Jahresschulungen
„Vor allem“


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„Vor allem“

Schulungsübertragung des Bildungswesens der Kirche • 12. Juni 2019 • Auditorium im Erdgeschoss des Verwaltungsgebäudes der Kirche

Zunächst möchte ich jedem von Ihnen dafür danken, dass Sie sich beim Evangeliumsstudium und im Unterricht vor allem auf den Erretter konzentrieren. Bei meinen Unterrichtsbesuchen habe ich gesehen, wie Sie und Ihre Schüler seine Titel und Aufgaben benennen, seine Merkmale und Eigenschaften besprechen und von seinem vollkommenen Beispiel lernen,1 und ich konnte spüren, wie dankbar der Vater im Himmel ist, dass Sie für seinen geliebten Sohn Zeugnis ablegen. Wenn Sie Elder Clarks Rat befolgt und Ihren Schülern geholfen haben, Jesus Christus kennenzulernen und von ihm zu lernen2, war vermehrt der Heilige Geist in Ihrem Unterricht und bei Ihren Aufforderungen zu spüren. Ein Lehrer sagte mir kürzlich: „Jesus ins Zentrum des Unterrichts zu stellen, hat Freude ins Klassenzimmer zurückgebracht.“ Ich ermuntere Sie, weiterhin nach Inspiration zu streben, wie Ihnen dies jeden Tag am besten gelingt.

Heute möchte ich Sie auffordern, darauf aufzubauen und noch etwas zu tun, damit Ihre Schüler den Erretter sehen, nicht nur beim Schriftstudium, sondern auch in Ihnen – weil Sie danach streben, seinem Beispiel und seiner Liebe nachzueifern. Sie erinnern sich vielleicht an diesen Gedanken von Präsident Boyd K. Packer, den ich inspirierend und zugleich in seiner Bedeutung überwältigend finde:

„Die Eigenschaften, die ich zu meiner großen Freude in Ihnen, Brüder und Schwestern, über die Jahre erkennen durfte, sind nichts anderes als das Abbild des größten aller Lehrer, das sich zeigt. In dem Maße, wie Sie Ihre Herausforderungen bewältigen und Ihrem Auftrag nachkommen, wird das Abbild Christi Ihrem Gesichtsausdruck aufgeprägt. Und im Grunde sind Sie dann, wenn Sie zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten Klassenzimmer stehen und Ihren Unterricht mit der entsprechenden Inspiration abhalten, Christus und Christus ist Sie.“3

Von allen Eigenschaften des Erretters ist diejenige, die sowohl die Motivation als auch die Grundlage für alle anderen zu bilden scheint, seine vollkommene Liebe – seine Liebe zu seinem Vater im Himmel und seine Liebe zu einem jedem von uns.

Der Apostel Paulus schrieb: „Und wenn ich prophetisch reden könnte und alle Geheimnisse wüsste und alle Erkenntnis hätte; wenn ich alle Glaubenskraft besäße …, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts.“4 Zu einer Gruppe von Seminar- und Institutslehrern hätte Paulus vielleicht gesagt: „Und wenn ich großes Charisma besäße und alle Erkenntnis der Grundlagen des Lehrens und Lernens und der Pädagogik hätte, und wenn mein Anschauungsunterricht auch noch so kreativ wäre, ich hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts.“ Benutzen Sie diese Aussage bitte nicht als Vorwand, sich nicht anzustrengen, ein sehr gewandter Lehrer zu sein. Aber denken Sie daran: Wenn wir um Erkenntnis, Wissen, ja, sogar Glauben beten, aber nicht auch um Nächstenliebe, sind wir „dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke“5.

„Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig“

Der Apostel Paulus hat auch geschrieben: „Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig.“6

Ein Beispiel für die Güte des Erretters finden wir in Lukas 19. Zachäus, ein Zöllner, war durch seine Arbeit für die Römer reich geworden, wurde aber von den Juden gehasst, da sie sich durch seine Steuereintreibung verraten fühlten. Eines Tages wollte Zachäus Jesus sehen, doch konnte er es nicht, weil er klein war und sich nicht durch die Menschenmenge zwängen konnte, die ihm nicht helfen wollte. Also lief Zachäus Jesus voraus und kletterte auf einen Maulbeerfeigenbaum, damit er Jesus sehen konnte, wenn er vorbeikam.

Zachäus auf einem Baum

In den Schriften heißt es: „Als Jesus an die Stelle kam, schaute er hinauf und sagte zu ihm: Zachäus, komm schnell herunter! Denn ich muss heute in deinem Haus bleiben.

Da stieg er schnell herunter und nahm Jesus freudig bei sich auf.“7

Können Sie sich vorstellen, was es für Zachäus bedeutete, gesehen zu werden, und was die Einladung des Erretters in jemandem, der es gewohnt war, ausgeschlossen zu werden, auslöste? Diese kleine gütige Tat hatte sicher eine große Wirkung.

Unsere Schüler brauchen unsere Langmut und Güte. Fehlverhalten, Unterbrechungen oder eine negative Einstellung können den Unterricht mitunter erschweren. Aber ich bitte Sie inständig, in solchen Momenten über das Verhalten hinwegzusehen und den Menschen zu sehen. Bitte halten Sie inne und fragen Sie sich: „Welche Ursachen könnte dieses Verhalten oder diese Einstellung haben?“

Elder Jeffrey R. Holland hat gesagt: „Wenn diese Kinder gar nicht reagieren, können Sie ihnen vielleicht noch nichts beibringen, aber Sie können sie lieb haben. Und wenn Sie sie heute lieb haben, können Sie sie vielleicht morgen schon belehren. …

Nichts davon ist von den Schülern abhängig. Wir können sie von Anfang bis Ende lieb haben, und Wunder werden geschehen.“8

Aber wie macht man das, besonders wenn es einem bei manchen schwerfällt, sie lieb zu haben? Auch dabei bringt uns Elder Holland weiter, der gesagt hat: „Sie können damit beginnen, dass Sie Gott lieben. Dann können Sie ihn bitten, Ihnen dabei zu helfen, Ihre Liebe zu ihm auf andere zu übertragen, die Ihre Liebe brauchen.“9 Sie können „mit der ganzen Kraft des Herzens zum Vater [beten,] von dieser Liebe erfüllt“10 zu werden. Sie können beten, dass Sie sie so sehen, wie Gott sie sieht. Sie können zuhören und versuchen, sie zu verstehen. Und Präsident Henry B. Eyring hat ergänzt: „Dienen Sie ihnen, überlegen Sie, welche kleinen Dienste Sie ihnen erweisen können. Zahlen Sie den Preis, indem Sie dienen, und Gott wird dies annehmen. Ich gebe Ihnen diese Verheißung. Machen Sie sich keine Sorgen, wenn Ihre Schüler mitunter nicht sonderlich liebenswert sind. Tun Sie einfach etwas für sie, und sie werden Ihnen ein bisschen liebenswerter erscheinen. Dies ist dann ein Geschenk Gottes.“11

Ihnen allen, die Sie an Konzerten oder Sportveranstaltungen Ihrer Schüler teilnehmen oder ihnen auf andere Weise im Stillen etwas Gutes tun, danke ich herzlich. Selbst wenn sie Sie nicht bemerken, werden sie spüren, dass Ihre Liebe zu ihnen zunimmt, weil der Herr Sie mit Nächstenliebe segnet, wenn Sie Ihrem Nächsten dienen.12

Ein weiteres Beispiel für die Güte des Erretters findet sich in Markus, Kapitel 5.

Jesus heilt eine Frau, die an Blutungen leidet

Denken Sie einen Moment darüber nach, was Jesus für die Frau getan hat, die an Blutfluss litt. Er tat sehr viel mehr, als sie körperlich zu heilen. Sie muss von Schmerz, sozialer Ausgrenzung und finanzieller Not erschöpft gewesen sein. Als Jesus bemerkte, dass eine Kraft von ihm ausgeströmt war, blickte er „umher, um zu sehen, wer es getan hatte“13. Die körperliche Heilung hatte bereits stattgefunden. Jesus war unterwegs, eine andere dringende Angelegenheit zu erledigen, und doch blieb er stehen. Er erkannte ihren Glauben und bezeichnete sie liebevoll als „Tochter“.14 Der Erretter sah sie, nicht ihre Krankheit. Er sah einen Menschen, der geliebt und aufgerichtet werden musste, kein Problem, das gelöst, oder eine Aufgabe, die erledigt werden musste.15

Welche Aufgabe Sie auch erledigen müssen, welche Lektion Sie auch vorbereiten oder unterrichten, welche Verhaltensprobleme Sie auch erleben, all dies ist immer eine Gelegenheit, Menschen aufzurichten.

Und ich hoffe, dass sich unsere Liebe auch auf diejenigen erstreckt, die derzeit nicht eingeschrieben sind oder nicht teilnehmen. Es gibt viele Menschen wie Zachäus und diese Frau, die am Rand stehen. Also folgen Sie dem Beispiel des Erretters und finden Sie sie.16 Bitte beten Sie und beraten Sie sich und bemühen Sie sich um Inspiration, wie Sie mehr jungen Menschen helfen können, vom Erretter und von seinen Lehren zu lernen. Die Einschreibung und der Abschluss sollen eine Priorität und eine treibende Kraft dabei sein, mehr Kindern des himmlischen Vaters Segen zu bringen.

„Vor allem: Bekleidet euch mit dem Band der Nächstenliebe wie mit einem Mantel“

Der Herr sagte dem Propheten Joseph Smith: „Vor allem: Bekleidet euch mit dem Band der Nächstenliebe wie mit einem Mantel, denn es ist dies das Band der Vollkommenheit und des Friedens.“17 Wie könnte es aussehen, mit dem Band der Nächstenliebe bekleidet zu sein?

Die Frau, die beim Ehebruch ertappt worden ist

In Johannes 8 lesen wir von einer Frau, die von den Pharisäern zum Tempel und vor Jesus gebracht wurde. Sie sagten zum Erretter:

„Meister, diese Frau wurde beim Ehebruch auf frischer Tat ertappt.

Mose hat uns im Gesetz vorgeschrieben, solche Frauen zu steinigen. Was sagst du?“

Jesus bückte sich und schrieb etwas auf den Boden, als ob er sie nicht hörte. „Als sie hartnäckig weiterfragten, richtete er sich auf und sagte zu ihnen: Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie. Und er bückte sich wieder und schrieb auf die Erde.“

Da die Pharisäer nun ihr eigenes Gewissen plagte, gingen sie einer nach dem anderen fort. Als Jesus und die Frau allein waren, fragte er sie einfühlsam: „Frau, wo sind sie geblieben? Hat dich keiner verurteilt?

Sie antwortete: Keiner, Herr. Da sagte Jesus zu ihr: Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!“18

Denken Sie über diese Begebenheit nach und betrachten Sie mit mir drei der vielen Lektionen, die man aus dem vollkommenen Beispiel des Erretters lernen kann.

Erstens: Das Sühnopfer Jesu Christi ermöglicht es uns, aus unseren Fehlern und durch Umkehr zu lernen, anstatt wegen unserer Fehler verurteilt zu werden. In unseren Klassen gibt es Schüler, die Fehler gemacht haben. Wenn wir voller Mitgefühl darüber sprechen, wie bereitwillig unser Vater im Himmel uns vergibt und welche Freude Umkehr mit sich bringt,19 helfen wir den Schülern (und unseren Kindern), daran zu glauben, dass sie das Sühnopfer des Erretters für sich in Anspruch nehmen können – denn genauso ist es.

Übrigens gilt dieser Rat ebenso für jeden von uns. Auch wir brauchen das Sühnopfer des Erretters, damit uns vergeben wird und wir Heilung finden. Wenn wir dann die Freude der Umkehr selbst erleben, können wir unsere Schüler dazu inspirieren, sich an den Erretter zu wenden, da unsere Worte unserem gewandelten Herzen entspringen.

Zweitens: Liebe ist eine gute Motivation, um in uns den Wunsch zu stärken, das Richtige zu tun. Elder Dale G. Renlund hat gesagt: „Gewiss hat der Erretter Ehebruch nicht geduldet. Und doch hat er die Frau nicht verurteilt. Er forderte sie auf, ihr Leben umzugestalten. Sie wollte sich ändern – dank seines Mitgefühls und seiner Gnade. In der Joseph-Smith-Übersetzung der Bibel wird bestätigt, dass sie ihm daraufhin nachfolgte: ,Und die Frau verherrlichte Gott von der Zeit an und glaubte an seinen Namen.‘ [Joseph-Smith-Übersetzung von Johannes 8:11.]“20

Als Lehrer (oder als Eltern) könnten wir versucht sein, notwendige Zusicherungen unserer Liebe zurückzuhalten, weil wir befürchten, sie könnten damit verwechselt werden, dass Sünde gerechtfertigt oder Fehlverhalten gutgeheißen wird. Unsere Schüler und unsere Kinder wissen in der Regel bereits, wie wir zum Herrn und zu seinen Geboten stehen. Was sie oftmals brauchen, ist die Gewissheit, dass sie geliebt und geschätzt werden. Solche Liebe und Hoffnung, wie sie diese Frau empfunden haben muss, als der Erretter ihr mit Nächstenliebe begegnete, spüren hoffentlich alle unsere Schüler, wenn sie mehr über Christus und sein Evangelium lernen.

Drittens: Der Erretter liebt die Lehre des Vaters, hat sie aber niemals als Knüppel benutzt. Die Pharisäer kannten das Gesetz des Mose genau und beriefen sich auch darauf. Sie konnten sowohl das Gesetz als auch die Folgen zitieren. Aber der Gesetzgeber selbst, dessen Aufgabe es war, „die zu heilen, die gebrochenen Herzen sind [und] den Gefangenen Freilassung auszurufen“21, wollte lieber Barmherzigkeit walten lassen. Er schützte die Frau vor den anklagenden Händen und Herzen der Pharisäer, während er jene zur notwendigen Selbstreflexion und dem Bewusstsein brachte, dass sie selbst sich ändern mussten.

Manchmal legen Schüler oder Lehrer die Lehre in einer Weise aus, die dazu führt, dass man andere anklagt oder verurteilt. Anstatt zu ermutigen und zu erbauen, erniedrigt dieser Ansatz und kann sogar zerstören. Dem Beispiel des Meisters zu folgen bedeutet, so zu lehren, dass Hoffnung entsteht und die Verwundeten geheilt werden.

Neben Sünde gibt es vielerlei weitere Ursachen, die zu einem gebrochenen Herzen führen. Viele Schüler kommen aus schwierigen Verhältnissen oder haben traumatische Erfahrungen gemacht, die sie daran zweifeln lassen, dass sie geliebt und geschätzt werden. Einige haben Herausforderungen wie Ängste oder Perfektionismus und fassen das, was sie hören, eher als eine Verurteilung auf und nicht als Hoffnung. Andere fühlen sich unerwünscht, weil sie wegen ihrer sexuellen Identität mit Versuchungen oder Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Sie fühlen sich gefangen und fürchten, dass sie keinen Platz oder keine Zukunft in der wiederhergestellten Kirche Jesu Christi haben.

Als Lehrer müssen wir so gut es geht nachvollziehen, was solche Erfahrungen für unsere Schüler bedeuten. Ich möchte hier nur von einem ehemaligen Schüler berichten und welche Erfahrungen er im Seminar gemacht hat: „Das Gebot lautet, man solle seinen Nächsten lieben, aber man hat das Gefühl, als ob die Leute meinen, sie sollen ihren Nächsten lieben, solange er nicht schwul ist. Ich höre vor allem heraus, dass das das Allerschlimmste ist, und ich frage mich, wie ich Selbstwertgefühl haben soll und wie der Vater im Himmel mich überhaupt lieben kann.“

Womit einzelne Schüler auch zu kämpfen haben, wir müssen zuhören, damit wir sie verstehen und aufrichtig und einfühlsam unsere Liebe zum Ausdruck bringen können. Wir müssen eine Unterrichtsatmosphäre schaffen, in der Fragen erwünscht sind und Probleme respektvoll und verständnisvoll diskutiert werden. Wir müssen die Wahrheit klar lehren und jedem Schüler helfen, seine ewige Identität als Kind liebevoller himmlischer Eltern zu erkennen.22 Und wir müssen ihnen deutlich aufzeigen, dass sie nicht allein sind. Wenn wir liebevoller und verständnisvoller sind, ist der Heilige Geist zugegen, das Lernen wird gefördert und gebrochene Herzen werden geheilt.23

Präsident Dallin H. Oaks hat erklärt: „Wir haben die Pflicht, ,des anderen Last zu tragen, damit sie leicht sei‘ (Mosia 18:8). Wir können die Lehre des Herrn nicht ändern, aber wir wollen, dass unsere Mitglieder und unsere Richtlinien berücksichtigen, dass es Menschen gibt, die mit den Herausforderungen des Lebens zu kämpfen haben.“ Er sagte auch, dass „die Bemühungen unserer Mitglieder um mehr Verständnis, Mitgefühl und Liebe bei allen Menschen … zu mehr Respekt und Verständnis führen [und] den heutzutage so verbreiteten Hass und Streit abbauen [sollen]. … Wir jedenfalls hegen gewiss diesen Wunsch und bitten unsere Mitglieder und alle anderen Menschen um ihre Hilfe, dies zu erreichen.“24

Es ist wichtig, dass jeder Lehrer die Lehre versteht, weiß, was die Propheten des Herrn derzeit über diese Themen sagen, und weiß, wie man hilfreich und mitfühlend reagiert.25 Wir sind fest entschlossen, in diesen Bereichen Fortschritt zu machen, und es wird weitere Schulungen und Hilfen geben, um Sie hierin zu unterstützen.

Wenn es vorkommt, dass von Ihnen oder von einem Schüler etwas gesagt wird, was dazu führen könnte, dass sich jemand unerwünscht fühlt, beten Sie bitte um die Kraft und die Erkenntnis, wie Sie dem begegnen und dazu beitragen können, dass es nicht zu solchen anklagenden Äußerungen kommt. Rufen Sie den Schülern ins Gedächtnis, dass jeder von uns noch im Werden begriffen ist und auf die Barmherzigkeit des Erretters angewiesen ist. Es war Luzifer, der als der Ankläger bekannt war, „der [uns] bei Tag und bei Nacht vor unserem Gott verklagte“.26 Dagegen sind die Hände und die Arme des Herrn immer liebevoll ausgestreckt.

Ein weiteres Merkmal der göttlichen Liebe ist der Wunsch unseres Vaters im Himmel, dass wir wie er werden und alle Segnungen empfangen, die er für seine Kinder bereitet hat.

Unser Vater im Himmel ist ein Gott mit hohen Erwartungen

Elder D. Todd Christofferson hat erklärt: „Unser Vater im Himmel ist ein Gott mit hohen Erwartungen.“27 Er gibt uns nicht auf. Er bleibt bei uns, wenn wir wanken, hofft mit uns, wenn wir uns verbessern, und bleibt geduldig, während wir uns weiterentwickeln. Eine Lehrerin, die ihre Schüler lieb hat, hat ebenfalls hohe Erwartungen und sorgt sich mehr um deren ewigen Fortschritt als darum, wie der heutige Unterricht gelaufen ist oder wie beliebt sie bei ihren Schülern ist.

Jesus lag viel daran, welchen Fortschritt seine Nachfolger machten.

Jesus und Petrus gehen auf dem Wasser

Zum Beispiel sah Jesus in Petrus etwas, was dieser in sich selbst nicht sehen konnte. Er forderte Petrus auf, im Glauben zu handeln, und als Petrus wankte, richtete der Erretter ihn auf. Er hatte stets im Blick, wer Petrus eines Tages werden würde.

Hohe Erwartungen inspirieren die Schüler dazu, im Glauben zu handeln und so die verheißenen Segnungen des Herrn zu erfahren. Elder Neil L. Andersen hat gesagt: Wenn wir ohne Liebe führen und lehren und geringe Erwartungen haben, begünstigen wir Auflehnung. Hohe Erwartungen ohne Liebe fördern Fehlverhalten. Ein hohes Maß an Liebe mit niedrigen Erwartungen erzeugt ein Gefühl der Brüderlichkeit, aber nur wenig Fortschritt. Doch ein hohes Maß an Liebe und hohe Erwartungen erzeugen Wunder.28 Eine solche Liebe hat der Erretter, und eine solche Liebe brauchen wir, wenn wir im Leben unserer Schüler etwas bewirken wollen.

Wenn ich Seminar- und Institutsschüler frage, welchen Einfluss die Liebe ihres Lehrers auf sie hatte, antworten sie ohne Zögern und mit großer Dankbarkeit. Hier ein paar Beispiele aus jüngerer Vergangenheit:

Eine Schülerin sagte: „Es ist schön, den Klassenraum zu betreten und zu sehen, dass mein Seminarlehrer mir freundlich zulächelt. Ich kann gar nicht beschreiben, wie sehr mir seine liebevolle Art schon geholfen hat. Vor kurzem hat er mich wegen etwas gelobt, und als ich das Gebäude verließ, war ich den Tränen nahe, weil ich mich so darüber gefreut habe. Dieses einfache Kompliment hat mir so viel bedeutet. Ich freue mich jeden Tag darauf, zum Seminar zu gehen. Es ist das Highlight des Tages. Die Liebe meines Lehrers hat mich motiviert, meinen Nächsten zu lieben und jeden als Sohn oder Tochter Gottes zu sehen.“

Ein anderer hat gesagt: „Der Unterricht heute hat etwas verändert. Ich habe allen Mut zusammengenommen und eine schwierige Frage gestellt, und meine Lehrerin hat mir aufmerksam zugehört und versucht, den Hintergrund zu verstehen. Dann hat sie sich Zeit genommen, auf meine Frage einzugehen. Was sie gesagt hat, hat mir Aspekte aufgezeigt, die ich vorher nicht bedacht hatte.“

Und ein Schüler schrieb: „Zu Beginn des Semesters war ich völlig ablehnend. Das Evangelium und ich selbst waren mir egal, und ich war alles andere als glücklich. Ich hatte meinen Eltern gesagt, dass ich das Seminar abbrechen wollte. Dann ging ich zum Unterricht. Mein Lehrer kannte meinen Namen, obwohl ich vorher noch nie dort gewesen war. Der Geist, der im Unterricht herrschte, wirkte sich auf den ganzen Tag aus, und das Leben schien mir ein wenig erträglicher. Ich änderte meine Gewohnheiten, ging öfter in die Kirche, las in den Schriften und fing an nachzudenken. Die Liebe meines Lehrers zu uns und zum Evangelium und das Licht Christi, das ich in ihm sah, motivierten mich, dieses Licht und diese Liebe anzustreben. Ich werde den Seminarabschluss machen, auf Mission gehen und eines Tages im Tempel heiraten, weil mein Lehrer den Heiligen Geist bei sich hatte und jeden Tag mit ihm als Begleiter unterrichtet hat.“

Abschließend möchte ich zum Ausdruck bringen, wie dankbar ich dem Herrn bin – und Ihnen. Ich bin dankbar für die allumfassende und unmittelbare Liebe des Herrn. Ich bin dankbar für seine Geduld, während ich mich bemühe, das, was wir heute besprochen haben, selbst zu verinnerlichen. Seine Liebe und sein Mitgefühl motivieren mich, besser sein zu wollen. Ich möchte Ihnen auch sagen, dass wir Sie sehr lieb haben. Wir wissen um Ihren unermüdlichen Einsatz für diejenigen, die Sie unterrichten und unterstützen. Wir wissen, wie innig Sie für sie beten, wie sehr Sie mitleiden, wenn sie mit etwas zu kämpfen haben, und wie sehr Sie sich freuen, wenn sie Erfolg haben. Wir wissen, dass Sie Ihre eigenen Lasten zu tragen haben und sich täglich auf den Herrn verlassen, um für sich und Ihre Familie von ihm Kraft zu erhalten. Wir hoffen, Sie wissen, dass wir für Sie beten und dass wir Sie lieb haben.

Mögen Sie jedem Schüler helfen, den Erretter kennen und lieben zu lernen, indem Sie ihm helfen, den Erretter zu sehen – sowohl beim Schriftstudium als auch in Ihnen. Ich bete, dass wir einfach freundlich sind und den Einzelnen sehen, nicht das Problem, und uns bemühen, immer mehr Kindern des himmlischen Vaters ein Segen zu sein. Helfen wir mit, dass es nicht zu anklagenden Äußerungen kommt und jeder spüren kann, dass er einen Platz und eine Zukunft in der Kirche des Herrn hat. Motivieren wir unsere Schüler, ihr Leben lang als Jünger Jesu Christi den Lehren des Erretters zu folgen und sicher auf dem durch Bündnisse vorgezeichneten Weg zu bleiben, damit sie alle Segnungen empfangen können, die unser Vater im Himmel für sie bereitet hat. Mögen wir ihnen helfen, die Liebe des himmlischen Vaters und seines Sohnes Jesus Christus zu verspüren und sich darauf zu verlassen. Und mögen Sie nie vergessen, dass „das Abbild Christi Ihrem Gesichtsausdruck aufgeprägt [sein kann]. Und im Grunde sind Sie dann, wenn Sie zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten Klassenzimmer stehen und Ihren Unterricht mit der entsprechenden Inspiration abhalten, Christus und Christus ist Sie.“29

Im Namen Jesu Christi. Amen.