Der zurückgekehrte Missionar
Mächtige Männer und Frauen Gottes stehen oft allein da, so wie jeder von uns gelegentlich in einer bisweilen feindlichen Welt allein dastehen muß.
Ich trete diese Berufung zum Dienen voll Dankbarkeit für die vielen Lehrer, Führer und Freunde an, die mich beeinflußt haben. Diese Berufung ruft mir verstärkt die Liebe und Dankbarkeit für meine guten Eltern, meine wundervolle Frau und unsere Kinder und für die wunderbaren, glaubenstreuen Missionare, mit denen wir in der Texas-Mission Dallas gedient haben, ins Bewußtsein. Diese Berufung ruft mir auch verstärkt die Liebe und Dankbarkeit für das Leben und die Lehren des Erretters ins Bewußtsein, die uns die Grundsätze vermitteln, die unser Leben beherrschen müssen.
Nach seiner Kreuzigung und Auferstehung erschien Jesus Christus den rechtschaffenen Bewohnern des Alten Amerika und unterwies und segnete sie. Das Buch Mormon berichtet von diesen heiligen Ereignissen und steht als zweiter Zeuge für das göttliche Wesen Jesu Christi und für die Wirklichkeit seiner Auferstehung da. Als er jene glaubenstreuen Menschen unterwies und segnete, forderte er sie auf, ihre kleinen Kinder zu ihm zu bringen und sie um ihn zu scharen. Dann kniete er mit ihnen nieder und betete mit Worten, so wunderbar und erhaben, daß sie nicht niedergeschrieben werden konnten - Worten, die die Mensehen mit unvorstellbarer Freude erfüllten. Wir erfahren in dem heiligen Bericht, daß Jesus zu der Menge sagte: „Gesegnet seid ihr wegen eures festen Glaubens. Und nun siehe, meine Freude ist voll. Und als er diese Worte gesagt hatte, weinte er, und die Menge gab davon Zeugnis, und er nahm ihre kleinen Kinder, eines nach dem anderen, und segnete sie und betete für sie zum Vater. Und als er dies getan hatte, weinte er abermals; und er redete zur Menge und sprach zu ihnen: Seht eure Kleinen!” (3 Nephi 17:20-23; Hervorhebung hinzugefügt.)
Als der Erretter die Menge aufforderte, ihre Kleinen anzusehen, sprach er da über die Gruppe der kleinen Kinder insgesamt? Oder lenkte er die Aufmerksamkeit der Anwesenden - und unsere Aufmerksamkeit - auf die Einzigartigkeit und Wichtigkeit jedes dieser Kleinen jede dieser kleinen Persönlichkeiten? Ich glaube, daß der Erretter uns durch sein Beispiel vermittelt hat, daß wir jedem unserer kleinen Kinder persönliche, liebevolle Fürsorge angedeihen lassen sollen, ja, jedem Kind unseres himmlischen Vaters. Sei es das unwiderstehliche Krabbelkind oder die unandächtige Zehnjährige, der würdige junge Lehrer oder der widerspenstige Jugendliche, die trauernde Witwe oder die dankbare Frau, der es gut geht. Vielleicht ist es sogar Ihr Sohn oder Ihre Tochter, Ihr Mann beziehungsweise Ihre Frau. Jeder ist ein Individuum. Jeder hat sein gottgegebenes Potential. Und jeder muß mit Liebe, Zärtlichkeit und individueller Aufmerksamkeit geistig genährt und materiell versorgt werden.
Der Prophet Lehi hat seine widerspenstigen Söhne Laman und Lemuel „mit allem Gefühl eines liebevollen Vaters” ermahnt (l Nephi 8:37). Das ist der Weg des Erretters. So muß es in unserer Familie und in der Kirche sein. Das hat Moroni gemeint, als er von denen, die durch die Taufe in die Kirche aufgenommen wurden, sagte: Sie wurden „dem Volk der Kirche Christi zugezählt; und ihr Name wurde aufgenommen, damit ihrer gedacht würde und sie durch das gute Wort Gottes genährt würden” (Moroni 6:4). Es wurde an sie gedacht, und sie wurden genährt jeder für sich, nach seinem Namen!
Der Erretter hat uns diesen Grundsatz im Gleichnis vom verlorenen Schaf vermittelt. Der Hirt ließ die neunundneunzig allein und suchte, bis das verlorene Schaf gefunden war, und so sollen auch wir nach dem Verlorenen suchen und die Suche so lange fortsetzen, bis wir ihn gefunden haben. Und wenn wir ihn gefunden haben, ist unsere Arbeit erst dann getan, wenn wir ihn voll Freude sicher nach Hause gebracht haben. Darum geht es im Evangelium Jesu Christi und in der Kirche - daß wir die Kinder unseres Vaters im Himmel nach Hause bringen, und zwar für immer.
Der Erretter hat uns gelehrt, wie wichtig der eine ist, aber er hat uns auch gelehrt, welche Macht der eine hat. Er hat uns gezeigt, welche Macht und welchen Einfluß er allein als unser Erretter, Erlöser und Richter besitzt. Er war in Getsemani allein, als er sich als das heilige Opfer darbrachte - in seinem erhabenen Sühnopfer - als Opfer, das er allein mit seinem Leben siegelte, das er bereitwillig hingab. Er fühlte sich alleingelassen und rief voller Schmerzen: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?” (Matthäus 27:46.) Dem entnehmen wir, daß der Vater zwar nie weit von seinem geliebten Sohn war, daß das unbegrenzte Sühnopfer aber notwendigerweise durch die Macht eines einzigen vollbracht
wurde - eines einzigen, der allein war, er, der einziggezeugte Sohn Gottes.
Die Macht eines einzigen Menschen sehen wir in den heiligen Schriften immer wieder - in Josef, in Mose, in Petrus und Paulus, in Mormon und Moroni. Da waren Sara und Rebekka, Ester und Hanna und Saria und Maria und noch viele mehr, auch Joseph und Emma. Ja, sie waren mächtige Männer und Frauen Gottes; aber sie waren oft allein, standen allein da, so wie jeder von uns gelegentlich in einer bisweilen feindlichen Welt allein dastehen muß. Und so wie der Erretter nicht völlig allein war, sind auch wir es nicht, wenn wir seiner Begleitung und der Begleitung des Heiligen Geistes würdig sind. Der Herr hat seinen glaubenstreuen Dienern verheißen: „Denn ich werde vor eurem Angesicht hergehen. Ich werde zu eurer rechten Hand sein und zu eurer linken, und mein Geist wird in eurem Herzen sein und meine Engel rings um euch, um euch zu stützen.” (LuB 84:88.) Wir mögen nur einer sein, aber wir sind nicht völlig allein.
Die Macht und der Einfluß eines einzelnen können enorm sein. Die eine Sarah Ann Meeks brachte, wie es schien, das äußerste Opfer, als sie vor fast hundertundfünfzig Jahren allein auf der Türschwelle ihres Elternhauses im fernen England stand. Ihr Vater überreichte ihr dort ein kleines Bündel mit ihren wenigen Habseligkeiten und sagte dazu: „Wenn du dich dieser Kirche anschließt, wirst du mein Haus nie wieder betreten.” Leider sah sie ihre Familie damit zum letzten Mal.
Allein? Sehr allein! Sie hätte angesichts dieser unmöglichen, herzzerreißenden Ablehnung aufgeben können. Aber nein, sie liebte den Herrn. Sie hatte den Geist verspürt und wußte, daß das Evangelium Jesu Christi in seiner Fülle auf der Erde wiederhergestellt worden war. Sie wußte, sie mußte bezeugen, daß dies wahr ist. Sie wußte, sie konnte etwas bewirken.
Die Nachkommen dieser einen tüchtigen Frau sind glaubenstreue Heilige der Letzten Tage und kaum noch zu zählen. Buchstäblich Hunderte ihrer Nachkommen haben bereits in aller Welt Zeugnis davon gegeben, daß das Evangelium wirklich wiederhergestellt worden ist und mit dieser Botschaft hatte sie damals allein dagestanden. Einer dieser Nachkommen steht jetzt hier als besonderer Zeuge für den Erretter Jesus Christus und bezeugt feierlich der ganzen Welt, daß Gott, der ewige Vater, lebt, daß Jesus der Messias und der Erretter der Welt ist und daß die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage heute von einem lebenden, liebenden Propheten Gottes geführt wird, dessen Wirken all das darstellt, was dieser heilige Titel umfaßt.
Ich gebe Ihnen dieses Zeugnis und bete, wir mögen jedes der Kinder unseres himmlischen Vaters voll Liebe und Fürsorge und so persönlich behandeln, wie er es sich wünscht; auch bete ich, wir mögen immer daran denken, welche Macht und Fähigkeit ein jeder von uns hat, wenn es darum geht, in der Welt, in der wir leben, Einfluß auszuüben. Im Namen Jesu Christi, amen.