Die Jungen Damen
und das „Recht auf Freiheit“
Ihr müßt kein Hauptmann Moroni sein, um etwas zu bewirken. Der himmlische Vater braucht euch so, wie ihr seid zu Hause in eurer Familie. So hat er es gewollt.
Der Heerführer der nephitischen Armee war erzürnt! Amalikkja, ein schlechter und ehrgeiziger Abtrünniger, war darauf aus, das Zuhause, die Familie und das Land der rechtschaffenen Nephiten zu vernichten. Der Heerführer Moroni nahm seinen Rock und zerriß ihn, um daraus ein Banner zu machen. Darauf schrieb er: „Zur Erinnerung an unseren Gott, unsere Religion und Freiheit und unseren Frieden, unsere Frauen und Kinder“ (Alma 46:12), und er befestigte das zerrissene Stück seines Rocks am Ende einer Stange. Dieses Banner nannte er das „Recht auf Freiheit“. Er ließ es auf allen Türmen hissen, die es im ganzen Land gab zur Erinnerung daran, daß die Menschen ihre Familie vor bösen Eindringlingen schützen mußten.
Ihr Mädchen seid wie dieses Banner, das „Recht auf Freiheit“, wenn ihr euch darum bemüht, eure Familie vor Eindringlingen wie Egoismus, Hartherzigkeit, Wut oder Streit zu schützen. Euer Banner steht für Frieden, Liebe und Dienen in der Familie.
Da hat beispielsweise ein Mädchen geschrieben: „Wir machen zu Hause gerade eine schwere Zeit durch. Und mir fällt es zu, die Aufgaben meiner Mutter zu übernehmen. Manchmal muß ich nachmittags die eine oder andere Aktivität ausfallen lassen, weil ich auf meinen Bruder aufpassen muß. Manchmal kann ich das eine oder andere mit meinen Freundinnen nicht unternehmen, weil ich kochen oder einkaufen gehen muß.“ Dann schreibt sie weiter: „Durch diese Aufgaben habe ich viel darüber gelernt, was es bedeutet, eine Mutter zu sein, erwachsen zu werden und Verantwortung zu übernehmen nicht nur für mich selbst, sondern auch für andere.“
Wenn ihr euer Banner, euer „Recht auf Freiheit“, hochhaltet, fällt euch bestimmt vielerlei ein, was ihr tun könnt, um eurer Familie ein Segen zu sein, um eure Familie zu lieben und zu Hause mit offenen Augen zu leben.
Als beispielsweise unsere Tochter Shelly von ihrer Mission zurückkam, habe ich keinen Rock gehißt, aber ich habe ein Stück schmalen, roten Teppich gefunden, über den Shelly dann auf unsere Haustür zuschritt.
Aber ihr braucht nicht einmal einen roten Teppich oder einen zerrissenen Rock. Oft genügt ein Zettel, den man jemand schreibt und aufs Kopfkissen legt, oder ein Lächeln und eine Umarmung. Das ist viel besser als alles andere und bringt eure Liebe zum Ausdruck.
Wir zeigen unsere Liebe, indem wir einander dienen.
Lindsey hat beispielsweise ihr Banner hochgehalten, indem sie ihrer Mutter diente. Sie schreibt: „Meine Mutter hatte sich ein bißchen hingelegt. Ich habe inzwischen die Wohnung geputzt. Als sie aufstand, war sie überrascht.“ Und Lindsey schreibt weiter: „Mir war dabei warm ums Herz.“ Wie, meint ihr, war wohl ihrer Mutter ums Herz? Und wie dem himmlischen Vater?
Ihr Mädchen, in meinem Herzen rolle ich für eine jede von euch den roten Teppich aus und applaudiere begeistert.
Ihr müßt kein Hauptmann Moroni sein, um etwas zu bewirken. Der himmlische Vater braucht euch so, wie ihr seid zu Hause in eurer Familie. So hat er es gewollt. Ohne euch wäre eure Familie nicht dieselbe. Ihr seid sehr wichtig.
Ich weiß noch: als ich im Alter der Bienenkorbmädchen war (damals, als es noch Dinosaurier gab!), zog meine Schwester aus, weil sie auswärts studierte. Ich weinte und war untröstlich. Sie versuchte, mich zu beruhigen, und sagte: „Wein doch nicht, Sharon, ich komme ja wieder.“ Ganz verweint schaute ich sie an und sagte: „Ja, das weiß ich schon, aber wer wischt inzwischen den Küchenboden auf?“ Das nennt man wohl: Sein Herz nur sich selbst zuwenden!
Bald fand ich allerdings heraus, daß ich mehr vermißte als bloß jemand, der den Küchenboden aufwischte. Wir brauchen einander. Wir müssen einander beistehen.
Ein paar Jahre später wandte mir einmal diese Schwester das Herz zu, als ich sie um ihr Auto bat; ich wollte ein paar Freundinnen besuchen. Sie borgte mir ihr Auto, sagte aber, daß sie es um 4 Uhr selbst brauchte. Ich fuhr fröhlich los. Wir hatten es wirklich nett, und als ich das erste Mal auf die Uhr schaute, war es bereits 6 Uhr. Ich beeilte mich, aber meine Schwester war nicht mehr zu Hause. Aber auf dem Tisch stand eine wunderschöne Schokoladentorte (meine Lieblingstorte), und daneben lag ein Zettel: „Alles in Ordnung. Ich kann mir denken, daß ihr es nett gehabt habt. Ich habe jemand gebeten, mich abzuholen. Ich liebe Dich!“ Das ist es, was man unter „Das Herz der Familie zuwenden“ oder unter „Das Banner hochhalten“ versteht. Ihr ging es darum, wie mir zumute war, wo ich es doch gewesen war, die ihr Unannehmlichkeiten bereitet hatte.
Es gibt da eine bestimmte Macht zwischen Schwestern oder Geschwistern überhaupt, zwischen Eltern und Kindern, wenn sie einander beistehen und einander sogar „retten“.
Da gibt es eine Geschichte, in der diese Macht beschrieben wird, die jemandem sogar das Leben rettet. Vor ein paar Jahren wurden der Familie Jackson Zwillinge geboren. Es waren Mädchen, und sie waren Frühgeburten. Brielle und Kyrie wurden jede in einen Brutkasten gesteckt, damit sie sich nicht so leicht gegenseitig anstecken konnten. Kyrie war die größere der beiden, sie wog etwa ein Kilo, nahm rasch zu und schlief ruhig. Brielle aber, die bei der Geburt nicht einmal ein Kilo gewogen hatte, ging es gar nicht gut. Einmal sah es so aus, als ob sie nicht durchkommen würde. Die Krankenschwester versuchte alles Menschenmögliche, um Brielles Zustand zu stabilisieren. Aber Brielle wurde immer unruhiger, ihre Sauerstoffwerte sanken, und ihr Puls raste. Dann fiel der Krankenschwester etwas ein, wovon sie einmal gehört hatte. Sie sagte den besorgten Eltern: „Was wäre, wenn wir Brielle zu ihrer Schwester in den Brutkasten legten? Vielleicht beruhigt sie sich dann.“ Die Eltern waren einverstanden, und die Krankenschwester nahm das unruhige Baby auf und legte es zu seiner größeren Schwester. Kaum hatte sie die Klappe geschlossen, als sich Brielle an Kyrie schmiegte und ruhiger atmete. Innerhalb von wenigen Minuten waren ihre Blutsauerstoffwerte die besten, die sie seit der Geburt gehabt hatte. Und während sie döste, legte Kyrie ihr ärmchen um die kleine Schwester.“ (Siehe Nancy Sheehan, „A Sister’s Helping Hand“, Reader’s Digest, Mai 1996, 155f., Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.)
Die ärzte und die Schwestern hatten alle medizinischen und wissenschaftlichen Möglichkeiten ausgeschöpft, um dem Baby zu helfen, aber es hatte nichts genützt. Nichts konnte dem um sein Leben ringenden Baby so sehr helfen wie seine Schwester. Eine Schwester kann wirklich der anderen helfen. In der Familie kann eben einer dem anderen beistehen.
Ihr Jungen Damen, euer Leben ist das Banner, das mithelfen kann, eure Familie vor bösen Eindringlingen zu schützen. Wir bitten euch, tretet ein für Freundlichkeit und Güte, dient denen, die ihr am meisten liebt, nämlich eurer Familie. Darum bete ich im Namen Jesu Christi, amen.