2019
Anderen dienen – und sich dienen lassen
Mai 2019


Anderen dienen – und sich dienen lassen

Frauen umarmen einander

Eines Sommers steckte sich meine ganze Familie mit einem hässlichen Grippevirus an. Meine Eltern und drei meiner Geschwister mussten das Bett hüten und konnten sich kaum noch rühren, weil sie hohes Fieber hatten und ihnen alles weh tat. Nur ich blieb von der Krankheit verschont. Also übernahm ich das Kochen und Putzen und kümmerte mich um meine Lieben, denen es so elend ging.

Bis es mich ein paar Tage später ebenfalls erwischte.

Irgendwie sprach es sich herum, dass keiner in unserer Familie gesund genug war, um zu kochen oder einzukaufen. Doch plötzlich hatten wir Essen in Hülle und Fülle – überbracht von vielen FHV-Schwestern unserer Gemeinde.

Schwester Thompson half uns besonders eifrig. Montag brachte sie uns Frühstück, Dienstag Mittagessen und Mittwoch und Donnerstag Abendessen. Am Donnerstagabend, als Schwester Thompson uns gerade erst ihre Hühnernudelsuppe und Brötchen für das Abendessen in die Küche gestellt hatte, klopfte noch jemand an die Tür. Draußen stand Schwester Williams mit einem Topf Chili und einem Korb Maisbrote.

Sie fragte mich, ob meine Familie schon gegessen hätte, während sie neugierig das Essen auf dem Tisch hinter mir beäugte. Ich sagte ihr, dass wir bisher nicht gegessen hätten, dass Schwester Thompson uns allerdings gerade eben das Abendessen gebracht hätte.

„Sie hat euch doch schon die ganze Woche lang Essen gebracht, oder?“, fragte Schwester Williams.

„Ja, das hat sie“, bestätigte ich. „Wir hatten auf jeden Fall jede Menge zu essen.“

Da verzog Schwester Williams das Gesicht und stemmte die Hände in die Hüften. „Also, wenn Sie Schwester Thompson das nächste Mal sehen, sagen Sie ihr bitte, dass sie mal Pause machen soll, damit wir anderen auch etwas von den Segnungen abbekommen!“

Ihr überzeugtes Auftreten brachte mich zum Schmunzeln. Es stimmte mich demütig, wie mitfühlend die Schwestern waren und dass sie keine Mühe scheuten, um meiner Familie zu helfen. Seitdem habe ich wirklich zu schätzen gelernt, dass es sich immer auf beide Seiten auswirkt, wenn man andere an Segnungen teilhaben lässt:

Wenn wir jemandem dienen, lassen wir ihn an den Segnungen teilhaben, die wir vom Vater im Himmel erhalten haben. Wenn wir andererseits demütig und dankbar zulassen, dass jemand uns dient, kann der Betreffende ebenfalls an den himmlischen Segnungen teilhaben, die der Herr denen verheißen hat, die einander lieben und dienen.

Ganz gleich, ob wir Liebe (und Essen!) geben oder empfangen: Beide Seiten können an diesen großartigen Segnungen teilhaben.