Zweites Kapitel
Die Grundlage der Kirche wird gelegt
Das Buch Mormon kommt hervor
Der Engel Moroni erscheint
Am Abend des 21. September 1823, drei Jahre nach der ersten Vision, betete Joseph Smith zum Herrn, er möge ihm seine jugendlichen Torheiten vergeben, und bat um weitere Weisung. Als Antwort sandte der Herr einen himmlischen Boten, der Joseph unterweisen sollte. Joseph schrieb:
„Er nannte mich beim Namen und sagte zu mir, er sei ein Bote, aus der Gegenwart Gottes zu mir gesandt, und heiße Moroni; Gott habe eine Arbeit für mich; mein Name werde bei allen Nationen, Geschlechtern und Sprachen für gut oder böse gelten, ja, man werde unter allem Volk sowohl gut als auch böse von mir sprechen.
Er sagte, es sei ein Buch verwahrt, auf goldenen Platten geschrieben, und darin sei ein Bericht über die früheren Bewohner dieses Erdteils und ihre Herkunft zu finden. Er sagte weiter, in dem Buch sei die Fülle des immerwährenden Evangeliums enthalten, wie es der Erretter jenen Bewohnern einst gebracht habe.“ (Joseph Smith – Lebensgeschichte, 1:33,34.)
Moroni war der letzte Prophet gewesen, der an jenen alten Aufzeichnungen geschrieben hatte. Er hatte sie auf das Gebot des Herrn hin im Hügel Cumorah vergraben – zusammen mit dem Urim und Tummim, der von den Propheten in alter Zeit benutzt worden war und den Joseph für die Übersetzung des Berichtes benutzen sollte.
Der Engel wies Joseph an, zu dem nahegelegenen Hügel zu gehen, und teilte ihm viel Wichtiges über das Werk des Herrn in den Letzten Tagen mit. Er sagte Joseph, er dürfe die Platten, nachdem er sie erhalten habe, niemandem zeigen, außer der Herr gebiete es ihm. In jener Nacht kam Moroni noch zweimal zu Joseph Smith und am darauffolgenden Tag ein weiteres Mal. Bei jedem Besuch wiederholte er seine wichtige Botschaft und fügte weitere Punkte hinzu.
Einen Tag nach dem Erscheinen des Engels ging Joseph Smith, wie es ihm aufgetragen worden war, zum Hügel Cumorah. Joseph schreibt darüber:
„An seiner Westseite, nur wenig unterhalb der Kuppe, lagen die Platten unter einem Stein von beträchtlicher Größe. Sie waren in einem steinernen Behälter gelagert. Der Stein war an der Oberseite abgerundet, dick in der Mitte und gegen den Rand hin dünner, so daß der mittlere Teil über dem Erdboden sichtbar war; der Rand rundum war in der Erde eingebettet.
Nachdem ich die Erde entfernt hatte, suchte ich mir einen Hebel, setzte ihn unter dem Rand des Steines an und hob ihn ohne viel Anstrengung hoch. Ich schaute hinein, und da sah ich tatsächlich die Platten, den Urim und Tummim sowie den Brustschild, ganz so, wie der Bote es gesagt hatte.“ (Joseph Smith – Lebensgeschichte 1:51,52.)
Der Engel Moroni erschien und gebot Joseph, ihn in einem Jahr zur selben Zeit an derselben Stelle zu treffen. Diese jährlichen Zusammenkünfte würden stattfinden, bis die Zeit gekommen war, daß Joseph die Platten erhalten sollte. Bei jedem seiner Besuche unterwies Moroni ihn weiter über das, was der Herr vorhatte, und wie sein Reich geführt werden sollte. (Siehe Joseph Smith – Lebensgeschichte 1:27–54.)
Die Übersetzungsarbeit
Nachdem Joseph vier Jahre lang darauf vorbereitet worden war, übergab ihm Moroni am 22. September 1827 die goldenen Platten und trug ihm auf, mit der Übersetzung zu beginnen. Emma Hale, die Joseph in dem Jahr geheiratet hatte, begleitete ihn. Sie wartete unten am Hügel Cumorah, bis ihr Mann mit den Platten zurückkam. Sie wurde dem Propheten eine wichtige Hilfe und diente für kurze Zeit als Schreiberin des Buches Mormon.
Der Mob am Ort versuchte wiederholt, die goldenen Platten zu stehlen. Deshalb mußten Joseph und Emma Smith ihr Haus in Manchester, New York, verlassen. Sie fanden Zuflucht im Haus von Emmas Vater, Isaac Hale, der in Harmony, Pennsylvania, wohnte, das etwa 180 km südöstlich von Manchester liegt. Hier begann Joseph mit der Übersetzung der Platten. Der wohlhabende Farmer Martin Harris, ein Freund des Propheten, half ihm dabei und wurde sein Schreiber.
Martin fragte Joseph, ob er die 116 Seiten übersetzten Text nach Hause mitnehmen und seiner Familie zeigen dürfe, um zu beweisen, daß das Werk, an dem sie arbeiteten, wahr ist. Joseph bat den Herrn um Erlaubnis, aber die Antwort lautete nein. Martin ersuchte Joseph, den Herrn nochmals zu fragen, was Joseph zweimal zögernd tat. Schließlich erhielt er die Erlaubnis. Martin gelobte, das Manuskript nur bestimmten Leuten zu zeigen, aber er brach sein Versprechen, und die Manuskriptseiten wurden gestohlen. Joseph war wegen dieses Verlusts untröstlich, denn er glaubte, daß seine Anstrengungen im Dienst des Herrn vergeblich geworden waren. Er weinte: „Was soll ich tun? Ich habe gesündigt – ich habe den Zorn Gottes herausgefordert. Ich hätte mit der ersten Antwort des Herrn zufrieden sein sollen.“1
Joseph kehrte aufrichtig um. Für eine kurze Zeit wurden ihm die Platten und der Urim und Tummim genommen. Dann vergab ihm der Herr, und Joseph fuhr mit der Übersetzung fort. Der Herr gebot ihm, die verlorenen Seiten, die einen weltlichen Bericht enthielten, nicht noch einmal zu übersetzen. Statt dessen sollte Joseph andere Platten übersetzen, die von Nephi angefertigt worden waren und denselben Zeitabschnitt behandelten. Auch enthielten sie größere Prophezeiungen über Christus und andere heilige Aufzeichnungen. Der Herr hatte den Verlust der 116 Seiten vorhergesehen und Nephi inspiriert, diesen zweiten Geschichtsbericht zu verfassen. (Siehe 1 Nephi 9; LuB 10:38–45; siehe auch LuB 3 und 10, die damals empfangen wurden.)
Oliver Cowdery, ein junger Lehrer, wurde durch den Herrn zum Haus des Propheten geführt. Schon bald darauf begann er, Joseph zu helfen. Ab dem 7. April 1829 arbeitete Oliver als Schreiber für Joseph. Er sagte über diese wichtige Zeit: „Das waren unvergeßliche Tage – dazusitzen und einer Stimme lauschen zu dürfen, die unter der Eingebung des Himmels sprach, das erfüllte mein Herz mit tiefster Dankbarkeit!“ (Joseph Smith – Lebensgeschichte 1:71, Fußnote.)
Oliver fuhr fort: „Das Buch ist wahr. … Ich selbst schrieb es so, wie es aus dem Mund des Propheten kam. Das Buch enthält das immerwährende Evangelium, und es kommt in Erfüllung der Offenbarungen des Johannes, der von einem Engel spricht, der mit einem immerwährenden Evangelium kommt, das jeder Nation, jeder Sprache und jedem Volk verkündet werden soll. Das Buch enthält die Grundsätze der Errettung. Wenn jemand nach dem Licht dieses Buches lebt und die darin enthaltenen Grundsätze befolgt, wird er im immerwährenden Reich Gottes errettet werden.“2
Mitten in ihrer Arbeit stellten Joseph und Oliver fest, daß sie so sehr mit der Übersetzung beschäftigt waren, daß sie weder Geld noch Essen hatten; es fehlten ihnen sogar die notwendigen Schreibutensilien. Joseph Knight sen., für den Joseph einmal gearbeitet hatte und der ein Freund des Propheten war, erfuhr von dem Los der beiden und entschloß sich, ihnen Unterstützung zu gewähren. Über die Hilfe, die er gab, schrieb er:
„Ich kaufte ein Faß Makrelen und liniertes Schreibpapier. … Ich kaufte neun, zehn Scheffel Getreide und fünf, sechs Scheffel Kartoffeln.“ Dann besuchte er die beiden Männer in Harmony. Joseph Knight berichtet, daß „Joseph und Oliver auf Arbeitssuche waren, um Lebensmittel zu bekommen, aber keine Arbeit finden konnten. Als sie nach Haus zurückkehrten und mich mit den Sachen vorfanden, freuten sie sich, denn ihre Vorräte waren erschöpft. … Nun machten sie sich wieder an die Arbeit. Ihre Vorräte reichten jetzt bis zum Abschluß der Übersetzungsarbeiten.“3
Es verwundert nicht, daß Joseph über diesen rechtschaffenen Menschen gesagt hat: „Solange es noch einen von den Söhnen Zions gibt, soll von ihm gesagt werden, daß er ein gläubiger Mann in Israel war; deshalb soll sein Name nie vergessen werden.“4
Wegen der zunehmenden Verfolgung verließen Joseph und Oliver Harmony und beendeten im Juni 1829 die Übersetzung auf der Farm von Peter Whitmer in Fayette, New York. Es ist ein neuzeitliches Wunder, daß dieses Werk unter so schwierigen Umständen vollendet werden konnte. Joseph Smith, ein Mann ohne große Schulbildung, diktierte den übersetzten Text in etwas mehr als zwei Monaten und nahm nur wenige Korekturen vor. Der Text liegt heute in der Form vor, wie Joseph ihn übersetzt hat. Für Millionen Menschen in aller Welt ist das Buch die Quelle ihres Zeugnisses. Joseph Smith war ein machtvolles Werkzeug in der Hand des Herrn; zum Segen der Heiligen der Letzten Tage hat er die Worte von Propheten aus alter Zeit hervorgebracht.
Zeugen für das Buch Mormon
Als der Prophet Joseph Smith in Fayette wohnte, offenbarte ihm der Herr, daß Oliver Cowdery, David Whitmer und Martin Harris drei besondere Zeugen sein sollten, denen es gestattet sein sollte, die goldenen Platten zu sehen (siehe 2 Nephi 27:12; Ether 5:2–4; LuB 17). Zusammen mit Joseph Smith sollten sie dann die Herkunft und die Wahrheit dieses alten Berichtes bezeugen können.
David Whitmer berichtet: „Wir gingen in einen nahegelegenen Wald, setzten uns auf einen Baumstumpf und redeten einige Zeit miteinander. Dann knieten wir nieder und beteten. Joseph betete. Als wir uns dann erhoben, auf den Baumstumpf setzten und miteinander redeten, kam von oben herab ein Licht, das uns in weitem Umkreis umgab; und der Engel stand vor uns.“ Dieser Engel war Moroni. David sagt: „Er war weiß gekleidet, und er sprach und nannte mich beim Namen und sagte: ‚Gesegnet ist, wer seine Gebote hält.‘ Vor uns wurde ein Tisch aufgestellt, und darauf wurden die Aufzeichnungen gelegt. Die Aufzeichnungen der Nephiten, von denen das Buch Mormon übersetzt worden ist, die Messingplatten, die Kugel mit den Richtungsweisern, das Schwert Labans und weitere Platten.“5 Während die Männer diese Dinge betrachteten, hörten sie eine Stimme, die sagte: „Diese Platten sind durch die Macht Gottes offenbart worden, und sie sind durch die Macht Gottes übersetzt worden. Die Übersetzung, die ihr gesehen habt, ist richtig, und ich gebiete euch, von dem, was ihr jetzt seht und hört, Zeugnis zu geben.“6
Bald nach jenem Ereignis zeigte Joseph Smith die Platten acht weiteren Zeugen, die sie an einem abgeschiedenen Ort, unweit des Hauses der Familie Smith in Manchester, New York, in die Hand nahmen. Das Zeugnis der drei Zeugen und das Zeugnis der acht Zeugen sind in der Einführung zum Buch Mormon zu finden.
Die Evangeliumsverkündigung mit dem Buch Mormon
Nach dem Abschluß der Übersetzungsarbeiten verhandelte der Prophet mit Egbert B. Grandin aus Palmyra über den Druck des Buchs. Martin Harris nahm zugunsten von Mr. Grandin eine Hpyothek auf seine Farm auf, damit die Bezahlung der 3000 Dollar für den Druck der ersten 5000 Exemplare gesichert war.
Am 26. März 1830 verkaufte die Buchhandlung E. B. Grandin die ersten Exemplare des Buches Mormon. Samuel Smith war einer der ersten Missionare, die das neue Buch mitnahmen. Im April 1830 besuchte er die Gastwirtschaft Tomlinson in Mendon, New York. Dort verkaufte er ein Exemplar des Buchs an einen jungen Mann namens Phineas Young, der ein Bruder von Brigham Young war.
Im Juni machte sich Samuel Smith noch einmal auf dieselbe Reise und hinterlegte bei der Familie John P. Greene in Bloomfield, New York, ein Exemplar des Buches Mormon. John war mit Rhoda Young, einer Schwester Brigham Youngs, verheiratet. John Young, der Vater Brighams, kam als nächster mit dem Buch in Berührung. Er nahm es mit nach Hause und las es durch. Er sagte, „daß es von allen Werken, die er bisher gesehen hatte, das größte Werk und fehlerfrei sei, die Bibel nicht ausgenommen.“7
Brigham Young war seit dem Frühjahr 1830 durch Familienmitglieder und Missionare mit dem Inhalt des Buchs bekannt gemacht worden, aber er brauchte Zeit, um es gründlich zu prüfen. Er sagte: „Zwei Jahre lang habe ich die Sache gründlich untersucht, bevor ich mich entschloß, das Buch anzunehmen. Ich wußte, daß es wahr ist, so wie ich weiß, daß ich mit meinen Augen sehen und mit meinen Fingern fühlen kann und jede andere Sinnesregung wahrnehme. Wäre dies nicht der Fall gewesen, hätte ich nicht bis zum heutigen Tag an dem Buch festgehalten. … Ich wollte genügend Zeit, um alles selbst zu prüfen.“8
Am 14. April 1832 ließ Brigham Young sich taufen. Er berichtete nach seiner Taufe und Konfirmierung: „Gemäß den Worten des Erretters verspürte ich einen demütigen, kindlichen Geist, der mir bezeugte, daß meine Sünden vergeben waren.“9 Brigham Young wurde später Apostel und der zweite Präsident der Kirche.
Die Wiederherstellung des Aaronischen und des Melchisedekischen Priestertums
Als der Engel Moroni Joseph Smith im September 1823 zum ersten Mal auf dem Hügel Cumorah erschien, gab er ihm wichtige Anweisungen bezüglich der Wiederherstellung der Priestertumsvollmacht auf der Erde. Unter anderem sagte er: „Wenn [die goldenen Platten] übersetzt sind, wird der Herr das heilige Priestertum einigen Männern geben, und sie werden dieses Evangelium verkünden und im Wasser taufen, und dann sollen sie die Macht haben, durch das Händeauflegen den Heiligen Geist zu spenden.“10
Im Frühjahr 1829 erlebte Joseph Smith, wie diese Worte teilweise in Erfüllung gingen. Bei der Übersetzung des Buches Mormon wurde die Taufe zur Vergebung der Sünden erwähnt. Am 15. Mai beteten Joseph und Oliver zum Herrn, um zu dieser Frage weitere Erkenntnis zu erhalten. Während die beiden am Ufer des Susquehanna beteten, erschien ihnen ein himmlischer Bote. Er sagte, er sei Johannes der Täufer und habe in der Zeit des Neuen Testaments gelebt. Er legte Joseph und Oliver die Hände auf und sagte: „Euch, meinen Mitknechten, übertrage ich im Namen des Messias das Priestertum Aarons, das die Schlüssel des Dienstes von Engeln und die des Evangeliums der Umkehr und die der Taufe durch Untertauchen zur Sündenvergebung innehat.“ (LuB 13:1.)
Nach dieser Ordinierung tauften sich Joseph und Oliver auf das Gebot Johannes des Täufers gegenseitig und übertrugen einander das Aaronische Priestertum. Johannes erklärte ihnen, „dieses Aaronische Priestertum habe nicht die Macht, zur Gabe des Heiligen Geistes die Hände aufzulegen, aber diese Macht werde uns später noch übertragen werden“. Er sagte auch, „er wirke auf Weisung von Petrus, Jakobus und Johannes; diese hätten die Schlüssel des Priestertums des Melchisedek inne, und dieses Priestertum, so sagte er, werde uns zur bestimmten Zeit übertragen werden“ (Joseph Smith – Lebensgeschichte 1:70,72; siehe auch 1:68–72).
Über dieses Erlebnis hat der Prophet gesagt: „Als wir, nachdem wir getauft waren, wieder aus dem Wasser kamen, erlebten wir sogleich große und herrliche Segnungen von unserem himmlischen Vater. Kaum hatte ich Oliver Cowdery getauft, als der Heilige Geist über ihn kam und er aufstand und vieles prophezeite, was in Kürze geschehen werde. Ebenso, kaum war ich von ihm getauft worden, hatte auch ich den Geist der Prophezeiung; ich stand auf und prophezeite den Aufstieg dieser Kirche und vieles andere, was mit der Kirche und dieser Generation der Menschenkinder zusammenhing. Wir waren voll des Heiligen Geistes und freuten uns über den Gott unserer Errettung.“ (Joseph Smith – Lebensgeschichte 1:73.)
Später erschienen Petrus, Jakobus und Johannes und übertrugen Joseph und Oliver das Melchisedekische Priestertum und die Schlüssel des Gottesreichs (siehe LuB 27:12,13; 128:20). Das Melchisedekische Priestertum ist die größte Vollmacht, die einem Menschen auf der Erde übertragen werden kann. Mit dieser Vollmacht konnte der Prophet Joseph Smith die Kirche in dieser Evangeliumszeit gründen und die verschiedenen Priestertumskollegien, die wir heute in der Kirche kennen, organisieren.
Die Gründung der Kirche
Der Herr offenbarte Joseph Smith, der 6. April 1830 sei der Tag, an dem die Kirche Jesu Christi in dieser Evangeliumszeit gegründet werden solle (siehe LuB 20:1). An Gläubige und Freunde wurden entsprechende Mitteilungen verschickt. 56 Männer und Frauen versammelten sich im Blockhaus von Peter Whitmer sen. in Fayette, New York. Der Prophet wählte sechs Männer aus, die mit ihm die Kirche gründen sollten, „in Übereinstimmung mit den Gesetzen unseres Landes, nach dem Willen und Gebot Gottes“ (LuB 20:1).
Der Prophet berichtet: „Wir eröffneten die Versammlung mit einem feierlichen Gebet zu unserem himmlischen Vater. Dann fragten wir, wie es uns zuvor geboten worden war, unsere Brüder, ob sie uns als ihre Lehrer in den Angelegenheiten des Gottesreichs anerkannten und ob sie davon überzeugt seien, daß wir, gemäß der Offenbarung, die wir erhalten hatten, so verfahren sollten, daß wir uns als Kirche organisierten. Diese Vorschläge nahmen sie einstimmig an.“11
Mit der Zustimmung der Anwesenden wurde Oliver von Joseph zu einem Ältesten der Kirche ordiniert, und Oliver ordinierte den Propheten zum Ältesten, wie es ihnen vom Herrn geboten worden war. Das Abendmahl wurde gesegnet und an die anwesenden Mitglieder ausgeteilt. Diejenigen, die schon getauft waren, wurden konfirmiert, und ihnen wurde die Gabe des Heiligen Geistes gespendet. Der Prophet sagte: „Der Heilige Geist wurde in sehr hohem Maße über uns ausgegossen – manche prophezeiten, während wir alle den Herrn priesen und uns über die Maßen freuten.“12 In jener Versammlung erhielt Joseph eine Offenbarung, in der der Herr die Kirche anwies, den Worten des Propheten solche Beachtung zu schenken, als stammten sie aus seinem Mund (siehe LuB 21:4–6).
Die Grundsätze, nach denen die Kirche in jener Versammlung im Jahre 1830 gegründet wurde, sind auch heute noch in der Kirche zu finden: die Ausübung des Gesetzes der allgemeinen Zustimmung, Gesang, Gebet, das Abendmahl, Zeugnisgeben, die Spendung des Heiligen Geistes durch das Auflegen der Hände, Ordinierungen, persönliche Offenbarung und Offenbarung durch Priestertumsbeamte.
Josephs Mutter, Lucy Mack Smith, berichtet von einer anrührenden Begebenheit anläßlich der Taufe von Joseph Smith sen., dem Vater des Propheten: „Als Mr. Smith aus dem Wasser hervorkam, stand Joseph am Ufer und nahm seinen Vater bei der Hand. Dann rief er mit Freudentränen in den Augen: ‚Mein Gott sei gepriesen! Ich habe es erleben dürfen, daß mein Vater durch die Taufe Mitglied der wahren Kirche Jesu Christi geworden ist!‘“13 Joseph Knight sen. sagte über diesen Augenblick: „[Der Prophet] war vom Geist erfüllt. … Seine Freude schien voll zu sein. Ich glaube, er sah das große Werk, das er nun begonnen hatte, und wünschte sich, es auszuführen.“14
Vater und Sohn liebten einander sehr. In der Grabrede sagte der Prophet über seinen Vater: „Ich liebe meinen Vater und die Erinnerung an ihn; und die Erinnerung an seine edlen Werke hat sich mir tief eingeprägt, und viele seiner gütigen, väterlichen Worte stehen auf den Tafeln meines Herzens geschrieben.“15
Die Liebe, die der Prophet für seinem Vater empfand, bestand auch zwischen Joseph Smith sen. und seinem Vater, Asael Smith. Im August 1830 reiste Joseph Smith sen. mit mehreren Exemplaren des Buches Mormon nach Nordosten, in den Kreis St. Lawrence, New York, um die Bücher seinen Eltern und Geschwistern zu bringen. Asael Smith las das Buch bis zu seinem Tod im Oktober 1830 fast ganz und erklärte, sein Enkel, Joseph Smith jun., „sei der Prophet, der, wie er seit langem wußte, in seine Familie kommen sollte“.16 Drei weitere Söhne Asaels wurden Mitglieder der Kirche – Silas, John und Asael jun. Der Prophet durfte miterleben, wie seine Familie und viele aus der Familie seines Vaters sich taufen ließen.
Sidney Rigdon, der später ein Mitglied der Ersten Präsidentschaft wurde, hat über die bescheidenen Anfänge der Kirche und über die große Vision von der Zukunft, die ihre Gründer damals schon hatten, folgendes gesagt: „Ich kam in einem kleinen alten Holzhaus, etwa 7 Quadratmeter groß, bei Waterloo, New York, mit der gesamten Kirche Christi zusammen, und wir begannen, über das Reich Gottes zu sprechen, als läge uns die Welt zu Füßen; wir sprachen mit großer Zuversicht, … obwohl wir nicht viele waren; … in einer Vision sahen wir die Kirche Gottes tausendmal größer; … dabei wußte die Welt nichts vom Zeugnis der Propheten und von dem, was Gott in Kürze tun wollte.“17
Die Ereignisse, die sich am 6. April 1830 im Westen des Staates New York zutrugen, haben das Leben von Millionen Menschen verändert. Ausgehend von den wenigen Mitgliedern in dem kleinen Holzhaus hat sich das Evangelium über die ganze Welt ausgebreitet. Heute ist die Kirche in vielen Ländern vertreten. In machen Gebieten sind die Verhältnisse so einfach und bescheiden, wie sie es bei der Gründung der Kirche in Fayette waren. Die Heiligen in aller Welt freuen sich und finden Trost in der Verheißung des Herrn: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, … siehe, da werde ich mitten unter ihnen sein.“ (LuB 6:32.)
Geht an den Ohio: Die Sammlung Israels in den Letzten Tagen
Die Verfolgung in Colesville
In demselben Monat, in dem die Kirche gegründet worden war, ging der Prophet Joseph Smith nach Colesville, New York, auf Mission, um seine Freunde, die Familie von Joseph Knight sen., zu unterweisen. Am 28. Juni waren viele Mitglieder der Familie Knight und ihre Freunde bereit, sich taufen zu lassen.
In Colesville gabe es erheblichen Widerstand gegen die Verkündigung des Evangeliums. Der Mob versuchte die Taufen zu verhindern, indem er die Dämme niederriß, die die Brüder gebaut hatten, um das Wasser zu stauen. Die Schäden wurden aber schnell behoben. Joseph Knight jun. schildert, was die Gegner der Kirche unternahmen: „Als wir von den [Taufen] zurückkehrten, trafen wir viele Nachbarn, die mit Fingern auf uns zeigten und fragten, ob wir Schafe gewaschen hätten. … In der Nacht wurden unsere Wagen umgeworfen und Holz darauf aufgeschichtet, einige Wagen wurden im Wasser versenkt, Schienen wurden vor unseren Türen aufgehäuft, Ketten im Fluß versenkt, und es wurde viel Unheil angerichtet.“18
Zur gleichen Zeit warfen die Gegner Joseph Smith vor, er störe den Frieden. Sie ließen ihn einsperren und klagten ihn an. Sie versuchten auf diese Weise, Joseph von seinem Vorhaben abzubringen. Joseph Smith sen. fand jedoch Anwälte, die alle Anschuldigen widerlegen konnten.
Immer dann, wenn die Kirche wichtigen Fortschritt macht, scheint der Feind aller Rechtschaffenheit seine gesamten Kräfte zu sammeln, um das Wachstum des Gottesreichs aufzuhalten. Die treuen Heiligen jedoch überwinden die Probleme und werden stärker, so wie die Heiligen in Colesville. Sie entwickelten sich zu einem starken Zweig, in dem Einigkeit herrschte.
Missionare bei den Indianern
Durch Offenbarung wurden im September 1830 vier junge Männer berufen, das Evangelium und die Botschaft des Buches Mormon zu den Indianern zu bringen. Die Indianer sind Nachfahren der Völker, von denen das Buch Mormon berichtet. Diese Missionare waren Oliver Cowdery, Peter Whitmer jun., Parley P. Pratt und Ziba Peterson (siehe LuB 28:8; 30:5,6; 32). Ihre beschwerliche Reise ging über Hunderte von Kilometern. Sie konnten die Catteraugus-Indianer bei Buffalo, New York, die Wyandots in Ohio und zuletzt die Delaware unterweisen, die westlich des Staates Missouri lebten. Ihren größten Erfolg hatten die Missionare aber bei den Siedlern, die in Kirtland und in der umliegenden Gegend wohnten. Hier bekehrten sie 127 Menschen. Nachdem die Missionare wieder abgereist waren, wuchs durch die Missionsarbeit der Mitglieder die Zahl der Heiligen auf mehrere Hundert an.
Der Ruf zur Sammlung in Ohio
Sidney Rigdon, ein ehemaliger Geistlicher und ein neubekehrtes Mitglied der Kirche, sowie sein Freund Edward Partridge, der kein Mitglied der Kirche war, wollten mit dem Propheten zusammenkommen und mehr über die Lehren der Kirche erfahren. Im Dezember 1830 reisten sie fast vierhundert Kilometer weit nach Fayette, um Joseph Smith zu besuchen. Sie baten ihn, den Herrn in bezug auf sie und auf die Heiligen in Kirtland zu befragen. Der Herr offenbarte in seiner Antwort, daß die Heiligen aus New York „sich am Ohio sammeln“ sollten (LuB 37:3). Am 2. Januar 1831 fand auf der Whitmer-Farm die dritte und letzte Konferenz der Kirche in New York statt. Hier wiederholte der Herr seine Anweisung:
„Und damit ihr der Gewalt des Feindes entrinnen mögt und euch als mein rechtschaffenes Volk ohne Fehl und Tadel zu mir her sammelt, darum habe ich euch das Gebot gegeben, an den Ohio zu gehen; und dort will ich euch mein Gesetz geben; und dort sollt ihr mit Kraft aus der Höhe – mit einem Endowment – ausgerüstet werden.“ (LuB 38:31,32.) Das war der erste Aufruf zur Sammlung der Heiligen in dieser Evangeliumszeit.
Nur wenige Mitglieder entschieden sich dagegen, ihren Besitz zu veräußern und die lange Reise von New York nach Ohio anzutreten. Die Mehrzahl der Heiligen hörte auf die Stimme des Hirten und darauf, daß Israel sich sammeln sollte. Newel Knight steht stellvertretend für die Jünger, die der Führung des Priestertums folgten und auf den Ruf hörten:
„Im Gehorsam zu dem Gebot, das gegeben worden war, begann ich nach meiner Heimkehr von der Konferenz zusammen mit den Mitgliedern des Zweiges Colesville Vorbereitungen zu treffen, um nach Ohio zu reisen. … Wie zu erwarten war, mußten wir von unserem Besitz viel opfern. Die meiste Zeit war ich damit beschäftigt, die Brüder zu besuchen und ihnen bei der Vorbereitung zu helfen, damit wir als Gruppe zusammen reisen konnten.“19
Auch Joseph Knight sen. ist ein Beispiel für diejenigen Heiligen, die bereitwillig opferten und ihren Besitz verkauften, um beim Propheten in Ohio sein zu können. Die kurze Mitteilung in der Zeitung Broome Republican sagt viel über die Hingabe von Joseph Knight sen. an das Evangelium aus: „Zu verkaufen ist die Farm, die zuletzt von Joseph Knight bewohnt wurde und in der Stadt Colesville, nahe der Colesville-Brücke, gelegen ist – auf der einen Seite begrenzt vom Susquehanna und etwa einhundertundvierzig Morgen groß. Auf der genannten Farm befinden sich zwei Wohnhäuser, eine gute Scheune und ein guter Obstgarten. Großzügige Verkaufsbedingungen.“20 Mitte April 1831 waren 68 Mitglieder aus Colesville nach Ohio unterwegs.
80 Mitglieder aus dem Zweig Fayette und 50 aus dem Zweig Manchester gehorchten dem Gebot des Herrn auf die gleiche Weise. Anfang Mai 1831 verließen sie ihr Zuhause. Lucy Mack Smith, die Mutter des Propheten, wurde gebeten, den Auszug der Mitglieder aus Fayette zu leiten. Als die Gruppe in Buffalo, New York, ankam, war der Hafen des Erie-Sees durch ein Eisfeld versperrt, und das Dampfschiff, mit dem die Heiligen aus Fayette fahren wollten, konnte den Hafen nicht verlassen. Lucy Mack Smith rief die Heiligen auf, in dieser schwierigen Situation ihren Glauben auszuüben: „Nun, Brüder und Schwestern, wenn jeder von euch dem Himmel seine Wünsche vorträgt, nämlich daß das Eis aufbrechen und wir freigesetzt werden, dann – so wahr der Herr lebt – wird es geschehen.“ Im selben Augenblick hörte man ein Geräusch „wie tobenden Donner“. Das Eis brach auf, und eine schmale Rinne entstand, durch die das Schiff fahren konnte. Kurz nachdem sie die Rinne befahren hatten, schloß sich der Spalt wieder, das Schiff aber war in offenem Gewässer und die Heiligen konnten ihre Reise fortsetzen. Nach dieser wunderbaren Rettung kamen die Reisenden zu einer Gebetsversammlung zusammen und dankten dem Herrn für die Gnade, die er ihnen erwiesen hatte.21
Bis Mitte Mai hatten alle Mitglieder aus den Zweigen in New York den Erie-See mit dem Schiff überquert. Sie waren in Fairport Harbour, Ohio, an Land gegangen, wo sie von Heiligen begrüßt und in die Städte Kirtland und Thompson gebracht wurden. Die große Sammlung Israels in den Letzten Tagen hatte begonnen. Nun konnten die Heiligen von den erwählten Dienern des Herrn als Volk belehrt werden, seine Gesetze lernen und heilige Tempel bauen.