Junge Christenmenschen

Jack H. Goaslind

„Ich bitte euch Christenmenschen, rechtschaffene Wünsche zu entwickeln, zu hegen und zu bewahren., Yagottawanna’ (du mußt es nur wollen). Das ist der Schlüssel zum Tun; das ist der Schlüssel zum Glücklichsein.”

Ich bin von Herzen dankbar für die Berufung als Präsident der Jungen Männer. Als mir diese Aufgabe übertragen wurde, erschien sie mir einfach überwältigend. Und auch heute erscheint sie mir zunehmend schwieriger, denn mir wird jeden Tag deutlicher bewußt, welch herrliche Zukunft ihr Jungen vor euch habt und welche Hindernisse ihr bewältigen müßt, um eure Ziele zu erreichen.

Im Buch Mormon wird gesagt, was alles in euch steckt. Dort werdet ihr nämlich als „Christenmenschen” bezeichnet (siehe Helaman 3:29). Was ist ein Christenmensch? Könnt ihr Diakone, ihr Lehrer und ihr Priester ein solcher Christenmensch werden, oder ist dies der älteren Generation vorbehalten? Ich bin zwar Präsident der Jungen Männer, aber ich hoffe, daß ich in Wirklichkeit über die Gemeinschaft junger Christenmenschen präsidiere. Ich möchte euch Jungen lieber als Christenmenschen bezeichnen. Ihr seid zwar noch jung, aber trotzdem seid ihr schon Männer. Ich bete darum, daß wir alle das Gotteswort verstehen mögen, das uns auf dem engen und schmalen Pfad hält und uns hilft, viel Leid und Elend aus dem Weg zu gehen. Heute möchte ich über ein hervorstechendes Merkmal des jungen Christenmenschen sprechen.

Dieses Merkmal kommt in einem Wort zum Ausdruck, das ich vor kurzem auf dem abgetragenen T-Shirt eines Jungen sah. Das T-Shirt stammte von einer Jugendtagung, die schon seit langem vorbei war. Dort stand: „Yagottawanna” (umgangssprachlich für: Du mußt es nur wollen). Scherzhaft sagte ich, daß es sich bei diesem Wort wohl um ein altes Indianerwort handeln müßte, und bat den Jungen, es mir zu erklären. Er sah mich an, als ob ich ihn auf den Arm nehmen wollte, ließ sich dann aber doch zu einer Antwort herab. „Yagottawanna bedeutet, daß man etwas zuerst wollen muß, weil man es sonst nämlich gar nicht tut.” Natürlich hatte ich das schon vorher gewußt, aber es hat mir Freude gemacht, seiner Erklärung zuzuhören.

Wer diese Jugendtagung geplant hat, hat eine gute Idee gehabt. „Yagottawanna” schließt nämlich mehrere wichtige Evangeliumsgrundsätze ein. Einmal erinnert mich dieses Wort an die Wesensmerkmale Gottes. „Und es gibt nichts, was der Herr, dein Gott, sich im Herzen zu tun vornimmt, was er dann nicht auch tut.” (Abraham 3:17.) Ist es nicht schön, daß wir uns darauf verlassen können: der himmlische Vater tut immer, was er sagt?

Dieser Grundsatz umfaßt zweierlei: erstens nimmt Gott sich etwas im Herzen vor. Wenn wir uns etwas im Herzen vornehmen, dann bedeutet das, wir empfinden etwas. Das ist der Geist der Offenbarung (siehe LuB 8:2,3). Er schenkt uns inneren Frieden; wir fühlen uns wohl. Präsident Marion G. Romney hat gesagt, der Heilige Geist dringe in unseren Geist und unser Empfinden ein und bewege uns dazu, das zu tun, was recht ist (Ye are a Peculiar People, Ansprache an der Brigham-Young-Universität, 10. April 1956). Er bewegt uns dazu, Gutes zu tun (siehe LuB 11:12).

Wie oft schon habt ihr einen geistigen Gedanken, ein Lied oder eine Geschichte gehört und anschließend den Wunsch gehabt, etwas Gutes zu tun? Das ist nichts Ungewöhnliches, es ist vielmehr eine gesunde geistige Empfindung, die notwendig ist, damit wir Fortschritt machen können. Aber wie oft habt ihr dann auch das getan, wozu ihr euch gedrängt gefühlt habt? Und das führt uns zum zweiten Aspekt dieses Grundsatzes: Wenn Gott sich etwas im Herzen vornimmt - was immer das auch sein mag - dann tut er es auch. Er tut es einfach.

Jemand hat einmal gesagt: „Wir haben Empfindungen erhalten, damit sie uns zum Handeln antreiben; wenn wir sie aber auf sich beruhen lassen, nützen sie uns nichts.” (Daniel Keyte Sandford, The International Dictionary of Thoughts, zusammengestellt von John P. Bradley, Leo F. Daniels, Thomas C. Jones, Chicago, 1969, Seite 291.) Das bedeutet folgendes: Wenn wir etwas spüren, müssen wir auch handeln, damit wir uns die Empfindungen bewahren, die wir gerade erleben. Eider Joseph B. Wirthlin hat gesagt: „Ein Mensch, der das Rechte tut und nach der Gerechtigkeit hungert und dürstet (siehe Matthäus 5:6), bewahrt sich durch sein Handeln den Wunsch, das zu tun, was recht ist.” (Generalkonferenz, April 1976.) Wer aber im Gegensatz dazu nicht gemäß seinen rechtschaffenen Wünschen handelt, setzt sich großer Gefahr aus. C. S. Lewis hat gesagt: „Je häufiger jemand zwar etwas fühlt, aber nicht handelt, desto weniger ist er später in der Lage zu handeln, und auf lange Sicht verliert er auch die Fähigkeit zu empfinden.” (The Screwtape Leiters, New York, 1982, Seite 61.)

„Yagottawanna” macht uns auch deutlich, was Entscheidungsfreiheit ist. Ein junger Mensch, der von rechtschaffenen Wünschen bewegt wird, tut Gutes, und zwar ohne darauf zu warten, daß man ihn dazu auffordert. Er tut „vieles aus freien Stücken” und bewirkt „viel Rechtschaffenheit” (LuB 58:27). Er handelt selbst, statt zuzulassen, daß über ihn bestimmt wird. Er hat sich im Griff, und das ist ein herrliches Gefühl. Dieses Gefühl haben wir aber nur, wenn wir eine der kostbarsten Gaben ausüben, die wir erhalten haben, nämlich die Entscheidungsfreiheit.

„Yagottawanna” hat auch etwas mit dem Glauben zu tun. Der Glaube beginnt mit dem Wunsch. Der Herr wird euch segnen, auch „wenn ihr nicht mehr tun könnt, als daß ihr den Wunsch habt zu glauben” (Alma 32:27). Wenn wir es zulassen, wird sich der Wunsch in den festen Glauben verwandeln, der etwas bewirken kann.

Was wir uns wünschen, bestimmt letztlich, welcher ewige Richterspruch über uns verhängt wird. Alma hat gesagt, Gott gewähre den Menschen „gemäß ihrem Wunsch”, „ sei es zum Leben oder zum Tod” (Alma29:4).

Im Verlauf des Lebens ändern sich unsere Wünsche, manchmal von Grund auf und von einem Augenblick auf den anderen, manchmal nur langsam. Eider Boyd K. Packer hat einmal Lady Astor zitiert, die gesagt hat: „Ich hatte immer große Angst vor dem Älterwerden, weil man dann nicht mehr das tun kann, was man gerne möchte. Aber so schlimm ist das gar nicht - man möchte es dann nämlich auch nicht mehr.” (Generalkonferenz, Oktober 1974.) Haltet euch vor Augen, daß etwas, was euch heute wichtiger als alles andere ist, in ein paar Jahren vielleicht überhaupt nicht mehr wichtig ist. Aber ihr könnt euch jetzt dafür entscheiden, etwas zu wollen, was euch in Übereinstimmung mit der Ewigkeit bringt. Ihr könnt euch zum Beispiel dafür entscheiden, rechtschaffen zu sein, anstatt eure Zeit mit etwas zu verschwenden, dessen Wert vergänglich ist; ihr könnt euch dafür entscheiden, bereitwillig zu dienen und nicht aus egoistischen Gründen. Eider Marion D. Hanks hat oft den folgenden Spruch zitiert: „Man darf das Wichtige nicht über dem Unwichtigen vernachlässigen.” Die Entscheidungen, die wir hier auf der Erde treffen, sind für die Ewigkeit sehr wichtig.

Die richtige Gottesverehrung zeigt, wie das Zauberwort „Yagottawanna” wirkt. Wie oft habt ihr euch schon in der Abendmahlsversammlung gelangweilt und das auch gezeigt? Ihr wißt wie: den Oberkörper nach vorne gebeugt, das Kinn in die Hände gestützt, die Ellbogen auf die Knie gestützt, den Blick ausdruckslos auf den Boden gerichtet. Habt ihr schon einmal darüber nachgedacht, daß es an euch selbst liegt, ob ihr die Abendmahlsversammlung interessant findet oder nicht?

Vor ein paar Jahren habe ich von einem Bruder erzählen gehört, der darüber gesprochen hat, wie er sich Präsident David O. McKays Schlußansprache auf einer Generalkonferenz angehört hat. Draußen war es sehr schwül, und es war immerhin auch schon die fünfte Versammlung. Der Bruder saß auf dem Balkon, und er hatte große Schwierigkeiten, sich auf die Ansprache zu konzentrieren. Da sah er im Mittelteil unter sich einen Mann sitzen, der eingeschlafen war. Er überlegte sich, daß er, wenn er oben im Dach des Tabernakels säße, jetzt gut eine Krampe durch eins der Belüftungslöcher schießen könnte - dem Schlafenden geradewegs in den Mund. Was für ein toller Gedanke! Nach der Versammlung hörte er zufällig zwei Männer darüber sprechen, was sie während der Ansprache von Präsident McKay empfunden hatten. Seine Worte hatten sie sehr bewegt. Unser Bruder dachte bei sich: Die beiden haben ein herrliches geistiges Erlebnis gehabt, und ich? Was habe ich gemacht? Ich habe darüber nachgedacht, wie ich Krampen von der Decke schießen könnte!

Präsident Spencer W. Kimball hat gesagt, die Gottesverehrung sei „Aufgabe jedes einzelnen. Unabhängig davon, was am Rednerpult gesagt wird - wenn man den Herrn im Geist und in der Wahrheit anbeten möchte, dann kann man das auch tun. … Wenn der Gottesdienst für Sie nichts bewirkt, dann liegt das an Ihnen selbst. Niemand kann Gott für Sie verehren; Sie müssen dem Herrn schon selbst dienen.” (Ensign, Januar 1978, Seite 5.)

Ein Junge hat erzählt, wie er den Geist der Gottesverehrung zum erstenmal richtig erlebt hat. Als er noch zum Aaronischen Priestertum gehörte, war er gar nicht richtig in der Kirche aktiv. Wenn er zur Abendmahlsversammlung ging, setzte er sich meistens mit seinen Freunden in die hinterste Reihe, und er war ihnen wohl kaum ein gutes Vorbild dafür, wie man andächtig ist. Eines Tages jedoch kam er etwas zu spät, und neben seinen Freunden war kein Platz mehr. Deshalb setzte er sich allein irgendwohin, und zum erstenmal schloß er beim Beten die Augen, sang die Lieder mit, hörte aufmerksam zu, als die Abendmahlsgebete gesprochen wurden, und hörte auch den Sprechern zu. Als der erste Sprecher halb mit seiner Ansprache fertig war, stiegen ihm die Tränen in die Augen. Das machte ihn verlegen, und er sah sich verstohlen um. Außer ihm schien niemand berührt zu sein. Er wußte nicht genau, warum, aber dieses Erlebnis änderte alles. Während dieser Versammlung begann er mit der geistigen Vorbereitung auf seine Mission. Er spürte etwas, und glücklicherweise handelte er entsprechend und bewahrte sich so seine Gefühle. Ich möchte besonders auf einen wichtigen Wunsch hinweisen, den ihr hegen müßt: Ihr müßt euch rein halten wollen, frei von unsittlichem Verhalten (siehe Alma 38:12). Ihr könnt eure Triebe zügeln! Hoffentlich werdet ihr auch den Wunsch hegen, die Mädchen in Ehren zu halten. Elder M. Russell Ballard hat während der letzten Oktoberkonferenz darauf hingewiesen, daß Mädchen höflich behandelt werden möchten. (Generalkonferenz, Oktober 1990.) Die Hinweise in der Broschüre „Für eine starke Jugend” sind sehr wertvoll. Die Maßstäbe der Kirche werden eure eigenen Maßstäbe, wenn ihr sie euch wirklich zu Herzen nehmt, wenn ihr spürt, wie wichtig sie sind, und wenn ihr euch dementsprechend verhaltet. Ja, ihr müßt nach diesen Maßstäben leben wollen.

Wenn ihr im Herzen rein seid, wenn ihr euch das wünscht, was gut, wahr und schön ist, dann könnt ihr um die Fallgruben des Lebens einen Bogen machen. Wenn ihr euren Grund auf den Fels eures Erlösers legt, „und das ist Christus, der Sohn Gottes”, dann wird der Teufel „keine Macht über euch haben” (Helaman 5:12).

Ihr könnt auch andere zum Guten beeinflussen, indem ihr das Evangelium ausstrahlt. Ich habe kürzlich von einem Mädchen gehört, das seine Freundinnen und deren Begleiter nach einem Tanzabend zu sich nach Hause einlud. Ein Pärchen hielt unterwegs an einer Videothek, um sich ein Video auszuleihen. Als sie das Video dann spielten, sah man schnell, daß der Film nicht jugendfrei war. Das Mädchen war verunsichert und ging aus dem Zimmer, um mit seinen Eltern zu sprechen. Die Eltern machten ihr noch einmal klar, daß in ihrem Haus keine unsittlichen Filme gezeigt würden, und sagten, jemand müsse den Film abstellen. Das Mädchen wollte das übernehmen, und das tat sie dann auch. Anschließend schienen alle erleichtert. Das ist nur ein einfacher Vorfall, aber er macht etwas Wichtiges deutlich: ein Mädchen wollte etwas Gutes tun und gemäß seinen Wünschen handeln, und deshalb blieb eine ganze Gruppe vor etwas Schlechtem bewahrt. Wenn man so etwas immer wieder tut, bis es zur Gewohnheit wird, übt man damit einen Einfluß aus, der sich auf die ganze Kirche und auch die ganze Gesellschaft auswirken kann.

Ich bitte euch Christenmenschen, rechtschaffene Wünsche zu entwickeln, zu hegen und zu bewahren. „Yagottawanna (du mußt es nur wollen).” Das ist der Schlüssel zum Tun; das ist der Schlüssel zum Glücklichsein. Das ist der Schlüssel zur Gottesverehrung, zur Entwicklung des Glaubens und zur Bewahrung reiner Grundsätze.

Ich verheiße euch, daß der Herr euch mit der richtigen Einstellung und den richtigen Wünschen segnen wird, wenn ihr zu ihm betet, eure Pflicht tut, die Gebote haltet und ihm dient. Dann werdet ihr Jungen zu wahrhaften Christenmenschen. Im Namen Jesu Christi. Amen.