bereit gemacht haben und diese auch halten. Ihre Nächstenliebe kommt vom Herrn und durch sein Sühnopfer. Ihr wohltätiges Handeln wird vom Beispiel des Herrn geleitet und entspringt der Dankbarkeit für das grenzenlose Geschenk seiner Barmherzigkeit und dem Heiligen Geist, den der Herr seinen Dienern schickt, damit er sie bei ihren guten Werken leite.“5

Dieses Vermächtnis der Nächstenliebe nahm seinen Anfang mit den Schwestern in Nauvoo, die sich organisierten, um wohltätigen Dienst zu leisten, und die Bündnisse des Tempels empfingen. Es setzte sich in Winter Quarters und auf der beschwerlichen Reise ins Salzseetal fort. Nächstenliebe gab den Frauen in der Kirche Kraft, als sie sich im Grenzgebiet niederließen, politische Verfolgung und Weltkriege ertrugen und in der Weltwirtschaftskrise an der Hoffnung festhielten. Sie war die Quelle eines liebevollen Umgangs in der Familie und großer Hilfsmaßnahmen auf der ganzen Welt. Sie war der Antrieb für den Einsatz, den FHV-Schwestern in Krankenhäusern, bei der Vermittlung von Adoptionen, der Lagerung von Weizen, humanitären Hilfsaktionen oder Wohlfahrtsprojekten erbracht haben. Die reine Christusliebe ist auch heute noch die treibende Kraft, wenn FHV-Schwestern zusammenkommen, um einander zu unterweisen und einander zu dienen, und wenn sie jede einzelne Schwester stärken und übereinander wachen.

Jede Frau in der Kirche erweitert dieses Vermächtnis der Liebe und hat die Aufgabe und das Recht, dieses Erbe weiterzugeben.

Die Geschichte einer Familie zeigt, wie dieses Erbe der FHV über Generationen hinweg von Mutter zu Tochter weitergereicht wurde. Jede Tochter hat sich den Wahlspruch der FHV „Die Liebe hört niemals auf“ zu eigen gemacht.

Den Anfang machte Elizabeth Haven Barlow, die sich im Jahr 1837 der Kirche anschloss. Elizabeth wurde am 28. April 1842 in die Frauenhilfsvereinigung von Nauvoo aufgenommen. Sie war dabei, als der Prophet Joseph Smith die elementaren Grundsätze der Vereinigung verkündete. Diese Lehren gaben ihr im Laufe ihres Lebens immer wieder Halt, auch als sie Opfer von Schikanierung und Verfolgung wurde, auf dem Weg ins Salzseetal ein Kind zur Welt brachte und als sie für ihre kleinen Kinder sorgte, während ihr Mann auf Mission war. Von 1857 bis 1888 war sie FHV-Leiterin in Bountiful in Utah. Drei Jahre später starb sie im Alter von 81 Jahren.

Die Geschichte setzte sich fort mit ihrer Tochter Pamela Barlow Thompson. Pamela und ihr Mann wurden berufen, sich in Panaca in Nevada anzusiedeln. Dort wurde sie FHV-Leiterin. Sie brachte den Schwestern Fertigkeiten für die Haushaltsführung bei, unter anderem, wie man ein neues mechanisches Wunder bediente: eine Nähmaschine. Als sie in Nevada lebten, wurde ihr Mann umgebracht. Daraufhin zog sie mit ihren vielen Kindern nach Bountiful in Utah, wo sie wiederum in die FHV-Leitung berufen wurde.

Pamela gab das Erbe an ihre Tochter Theresa Thompson Call weiter. Kurz nach ihrer Heirat zog Theresa mit ihrem Mann nach Mexiko. Den größten Teil ihres Lebens war sie gleichzeitig FHV-Leiterin und Ratgeberin in der PV-Leitung. Sie war bekannt für ihren Dienst am Nächsten, oft brachte sie Bedürftigen eine Mahlzeit vorbei. Sie machte es sich zur Gewohnheit, ihren älteren Nachbarn zum Geburtstag einen Kuchen zu bringen. Einmal hatte sie den Geburtstag einer Nachbarin vergessen. Erst nach dem Abendessen fiel es ihr ein. Gemäß ihrem Grundsatz „Die Liebe hört niemals auf“ schürte sie erneut das Feuer im Ofen und backte einen Kuchen. Als sie spät- abends vor der Tür der Nachbarin stand, brach die Frau in Tränen aus und sagte: „Ich habe den ganzen Tag lang auf dich gewartet und wollte mich gerade damit abfinden, dass du mich dieses Mal vergessen hast.“

Theresas Tochter Athelia Call Sears lag die FHV ebenso am Herzen. Jeden Dienstagvormittag beeilte sie sich, mit dem Bügeln fertig zu werden, damit sie am Dienstagnachmittag zur FHV gehen konnte. Sie war über siebzig, als sie als FHV-Leiterin berufen wurde. In einer Zeit, als die Gemeinden Gelder für Einrichtungsgegenstände und Veranstaltungen aufbringen mussten, leitete sie ihre FHV-Schwestern an, so viel Geld aufzubringen, dass die Kücheneinrichtung für das Gemeindehaus gekauft werden konnte und noch 1000 Dollar übrig waren, die der Bischof anderweitig für die Gemeinde verwenden konnte.

Athelia Sears Tanner, eine Tochter von Schwester Sears, wurde als junge Mutter als Gemeinde-FHV-Leiterin berufen. Ihr Dienst am Nächsten bestand oft darin, dass sie sich um Mütter kümmerte, die kurz zuvor entbunden hatten, und ihnen Essen brachte. Sie war die geborene Lehrerin und hatte ein starkes Zeugnis von Jesus Christus, und so erzog sie nicht nur ihre dreizehn Kinder, sondern war ihr Leben lang in verschiedenen Aufgaben in der FHV damit befasst, anderen zu dienen und Seelen zu erretten.

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„Die Geschichte der FHV ist in Worten und Zahlen festgehalten, aber ihr Erbe wird von Herz zu Herz weitergereicht.“ (Henry B. Eyring)

Foto © 2000 Steve Bunderson

Das Vermächtnis der Nächstenliebe hat sich in dieser Familie fortgesetzt. Alle Töchter von Schwester Tanner haben sich in der FHV treu engagiert, und ihre Enkelinnen folgen dem Beispiel ihrer Mütter.6

Wohltätiger Dienst ist das geistige Erbe jeder Schwester in der Frauenhilfsvereinigung. Präsident Eyring erklärte: „Sie geben das Erbe weiter, wenn Sie anderen helfen, im Herzen die Gabe der Nächstenliebe zu empfangen. Sie können diese dann wieder an andere weitergeben. Die Geschichte der FHV ist in Worten und Zahlen festgehalten, aber ihr Erbe wird von Herz zu Herz weitergereicht.“7

„Jetzt war ich an der Reihe zu helfen“

„Gott wird uns – und daran glaube ich – die Fähigkeit verleihen, alle Arbeit zu verrichten, von der wir uns im Herzen vorgenommen haben, sie mit dem Segen Gottes, des himmlischen Vaters, zu schaffen. Wenn wir aber aufgeben, wenn wir uns entmutigen lassen, wenn wir zum Gipfel aufblicken und sagen: ‚Da komme ich doch niemals hinauf‘ und uns dann gar nicht erst anstrengen, dann werden wir auch nichts erreichen.“

Heber J. Grant

Lehren der Präsidenten der Kirche: Heber J. Grant, Seite 40

Nachdem der Apostel Paulus etliche Beispiele dafür angeführt hatte, wie jemand großen Glauben bewiesen hatte, sagte er: „Da uns eine solche Wolke von Zeugen umgibt, wollen auch wir alle Last und die Fesseln der Sünde abwerfen. Lasst uns mit Ausdauer in dem Wettkampf laufen, der uns aufgetragen ist, und dabei auf Jesus blicken, den Urheber und Vollender des Glaubens.“8

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Die reine Christusliebe ist auch heute noch die treibende Kraft, wenn FHV-Schwestern einander unterweisen und einander dienen.

Die Frauen in der Kirche sind von einer großen Schar Zeugen umgeben, darunter „unsere herrliche Mutter Eva“ und viele „ihrer getreuen Töchter, die in den verschiedenen Zeitaltern gelebt und den wahren und lebendigen Gott angebetet“ haben.9 Glaubenstreue Töchter Gottes leben so, wie es ihr verbürgtes Recht ist, indem sie in die Fußstapfen dieser Zeugen treten, die Probleme und Versuchungen, die sie bedrängen, abwerfen und den Wettkampf laufen, den der Herr ihnen aufgetragen hat.

In jeder Generation gibt es edle, mitfühlende, glaubenstreue, heilige Frauen. Auch wenn die wenigsten von ihnen in einem Geschichtsbericht namentlich erwähnt werden, kennt der Vater im Himmel sie sehr gut. Und nur darauf komme es schließlich an, sagte Eliza R. Snow: „Es gibt viele Schwestern, deren Mühen über ihren eigenen Kreis hinaus nicht bekannt sind und vielleicht selbst dort nicht anerkannt werden, aber was macht das schon? Wenn eure Mühen Gott gefallen, wie einfach eure Pflichten auch sein mögen, wenn sie treu erfüllt werden, braucht ihr nie den Mut zu verlieren.“10

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Mütter können das Erbe der FHV an ihre Töchter weitergeben.

Die folgende Begebenheit ist eines von unzähligen Beispielen dafür, welchen Einfluss eine glaubenstreue FHV-Schwester ausüben kann. In diesem Fall haben ein paar Frauen bei Lynne, einer jungen Frau, einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Als Lynne sah, wie diese Schwestern ihr beistanden, fasste sie den Entschluss, einmal genauso zu handeln, wenn sie der FHV angehörte.

Als Lynne siebzehn, achtzehn Jahre alt war, erfuhren sie und ihre Mutter, dass ihr Stiefvater in einer weit entfernten Stadt ernsthaft verletzt worden war. Sie nahmen den nächsten Flug, um ihn zu besuchen, aber er verstarb, ehe sie ihn sehen konnten. Lynne erzählte später, was sich zutrug, als sie wieder nach Hause zurückkehrten:

„Als meine Mutter und ich erschöpft und traurig aus dem Flugzeug stiegen, standen ein Mann und eine Frau unten auf dem Rollfeld. Sie kamen auf uns zu und nahmen uns in die Arme. Es waren der Zweigpräsident und die FHV-Leiterin. …

Es war eine verwirrende Zeit, und es fiel uns schwer, uns damit abzufinden, dass [mein Stiefvater] tot war. … Aber immer war eine Schwester da, die still im Hintergrund wartete – um etwas auszurichten, an die Tür zu gehen, wenn es klingelte, oder uns die Hand zu halten, wenn wir Angehörige oder Freunde anriefen. Sie waren da, um uns beim Packen zu helfen, um alles zu erledigen, was getan werden musste.

In dieser Zeit entwickelte ich eine solche Dankbarkeit, dass ich mir gar nicht vorstellen konnte, wie ich diese lieben Schwestern jemals für ihre Hilfe belohnen konnte. Angestrengt dachte ich darüber nach, aber ich war so erschöpft, dass mir nichts einfiel.“

Mehrere Jahre später, als Lynne verheiratet war und drei kleine Kinder hatte, wurde sie in die FHV-Leitung berufen. Manchmal fragte sie sich, ob sie den Anforderungen ihrer Berufung gerecht werden konnte. Doch dann erinnerte sie sich daran, wie man ihr nach dem Tod ihres Stiefvaters geholfen hatte. „Jetzt bin ich an der Reihe“, dachte sie sich. Sie erzählte:

„Eine Frau in der Gemeinde hatte ihre vierzehnjährige Tochter verloren. Die Mutter bat mich, ein schönes Kleid zu kaufen und den Leichnam ihrer Tochter in Vorbereitung auf die Beerdigung einzukleiden. Ich konnte dieser Bitte nachkommen, und es wurde eine ganz besondere Erfahrung. Nun war ich an der Reihe zu helfen, wie [andere Schwestern] mir geholfen hatten.

Eine ältere Frau in der Gemeinde, die alleine lebte, nahm versehentlich zu viele Tabletten und war drei Tage lang in einem hilflosen Zustand. Die andere Ratgeberin und ich fanden sie in ihrer Wohnung. Sie lebte noch. Wir wuschen sie, ehe der Krankenwagen eintraf. Dann blieben wir, um die ganze Wohnung – Wände und Fußboden – mit Desinfektionsmittel zu reinigen. Wieder war ich an der Reihe.

Eine junge Mutter in der Gemeinde, eine Freundin von mir, verlor plötzlich ihr einziges Kind, eine süße Dreijährige. Sie war an einer Infektion gestorben, noch ehe die Ärzte überhaupt festgestellt hatten, wie ernsthaft die Krankheit war. Die andere Ratgeberin und ich besuchten die Mutter, sobald wir von Robins Tod erfahren hatten. Als wir auf der Veranda vor der Fliegengittertür standen, hörten wir, dass der Vater (der nicht der Kirche angehörte), ein Ferngespräch mit seiner Mutter führte. Er weinte. Er schaute auf, sah uns und sagte schluchzend ins Telefon: ‚Wir werden zurechtkommen, Mutter. Die Mormoninnen sind hier.‘ Wieder war ich an der Reihe.“

Lynne sagte später, dass sie jedes Mal, wenn sie gefragt wurde, was ihr die FHV bedeute, von ihren Erfahrungen erzählte – wie ihr geholfen wurde und wie sie helfen konnte. Sie erklärte: „Das ist für mich die FHV. So empfinde ich sie tief im Herzen, aus diesem Grund.“11

Überall auf der Welt wird die FHV von vielen Frauen in der Kirche „tief im Herzen“ genau so wahrgenommen. Wie Lynne haben sie durch die FHV Hilfe erhalten und wissen, dass sie jetzt an der Reihe sind, voll Nächstenliebe und Glauben zu dienen. Diesen Dienst leisten sie in ganz unterschiedlichen Situationen – als Töchter, Ehefrauen, Mütter, Schwestern, Tanten, Besuchslehrerinnen, FHV-Führungsbeamtinnen, Nachbarinnen oder Freundinnen. Mancher Dienst wird geleistet, weil Führungsbeamte den Auftrag hierzu gegeben haben, und mancher infolge einer stillen Eingebung des Heiligen Geistes. Da sie erkennen, dass eine „Wolke von Zeugen [sie] umgibt“, sind sie bereit, „mit Ausdauer in dem Wettkampf [zu] laufen, der [ihnen] aufgetragen ist“.

„Die Welt zu führen … in allem, was lobenswert ist“

Präsident Joseph F. Smith, der sechste Präsident der Kirche, forderte die Frauen in der Kirche auf, „die Welt zu führen und vor allem die Frauen der Welt, nämlich in allem, was lobenswert ist, in allem, was gottgleich ist, in allem, was erhebt und läutert“. Er sagte: „Ihr seid durch die Stimme des Propheten Gottes dazu berufen, dies zu tun, ganz vorn zu stehen, zu den Größten, den Besten und den Reinsten zu gehören und zu denen, die sich am eifrigsten für das Rechte einsetzen.“12

Esther

„Gerade dafür in dieser Zeit“ (Ester 4:14)

Ausschnitt aus dem Gemälde Königin Ester von Minerva K. Teichert; © William und Betty Stokes

Im Laufe der Geschichte der wiederhergestellten Kirche des Herrn haben Jüngerinnen Christi diesem Maßstab entsprochen. Wie Ester waren sie trotz schwieriger Herausforderungen glaubenstreu und mutig. Sie haben den Sinn ihres Lebens gefunden wie Ester, als ihr Cousin Mordechai sie fragte: „Wer weiß, ob du nicht gerade dafür in dieser Zeit Königin geworden bist?“13 Wie Nehemia im Alten Testament konnte man sie nicht von ihren heiligen Pflichten abbringen. Als Nehemias Feinde versuchten, ihn von seiner Aufgabe wegzulocken, die Mauer Jerusalems wieder aufzubauen, antwortete er: „Ich arbeite gerade an einem großen Werk; darum kann ich nicht kommen. Die Arbeit würde stocken, wenn ich sie verließe und zu euch käme.“14 Seine Feinde versuchten weiterhin, ihn wegzulocken, aber er blieb fest und ließ von seiner wichtigen Arbeit nicht ab. Die Welt hat versucht, die Frauen in der Kirche davon zu überzeugen, ihre von Gott gegebene Mission aufzugeben, aber die treuen FHV-Schwestern sind „nicht dorthin gekommen“.

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In jeder neuen Generation können FHV-Schwestern sagen: „Jetzt sind wir an der Reihe zu dienen.“

Der Auftrag, in allem, was lobenswert und gottgleich ist, was erhebt und läutert, die Führung zu übernehmen, ist nicht leicht. Das war nie anders. Doch die einzelnen FHV-Schwestern übernehmen diesen Auftrag nicht alleine. Sie gehören zu einer großen Organisation, die mit Priestertumsvollmacht gegründet wurde und von den Lehren und Aussagen der Propheten gestützt wird. Sie sind geliebte Töchter Gottes mit heiligen Aufgaben. Sie sind das Bundesvolk des Lammes, „mit Rechtschaffenheit und mit der Macht Gottes in großer Herrlichkeit ausgerüstet“.15 Wenn sie sich mit anderen glaubenstreuen Mitgliedern vereinen und vom Beispiel derer lernen, die uns vorausgegangen sind, können sie über irdische Herausforderungen triumphieren. Sie können mithelfen, das Reich Gottes überall auf der Welt und in ihrer Familie aufzurichten. Sie können sagen: „Jetzt sind wir an der Reihe, zu dienen und ein Kapitel auf den Seiten der Geschichte der Frauenhilfsvereinigung zu schreiben.“ Mit der Gewissheit, dass der Vater im Himmel sie liebt, und einem Zeugnis von der Macht des Sühnopfers Jesu Christi können sie sich über gewöhnliche Gedanken und Ziele erheben und an etwas Außergewöhnlichem teilhaben.16

Die Verheißungen des Herrn sind gewiss, wenn Schwestern dem Rat folgen, den er der ersten Präsidentin der Frauenhilfsvereinigung gegeben hat: „Wahrlich, ich sage dir: Alle jene, die mein Evangelium annehmen, sind Söhne und Töchter in meinem Reich. … Du sollst die Dinge dieser Welt ablegen und nach den Dingen einer besseren trachten. … Halte an den Bündnissen fest, die du gemacht hast.“17 Als der Prophet Joseph Smith den FHV-Schwestern sagte, sie sollten so leben, wie es ihr verbürgtes Recht sei, verband er diese Mahnung mit einer Verheißung: „Nichts wird die Engel daran hindern können, sich zu euch zu gesellen. … Wenn ihr rein seid, kann euch nichts aufhalten.“18

Kapitel 10

  1. Joseph Smith, zitiert in Relief Society Minute Book, Nauvoo, Illinois, 28. April 1842, Seite 38, Historisches Archiv der Kirche

  2. Mary Ellen Smoot, „Freut euch, Töchter Zion“, Liahona, Januar 2000, Seite 112

  3. M. Russell Ballard, „Eine rechtschaffene Frau“, Liahona, Dezember 2002, Seite 37

  4. Joseph Smith, zitiert in Relief Society Minute Book, Nauvoo, Illinois, 28. April 1842, Seite 38

  5. Henry B. Eyring, „Das bleibende Vermächtnis der FHV“, Liahona, November 2009, Seite 121

  6. Siehe Athelia T. Woolley, mit Athelia S. Tanner, „Our Five-Generation Love Affair with Relief Society“, Ensign, Juni 1978, Seite 37ff.

  7. Henry B. Eyring, „Das bleibende Vermächtnis der FHV“, Seite 124

  8. Hebräer 12:1,2

  9. Lehre und Bündnisse 138:39

  10. Eliza R. Snow, „Speech by E. R. Snow“, Woman’s Exponent, 1. Mai 1891, Seite 167

  11. Siehe Lynne Christy, „Now It’s My Turn“, Ensign, März 1992, Seite 25ff.

  12. Joseph F. Smith, zitiert in Minutes of the General Board of Relief Society, 17. März 1914, Seite 54f., Historisches Archiv der Kirche

  13. Ester 4:14

  14. Nehemia 6:3

  15. 1 Nephi 14:14

  16. Emma Smith, zitiert in Relief Society Minute Book, Nauvoo, Illinois, 17. März 1842, Seite 12

  17. Lehre und Bündnisse 25:1,10,13

  18. Joseph Smith, zitiert in Relief Society Minute Book, Nauvoo, Illinois, 28. April 1842, Seite 38f.