1990–1999
Kleine Tempel ­ große Segnungen
Oktober 1998


Kleine Tempel ­

große Segnungen

Schon daß der Tempel dasteht, sollte uns an die Bündnisse, die wir geschlossen haben, und daran erinnern, daß wir redlich sein müssen und daß Gott nie weit weg ist.

Elder Maxwell, Sie sind ein großer Schatz für die Kirche und ein Segen für die ganze Welt. Möge der Herr Sie segnen und behüten.

Brüder und Schwestern, es ist ziemlich aufregend, hier vor Ihnen zu stehen. Ich bin auf einer Rinderfarm im südlichen Zentral-Utah aufgewachsen, und oft saß ich beim Viehtrieb im Sattel oder versorgte die Tiere anderweitig. Ich muß gestehen, im Moment würde ich fast lieber einem wütenden Stier ausweichen müssen, als hier zu Ihnen zu sprechen, aber ich weiß, ich bin hier unter Freunden, und ich glaube von ganzem Herzen daran, daß das Werk, das wir tun, wichtig ist.

In den Anfangsjahren der Kirche, als es erst wenige Mitglieder gab, sagte der Prophet Joseph Smith einmal zu einer Gruppe von Männern: „Ihr wißt nicht mehr von der Bestimmung dieser Kirche und dieses Reiches als ein kleines Kind auf dem Schoß seiner Mutter. Ihr begreift es nicht.… Was ihr hier seht, ist bloß eine Handvoll des Priestertums, aber diese Kirche wird Nord- und Südamerika erfüllen ­ ja, selbst die ganze Erde.“ (Zitiert von Wilford Woodruff, Conference Report, April 1898, 57.) Wir beginnen nun mitzuerleben, wie diese Prophezeiung teilweise in Erfüllung geht.

Mit der zunehmenden Mitgliederzahl in aller Welt steigt auch der Bedarf an Tempeln. Präsident Hinckley hat vor 13 Jahren gesagt: „Das heilige und bedeutungsvolle Werk, das in den Tempeln getan wird, muß beschleunigt werden, und dazu ist es notwendig, daß die Tempel näher zu den Menschen gebracht werden, statt daß die Menschen weite Reisen zum Tempel zurücklegen müssen.“ (Conference Report, Oktober 1985, 71.)

Ich möchte Ihnen anhand einiger Zahlen aufzeigen, welche Anstrengungen die Kirche mittlerweile unternimmt, um die Tempel näher an die Mitglieder heranzubringen:

1900 waren bloß vier Tempel in Betrieb ­ alle in Utah.

In den darauffolgenden 50 Jahren, nämlich von 1900 bis 1950, wurden vier weitere Tempel geweiht, was die Zahl der Tempel auf acht erhöhte. In den ersten hundert Jahren hat die Kirche somit ungefähr alle zehn Jahre einen Tempel gebaut.

In den 30 Jahren von 1951 bis 1980 wurden weitere elf Tempel gebaut, wodurch die Zahl der Tempel auf 19 anstieg. Es wurden nun bereits mehr Tempel gebaut, aber es gab noch immer viele Mitglieder, für die ein Tempelbesuch erst nach jahrelangem Sparen und einer weiten Reise möglich war.

In den achtziger Jahren begann die Kirche mit einer intensiveren Bautätigkeit, und bis 1997 waren bereits 32 neue Tempel geweiht worden, also etwa zwei pro Jahr.

Und nun befindet sich die Kirche in der intensivste Phase des Tempelbaus seit ihrer Gründung. 1998 wurden zwei neue Tempel geweiht, 15 weitere sind im Bau, und weitere 26 Bauplätze werden für den Ersten Spatenstich vorbereitet. Diese 43 Tempel sowie die Tempel, die zur Zeit in Betrieb sind, ergeben eine Gesamtzahl von 94.

Das ist für uns, die Mitgliederder Kirche, ein ganz besonderer Segen. Im Alten Testament wird beschrieben, welche Freude beider Errichtung heiliger Stättenaufkommt: „Sie begannen, den Herrn zu loben und zu preisen.… Und das ganze Volk erhob ein lautes Jubelgeschrei zum Preis des Herrn, weil das Fundament für das Haus des Herrn gelegt war.“ (Esra 3:11; siehe auch Vers 10,12,13.)

Wir, die wir miterleben, wie diese neuen Tempel errichtet werden, dürfen wohl, so glaube ich, ebenfalls den Herrn preisen und vor Freude weinen.

Da wir nun sehen, in welch verstärktem Maß Präsident Hinckley und andere sich dem Bau neuer Tempel verpflichtet haben, halten wir doch einmal inne und fragen wir uns, warum Tempel denn so wichtig sind. Wer nicht der Kirche angehört, sieht vielleicht nicht einmal einen Unterschied zwischen einem gewöhnlichen Gemeindehaus, von denen es viele Tausende gibt, und diesen ganz besonderen Bauten, die wir Tempel nennen.

Präsident Hinckley hat den Unterschied wie folgt erklärt: „Diese einzigartigen und wunderbaren Gebäude und die darin vollzogenen heiligen Handlungen sind der Höhepunkt unseres Gottesdienstes. Diese heiligsten Handlungen werden zum tiefgründigsten Ausdruck unserer Theologie.“ (Der Stern, Januar 1996, 51.) Tempel sind also deswegen so wertvoll, weil dadurch die grundlegende Lehre der Kirche ausgedrückt werden kann, nämlich das Kommen zu Christus.

Der Tempel drückt dies zumindest auf zweierlei Art aus. Erstens erinnert er uns symbolisch und buchstäblich an Christus und den himmlischen Vater und lehrt uns etwas über sie. Wir wissen, daß Christus während seines Erdenlebens einige wesentliche Taten im Tempel zu Jerusalem vollbrachte (siehe Johannes 7 und 8; Matthäus 21-23; Markus 11 und 12; Lukas 20) und in seinen Lehren immer wieder auf die Symbole des Tempels zurückgriff, wobei er sich selbst häufig mit den Symbolen verglich, die bei der Gottesverehrung im Tempel verwendet wurden, wie etwa mit Licht oder Wasser (beispielsweise in Johannes 7:38; 8:12.) Auch heute wird bei der Gottesverehrung im Tempel mit vielen Symbolen auf Christus Bezug genommen, vom Turm angefangen, der den Sinn himmelwärts lenkt, bis hin zu der weißen Kleidung, die wir im Tempel tragen und die ein Symbol dafür ist, daß wir, wie es im Buch Offenbarung heißt, „aus der großen Bedrängnis kommen; [und wir] haben [unsere] Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht“ (Offenbarung 7:14).

Der Tempel erinnert uns ständig greifbar an die Gnade und Güte des Vaters. Das hilft der Gemeinschaft der Heiligen, stärker zu werden. Präsident George Q. Cannon hat gesagt: „Jeder Grundstein, der für einen Tempel gelegt wird, und jeder Tempel, der fertiggestellt wird, … verringert die Macht des Satans auf der Erde und vergrößert die Macht Gottes und die Macht des göttlichen Wesens.“ (George Q. Cannon anläßlich der Ecksteinlegung des Tempels in Logan am 19. September 1877, zitiert in: Nolan Porter Olsen, Logan Temple: The First 100 Years [1978], 34.)

Der Tempel war schon immer ein Symbol dafür, daß man sich in der Gegenwart des Herrn befindet. „Macht mir ein Heiligtum! Dann werde ich in ihrer Mitte wohnen“, spricht der Herr. „Dort werde ich mich dir zu erkennen geben … und dir alles sagen.“ (Exodus 25:8,22.) Man kommt Gott nahe, wenn man ihn immer wieder im Haus des Herrn verehrt. Wir können ihn kennenlernen und uns willkommen fühlen ­ „daheim“ in seinem Haus.

Da es jetzt schon an so vielen Orten auf der Erde Tempel gibt, haben immer mehr von uns einen Tempel in der Nähe, der uns an Christus und an sein Opfer für uns erinnert. Schon daß der Tempel dasteht, sollte uns an die Bündnisse, die wir geschlossen haben, und daran erinnern, daß wir redlich sein müssen und daß Gott nie weit weg ist.

Neben dem Tempel als Gebäude und seiner äußeren Symbolik kann uns der Tempel auf eine weitere Weise anregen, zu Christus zu kommen, und zwar mittels der heiligen Handlungen, die wir darin vollziehen. Bei allen heiligen Handlungen im Tempel geht es um Jesus Christus und seinen göttliches Auftrag, und sie werden kraft der Vollmacht des Melchisedekischen Priestertums vollzogen. In Lehre und Bündnisse 84 heißt es: „Und ohne seine Verordnungen und die Vollmacht des Priestertums wird die Macht der Frömmigkeit den Menschen im Fleische nicht offenbar.“ (LuB 84:21.) Jede heilige Handlung ist dazu angetan, uns etwas über Christus und unsere Beziehung zu Gott zu offenbaren.

Einige der heiligen Handlungen des Tempels scheinen leicht verständlich, wie etwa die ewige Ehe. Um die umfassende Bedeutung anderer zu verstehen, müssen wir uns sorgfältig und lange geistig vorbereiten. Paulus erklärt, daß man den Geist Gottes braucht, wenn man Geistiges begreifen will. „Wir aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott stammt, damit wir das erkennen, was uns von Gott geschenkt worden ist.“ (1 Korinther 2:12, siehe auch Vers 11,14.) In dem Maß, wie der Geist Gottes uns seinen Plan für uns begreiflich macht, erlangen wir nicht nur größere Erkenntnis, sondern auch ein größeres Maß an Frieden und Mitgefühl.

Die heiligen Handlungen des Tempels geben uns auch die Möglichkeit, unsere Familie stark zu machen ­ was heutzutage ja dringend notwendig ist. Wir werden gestärkt, wenn wir die heiligen Handlungen stellvertretend für unsere Vorfahren vollziehen, wodurch wir ein „Bindeglied“ zwischen Eltern und Kindern schaffen (siehe LuB 128:18). Wir können uns beispielsweise im Tempel für Vorfahren taufen lassen, die vielleicht nicht die Gelegenheit hatten, während des Erdenlebens vom Evangelium zu hören (siehe 1 Korinther 15:29).

In Japan habe ich miterlebt, wie sich ein einundzwanzigjähriger Mann der Kirche anschloß. Erwar nach der Taufe das einzige Mitglied der Kirche in seiner Familie. Er stellte die genealogischen Unterlagen für seinen verstorbenen Großvater zusammen, um die heiligen Handlungen stellvertretend für ihn vollziehen zu können, womit er für seinen Großvater buchstäblich etwas tat, was dieser nicht mehr tun konnte. Als der junge Mann aus dem Taufbecken stieg, hatte er Tränen in den Augen. Er sagte: „Jetzt weiß ich, jetzt spüre ich, jetzt habe ich ein Zeugnis davon, daß ich nicht der einzige in meiner Familie bin, der der Kirche angehört.“ Die heiligen Handlungen stärkten das Zusammengehörigkeitgefühl mit seinen Angehörigen und brachten eine neue, enge Beziehung in sein Leben.

Anläßlich der Weihung des Manti-Tempels betete Präsident Lorenzo Snow: „Möge dieser heilige Tempel ein Tor zum Himmel für sie sein ­ ein Tor zu jenem engen und schmalen Pfad, der zu endlosen Leben und ewiger Herrschaft führt.“ (Weihung des Manti-Tempels, 21. Mai 1888.)

Brüder und Schwestern, die Tore zum Himmel stehen uns offen, und der Herr Jesus Christus lädt uns ein, zu ihm zu kommen.

Davon gebe ich demütig Zeugnis. Im Namen Jesu Christi, amen.