Keinen Raum mehr dem Feind meiner Seele
Mögen wir die Freude über unsere Treue zu dem Höchsten und Besten in uns spüren, wenn wir unsere Liebe und unsere Ehe, unsere Gesellschaft und unsere Seele so rein halten, wie sie sein sollen.
Als meine Frau und ich neulich auf einem weit entfernten Flughafen von Bord gingen, eilten drei hübsche junge Frauen, die im selben Flugzeug gesessen hatten, auf uns zu, um uns zu begrüßen. Sie stellten sich als Mitglieder der Kirche vor, was nicht allzu überraschend war, da jemand, der nicht unserem Glauben angehört, für gewöhnlich nicht am Flughafen auf uns zugeeilt kommt. Der weitere Gesprächsverlauf war unerwartet. Schon bald erzählten die drei Frauen unter Tränen, dass sie alle erst kürzlich geschieden wurden. In jedem Fall war der Mann untreu gewesen, und in jedem Fall waren die Entfremdung und die Übertretung daraus erwachsen, dass der Mann der Anziehungskraft der Pornografie erlegen war.
Mit dieser schonungslosen Einleitung zu meiner heutigen Botschaft, die mich einige Überwindung kostet, geht es mir ähnlich wie Jakob, der vor alters sagte: „Es schmerzt mich …, dass ich … so rückhaltlos sprechen muss vor [denjenigen], deren Gefühle vielfach überaus zart und keusch und empfindsam sind.“1 Wir müssen allerdings rückhaltlos sein. Vielleicht lag es daran, dass sich der Vater oder auch der Großvater in mir regte – aber die Tränen in den Augen dieser jungen Frauen ließen auch mir und meiner Frau Tränen in die Augen treten, und die Fragen, die sie stellten, ließen mich selbst fragend zurück: Warum gibt es um uns herum so viel sittlichen Verfall, und warum fallen ihm so viele Menschen und Familien – auch einige in der Kirche – zum Opfer und tragen tiefe Narben davon?
Natürlich kannte ich die Antwort auf meine Frage zumindest teilweise schon. Fast jeden Tag werden wir alle von Unsittlichkeit in irgendeiner Form attackiert, die von allen Seiten auf uns einströmt. Die dunklere Seite der Film-, Fernseh- und Musikbranche versteigt sich immer mehr auf anstößige Sprache und sexuelles Fehlverhalten. Traurigerweise könnte derselbe Computer und der Internetdienst, mit dem ich genealogische Forschung betreiben und die Namen von Vorfahren für den Tempel vorbereiten kann, meinen Kindern oder Enkeln – wenn da keine Filter und Sperren wären – Zugang zu Inhalten übelster Sorte verschaffen, die ihrem Gemüt gewaltige, dauerhafte Schäden zufügen würden.
Denken Sie daran, dass diese jungen Ehefrauen sagten, die Untreue ihres Mannes hätte mit der Anziehungskraft der Pornografie ihren Anfang genommen. Unsittliches Tun ist jedoch kein reines Männerproblem, und nicht nur Ehemänner machen sich damit schuldig. Die Gefährdung, die nur einen Mausklick entfernt ist – und hierzu gehört auch, was bei virtuellen Begegnungen in einem Chatroom geschehen kann –, ist für jeden gleich, für Mann und Frau, Jung und Alt, Verheiratete und Alleinstehende. Und nur um sicherzustellen, dass die Versuchung immer leichter zugänglich wird, ist der Widersacher eifrig damit beschäftigt, sein Angebot, wie man es in der Branche nennen würde, auch auf Mobiltelefone, Videospiele und MP3-Spieler auszuweiten.
Wenn wir aufhören, an den Ästen dieses Problems herumzuhacken, und stattdessen die Axt direkt an die Wurzel des Baums legen, werden wir kaum überrascht sein, dass sich hier die Lüsternheit verbirgt. Lüsternheit ist ein unappetitliches Wort und sicherlich kein Thema, auf das ich gern eingehe, aber es gibt gute Gründe dafür, warum sie in manchen Überlieferungen als die tödlichste der sieben Todsünden bekannt ist.2
Warum ist die Lüsternheit solch eine Todsünde? Neben dem absolut zerstörerischen Einfluss, den sie auf unsere Seele hat, weil sie den Geist vertreibt, ist sie – wie ich meine – deswegen eine Sünde, weil sie die höchste und heiligste Beziehung, die Gott fürs irdische Leben vorsieht, besudelt: nämlich die Liebe, die Mann und Frau füreinander empfinden, und den Wunsch, den dieses Paar hegt, Kinder zu bekommen und eine Familie zu gründen, die für immer Bestand haben soll. Jemand hat einmal gesagt, dass zur wahren Liebe die Vorstellung von etwas Dauerhaftem gehören muss. Wahre Liebe bleibt bestehen. Lüsternheit hingegen vergeht so schnell, wie man eine Seite mit pornografischem Inhalt umblättern oder ein weiteres potenzielles Objekt zur Befriedigung – sei es männlich oder weiblich – anpeilen kann. Wahre Liebe macht uns ganz euphorisch – so ergeht es mir mit meiner Frau; wir erzählen es überall herum. Lüsternheit dagegen ist gekennzeichnet von Scham und Heimlichtuerei und sucht fast krankhaft das Verborgene. Je später und dunkler es ist, desto besser – für alle Fälle wird das Türschloss zweifach verriegelt. Liebe bringt uns ganz von selbst dazu, uns Gott und unseren Mitmenschen zuzuwenden. Lüsternheit hingegen ist alles andere als gottgefällig und schwelgt in Hemmungslosigkeit. Die Liebe kommt einem mit offenen Armen und großmütigem Herzen entgegen; Lüsternheit jedoch kann nur mit offener Begierde aufwarten.
Dies sind nur einige der Gründe, weshalb es so zerstörerisch ist, die wahre Bedeutung der Liebe zu entwürdigen – sei es in der Vorstellung oder mit einem anderen Menschen. Es zerstört das, was nach unserem Glauben an Gott am wichtigsten ist, nämlich den Glauben an diejenigen, die wir lieben. Es erschüttert die Säulen des Vertrauens, auf denen die jetzige – oder zukünftige – Liebe ruht, und es dauert sehr lange, dieses Vertrauen wieder aufzubauen, wenn es einmal verloren gegangen ist. Spinnt man diesen Gedanken weiter – ganz gleich, ob es sich um jemanden aus der eigenen Familie oder um Menschen handelt, die in der Öffentlichkeit stehen, wie etwa gewählte Amtsträger, Wirtschaftsführer, Medienstars oder Sportgrößen –, kann man bald an das Gebäude, das einst als Wohnstatt für eine sittlich verantwortungsvolle Gesellschaft errichtet wurde, ein Schild mit der Aufschrift hängen: „Dieses Anwesen steht leer.“3
Ob wir nun alleinstehend oder verheiratet, jung oder alt sind – sprechen wir doch kurz darüber, wie man sich gegen Versuchungen aller Art wappnen kann. Wir können vielleicht nicht alles kurieren, woran die Gesellschaft heute leidet, aber sprechen wir über ein paar Maßnahmen, die jeder ergreifen kann.
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Fangen Sie als Erstes damit an, dass Sie sich von Menschen, Material und Situationen fernhalten, die Ihnen schaden. Jemand, der gegen die Alkoholsucht oder eine andere Abhängigkeit ankämpft, weiß, dass die durch Nähe ausgeübte Anziehungskraft verhängnisvoll sein kann. So ist es auch bei Fragen der Sittlichkeit. Laufen Sie, wie Josef einst in der Gegenwart von Potifars Frau,4 einfach weg – und zwar so weit weg von der verführerischen Sache oder Person, wie Sie nur können. Und bitte: Wenn Sie vom Ort der Versuchung fliehen, hinterlassen Sie keine Nachsendeadresse.
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Nehmen Sie zur Kenntnis, dass jemand, der in den Ketten einer echten Sucht gefangen ist, sich oft nicht mehr selbst helfen kann, sondern auf andere angewiesen ist. Das kann auch Sie betreffen. Suchen Sie diese Hilfe und nehmen Sie sie dankbar an. Reden Sie mit Ihrem Bischof. Befolgen Sie seinen Rat. Bitten Sie um einen Priestertumssegen. Nehmen Sie die Angebote des Familiendienstes der Kirche in Anspruch oder suchen Sie anderswo geeignete professionelle Hilfe. Beten Sie ohne Unterlass. Bitten Sie darum, dass Engel Ihnen beistehen mögen.
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Wir können auf dem Computer Filter einrichten und schädlichen Einflüssen einen Riegel vorschieben, doch bedenken Sie: Wirklich alles im Griff haben können wir nur mit Selbstbeherrschung. Behalten Sie auch in weniger schlimmen Situationen die Kontrolle. Wenn eine Fernsehsendung unanständig ist, schalten Sie den Fernseher aus. Wenn ein Kinofilm geschmacklos ist, verlassen Sie das Kino. Wenn sich eine unangebrachte Beziehung anzubahnen droht, brechen Sie sie ab. Viele dieser Einflüsse sind vielleicht nicht von vornherein böser Natur, sie können jedoch unser Urteilsvermögen abstumpfen, unsere Geistigkeit trüben und zu etwas führen, was böse ist. Ein altes Sprichwort besagt, dass auch die weiteste Reise mit nur einem Schritt beginnt;5 achten Sie also auf jeden Schritt.
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Wie ein Dieb in der Nacht können unerwünschte Gedanken versuchen, in unseren Kopf zu gelangen. Doch wir müssen ihnen nicht schwungvoll die Tür öffnen, ihnen Kaffee und Kuchen anbieten und dann erzählen, wo das Tafelsilber aufbewahrt wird! (Kaffee sollten Sie sowieso nicht anbieten.) Werfen Sie die Ganoven hinaus! Ersetzen Sie unanständige Gedanken durch hoffnungsfrohe Bilder und schöne Erinnerungen, malen Sie sich die Gesichter der Menschen aus, von denen Sie geliebt werden und die am Boden zerstört wären, wenn Sie sie enttäuschten. Mehr als ein Mann wurde schon vor Sünde oder einer Dummheit bewahrt, indem er das Bild seiner Mutter, seiner Frau oder seines Kindes vor seinem inneren Auge sah, wie sie zu Hause auf ihn warteten. Welche Gedanken Sie auch im Herzen hegen, achten Sie darauf, dass sie willkommen und „geladene Gäste“ sind. Ein Dichter sagte einmal: Lass deinen Willen deinen Verstand regieren.6
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Pflegen Sie die Verbindung mit dem Geist des Herrn; seien Sie dort, wo er zugegen ist. Achten Sie darauf, dass dies auch auf Ihr eigenes Zuhause zutrifft und sich in der Kunst, Musik und Literatur widerspiegelt, die man dort vorfindet. Wenn Sie das Endowment empfangen haben, besuchen Sie den Tempel, sooft es Ihnen die Umstände erlauben. Vergessen Sie nicht, dass Sie im Tempel mit Gottes Macht ausgerüstet werden, dass dort Gottes Herrlichkeit rings um Sie gehüllt wird und den Engeln Gottes Verantwortung für Sie übertragen wird.7 Und wenn Sie den Tempel verlassen, denken Sie daran, die Symbole, die Sie mit sich nehmen, niemals außer Acht zu lassen oder zu vergessen.
Die meisten Menschen, die in Schwierigkeiten stecken, fragen sich am Ende unter Tränen: „Was habe ich mir nur dabei gedacht?“ Nun, was auch immer sie sich gedacht haben – sie haben nicht an Christus gedacht. Aber als Mitglieder seiner Kirche geloben wir jeden Sonntag, seinen Namen auf uns zu nehmen, und versprechen, „immer an ihn zu denken“8. Strengen wir uns also noch ein wenig mehr an, an ihn zu denken – denken wir vor allem daran, dass er „unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen [hat, dass] er durchbohrt [wurde] wegen unserer Verbrechen, [und wir] durch seine Wunden … geheilt [sind]“9. Es hätte gewiss immense Auswirkungen auf unser Handeln, wenn wir daran dächten, dass wir jedes Mal, wenn wir übertreten, nicht nur diejenigen verletzen, die wir lieben, sondern auch ihn, der uns so von Herzen liebt. Aber wenn wir sündigen – so schwerwiegend die Sünde auch sein mag – können wir durch dasselbe erhabene Wesen gerettet werden; durch ihn, der den einzigen Namen unter dem Himmel trägt, durch den jedermann errettet werden kann.10 Mögen wir, wenn wir uns unserer Übertretungen bewusst werden und unsere Seele mit echtem Schmerz gemartert wird, den Ausruf des reumütigen Alma erschallen lassen, der dessen ganzes Leben verändert hat: „O Jesus, du Sohn Gottes, sei barmherzig zu mir.“11
Brüder und Schwestern, ich habe Sie lieb. Präsident Thomas S. Monson und die übrigen führenden Brüder haben Sie lieb. Viel wichtiger ist: Ihr Vater im Himmel liebt Sie. Ich habe heute versucht, über Liebe zu sprechen – wahre, echte Liebe –, die Achtung davor und darüber, wie man sie in den gesitteten Völkern, die es gegeben hat, angemessen dargestellt hat, über die Heiligkeit der Liebe zwischen den Ehepartnern und über die Kinder, die diese Liebe letztlich hervorbringt. Ich habe versucht, über die erlösende Verkörperung der Liebe – die Nächstenliebe in Person – zu sprechen, die uns durch die Gnade Christi zuteilwird. Notwendigerweise habe ich auch über den Teufel gesprochen, den Vater der Lügen und der Lüsternheit, der alles daransetzen wird, die wahre Liebe zu verfälschen, zu schänden oder zu entweihen, wo immer er sie antrifft. Und ich habe darüber gesprochen, dass er uns zugrunde richten möchte, wenn er nur kann.
Wenn wir in unserer Zeit vor solchen Versuchungen stehen, müssen wir wie Nephi zu seiner Zeit erklären: „[Ich gebe] dem Feind meiner Seele nicht länger Raum.“12 Wir können den Bösen abweisen. Wenn wir es uns zutiefst von ganzem Herzen wünschen, kann und wird diesem Feind durch die erlösende Macht des Herrn Jesus Christus Einhalt geboten werden. Außerdem verheiße ich Ihnen, dass das Licht des immerwährenden Evangeliums dort, wo das Leben hoffnungs- und hilflos in Dunkelheit zu versinken drohte, abermals hell leuchten kann und wird. Mögen wir die Freude über unsere Treue zu dem Höchsten und Besten in uns spüren, wenn wir unsere Liebe und unsere Ehe, unsere Gesellschaft und unsere Seele so rein halten, wie sie sein sollen. Darum bete ich im Namen Jesu Christi. Amen.