2000–2009
Ein Schutz und eine Zuflucht
Oktober 2006


2:3

Ein Schutz und eine Zuflucht

Wir bezeichnen die Kirche als unseren Schutz, unsere Zuflucht. In der Kirche finden wir Sicherheit und Schutz.

Am 26. Juli 1847, ihrem dritten Tag im Tal (der zweite war der Sabbat gewesen), bestieg Brigham Young mit einigen der Zwölf Apostel und ein paar anderen einen Berggipfel, der ungefähr zweieinhalb Kilometer von der Stelle entfernt ist, an der ich jetzt stehe. Sie hielten das für einen guten Platz, ein Panier für die Nationen aufzustellen. Heber C. Kimball trug ein gelbes Halstuch. Dieses banden sie an Willard Richards Gehstock und ließen es hoch oben wehen, ein Panier für die Nationen. Brigham Young gab dem Ort den Namen Ensign Peak – Bannerspitze1.

Danach stiegen sie hinab zu ihren abgenutzten Wagen, zu den wenigen Habseligkeiten, die sie 3200 Kilometer weit mit sich geführt hatten, und zu ihren von der Reise erschöpften Mitstreitern. Nicht, was sie besaßen, gab ihnen Kraft, sondern das, was sie wussten.

Sie wussten, dass sie Apostel des Herrn Jesus Christus waren. Sie wussten, dass ihnen das Priestertum durch Engel gebracht worden war. Sie wussten, dass sie die Gebote und die Bündnisse hatten, die der ganzen Menschheit die Möglichkeit zu Errettung und Erhöhung in der Ewigkeit boten. Sie waren sicher, dass sie vom Heiligen Geist inspiriert wurden.

Sie arbeiteten emsig daran, Gärten anzulegen und Unterkünfte zu errichten, die ihnen im herannahenden Winter Schutz bieten sollten. Sie bereiteten die Ankunft derer vor, die bereits in der Prärie unterwegs waren und ihnen zu diesem neuen Sammelplatz folgten.

Eine Offenbarung, die neun Jahre zuvor niedergeschrieben worden war, wies sie an: „Erhebt euch und lasst euer Licht leuchten, damit es den Nationen ein Banner sei

und damit die Sammlung im Land Zion und in seinen Pfählen Schutz bewirke und eine Zuflucht sei vor dem Sturm und vor dem Grimm, wenn diese unvermischt über die ganze Erde ausgegossen werden.“ (LuB 115:5,6.)

Sie sollten das „Licht“ sein – das „Banner“ und der „Maßstab“.

Der Maßstab, der durch Offenbarung festgelegt ist, ist in den heiligen Schriften in Form der Lehren des Evangeliums Jesu Christi enthalten. Die Grundsätze des Evangeliums, an denen wir unser Leben ausrichten, beruhen auf der Lehre, und die Maßstäbe stimmen mit den Grundsätzen überein. An die Maßstäbe sind wir durch Bündnisse gebunden, die uns im Rahmen der heiligen Handlungen des Evangeliums durch diejenigen zugänglich gemacht werden, die das Priestertum und die Schlüssel der Vollmacht empfangen haben.

Diesen glaubenstreuen Brüdern war es nicht freigestellt – so wie es auch uns nicht freigestellt ist –, diese Maßstäbe zu ändern oder zu ignorieren. Wir müssen nach ihnen leben.

Es hilft uns nichts, einfach zu sagen, sie spielten keine Rolle. Wir wissen, dass sie eine Rolle spielen, denn alle Menschen sind „genügend unterwiesen, um Gut von Böse zu unterscheiden“ (2 Nephi 2:5).

Wenn wir unser Bestes geben, dürfen wir uns nicht entmutigen lassen. Wenn wir versagen, was vorkommt, oder stolpern, was passieren kann, dann steht uns immer das Heilmittel der Umkehr und Vergebung zur Verfügung.

Wir müssen unseren Kindern den sittlichen Maßstab vermitteln, jede Form von Unsittlichkeit zu meiden. Die kostbaren Kräfte, die ihrem irdischen Körper innewohnen, „[dürfen] nur zwischen einem Mann und einer Frau angewandt werden …, die rechtmäßig miteinander verheiratet sind“2. In der Ehe müssen wir vollkommen treu sein.

Wir sollen das Gesetz des Zehnten befolgen. Wir erfüllen unsere Aufgaben in der Kirche. Wir versammeln uns jede Woche zur Abendmahlsversammlung, um unsere Bündnisse zu erneuern und die Verheißungen zu erlangen, die in den einfachen und heiligen Gebeten für Brot und Wasser enthalten sind. Wir sollen das Priestertum ehren und uns an die Bündnisse und Verordnungen halten.

Diese Brüder auf Ensign Peak wussten, dass sie ein einfaches Leben führen und sein Abbild in ihren Gesichtsausdruck aufnehmen sollten (siehe Alma 5:14).

Ihnen war klar, dass die Pfähle ein Schutz und eine Zuflucht sein sollen, aber zu jener Zeit gab es nicht einen Pfahl auf der Erde. Sie wussten, dass es ihre Mission war, Zionspfähle in jeder Nation der Erde aufzurichten.

Vielleicht haben sie sich gefragt, welche Art Grimm oder Sturm ihnen noch widerfahren könnte, den sie nicht schon erlebt hatten. Sie hatten brutale Verfolgung, Gewalt und Terror ertragen. Ihre Häuser waren niedergebrannt, ihr Eigentum war ihnen genommen worden. Wieder und wieder waren sie aus ihren Häusern vertrieben worden. Sie wussten damals – wie auch wir jetzt wissen –, dass der Widerstand nicht enden würde. Seine Art ändert sich, aber er wird niemals aufhören. Herausforderungen wie die, denen die frühen Heiligen gegenüberstanden, würden niemals aufhören. Neue Herausforderungen wären zwar anders, aber sie wären nicht weniger schwierig als die, die sie bereits bestanden hatten.

Heute gibt es tausende Zionspfähle, die überall in der Welt zu finden sind. Es gibt Millionen von Mitgliedern und ihre Zahl nimmt weiter zu. Beides kann nicht aufgehalten werden, denn dies ist das Werk des Herrn. Es gibt heute Mitglieder in 160 Ländern und sie sprechen über 200 Sprachen.

Manche leben mit einer unausgesprochenen Furcht vor dem, was uns und die Kirche in der Welt erwartet. Sie wird immer finsterer, was Sittlichkeit und Geistigkeit betrifft. Wenn wir uns in der Kirche sammeln, die einfachen Grundsätze des Evangeliums befolgen, ein reines Leben führen, das Wort der Weisheit halten, unsere Priestertums- und sonstigen Pflichten erfüllen, dann brauchen wir keine Furcht zu haben. Das Wort der Weisheit ist ein Schlüssel für einen gesunden Körper und für das Empfangen von Offenbarung. Meiden Sie Tee, Kaffee, Alkohol, Tabak und Drogen.

Wir können dort leben, wo wir möchten, und unser Bestes geben, um für unseren Lebensunterhalt zu sorgen – sei es wenig oder viel. Wir können frei wählen, wie wir unser Leben gestalten, und uns dabei gewiss sein, dass der Allmächtige dem zustimmt oder sogar eingreift; wir können darauf vertrauen, beständig geistig geführt zu werden.

Jeder Pfahl ist ein Schutz und eine Zuflucht und ein Banner. Jeder Pfahl ist eigenständig und mit allem ausgerüstet, was für die Errettung und Erhöhung derer notwenig ist, die sich in seinen Einfluss begeben, und Tempel sind näher als je zuvor.

Der Widerstand hat nie aufgehört. Es gibt Fehlinterpretationen und falsche Darstellungen von uns und unserer Geschichte, manche davon sind böswillig und widersprechen ganz gewiss den Lehren Jesu Christi und seinem Evangelium. Manchmal wenden sich Geistliche oder sogar religiöse Organisationen gegen uns. Sie tun, was wir niemals tun würden. Wir greifen andere nicht an, kritisieren und bekämpfen sie nicht, so wie sie es mit uns tun.

Sogar noch heute werden einige absurde Geschichten verbreitet und so oft wiederholt, bis man sie schließlich glaubt. Eine der albernsten davon ist, dass Mormonen Hörner haben.

Vor Jahren war ich bei einem Symposium an einer Hochschule in Oregon. Anwesend waren ein katholischer Bischof, ein Rabbi, je ein Geistlicher der Episkopalkirche, einer protestantischen Kirche sowie der Unitarier und ich.

Der Rektor der Hochschule, Dr. Bennett, hatte uns zu einem Frühstück eingeladen. Einer der Anwesenden fragte mich, welche meiner Frauen ich denn mitgebracht hätte. Ich erklärte ihnen, dass ich nur eine zur Auswahl hatte. Für eine Sekunde dachte ich, dass ich der Einzige sei, über den man sich lustig machen wolle. Doch dann fragte jemand den katholischen Bischof, ob er seine Frau mitgebracht habe.

Die nächste Frage kam von Dr. Bennett und ging wieder an mich: „Stimmt es, dass Mormonen Hörner haben?“

Ich schmunzelte und erwiderte: „Ich kämme mir die Haare so, dass man sie nicht sieht.“

Dr. Bennett, der schon völlig kahl war, legte sich beide Hände auf den Kopf und sagte: „Oh! Aus mir können Sie dann nie einen Mormonen machen!“

Das Seltsamste aber ist, dass ansonsten intelligente Menschen behaupten, wir seien keine Christen. Das zeigt doch, dass sie wenig oder gar nichts über uns wissen. Es ist ein wahrer Grundsatz, dass man sich nicht selbst erheben kann, indem man andere erniedrigt.

Manch einer meint, dass unsere hohen Maßstäbe Wachstum verhindern. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Hohe Maßstäbe sind wie ein Magnet. Wir sind alle Kinder Gottes und fühlen uns zur Wahrheit und zum Guten hingezogen.

Wir stehen vor der Herausforderung, in einer Welt, in der die Wolken der Schlechtigkeit immer finsterer werden, Kinder großzuziehen. Einige unserer Mitglieder sind verunsichert und fragen sich manchmal: Gibt es einen Ort, an dem man all dem entrinnen kann? Gibt es eine andere Stadt oder ein anderes Land, in dem man sicher ist und Zuflucht finden kann? Die Antwort lautet eigentlich nein. Den Schutz und die Zuflucht gibt es dort, wo unsere Mitglieder jetzt leben.

Im Buch Mormon wird prophezeit: „Ja, und dann wird das Werk durch den Vater unter allen Nationen beginnen, um den Weg zu bereiten, wodurch sein Volk gesammelt werden kann, heim in das Land seines Erbteils.“ (3 Nephi 21:28.)

Diejenigen, die von der Welt in die Kirche kommen, die Gebote halten, das Priestertum ehren und sich aktiv beteiligen, haben die Zuflucht gefunden.

Vor einigen Wochen erinnerte uns Elder Robert C. Oaks, einer der sieben Präsidenten der Siebziger – ein Vier-Sterne-General und Befehlshaber der NATO-Luftstreitkräfte in Mitteleuropa im Ruhestand –, in einer unserer Versammlungen an die Vereinbarung, die am 2. September 1945 von zehn Staaten an Bord des Schlachtschiffs Missouri in der Bucht von Tokio unterschrieben wurde und damit den 2. Weltkrieg beendete. Einige von uns waren zu dieser Zeit in Asien. Elder (General) Oaks sagte: „Ich kann mir für heute gar kein Umfeld vorstellen, in dem ein solches Treffen abgehalten werden könnte oder wo eine derartige Vereinbarung unterschrieben werden könnte, die den Krieg gegen den Terrorismus und das Böse beenden würde, in dem wir stehen. Dieser Krieg ist anders.“

Wir sollen uns nicht fürchten, auch nicht in einer Welt, in der die Feindseligkeiten niemals aufhören werden. Der durch den Widerstand entfachte Krieg, der in den Offenbarungen prophezeit wurde, setzt sich heute fort. Wir sollen glücklich und optimistisch sein. Wir sollen uns nicht fürchten. Furcht ist das Gegenteil von Glauben.

Wir wissen, dass sich in der Kirche alles um die Familie dreht. Wo auch immer in der Welt Mitglieder leben, sollten sie eine Familie gründen, in der Kinder willkommen sind und als eine „Gabe des Herrn“ (Psalm 127:3) geschätzt werden. Eine würdige Familie von Heiligen der Letzten Tage ist ein Banner und ein Maßstab für die Welt.

Wir sollen nicht nur die höchsten Maßstäbe wahren, sondern jeder von uns soll ein Maßstab und ein Banner, ein Schutz, eine Zuflucht sein. „[Unser] Licht [soll] vor den Menschen leuchten, damit sie [unsere] guten Werke sehen und [unseren] Vater im Himmel preisen.“ (Matthäus 5:16; siehe auch 3 Nephi 12:16.)

All die Mühen und Strapazen der vergangenen Generationen haben uns in unseren Tagen die Fülle des Evangeliums Jesu Christi gebracht, die Vollmacht, zu dienen, und alles, was wir brauchen, um den geistlichen Dienst zu erfüllen. Alles läuft in dieser Evangeliumszeit der Fülle zusammen, in der alles vollendet und die Erde auf das Kommen des Herrn vorbereitet wird.

Wir sind genau so ein Teil dieses Werkes wie die Männer, die das gelbe Halstuch von Willard Richards Gehstock abgenommen haben und dann von der Ensign Peak hinabgestiegen sind. Dieses Tuch wehte hoch oben als Zeichen der großen Sammlung, die in alter wie in neuzeitlicher heiliger Schrift prophezeit worden war.

Wir bezeichnen die Kirche als unseren Schutz, unsere Zuflucht. In der Kirche finden wir Sicherheit und Schutz. Mittelpunkt ist das Evangelium Jesu Christi. Die Heiligen der Letzten Tage lernen, in sich zu gehen und die erlösende Macht des Erretters der ganzen Menschheit zu erkennen. Die Grundsätze des Evangeliums, die in der Kirche gelehrt werden und wie wir sie aus den heiligen Schriften lernen, werden für jeden Einzelnen von uns und für unsere Familien zur Richtschnur.

Wir wissen, dass die Familie, die wir gründen, und die Familien unserer Nachkommen die Zuflucht sein werden, von der in den Offenbarungen gesprochen wird – das „Licht“, das „Banner“, das „Zeichen“, das „Panier“ für alle Nationen und die „Zuflucht“ vor den sich zusammenbrauenden Stürmen (siehe LuB 115:5,6; Jesaja 11:12; 2 Nephi 21:12).

Das Panier, um das wir uns alle sammeln sollen, ist Jesus Christus, der Sohn Gottes, der Einziggezeugte des Vaters, dessen Kirche dies ist und dessen Name wir tragen und dessen Vollmacht wir besitzen.

Wir schauen gläubig voran. Wir haben in unserem Leben vieles erlebt und viel wird noch geschehen, was unseren Mut fordern und unseren Glauben vergrößern wird. Wir sollen uns „[freuen] und [jubeln]: [Unser] Lohn im Himmel wird groß sein.“ (Matthäus 5:12.)

Verteidigen Sie bereitwillig die Geschichte der Kirche und „[schämen Sie sich] des Evangeliums nicht: Es ist eine Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt.“ (Römer 1:16.)

Wir werden vor Herausforderungen stehen, denn wir können sie nicht umgehen, und das Evangelium Jesu Christi lehren und ihn als unseren Erretter und unsere Zuflucht, unseren Erlöser, verkünden.

Wenn ein abgetragenes gelbes Halstuch gut genug war, um der Welt ein Panier zu sein, dann können gewöhnliche Männer, die das Priestertum tragen, und gewöhnliche Frauen und gewöhnliche Kinder in gewöhnlichen Familien, die überall auf der Welt nach besten Kräften nach dem Evangelium leben, als Banner und Maßstab, als Schutz und als Zuflucht erstrahlen gegen all das, was noch über die Erde ausgeschüttet wird.

„Und wir reden von Christus, wir freuen uns über Christus, wir predigen von Christus, wir prophezeien von Christus, und wir schreiben gemäß unseren Prophezeiungen, damit unsere Kinder wissen mögen, von welcher Quelle sie Vergebung ihrer Sünden erhoffen können.“ (2 Nephi 25:26).

Diese Kirche wird gedeihen. Sie wird bestehen. Dessen bin ich absolut gewiss. Dies bezeuge ich im Namen Jesu Christi. Amen.

  1. Siehe Tagebuch von Wilford Woodruff, 26. Juli 1847, Archiv der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage; siehe auch B. H. Roberts, A Comprehensive History of the Church, 3:270f.

  2. „Die Familie – eine Proklamation an die Welt“, Liahona, Oktober 2004, Seite 49