Entscheidet euch heute
Unsere Entscheidungen bestimmen, wohin wir uns bewegen.
Meine lieben Brüder und Schwestern, die Sie hier und überall auf der Welt versammelt sind, bitte üben Sie Ihren Glauben aus und beten Sie für mich, wenn ich nun meinem Auftrag nachkomme und zu Ihnen spreche. Doch zunächst möchte ich Elder Dieter Uchtdorf und Elder David Bednar, die neuen Mitglieder im Kollegium der Zwölf Apostel, ganz herzlich bei uns willkommen heißen.
Ich habe in letzter Zeit über Wahlmöglichkeiten und ihre Folgen nachgedacht. Man sagt, das Tor der Geschichte hänge in kleinen Angeln, und so ist es auch mit dem Leben des Menschen. Unsere Entscheidungen bestimmen, wohin wir uns bewegen.
Josua hat vor alters gesagt: „Entscheidet euch heute, wem ihr dienen wollt … Ich aber und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen.“1
Als wir die Geisterwelt verließen und die irdische Bühne betraten, die oft voller Herausforderungen ist, begann für uns alle eine Ehrfurcht gebietende und überaus wichtige Reise. Wir brachten eine große Gabe Gottes mit – die Entscheidungsfreiheit. Der Prophet Wilford Woodruff hat gesagt: „Gott hat allen seinen Kindern … Entscheidungsfreiheit gewährt. [Wir besaßen] sie im Himmel vor der Grundlegung der Welt, und der Herr bewahrte und verteidigte sie dort gegen den Angriff Luzifers und seiner Anhänger. Dank dieser Entscheidungsfreiheit sind Sie und ich und alle Menschen verantwortliche Wesen – verantwortlich für den Weg, den wir einschlagen, für das Leben, das wir führen, und für unser Tun.“2
Brigham Young hat gesagt: „Jeder muss [von der Entscheidungsfreiheit] Gebrauch machen, wenn er Erhöhung in [Gottes] Reich erlangen will; soweit [wir] die Macht haben, [uns] zu entscheiden, müssen [wir] diese Macht auch ausüben.“3
Die heilige Schrift sagt uns, dass wir frei sind, für uns „selbst zu handeln – den Weg des immerwährenden Todes zu wählen oder den Weg des ewigen Lebens“.4
Ein bekanntes Kirchenlied bietet Einsicht in Bezug auf die Entscheidungen, die wir zu treffen haben:
Wähle Recht, die Wahl ist dir gegeben.
Wähle Recht, dann führt dich Gottes Geist,
und sein Licht erleuchtet dir das Leben,
wenn dem Herrn das Herz du weihst.
Wähle Recht, dann wirst du Frieden finden.
Wähle Recht, dann hast du innre Ruh.
Wähle Recht, lass das dein Tun begründen,
nimm den Herrn als Vorbild du.5
Haben wir einen Führer, der uns hilft, das Rechte zu wählen und gefährliche Umwege zu vermeiden? An der Wand meines Büros, genau meinem Schreibtisch gegenüber, hängt ein schönes Bild; es zeigt den Erretter auf einem Gemälde von Heinrich Hofmann. Ich liebe dieses Bild. Ich habe es, seit ich mit 22 Jahren Bischof war und wo auch immer mein Dienst mich hinführte, mitgenommen. Ich habe versucht, mein Leben nach dem Beispiel des Meisters zu gestalten. Immer, wenn ich eine schwierige Entscheidung zu treffen habe, sehe ich das Bild an und frage mich: „Was würde er wohl tun?“ Dann versuche ich, eben das zu tun. Wir können nicht irregehen, wenn wir uns entscheiden, dem Erretter zu folgen.
Einige Entscheidungen scheinen wichtiger als andere, aber gänzlich unwichtige Entscheidungen gibt es nicht.
Vor einigen Jahren hielt ich einen Führer in Händen, der, wenn man ihm folgt, uns zuverlässig hilft, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Es war ein Werk heiliger Schrift; wir nennen es meist die Dreifachkombination, und es enthält das Buch Mormon, das Buch Lehre und Bündnisse und die Köstliche Perle. Dieses Werk war das Geschenk eines liebevollen Vaters an seine liebe Tochter, die gut auf seinen Rat achtete. Auf das Deckblatt hatte der Vater eigenhändig die folgenden inspirierten Worte geschrieben:
„Für meine liebe Maurine!
Auf dass du einen ständigen Maßstab hast, nach dem du Wahrheit von den Irrtümern menschlicher Philosophie unterscheiden kannst, und du so, während deine Erkenntnis zunimmt, geistig wachsen kannst, gebe ich dir dieses heilige Buch, damit du oft darin liest und es dein Leben lang schätzt und in Ehren hältst.
In Liebe, dein Vater
Harold B. Lee“
Unser Ziel als Mitglied der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ist es, die celestiale Herrlichkeit zu erlangen.
Lassen Sie uns nicht so unentschlossen sein wie Alice in Lewis Carrolls klassischer Erzählung Alice im Wunderland. Wie Sie vielleicht wissen, kommt Alice an eine Weggabelung; von dort führen zwei Wege weiter, allerdings in entgegengesetzte Richtungen. Da sieht sie die Grinsekatze und fragt diese: „Welchen Weg soll ich nehmen?“
Die Katze antwortet: „Das hängt davon ab, wohin du willst. Wenn du nicht weißt, wohin du willst, dann ist es egal, welchen Weg du nimmst.“6
Im Gegensatz zu Alice wissen wir alle, wohin wir wollen, und es ist nicht egal, welchen Weg wir einschlagen, denn der Weg, dem wir in diesem Leben folgen, führt uns mit Sicherheit zu dem Weg, den wir im nächsten Leben gehen werden.
Ein jeder muss sich vor Augen halten, dass er oder sie ein Sohn beziehungsweise eine Tochter Gottes ist, ausgestattet mit Glauben, beschenkt mit Mut und geführt durch Gebet. Unsere ewige Bestimmung liegt vor uns. Der Apostel Paulus spricht zu uns heute ebenso wie vor langer Zeit zu Timotheus: „Vernachlässige die Gnade nicht, die in dir ist. … Timotheus, bewahre, was dir anvertraut ist.“7
Es gibt Zeiten, da lassen viele von uns zu, dass der Feind all dessen, was wir erreichen können – ja, der Übeltäter, der hinter „selbstverschuldeten Niederlagen“ steckt – unsere Hoffnungen niederzwingt, unsere Träume zerschmettert, unsere Sicht vernebelt und unser Leben verschlechtert. Die Stimme des Feindes wispert uns ins Ohr: „Das kannst du nicht“, „Du bist zu jung“, „Du bist zu alt“, „Du bist ein Niemand“. Dann sollten wir daran denken, dass wir als Abbild Gottes erschaffen worden sind. Denken wir über diese Wahrheit nach, so gibt sie uns ein tiefes Bewusstsein von Stärke und Macht.
Ich hatte die Ehre, Präsident J. Reuben Clark Jr., der so viele Jahre der Ersten Präsidentschaft angehörte, recht gut zu kennen. Als ich ihm bei der Vorbereitung für den Druck seiner monumentalen Bücher assistierte, lernte ich wertvolle Lektionen. Eines Tages, als Präsident Clark in trüber, nachdenklicher Stimmung war, fragte er mich, ob ich für den Druck eines Bildes sorgen könne, das sich zum Rahmen eignete. Das Bild sollte die Löwen von Persepolis darstellen, die die Ruinen einer zugrunde gegangenen Herrlichkeit bewachen. Präsident Clark wollte, dass auf das Bild – zwischen die zerfallenden Bogen einer Zivilisation, die es nicht mehr gibt, – einige seiner Lieblingsschriftstellen gedruckt werden, die er aus dem reichen Schatz seiner Kenntnis der heiligen Schrift ausgewählt hatte. Nun wollen Sie wohl wissen, welche das waren. Es gab drei – zwei aus Kohelet und eine aus dem Johannesevangelium.
Zunächst aus Kohelet: „Fürchte Gott und achte auf seine Gebote! Das allein hat jeder Mensch nötig.“8
Und weiter: „Windhauch, Windhauch, sagte Kohelet, Windhauch, Windhauch, das ist alles Windhauch.“9
Die dritte aus Johannes: „Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast.“10
Ein noch früherer Prophet, nämlich Moroni, dessen Schriften heute im Buch Mormon zu finden sind, rät: „Und nun möchte ich euch anempfehlen, diesen Jesus zu suchen, von dem die Propheten und Apostel geschrieben haben, damit die Gnade Gottes, des Vaters, und auch des Herrn Jesus Christus und der Heilige Geist, der von ihnen Zeugnis gibt, in euch seien und verbleiben immerdar.“11
Präsident David O. McKay hat gesagt: „Der größte Kampf des Lebens wird in der stillen Kammer der eigenen Seele ausgefochten. … Es ist eine gute Sache, sich hinzusetzen und mit sich selbst Zwiesprache zu halten – mit sich selbst eins zu werden und in diesem stillen Augenblick festzulegen, was die Pflicht gegenüber der Familie, der Kirche, dem Land … und den Mitmenschen ist.“12
Der junge Prophet Joseph Smith erflehte Hilfe vom Himmel und ging dazu in den Wald, der durch die darauf folgenden Ereignisse heilig wurde. Brauchen wir ebensolche Stärke? Muss nicht jeder seinen eigenen „heiligen Wald“ aufsuchen? Ein Ort, an dem die Verständigung zwischen Gott und dem Menschen ungehindert, ungestört und ohne Ablenkung vonstatten gehen kann, ist ein solcher Wald.
Im Neuen Testament erfahren wir, dass es unmöglich ist, die richtige Einstellung zu Christus zu erlangen, wenn man nicht eine selbstlose Einstellung den Menschen gegenüber entwickelt. Im Buch Matthäus sagt Jesus: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“13
Als der Erretter einen Mann voll Glauben suchte, wählte er keinen aus der Schar der Selbstgerechten, die regelmäßig in der Synagoge zu finden waren. Stattdessen berief er einen der Fischer von Kafarnaum. Als er am Ufer lehrte, sah er dort zwei Boote liegen. Er stieg in eines davon und bat den Besitzer, ein Stück hinauszufahren, damit er von der Menge nicht bedrängt wurde. Nachdem er weiter gelehrt hatte, sagte er zu Simon: „Fahr hinaus auf den See! Dort werft eure Netze zum Fang aus.“
Simon antwortete: „Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen. Doch wenn du es sagst, werde ich die Netze auswerfen.
Das taten sie, und sie fingen eine … große Menge Fische …
Als Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sagte: Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder.“14
Die Antwort darauf war: „Folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen.“15
Simon der Fischer hatte seine Berufung erhalten. Der zweifelnde, ungläubige, ungelehrte, ungeschulte und ungestüme Simon sollte feststellen, dass der Weg des Herrn weder eine leicht befahrbare Autobahn noch ein schmerzloser Pfad war. Er sollte den Tadel zu hören bekommen: „Du Kleingläubiger.“16 Und doch, als der Meister ihn fragte: „Für wen haltet ihr mich?“, antwortete Petrus: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“17
Aus Simon, dem Mann der Zweifel, wurde Petrus, der Apostel des Glaubens. Petrus traf seine Wahl.
Als der Erretter einen Missionar mit Begeisterung, Eifer und Kraft zu erwählen hatte, fand er ihn nicht unter seinen Befürwortern, sondern inmitten seiner Gegner. Das Erlebnis auf der Straße nach Damaskus änderte Saulus. Über ihn sagte der Herr: „Dieser Mann ist mein auserwähltes Werkzeug: Er soll meinen Namen vor Völker und Könige und die Söhne Israels tragen.“18
Saulus, der Verfolger, wurde zu Paulus, dem Verkünder. Paulus traf seine Wahl.
Zahllose Mitglieder der Kirche dienen jeden Tag selbstlos. Es gibt viele, die großzügig geben, ohne Aufhebens oder Prahlerei, sondern durch stille Liebe und sanfte Fürsorge. Ich möchte Ihnen von jemandem erzählen, der eine solch einfache, aber doch tiefgreifende Entscheidung getroffen hat – zu dienen.
Vor ein paar Jahren waren meine Frau und ich in Toronto, wo wir früher einmal gewohnt hatten, als ich dort Missionspräsident war. Olive Davies, die Frau des ersten Pfahlpräsidenten in Toronto, war schwer krank und bereitete sich auf den Tod vor. Ihre Krankheit zwang sie dazu, das Zuhause, das sie so liebte, zu verlassen und in ein Krankenhaus zu gehen, wo ihr die notwendige medizinische Versorgung geboten wurde. Ihr einziges Kind lebte mit seiner eigenen Familie weit entfernt im Westen.
Ich versuchte, Schwester Davies zu trösten, aber sie hatte bereits den Trost, den sie sich wünschte, bei sich. Ihr Enkel saß unbeirrbar und still neben ihr. Ich hörte, dass er fast den ganzen Sommer über sein Universitätsstudium ausgesetzt hatte, um für seine Großmutter da zu sein. Ich sagte zu ihm: „Shawn, du wirst diese Entscheidung niemals bereuen. Deine Großmutter hat das Gefühl, dass du vom Himmel gesandt bist, als Antwort auf ihr Gebete.“
Er antwortete: „Ich tue das, weil ich sie liebe und weil ich weiß, dass der Himmlische Vater es von mir möchte.“
Tränen standen uns in den Augen. Großmutter Davies erzählte uns, wie sehr sie die Hilfe ihres Enkels genossen hatte und dass sie ihn allen Angestellten und Patienten im Krankenhaus vorgestellt hatte. Hand in Hand gingen sie durch die Flure, und selbst nachts war er in ihrer Nähe.
Olive Davies ist mittlerweile verstorben und zu ihrem glaubenstreuen Ehemann gegangen. Gemeinsam setzen sie ihre ewige Reise fort. Im Herzen des Enkels werden immer die Worte verbleiben: „Wähle recht, die Wahl ist dir gegeben. Wähle recht, dann führt dich Gottes Geist.“19
Das sind Grundsteine, auf die man seinen eigenen Tempel bauen kann. Der Apostel Paulus sagt: „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“20
Ich möchte Ihnen heute eine einfache, aber weitreichende Formel mitgeben, die Sie bei allen Entscheidungen führen kann:
Erfülle deinen Verstand mit Wahrheit.
Erfülle dein Herz mit Liebe.
Erfülle dein Leben mit Dienen.
Wenn wir dies tun, kann es gut sein, dass wir eines Tages das Lob unseres Herrn und Erretters hören: „Sehr gut, du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Du bist im Kleinen ein treuer Verwalter gewesen, ich will dir eine große Aufgabe übertragen. Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn.“21
Im Namen Jesu Christi. Amen.