2020
Wenn man unerwartet einer neuen Mission zugewiesen wird
Mai 2020


Nur online: Junge Erwachsene

Wenn man unerwartet einer neuen Mission zugewiesen wird

Nimmt deine Mission eine unerwartete Wendung? Hier ein paar Tipps von jemandem, der ein bisschen nachvollziehen kann, wie dir zumute ist.

eine Frau liest in den heiligen Schriften

Die Verfasserin lebt in Utah.

Viele von euch Missionaren sind derzeit nicht dort, wo ihr es eigentlich erwartet habt. Ihr wartet vielleicht darauf, zu erfahren, welcher neuen Mission ihr zugewiesen werdet oder ob ihr vielleicht gar nach Hause geschickt werdet. Angesichts dessen, was dies für jeden Einzelnen bedeutet und wie es für ihn weitergeht, gehen meine Gedanken viele Jahre zurück zu einer schmerzlichen Phase meiner Mission. Vielleicht kann ich ja ein paar nützliche Einblicke gewähren – sozusagen von einer Missionarin, die unerwartet einer neuen Mission zugewiesen wurde, an einen Missionar oder eine Missionarin in den jetzigen Umständen.

Unsere Evakuierung aus Albanien

Anfang 1997 war ich in Albanien auf Mission. Meine Mitarbeiterinnen und ich mochten die ländliche Gegend, die köstlichen Käse-Spinat-Pasteten und den Klang der Sprache, die wir so fleißig erlernt hatten. Vor allem aber kümmerten wir uns gern um die Menschen dort.

Mit der Zeit verschlechterten sich allerdings die politischen Rahmenbedingungen. Wir versuchten zwar, uns weiterhin auf die Evangeliumsverkündigung zu konzentrieren, doch konnten wir nicht umhin, die Meldungen zu hören, dass die Aufständischen immer mehr Oberhand gewannen. Die Regierung verhängte Ausgangssperren, es kam zu Gewalttaten. Das Land schlitterte auf einen Bürgerkrieg zu.

Am 14. März wurde schließlich unsere gesamte Mission evakuiert. Ich werde niemals den Telefonanruf vergessen, bei dem wir erfuhren, dass es nun an der Zeit sei, zusammenzukommen und rasch außer Landes gebracht zu werden. Widersprüchliche Gedanken und Gefühle wirbelten mir durch den Kopf. Natürlich wollte ich in Sicherheit gebracht werden, doch der Gedanke an die Familien, die wir liebgewonnen hatten und die wir nun in all den politischen Unruhen zurücklassen mussten, brach mir das Herz. Wir hatten ja nicht einmal die Möglichkeit, uns zu verabschieden.

Ausgeflogen wurden wir mit einem Hubschrauber, der uns zu einem Flugzeugträger brachte, und nach einem kurzen Aufenthalt in Italien wurden wir dann anderen Missionen zugewiesen. Ich kam nach England. Es ging alles so schnell und war auch aufregend, aber vor allem war es echt schwer. Eine meiner letzten Erinnerungen an Albanien besteht darin, dass ich vom Hubschrauber aus das Land immer kleiner werden sah und mich fragte, was wohl aus den Menschen, die zurückblieben, werden würde.

Frieden finden

Sicherlich sind deine Erlebnisse nicht in allen Einzelheiten mit meinen vergleichbar, doch ich bin mir ziemlich sicher, dass der eine oder andere jetzt ähnliche gemischte Gefühle hegt. Also hoffe ich, dass das, was ich jetzt sage, auch bei dir auf offene Ohren stößt. Hier sind sechs Grundsätze, die mir geholfen haben, trotz der schockierenden Wendungen auf meiner Vollzeitmission inneren Frieden zu finden.

  1. Tausch dich mit anderen aus. Du bist jetzt vielleicht bedrückt und unsicher und möchtest dich am liebsten in dein Schneckenhaus verkriechen. Aber es ist wichtig, dass du dich mit anderen austauschst, besonders während der Eingewöhnungsphase. Bleib in Kontakt mit liebevollen Menschen, die dich aufheitern können. Mit der heute verfügbaren Technik gibt es da keine Ausreden! Vielleicht findest du jemanden, mit dem du deine Fremdsprachenkenntnis üben kannst. Vielleicht kannst du ja auch mit deinen Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen in Verbindung bleiben oder sogar mit denen, die du im Evangelium unterwiesen hast. Und selbst wenn du das Gefühl hast, nun ganz fehl am Platz zu sein – du bist nicht allein! Auch wenn Familie und Freunde vielleicht nicht wissen, wie sie dich jetzt am besten unterstützen können, bin ich mir doch sicher, dass den meisten wirklich viel an dir liegt und sie sich wünschen, dass es dir gut geht.

  2. Gib weiterhin Zeugnis. Ganz gleich, wo du dich befindest: Während du das hier liest, bist du bestimmt von Menschen umgeben, die von genau deiner Sichtweise profitieren können. Zögere nicht, das mitzuteilen, was du auf Mission gelernt und empfunden hast, ganz gleich, wie lange oder wie kurz du im Missionsgebiet selbst gewesen bist. Während du die Ereignisse nun verarbeitest und die Hand Gottes in deinem Leben erkennst, gib diese Einsichten auch an diejenigen weiter, die dir am Herzen liegen. Vielleicht soll jemand genau das hören, was du aus deinem Abenteuer gelernt hast.

  3. Vertrau darauf, dass dich der Vater im Himmel kennt. Weißt du was? Gott hat gewusst, dass alles so kommt! Er weiß ja alles, was sich in deinem Leben abspielt. Und dein Erretter Jesus Christus weiß ganz genau, wie dir zumute ist. Sie begleiten dich auf diesem Weg und können dich durch den Heiligen Geist trösten. Kummer lässt sich nicht im Handumdrehen bewältigen, und das ist auch gut so. Vertrau dem Herrn, denn er sagt: „Ich werde zu eurer rechten Hand sein und zu eurer linken, und mein Geist wird in eurem Herzen sein und meine Engel werden rings um euch sein, um euch zu stützen.“ (Lehre und Bündnisse 84:88.)

  4. Sei bei der Trauerarbeit geduldig. Bist du wütend? Traurig? Enttäuscht? Oder denkst du: „Alles ist so ungerecht!“? Vielleicht sind es ja auch ganz andere Gefühle, die dich bewegen. Sei dir einfach dessen bewusst: Was immer du gerade empfindest, hat schon seine Berechtigung. Du trauerst um einen Verlust, und es ist wichtig, dass du bei der Trauerarbeit mit dir selbst Geduld hast. Gleichzeitig solltest du jedoch darauf achten, dass du deine Erfahrungen nicht dramatisierst oder zu sehr in der Vergangenheit schwelgst, weil das deine Fähigkeit, in der Gegenwart zu leben, beeinträchtigen könnte. Und falls du das Gefühl hast, nicht wirklich klarzukommen, dann bitte doch deinen Bischof oder Missionspräsidenten, dass er dir hilft, einen guten Therapeuten zu finden. Es ist keine Schande, um Hilfe zu bitten.

  5. Bemühe dich um die Begleitung des Heiligen Geistes. Vertiefe dich weiterhin in das Werk des Evangeliums. Wenn du einem neuen Gebiet zugewiesen wirst, halte dich dort ebenso an die Missionsregeln. Bemühe dich, dem Geist jeden Tag zu zeigen, dass du ihn bei dir haben willst, und schreib die Eingebungen auf, die du von ihm erhältst. Dem Geist nahezubleiben hilft dir bei Entscheidungen, die deine Zukunft betreffen, und spendet dir gleichzeitig auch in den derzeitigen Umständen Trost.

  6. Vertrau darauf, dass du noch immer „zu dem Werk berufen“ bist. Lange Zeit dachte ich, meine „Berufung“ sei auf das Gebiet beschränkt, dem ich als Missionarin zugewiesen worden war. Ich wünschte, ich hätte schon früher begriffen, dass meine wahre Berufung darin besteht, Gottes Kindern überall zu dienen, wo ich gerade bin. Selbst als ich mein schwarzes Namensschild abgelegt hatte, war ich noch immer durch meinen Taufbund daran gebunden, den Namen Jesu Christi auf mich zu nehmen und meine Mitmenschen Tag für Tag so zu behandeln, wie der Herr es tun würde. Ob du nun einem neuem Missionsgebiet zugewiesen wurdest oder aus dem Vollzeitdienst entlassen wurdest: Du kannst dir sicher sein, dass sich deine Talente beim Aufbau des Gottesreichs überall einsetzen lassen.

In Gottes Händen

Ich glaube, das Nervenaufreibendste daran, dass wir Albanien verlassen mussten, war die Tatsache, dass wir ganz neue Mitglieder zurückließen, die sich nun ohne unsere Hilfe im Evangelium zurechtfinden mussten. Aber weißt du was? Sie haben ihre Sache hervorragend gemacht. Auch wenn wir ihnen nicht helfen konnten, so war doch Gott bei ihnen. In den 20 Jahren, seit ich dieses Land verlassen musste, ist das Werk dort vorangeschritten, und die Mitglieder sind stark.

Also, lieber Missionar, liebe Missionarin, achte in den Ereignissen rund um dich weiterhin auf die Hand Gottes! Es gibt immer Menschen, die deine Stimme brauchen, und es gibt nach wie vor so vieles, woran wir Freude finden können. Betrachte dein Abenteuer als Trittstein, der deine Beziehung zu Gott vertieft. Möge der Herr dich segnen, während du weiterhin im Glauben vorwärtsstrebst.