2019
Ehrlichkeit mir selbst und Gott gegenüber
Mai 2019


Ehrlichkeit mir selbst und Gott gegenüber

Die Verfasserin lebt in Utah.

Mein Stolz hielt mich davon ab, die Zurechtweisung des Bischofs als gerechtfertigt hinzunehmen – aber konnte ich mit dem Heiligen Geist streiten?

sister missionaries meeting with bishop

Etwa in der Mitte meiner Missionszeit kamen meine Mitarbeiterin und ich nicht so gut mit unserem Gemeindemissionsleiter aus. Es hatte verschiedene Meinungsverschiedenheiten gegeben und wir beschlossen, mit dem Bischof zu sprechen und zu überlegen, was zu tun sei. Insgeheim hoffte ich, der Bischof würde mit ihm reden und unsere Probleme für uns lösen.

Stattdessen sagte der Bischof mir jedoch, dass ich stolz sei und andere zu sehr kritisierte. Verärgert und frustriert machte ich mich auf den Heimweg. Ich fühlte mich missverstanden. Wie konnte er das über mich sagen? Kümmerten unsere Probleme bei der Missionsarbeit ihn überhaupt?

Unterwegs machte ich meinen Gefühlen Luft und erzählte meiner Mitarbeiterin, was in mir vorging. Da kam mir plötzlich ein Satz in den Sinn: „Darum empfinden die Schuldigen die Wahrheit als hart.“ (1 Nephi 16:2.) Das durchbrach meine Gedanken. Mir war ganz klar, dass der Gedanke vom Heiligen Geist kam. Mein Stolz hatte mich abgehalten, die Zurechtweisung des Bischofs als gerechtfertigt hinzunehmen – aber konnte ich wirklich mit dem Heiligen Geist streiten?

Ich war schuldig, und Gott ließ es mich wissen.

Selbstgerechtigkeit ablegen

Damals war ich sehr versucht, alles zu ignorieren, was ich falsch machte. „Niemand gibt gerne zu, wenn er vom rechten Weg abgekommen ist“, sagte auch Elder Dieter F. Uchtdorf vom Kollegium der Zwölf Apostel. „Wenn wir dann unser Leben prüfen, betrachten wir es folglich durch einen verzerrten Filter voller Ausflüchte und Geschichten, die wir uns einreden, um unwürdige Gedanken und unwürdiges Verhalten zu rechtfertigen.“1

In meinem Fall hatte ich mir eingeredet, dass mein Murren der Missionsarbeit in unserem Gebiet zugutekam. Und anstatt den treuen Dienst unseres Gemeindemissionsleiters – so unvollkommen er mir vorkam – anzunehmen, war ich undankbar, ungeduldig und, offen gesagt, unfreundlich, das wurde mir plötzlich klar. Dank der Eingebung des Geistes konnte ich mein Verhalten erkennen, wie es wirklich war.

Eine geistige Realitätsprüfung

Vom Heiligen Geist so deutlich zurechtgewiesen zu werden, war schmerzhaft, aber im positiven Sinne. Dadurch erkannte ich, dass ich mir meine Fehler eingestehen musste.

Ich wusste aus eigener Erfahrung, dass der Heilige Geist mein bester Verbündeter dabei war. Ich hatte den Eindruck, dass Elder Larry R. Lawrence von den Siebzigern direkt zu mir sprach, als er die Mitglieder der Kirche aufforderte, den Herrn demütig zu fragen: „Was hält mich davon ab, Fortschritt zu machen?“ Weiter sagte er: „Wenn Sie aufrichtig fragen, wird die Antwort bald klar sein. Diese Offenbarung ist nur für Sie bestimmt.“2 Ich wusste, dass ich nicht nur imstande war, Eingebungen in Hinblick auf meine Schwächen zu erhalten, sondern auch, sie abzulegen.

Von Schwäche zu Stärke

Meine Erfahrung hat mich gelehrt: „Wenn [meine] Schwächen und Unzulänglichkeiten versteckt im Schatten bleiben, kann die erlösende Macht des Erretters nicht heilend eingreifen und sie in Stärken verwandeln.“3

Wenn ich jedoch mutig genug bin, mir die Blöße zu geben und meine Schwächen demütig zuzugeben, kann Gott mir helfen, sie durch seine Gnade in Stärken zu verwandeln (siehe Ether 12:27; 1 Petrus 5:5).

Schließlich ist das ehrliche Eingeständnis unserer Schwächen – uns selbst so zu sehen, wie wir wirklich sind – der erste Schritt dorthin, uns zum Positiven zu verändern. Wenn ich weiterhin ehrlich bin und mich um Führung vom Geist bemühe, lässt der Vater im Himmel mich wissen, was sich in meinem Leben ändern muss. Und wenn ich mich auf Jesus Christus, sein Sühnopfer und seine läuternde Macht verlasse, sehe ich meinen eigenen Fortschritt.

Es war zwar unangenehm, meine Fehler einzugestehen, als ich damals zurechtgewiesen wurde, aber ich weiß: Wenn ich mich dafür entscheide, demütig sowie mir selbst und Gott gegenüber ehrlich zu sein, bin ich glücklicher und kann mich selbst besser annehmen. Ich weiß, dass ich trotz meiner Fehler für den Vater im Himmel von göttlichem Wert bin – er möchte aber dennoch, dass ich ein besserer Mensch werde. Durch die Macht seines Sohnes Jesus Christus und durch aufrichtige Umkehr kann ich viel besser werden, als ich es mir je erträumt hätte.

Anmerkungen

  1. Dieter F. Uchtdorf, „Bin ich es etwa, Herr?“, Liahona, November 2014, Seite 58

  2. Larry R. Lawrence, „Was fehlt mir jetzt noch?“, Liahona, November 2015, Seite 35

  3. Dieter F. Uchtdorf, „Bin ich es etwa, Herr?“, Seite 58