Der Schlüssel der Gotteserkenntnis
Der Schlüssel der Gotteserkenntnis, der von denen gebraucht wird, die den Eid und Bund des Melchisedekischen Priestertums halten, ermöglicht es uns, Söhne Gottes zu werden.
Brüder im Priestertum Gottes, ich überbringe meine Botschaft heute Abend abermals im Sitzen. Wie Sie wissen, macht mir im Augenblick mein Rücken zu schaffen. Wer schon einmal Rückenprobleme hatte, wird mich verstehen. Wer noch keine hatte: Warten Sie’s ab! Etwas anderes lässt sich über mein Befinden nicht sagen.
Ich spreche heute Abend in aller Demut zu Ihnen, und im Herzen bete ich darum, dass Sie mich durch die Macht des Geistes verstehen. Ich kann mir schwerlich vorstellen, dass wir als Priestertumsträger etwas Wichtigeres zu erkennen hätten als den Schlüssel der Gotteserkenntnis. Über diesen Schlüssel möchte ich heute Abend sprechen.
Das „größere Priestertum vollzieht das Evangelium und hat den Schlüssel der Geheimnisse des Reiches inne, nämlich den Schlüssel der Gotteserkenntnis.“1 Was ist der Schlüssel der Gotteserkenntnis, und kann jeder ihn erlangen? Ohne Priestertum kann es keine Fülle der Gotteserkenntnis geben. Der Prophet Joseph Smith hat gesagt: „Das Melchisedekische Priestertum … ist der Weg, auf dem alle Erkenntnis, alle Lehre, der Plan der Errettung und jede wichtige Sache vom Himmel offenbart wird.“2 Präsident Joseph F. Smith hat gesagt: „Jemand, der wahrhaftig bestätigen kann, dass Joseph Smith ein Prophet Gottes war und Jesus der Erretter ist, besitzt einen Schatz von unschätzbarem Wert. Wenn wir dies wissen, kennen wir Gott und haben einen Schlüssel zu aller Erkenntnis.“3
Abraham erkannte den Wert dieses großen Schlüssels. Er sagt über sich: „[Ich] trachtete … nach den Segnungen der Väter und dem Recht, wozu ich ordiniert sein musste, um in ihnen zu walten; da ich selbst ein Nachfolger der Rechtschaffenheit war und auch wünschte, jemand zu sein, der viel Erkenntnis besaß, und ein besserer Nachfolger der Rechtschaffenheit zu sein und mehr Erkenntnis zu besitzen … und wünschte, Belehrungen zu empfangen und die Gebote Gottes zu halten, wurde ich ein rechtmäßiger Erbe, ein Hoher Priester, der das Recht innehatte, das den Vätern zugehörte.“4
Jeder, der rechtschaffen ist und wünscht, größere Erkenntnis zu besitzen und ein „besserer Nachfolger der Rechtschaffenheit zu sein“, kann unter der Vollmacht des Priestertums größere Gotteserkenntnis erlangen. Der Herr sagt uns in Lehre und Bündnisse deutlich, wie das geht: „Wenn du bittest, wirst du Offenbarung um Offenbarung, Erkenntnis um Erkenntnis empfangen, … das, was Freude bringt, das, was ewiges Leben bringt.“5
Man mag jetzt fragen: Wie wird man ein besserer Nachfolger der Rechtschaffenheit? Rechtschaffen ist jemand, der Evangeliumsbündnisse eingeht und sie hält. Dies sind heilige Vereinbarungen6, die gewöhnlich zwischen dem Einzelnen und dem Herrn getroffen werden. Manchmal schließen sie andere Menschen, wie den Ehepartner, mit ein. Sie sind mit äußerst heiligen Versprechen und Verpflichtungen verbunden, wie die Taufe, die Übertragung des Priestertums, die Segnungen des Tempels, die Ehe und die Elternschaft. Viele der Segnungen Abrahams kommen, wenn der Heilige Geist über alle Menschen ausgegossen wird.7 Jeder, der würdig ist und den Heiligen Geist empfängt, kann tatsächlich ein neues Geschöpf werden.8
Um den vollen Anteil dieser himmlischen Segnungen zu erhalten und vollkommene Gotteserkenntnis zu erlangen, muss ein Mann den Eid und Bund des Priestertums eingehen und ihn halten.9 Präsident Marion G. Romney hat dazu klar gesagt:
„Ein Mann kann das ewige Leben nur auf einem einzigen Weg erlangen – und dafür ist das irdische Leben vorgesehen –, nämlich indem er das Melchisedekische Priestertum empfängt und es groß macht. … Es ist äußerst wichtig, dass wir immer daran denken, was wir zu tun haben, um unsere Berufung im Priestertum groß zu machen. … Dazu gehören mindestens diese drei Anforderungen:
1. dass wir Erkenntnis vom Evangelium erlangen,
2. dass wir unser Leben nach den Maßstäben des Evangeliums ausrichten,
3. dass wir hingebungsvoll dienen.“10
Jeder Priestertumsträger muss zwei Bündnisse eingehen. Das erste ist, so treu zu sein, dass er das Aaronische und das Melchisedekische Priestertum erlangen kann.11 Das Aaronische Priestertum schult den Priestertumsträger und bereitet ihn auf die größeren Pflichten des Melchisedekischen Priestertums vor sowie darauf, die Segnungen des Eides und Bundes des Priestertums zu erlangen. Es ist erforderlich, sowohl das Aaronische als auch das Melchisedekische Priestertum zu tragen, wenn man alle Segnungen erhalten will, die der Herr für seine treuen Söhne vorgesehen hat. Der zweite Bund, den wir als sein Vertreter in dieser heiligen Vollmacht eingehen müssen, ist, unsere Berufung treu und mit absolutem Glauben an Gott groß zu machen.12
Mit dem Eid und Bund des Priestertums gibt der Herr seinen treuen Söhnen mehrere Verheißungen, die „er nicht brechen kann“.13 Erstens werden die Priestertumsträger „vom Geist geheiligt, sodass sich ihr Körper erneuern wird“.14 Präsident Hinckley ist wohl ein sehr gutes Beispiel dafür. Sein Körper, Verstand und Geist sind auf äußerst bemerkenswerte Weise erneuert worden. Zweitens: Sie werden „Söhne Moses und Aarons und Nachkommen Abrahams“.15 Drittens: Sie werden „die Auserwählten Gottes“.16 Als seine Beauftragten bringen sie sein heiliges Werk in unserer Zeit auf der Erde voran. Viertens: Alle, die dieses Priestertum empfangen, die empfangen den Herrn.17 Fünftens: Wer die Knechte des Herrn empfängt, empfängt ihn.18 Sechstens: Wer den Erretter empfängt, empfängt Gott, den Vater.19 Siebtens: Man empfängt ebenfalls das Reich des Vaters.20 Achtens: Diesen wird auch alles gegeben, was der Vater hat.21 Wer alles hat, was der Vater hat, kann nicht mehr empfangen.
Euch, ihr jungen Männer des Aaronischen Priestertums, ist große Vollmacht und Verantwortung gegeben worden. Unter der Anleitung des Bischofs wirkt das Aaronische Priestertum bei mindestens zwei heiligen Handlungen mit, die einen direkten Bezug zum Sühnopfer haben. Die eine ist das Abendmahl, das an das Blut des Erretters erinnert, das für unsere Sünden vergossen wurde, und an seinen Leib, den er als Lösegeld für uns gegeben hat.22 Ein Priester hat die Vollmacht, die Taufe zur Sündenvergebung zu vollziehen. Das Aaronische Priestertum ist eine äußerst reale Macht. Ein junger Mann beschreibt, wie er die Ausübung dieser Macht erlebt hat:
„Ich besuchte einmal eine Gemeinde, in der fast niemand das Melchisedekische Priestertum trug. Doch sie war in keiner Weise geistig abgestumpft. Im Gegenteil: Viele Mitglieder wurden Zeuge der größten Entfaltung von Priestertumsmacht, die sie je erlebt hatten.
Diese Macht ging von den Priestern aus. Zum ersten Mal im Leben wurde von ihnen erwartet, dass sie alle Pflichten eines Priesters übernahmen und sich der Bedürfnisse der Mitglieder in ihrer Gemeinde annahmen. Sie waren ernsthaft zur Heimlehrarbeit berufen – nicht nur ein gähnendes Anhängsel eines Ältesten zu sein, der eben mal vorbeischaut, sondern dazu, ein Segen für ihre Brüder und Schwestern zu sein.
Vor diesem Zeitpunkt hatte ich vier dieser Priester unter anderen Umständen kennen gelernt. … Sie hatten jeden Seminarlehrer innerhalb von zwei, drei Monaten vertrieben. Bei Scout-Ausflügen hinterließen sie überall Chaos und Zerstörung. Aber als sie gebraucht wurden – als ihnen eine wichtige Mission anvertraut wurde –, gehörten sie zu denen, die im Priestertumsdienst das leuchtendste Beispiel gaben.
Das Geheimnis war: Der Bischof hatte die Träger des Aaronischen Priestertums dazu aufgerufen, sich das Format eines Mannes anzueignen, dem sehr wohl Engel erscheinen können. Und sie entwickelten diese geistige Größe und halfen denen, die in Not waren, und stärkten diejenigen, die Stärkung brauchten. Dadurch wurden nicht nur die anderen Gemeindemitglieder aufgebaut, sondern auch die Mitglieder des Kollegiums selbst. Große Einigkeit verbreitete sich in der Gemeinde, und alle Mitglieder bekamen einen Eindruck davon, wie es ist, wenn ein Volk eines Herzens und eines Sinnes ist. Es war nichts Unerklärliches daran, es war nur die richtige Ausübung des Aaronischen Priestertums.“23
Präsident Gordon B. Hinckley hat vor kurzem dem Aaronischen Priestertum gesagt, dass derjenige von euch, der würdig lebt, „den Schutz von dienenden Engeln“ genießen kann und dass er „einen hohen Maßstab [hat], dem er gerecht werden muss“.24
Was bedeutet es, ein Nachkomme Abrahams zu sein? Gemäß der heiligen Schrift hat es eine tiefere Bedeutung, als nur sein buchstäblicher Nachkomme zu sein. Der Herr hat einen Bund mit Abraham, dem großen Patriarchen, geschlossen, dass alle Nationen durch ihn gesegnet würden.25 Jeder Mann und jede Frau kann Anspruch auf die Segnungen Abrahams erheben. Sie werden seine Nachkommen und Erben der verheißenen Segnungen, indem sie das Evangelium annehmen, sich taufen lassen, die Tempelehe eingehen, ihre Bündnisse treu einhalten und dazu beitragen, allen Nationen der Erde das Evangelium zu bringen.
Um bevollmächtigt zu werden, „diesen geistlichen Dienst und dieses Priestertum zu allen Nationen [zu] tragen“,26 muss ein Mann das Melchisedekische Priestertum samt seinen Segnungen empfangen. Dann wird er durch Glaubenstreue ein Erbe der Fülle des ewigen Lebens. So hat Paulus gesagt: „Wenn ihr aber zu Christus gehört, dann seid ihr Abrahams Nachkommen, Erben kraft der Verheißung.“27
Als Nachkommen Abrahams haben wir einige Verpflichtungen. Uns ist geboten, zu Christus zu kommen, indem wir „so handeln wie Abraham“.28 Dazu gehört, Gott zu gehorchen, die heiligen Handlungen und Bündnisse, die zum Priestertum und zum Tempel gehören, zu empfangen und einzuhalten, das Evangelium zu verkündigen, eine Familie zu gründen, seine Kinder zu unterweisen und bis ans Ende auszuharren.
In der Verheißung des Herrn an Abraham wird in der Bibel das Wort Same verwendet. Es hat eine umfassendere Bedeutung als Nachkommenschaft, denn es bedeutet, dass die Segnungen des Bundes mit Abraham „unter allen Nationen“29 vervielfacht werden. Der Herr hat Abraham eine Nachkommenschaft verheißen, die „so unzählbar wie die Sterne“ oder der „Sand am Ufer des Meeres“30 ist.
Abrahams rechtschaffene Nachkommen genießen außerdem den Vorzug, in die ewige Familie Jesu Christi aufgenommen zu werden. Dazu gehört das Recht, ewige Bündnisse im Tempel zu empfangen, durch die sie, wenn sie würdig sind, in die ewige Familie Christi eingegliedert und erhöht werden.31 Dazu gehören auch „die Segnungen der Errettung, ja, des ewigen Lebens.“32
Die patriarchalische Ordnung verläuft von Abraham über Isaak zu Jakob. Durch die Priestertumslinie besteht sie in unserer Zeit fort. In jedem Zeitalter wurden Segnungen und Verheißungen vom Vater an den glaubenstreuen Sohn weitergegeben. Ein modernes Beispiel dafür findet sich im Leben von Elder John B. Dickson von den Siebzigern. Er berichtet:
„Als es für mich Zeit war, auf Mission zu gehen, freute ich mich sehr darauf, dem Herrn zu dienen. Kurz bevor ich gehen sollte, stellte sich jedoch heraus, dass ich Knochenkrebs hatte. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich lange genug lebte, um meine Mission zu erfüllen, war sehr gering. Ich glaubte daran, dass der Herr einen Weg bereiten würde, wenn er wollte, dass ich ging. Mein Vater gab mir einen Segen, in dem mir gesagt wurde, dass ich eine Mission in Mexiko erfüllen, mein Leben lang in der Kirche dienen und eine Familie haben würde. Mein rechter Arm musste oberhalb des Ellbogens amputiert werden, aber mein Leben wurde gerettet, und die Verheißungen, die mir gegeben wurden, haben sich alle erfüllt.
Manche meinen vielleicht, den Arm zu verlieren sei eine schreckliche Last, aber es war eine der größten Segnungen in meinem Leben. Ich habe gelernt, dass es sehr wichtig ist, Herausforderungen zu haben und sie tapfer zu bestehen.“
Elder Dickson war von klein auf Rechtshänder und musste jetzt lernen, alles mit der linken Hand zu tun. So kämpfte er auch damit, seine Krawatte zu binden. Er berichtet: „Als ich an einem Sonntagmorgen mit der Krawatte in der Hand im Schlafzimmer stand, dachte ich: Wie soll ich nur die Krawatte binden? Ich überlegte mir, ob ich mir eine Krawatte zum Anstecken kaufen sollte. Ich überlegte, ob ich meine Mutter bitten sollte, mir zu helfen. Aber ich konnte sie ja nicht mit auf Mission nehmen, nur damit sie mir die Krawatte band. Also war klar, dass ich lernen musste, es selbst zu tun. Ich schaffte es schließlich mit Hilfe meiner Zähne. So mache ich es heute noch, auch wenn ich es schon tausendmal gemacht habe.“33
Wir wissen nicht im Einzelnen, was von der Menschheit und von den Heiligen Gottes in den ungewissen Tagen, die vor uns liegen, noch alles verlangt wird. Es wird immer schwieriger, jeden Tag rechtschaffen zu leben. Darüber hinaus werden die Priestertumsträger möglicherweise zusätzlichen Schwierigkeiten begegnen, wenn sie ihre Familie beschützen und für sie sorgen wollen. Ein bekannter Staatsmann wies vor kurzem darauf hin, es werde „Gefahren geben, die uns alle betreffen. Eine tödliche Bedrohung geht heute von verbrecherischen Mächten und staatenlosen Netzwerken von Extremisten aus, die für die Heiligkeit des menschlichen Lebens und die Grundsätze, die zivilisierten Nationen viel bedeuten, nur Verachtung übrig haben.“34
Wir alle können davon ausgehen, mit Prüfungen konfrontiert zu werden. Aber für diejenigen, die an der Rechtschaffenheit festhalten, gelten großartige ewige Verheißungen. Der Herr hat sein Wort gegeben, dass „jeder, der … nicht ablässt, weiterhin in allem treu zu sein, … im Sinn nicht müde werden [wird], auch nicht verfinstert, auch nicht im Leib, Glied und Gelenk … Und sie werden weder hungrig sein noch durstig.“35 Ich bin im Hinblick auf das, was die Zukunft für die Kirche des Herrn und ihre Mitglieder bereithält, optimistisch, aber wir müssen weiterhin rechtschaffen und „in allem treu … sein.“36 Der Schlüssel der Gotteserkenntnis, der von denen gebraucht wird, die den Eid und Bund des Melchisedekischen Priestertums halten, ermöglicht es uns, Söhne Gottes zu werden. Ich bete demütig darum, dass wir das tun. Im Namen Jesu Christi. Amen.