Wie wir ein Werkzeug in der Hand Gottes werden
Man braucht keine Berufung in der Kirche, keine Einladung, jemandem zu helfen, und nicht einmal Gesundheit, um ein Werkzeug in Gottes Hand zu sein.
Mein Großvater mütterlicherseits, Alma Benjamin Larsen, war erst 34 Jahre alt, als er eines Morgens aufwachte und feststellte, dass er nicht mehr klar sehen konnte. Kurze Zeit später erblindete er vollständig. Großvater hatte eine Mission erfüllt und war ein glaubenstreues Mitglied der Kirche. Er war Farmer, hatte eine Frau und drei Kinder und konnte sich ein Leben ohne Augenlicht nicht vorstellen. Großvaters Frau und seine kleinen Kinder mussten nun zusätzliche Arbeit auf der Farm übernehmen und das Geld wurde knapp.
Während dieser Zeit buchstäblicher Finsternis wurden viele Menschen zu einem Werkzeug in Gottes Hand, um meinem blinden Großvater zu helfen. 1919 ereignete sich etwas, was die Familie sehr beeinflusste. Es war ein Jahr großer finanzieller Schwierigkeiten für alle Leute in Großvaters Heimatort. Farmen wurden gepfändet und Unternehmen gingen pleite. Großvaters Farm war mit einer beträchtlichen Hypothek belastet und so wurde ihm mitgeteilt, dass er 195 Dollar zu zahlen hätte, um die Hypothek um ein Jahr zu verlängern. Das war für ihn, als verlange man ein Pfund von seinem Fleisch. Nahezu jeder befand sich in der gleichen Lage, und es schien unmöglich, so viel Geld zusammenzubekommen. Hätte er alles auf der Farm zusammengerafft, sogar die Pferde, die Kühe und die Geräte, so hätte er doch keine 195 Dollar dafür bekommen. Mein Großvater bat einen Nachbarn, zwei oder drei seiner Kühe zu schlachten, und er verkaufte sie zusammen mit einigen anderen Produkten. Er hatte seinen Nachbarn Geld geliehen, das sie ihm am Endedes Jahres zurückzahlen wollten, doch keiner seiner Schuldner konnte zahlen. Die wirtschaftliche Lage seiner Familie sah düster aus.
Großvater hielt in seinem Tagebuch fest: „Ich werde niemals diesen einen kalten Abend kurz vor Weihnachten 1919 vergessen. Es sah so aus, als ob wir die Farm verlieren würden. Meine Tochter Gladys legte mir ein Stück Papier in die Hand und sagte: ‚Das ist heute mit der Post gekommen.‘ Ich zeigte es ihrer Mutter und fragte sie, was das sei. Meine Frau las mir Folgendes vor: ‚Lieber Bruder Larsen, ich habe heute den ganzen Tag an Sie gedacht. Ich frage mich, ob Sie in finanziellen Schwierigkeiten sind. Wenn ja, können Sie 200 Dollar von mir haben.‘ Der Brief war unterschrieben mit ‚Jim Drinkwater‘. Jim war ein kleiner, verkrüppelter Mann und er wäre der Letzte gewesen, von dem man vermutet hätte, dass er so viel Geld zur Hand hatte. Ich ging an diesen Abend zu seinem Haus und er sagte:‚Bruder Larsen, ich bekam heute morgen eine Funkbotschaft vom Himmel, und Sie gingen mir den ganzen Tag über nicht aus dem Kopf. Ich war mir sicher, dass Sie finanzielle Schwierigkeiten haben.‘ Bruder Drinkwater gab mir 200 Dollar;195 Dollar schickten wir an die Hypothekenbank und von den übrigen 5 Dollar kauften wir Stiefel und Kleidung für die Kinder. In diesem Jahr kam der Weihnachtsmann tatsächlich zu uns.“
Mein Großvater fährt dann fort und gibt Zeugnis: „Der Herr hat mich noch nie im Stich gelassen. Er hat das Herz anderer Menschen berührt, so wie er das Herz von Bruder Drinkwater berührte. Ich gebe Zeugnis, dass ich Schutz und Sicherheit allein dadurch gefunden habe, dass ich bemüht war, die Gebote des Herrn zu halten und die Führer dieser Kirche zu unterstützen und anzuerkennen.“
Ich habe viele Male über Jim Drinkwater nachgedacht und mich gefragt, wie er wohl zu jemandem geworden war, dem der Herr vertrauen konnte. Jim war ein kleiner, verkrüppelter Mann, den Gott damit betraute, einem blinden Farmer mit einer schweren Schuldenlast und drei Kindern zu helfen. Ich habe eine ganze Menge aus Großvaters Erlebnis mit Jim Drinkwater gelernt. Ich habe gelernt, dass man keine Berufung in der Kirche, keine Einladung, jemandem zu helfen, und nicht einmal Gesundheit braucht, um ein Werkzeug in Gottes Hand zu sein. Wie also werden Sie und ich zu einem Werkzeug in der Hand Gottes? Die Propheten und die heiligen Schriften lehren uns, wie das geht.
Zuallererst müssen wir für Gottes Kinder Liebe empfinden. Als ein Gesetzeslehrer den Erretter fragte: „Meister, welches Gebot im Gesetz ist das wichtigste?“, erwiderte dieser:
„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken.
Das ist das wichtigste und erste Gebot.
Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ (Matthäus 22:36-39.)
Joseph F. Smith hat gesagt: „Liebe ist der größte Grundsatz, den es überhaupt gibt. Wenn wir den Unterdrückten die Hand hinstrecken können, wenn wir denen helfen können, die verzagt sind und Kummer haben, wenn wir die Menschen erheben und ihre Lage verbessern können, dann ist das unser Auftrag – das ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Religion.“ (Generalkonferenz, April 1917.) Wenn wir für Gottes Kinder Liebe empfinden, werden uns Gelegenheiten gegeben, durch die wir ihnen auf ihrer Reise zurück in seine Gegenwart helfen können.
Was die Söhne Mosias auf Mission erlebt haben, macht auch uns deutlich, wie wir ein Werkzeug in der Hand Gottes werden können. „Und es begab sich: Sie reisten viele Tage durch die Wildnis.“ (Alma 17:9.) Wir müssen bereit sein, uns auf die Reise zu begeben. Die Söhne Mosias waren bereit, ihre gewohnte Umgebung zu verlassen und etwas zu tun, was unbequem war. Wenn Ammon nicht bereit gewesen wäre, in ein fremdes Land zu reisen, in dem ein wildes, verstocktes und grausames Volk lebte, so hätte er Lamoni und dessen Vater weder gefunden noch ihnen geholfen, und viele Lamaniten hätten niemals etwas über Jesus Christus erfahren. Gott fordert uns auf, uns auf die Reise zu begeben – auf Mission zu gehen, eine Berufung anzunehmen, jemanden in die Kirche einzuladen oder jemandem zu helfen, der in Not ist.
In ihrem Bestreben, ihren lamanitischen Brüdern zu helfen, lernten die Söhne Mosias auch, wie wichtig das Fasten und Beten ist: „Sie fasteten viel und beteten viel, damit der Herr ihnen ein Maß seines Geistes gewähre, sie zu begleiten und bei ihnen zu verbleiben, auf dass sie ein Werkzeug in den Händen Gottes seien, um, wenn möglich, ihre Brüder, die Lamaniten, zur Erkenntnis der Wahrheit zu führen.“ (Alma 17:9.) Wünschen wir uns wirklich, ein Werkzeug in der Hand Gottes zu sein? Wenn ja, dann wird unser Wunsch der Inhalt unserer Gebete und der Mittelpunkt unseres Fastens sein.
Nachdem mein Großvater sein Augenlicht verloren hatte, fastete er und betete dafür, dass der Herr ihm Frieden schenken möge, falls er weiterhin in Finsternis leben müsse. Er schreibt, dass fast in derselben Stunde „mir der Sinn erleuchtet wurde und die finstere Wolke von mir wich“. Er konnte wieder sehen – nicht mit physischen, sondern mit geistigen Augen. Später wurde Alma Benjamin Larsen als Patriarch berufen und diente in dieser Berufung 32 Jahre lang. Wie die Söhne Mosias fastete und betete mein Großvater, und in der Folge wurde ihm die Gelegenheit gegeben, tausende Kinder Gottes zu segnen.
Wie Jim Drinkwater und mein Großvater müssen auch wir empfänglich sein für die Eingebungen des Heiligen Geistes, denn wenn wir den Wunsch haben, ein Werkzeug in der Hand Gottes zu sein, können wir Offenbarung empfangen. Der Prophet Alma der Jüngere berichtet von den Offenbarungen, die er empfing: „Ich weiß, was der Herr mir geboten hat, und ich frohlocke darin …; ja, und dies ist mein Ruhm, dass ich vielleicht ein Werkzeug in den Händen Gottes bin, um irgendeine Seele zur Umkehr zu führen; und dies ist meine Freude.“ (Alma 29:9.) Alma war offenbart worden, was er tun sollte.
Ich habe ein kleines Buch, das ich bei mir trage und in das ich die Inspirationen und Gedanken eintrage, die ich durch den Geist empfange. Es sieht nicht nach viel aus, es nutzt sich ab und muss von Zeit zu Zeit ersetzt werden. Wenn mir Gedanken in den Sinn kommen, schreibe ich sie nieder, und dann bemühe ich mich, sie in die Tat umzusetzen. Viele Male habe ich dabei bemerkt: Wenn ich etwas von meiner Liste in die Tat umsetze, wird durch mein Handeln das Gebet eines anderen beantwortet. Es ist auch vorgekommen, dass ich etwas, was auf meiner Liste stand, nicht getan habe, und später fand ich heraus, dass ich jemandem hätte helfen können, es aber nicht getan hatte. Wenn wir Eingebungen in Bezug auf Gottes Kinder bekommen, wenn wir die Gedanken und die Inspiration, die wir empfangen, niederschreiben und sie dann gehorsam in die Tat umsetzen, dann wächst das Vertrauen, das Gott in uns setzt, und wir erhalten noch mehr Gelegenheiten, ein Werkzeug in seiner Hand zu sein.
Um mit Präsident Faust zu sprechen: „Sie können ein machtvolles Werkzeug in den Händen Gottes sein und mithelfen, dieses große Werk zuwege zu bringen. … Sie können etwas für einen anderen Menschen tun, was niemand sonst tun könnte.“ („Werkzeuge in der Hand Gottes“, Liahona, November 2005, Seite 115f.) Gott schätzt diejenigen sehr, die seinen Kindern helfen. Ich fordere uns alle auf, dem Rat der Propheten zu folgen und ein Werkzeug in der Hand Gottes zu werden und zu seinen „Schätzen“ zu gehören, weil wir seinen Kindern geholfen haben.
Im Namen Jesu Christi. Amen.