1990–1999
Hoffnung, ein Anker der Seele
Oktober 1999


Hoffnung, ein Anker der Seele

Unsere größte Hoffnung entspringt dem Wissen, dass der Erretter die Bande des Todes zerrissen hat… . Er hat für unsere Sünden gesühnt, wenn wir umkehren.

Meine lieben Brüder und Schwestern und Freunde. Ich trete voll Dankbarkeit für die Inspiration und die Hingabe derer, die dieses heilige, historische Tabernakel gebaut haben, an dieses Pult. Ich spreche Präsident Brigham Young, der beim Bau dieses einzigartigen Gebäudes und der phantastischen Orgel das führende Genie war, meine Hochachtung aus. Gleichzeitig freue ich mich darüber, dass wir unter der inspirierten Führung von Präsident Hinckley ein großartiges Haus der Anbetung bauen, um den Bedürfnissen der stetig wachsenden Kirche gerecht zu werden. Dieses neue Gebäude ist ein Ausdruck der Hoffnung für die Kirche im kommenden Jahrhundert.

Heute Morgen ”möchte ich zu euch über die Hoffnung reden”, wie Moroni sagte. Es gibt machtvolle Quellen der Hoffnung jenseits unserer eigenen Fähigkeiten, unseres Wissens, unserer Kraft und unseres Könnens. Dazu zählt auch die Gabe des Heiligen Geistes. Durch den wunderbaren Segen dieser Person der Gottheit können wir von allem wissen, ob es wahr ist.

Hoffnung ist der Anker unserer Seele. Ich kenne niemanden, der keine Hoffnung braucht--ob jung oder alt, stark oder schwach, reich oder arm. Wie der Prophet Ether uns ermahnt hat: ”Darum, wer an Gott glaubt, der darf mit Gewissheit auf eine bessere Welt hoffen, ja, einen Platz zur rechten Hand Gottes, und diese Hoffnung kommt aus festem Glauben und wird für die Menschenseelen zum Anker, so dass sie sicher und standhaft werden, immer reich an guten Werken und bewegt, Gott zu verherrlichen.”

Nephi ermahnte die Menschen seiner Zeit: ”Darum müsst ihr mit Beständigkeit in Christus vorwärts streben, erfüllt vom Glanz der Hoffnung und indem ihr Liebe habt zu Gott und zu allen Menschen. Wenn ihr darum vorwärts strebt und euch am Wort von Christus weidet und bis ans Ende ausharrt--siehe, so spricht der Vater: Ihr werdet ewiges Leben haben!”

Jeder erfährt Herausforderungen und Schwierigkeiten. Das ist Teil der irdischen Bewährung. Der Grund für manche dieser Prüfungen ist oft nicht leicht zu verstehen, außer auf der Grundlage von Glauben und Hoffnung, denn es gibt oft eine größere Absicht, die wir nicht immer verstehen. Frieden kommt durch Hoffnung.

Wenige Unternehmungen sind sicherer, als eine Mission für die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage zu erfüllen. Die Missionare sind buchstäblich in der Hand des Herrn. Wir wünschten, sie könnten alle immer vollkommen sicher sein, aber das ist nicht realistisch. Die Missionare, ihre Familien und ihre Priestertumsführer vertrauen völlig darauf, dass der Herr über sie wacht, und wenn es in seltenen Fällen zu einer Tragödie kommt, werden sie vom Geist dessen, dem sie dienen, getragen.

Letzten Sommer besuchte ich Elder Orin Voorheis zu Hause bei seinen Eltern in Pleasant Grove in Utah. Er ist ein großer, gut aussehender, herausragender junger Mann, der in der Mission Buenos Aires South in Argentinien gedient hat. An einem Abend, als er etwa elf Monate auf Mission war, wurden Elder Voorheis und sein Mitarbeiter von bewaffneten Räubern angegriffen. In einem sinnlosen Akt der Gewalt schoss einer von ihnen Elder Voorheis in den Kopf. Tagelang schwebte er in Lebensgefahr, unfähig zu sprechen, zu hören, sich zu bewegen oder auch nur zu atmen. Nachdem viele Menschen lange Zeit Glauben ausgeübt und für ihn gebetet hatten, brauchte er schließlich die lebenserhaltenden Apparate nicht mehr und wurde in die Vereinigten Staaten zurückgebracht.

Nach einem monatelangen Krankenhausaufenthalt und umfassenden Behandlungen erhielt Elder Voorheis wieder mehr Kraft, aber er war immer noch gelähmt und konnte nicht sprechen. Er machte nur sehr langsam Fortschritte. Seine Eltern entschieden, dass sie ihren Sohn nach Hause bringen und in der liebevollen Atmosphäre der eigenen Familie für ihn sorgen wollten. Doch ihr bescheidenes Haus bot nicht genügend Platz und es fehlte auch an den Einrichtungen, die für seine Behandlung notwendig waren. Viele freundliche Nachbarn, Freunde und Wohltäter setzten sich ein, um einen Anbau zu bauen und die notwendige Ausrüstung für die Physiotherapie zu beschaffen.

Elder Voorheis ist immer noch fast vollständig gelähmt und kann nicht sprechen, aber er besitzt einen wunderbaren Geist und kann mit Handbewegungen auf Fragen antworten. Er trägt immer noch sein Missionarsschild. Seine Eltern fragen nicht: ”Warum ist das unserem edlen Sohn zugestoßen, der gedient hat, um dem Ruf des Herrn zu folgen?” Niemand hat darauf eine sichere Antwort außer vielleicht in Fällen, in denen eine höhere Absicht erkennbar ist. Als Glaubende müssen wir unseren Weg gehen. Wir erinnern uns an die Antwort des Erretters auf die Frage: ”Wer hat gesündigt? Er selbst? Oder haben seine Eltern gesündigt, so dass er blind geboren wurde?” Der Erretter antwortete, dass niemand Schuld hatte, sondern dass das Wirken Gottes an ihm offenbar werden sollte. Anstatt bittere Gefühle zu hegen neigt die Familie Voorheis den Kopf und sagt zum Herrn: ”Dein Wille geschehe. Wir sind jeden Tag seines Lebens dankbar für ihn gewesen und, unterstützt von anderen, tragen wir gern die Last, für ihn zu sorgen.”

Die Absicht meines Besuchs bei Elder Voorheis war, ihm gemeinsam mit seinem Vater, seinem Bischof, seinem Heimlehrer und anderen einen Segen der Hoffnung zu geben. Manche fragen vielleicht: ”Gibt es in diesem Leben Hoffnung für Elder Voorheis?” Ich glaube, dass es für jeden große Hoffnung gibt! Manchmal bitten wir Gott um Wunder, und oft geschehen sie, aber nicht immer in der Weise, wie wir es erwarten. Die Qualität des Lebens von Elder Voorheis ist wenig wünschenswert, aber der Einfluss, den sein Leben auf andere hat, ist unermesslich und immerwährend, hier und in Argentinien. Ja, nach seinem Unfall wuchs der Zweig Kilómetro 26 in Argentinien sehr rasch und war bald so groß, dass ein Gemeindehaus gebaut werden konnte.

Hoffnung bedeutet, auf Gottes Verheißungen zu vertrauen, zu glauben, dass, wenn wir jetzt handeln, sich die gewünschten Segnungen in der Zukunft erfüllen werden. ”Gegen alle Hoffnung hat [Abraham] voll Hoffnung geglaubt, dass er der Vater vieler Völker werde.” Gegen jede menschliche Vernunft vertraute er auf Gott und war ”fest davon überzeugt”, dass Gott seine Verheißungen erfüllen und Abraham und Sara in ihrem hohen Alter ein Kind schenken werde.

Vor einigen Jahren hatte Schwester Joyce Audrey Evans, eine junge Mutter aus Belfast in Nordirland, Komplikationen in der Schwangerschaft. Sie ging ins Krankenhaus, wo ihr eine Krankenschwester sagte, sie würde ihr Baby wahrscheinlich verlieren. Schwester Evans erwiderte: ”Ich kann aber nicht einfach aufgeben… . Sie müssen mir Hoffnung machen.” Schwester Evans berichtete später: ”Solange es noch irgendeinen Grund zur Hoffnung gab, konnte ich die Hoffnung einfach nicht aufgeben. Das schuldete ich meinem ungeborenen Kind.”

Drei Tage später erlitt sie eine Fehlgeburt. Sie schrieb: ”Einen langen Augenblick lang empfand ich gar nichts. Dann durchflutete mich ein Gefühl tiefen Friedens. Mit dem Frieden kam das Verstehen. Ich wusste jetzt, warum ich trotz der Umstände die Hoffnung nicht aufgeben konnte: entweder lebt man in Hoffnung oder man lebt in Verzweiflung. Ohne Hoffnung kann man nicht bis ans Ende ausharren. Ich hatte nach einer Antwort auf meine Gebete gesucht und war nicht enttäuscht; mein Körper wurde geheilt und ich wurde mit dem Geist des Friedens belohnt. Nie zuvor hatte ich mich meinem himmlischen Vater so nahe gefühlt, nie zuvor hatte ich solchen Frieden empfunden… .

Der wunderbare Friede war nicht die einzige Segnung, die ich durch dieses Erlebnis erhielt. Einige Wochen später machte ich mir Gedanken über das Kind, das ich verloren hatte. Der Geist erinnerte mich an die Worte in Genesis 4:25: Sie gebar einen Sohn und nannte ihn Set (Setzling); denn sie sagte: Gott setzte mir anderen Nachwuchs ein … ’

Ein paar Monate später wurde ich wieder schwanger. Als mein Sohn auf die Welt kam, wurde er als vollkommen’ bezeichnet.” Wir nannten ihn Evan Set.

Frieden in diesem Leben beruht auf Glauben und Zeugnis. Wir alle können aus unseren Gebeten Hoffnung schöpfen und durch die heiligen Schriften Trost erlangen. Ein Priestertumssegen erbaut und stärkt uns. Hoffnung erhalten wir auch durch direkte persönliche Offenbarung, auf die wir ein Anrecht haben, wenn wir würdig sind. Dazu haben wir die Sicherheit, in einer Zeit zu leben, in der ein Prophet auf der Erde ist, der alle Schlüssel des Reiches Gottes innehat und ausübt.

Samuel Smiles schrieb: ”Hoffnung ist wie die Sonne, die, wenn wir auf sie zu wandern, den Schatten unserer Last hinter uns wirft… . Hoffnung versüßt die Erinnerung an lieb gewordene Erlebnisse. Sie passt unsere Probleme unserem Wachstum und unserer Kraft an. Sie steht uns in dunklen Stunden bei, begeistert uns in glücklichen Stunden.Sie verleiht der Zukunft Verheißung und der Vergangenheit Sinn und Zweck. Sie verwandelt Entmutigung in Entschlossenheit.”

Die unfehlbare Quelle unserer Hoffnung ist, dass wir Söhne und Töchter Gottes sind und dass sein Sohn, der Herr Jesus Christus, uns vom Tod errettet hat. Wie können wir wissen, dass Jesus wirklich unser Erretter und Erlöser ist? Nach menschlichen Begriffen ist seine Wirklichkeit nahezu undefinierbar, aber seine Gegenwart kann unmissverständlich durch den Geist verstanden werden, wenn wir uns beständig darum bemühen, im Schatten seines Einflusses zu leben. Im Buch Mormon wird berichtet, wie Aaron Lamonis Vater das Evangelium erläuterte. Er sagte zu ihm: ”Wenn du dich vor Gott beugen willst … und gläubig seinen Namen anrufen willst, im Vertrauen darauf, dass du empfangen wirst, dann wirst du die Hoffnung empfangen, die du wünschst.” Der alte König befolgte seine Anweisungen gewissenhaft und empfing ein Zeugnis von der Wahrheit, die Aaron kundtat. Das hatte zur Folge, dass er und sein ganzes Haus sich bekehrten und den Herrn erkannten.

Unsere größte Hoffnung entspringt dem Wissen, dass der Erretter die Bande des Todes zerrissen hat. Sein Sieg wurde durch seinen Schmerz, sein Leiden und seine Qual errungen. Er hat für unsere Sünden gesühnt, wenn wir umkehren. Im Garten Getsemani rief er in seinem Schmerz aus: ”Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst.” Lukas beschreibt die Intensität seiner Qual: ”Und er betete in seiner Angst noch inständiger, und sein Schweiß war wie Blut, das auf die Erde tropfte.”

Jeder von uns kann aus dem, was Petrus während der Ereignisse, die zur Kreuzigung führten, erlebt hat, Hoffnung schöpfen. Vielleicht hat der Herr zu uns allen gesprochen, als er zu Petrus sagte:

”Der Satan hat verlangt, dass er euch wie Weizen sieben darf.

Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke deine Brüder.

Darauf sagte Petrus zu ihm: Herr, ich bin bereit, mit dir sogar ins Gefängnis und in den Tod zu gehen.

Jesus erwiderte: Ich sage dir, Petrus, ehe heute der Hahn kräht, wirst du dreimal leugnen, mich zu kennen.”

Während Petrus beobachtete, wie sich die Ereignisse entwickelten, wurde er als Jünger Christi erkannt. Eine Magd sagte ”Der war auch mit ihm zusammen” und Petrus antwortete, er kenne ihn nicht. Zwei andere erkannten Petrus als seinen Jünger. Wieder leugnete Petrus, den Erretter zu kennen. Und während er noch redete, krähte ein Hahn.

”Da wandte sich der Herr um und blickte Petrus an. Und Petrus erinnerte sich an das, was der Herr zu ihm gesagt hatte: Ehe heute der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.

Und er ging hinaus und weinte bitterlich.”

Dieses Erlebnis verlieh Petrus so viel Kraft, dass er nie wieder versagte und als der Fels bekannt war. Seine Hoffnung war fest an einem ewigen Fels verankert, nämlich unserem Erlöser Jesus Christus. Als der oberste Apostel brachte er das Werk treu und mutig voran.

So wie Petrus nach einem Moment der Schwäche Hoffnung erlangt hat, können Sie und ich und alle Menschen sich der Hoffnung erfreuen, die mit dem Wissen kommt, dass Gott wirklich lebt. Diese Hoffnung entspringt dem Glauben, dass er uns, wenn wir Glauben haben, irgendwie helfen wird, unsere Schwierigkeiten zu überwinden--wenn nicht in diesem Leben, dann gewiss im nächsten. Wie Paulus zu den Korinthern gesagt hat: ”Wenn wir unsere Hoffnung nur in diesem Leben aufChristus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen.” Auf ewige Sicht wird alles Unrecht gutgemacht. Inder vollkommenen Gerechtigkeit des Herrn werden alle, die würdig leben, für die Segnungen entschädigt, die sie hier nicht empfangen haben.

Meiner Meinung nach hat es in der Geschichte dieser Kirche noch nie so viel Grund zur Hoffnung für die Zukunft der Kirche und ihrer Mitglieder in aller Welt gegeben. Ich glaube und bezeuge, dass wir eine höhere Ebene des Glaubens und der Aktivität erreichen als je zuvor. Ich bete, dass jeder von uns in dieser großen Schar der Rechtschaffenheit seinen Teil beiträgt. Jeder wird vor dem Heiligen Israels stehen und sich für seine persönliche Rechtschaffenheit verantworten. Wir haben erfahren, dass er ”dort keinen Knecht” hat.

Mit meiner Berufung zum Apostel habe ich ein sicheres Zeugnis vom Leben und Wirken des Erretters erhalten. Ich erkläre mit Ijob: ”Ich weiß: mein Erlöser lebt.” ”Im Himmel ist mein Zeuge” davon. Jesus ist der Christus, der Erretter der ganzen Menschheit. Joseph Smith war der inspirierte Prophet, der die errettenden Schlüssel, die Vollmacht und die Organisation wiederhergestellt hat, die ihm unter der Leitung Gottes des Vaters und seinen Sohnes, des Herrn Jesus Christus, anvertraut wurden. Das bezeuge ich im heiligen Namen Jesu Christi, amen.

  1. Moroni 7:40.

  2. Siehe Moroni 10:5.

  3. Ether 12:4; Hervorhebung hinzugefügt.

  4. 2 Nephi 31:20.

  5. Siehe Johannes 9:2,3.

  6. Römer 4:18­21.

  7. ”To Live in Hope”, Ensign,September 1995, 70.

  8. Zitiert in: Especially for Mormons, Bd. 2, Stan und Sharon Miller, 113.

  9. Alma 22:16.

  10. Matthäus 26:39.

  11. Lukas 22:44.

  12. Lukas 22:31­34.

  13. Lukas 22:56­62.

  14. Siehe Helaman 5:12.

  15. 1 Korinther 15:19.

  16. Siehe 2 Nephi 9:41.

  17. Ijob 19:25.

  18. Ijob 16:19.