Väter
Ich beschränke mich heute auf das Gute, was man als Mann in seiner wichtigsten Rolle erreichen kann: der des Ehemanns und Vaters.
Ich spreche heute über Väter. Väter sind in Gottes Plan des Glücklichseins von grundlegender Bedeutung, und ich möchte denen Mut zusprechen, die bestrebt sind, diese Berufung gut auszufüllen. Mit meinem Lob und Einsatz für die Vaterschaft und die Väter möchte ich niemanden beschämen oder herabsetzen. Ich beschränke mich heute lediglich auf das Gute, was man als Mann in seiner wichtigsten Rolle erreichen kann: der des Ehemanns und Vaters.
David Blankenhorn, Verfasser des Buchs Amerika ohne Väter, bemerkte: „In der heutigen amerikanischen Gesellschaft sind die Meinungen dazu, was unter dem Begriff Vaterschaft zu verstehen ist, zutiefst geteilt und zwiespältig. Manch einer kennt ihn gar nicht mehr. Andere nehmen daran Anstoß. Wieder andere, und darunter nicht wenige Familienforscher, scheren sich nicht weiter darum oder haben nur Geringschätzung dafür übrig. Viele andere haben konkret nichts dagegen, aber nehmen es auch nicht sonderlich wichtig. Viele Menschen wünschen sich, dass man da Abhilfe schaffen könnte, sind aber der Auffassung, dass unsere Gesellschaft dazu nicht mehr in der Lage oder willens ist.“
Als Kirche glauben wir an die Rolle des Vaters. Wir glauben an „das Idealbild des Mannes, der seine Familie an die erste Stelle setzt“. Wir glauben, dass Gott es so vorgesehen hat, „dass der Vater in Liebe und Rechtschaffenheit über die Familie präsidiert und dass er die Pflicht hat, dafür zu sorgen, dass die Familie alles hat, was sie zum Leben und für ihren Schutz braucht“. Wir glauben, dass Vater und Mutter einander in ihren sich ergänzenden Aufgaben in der Familie „als gleichwertige Partner zur Seite stehen“ müssen. Wir glauben, dass der Vater ganz und gar nicht überflüssig, sondern einzigartig und unersetzlich ist.
Manche erkennen, wie viel Gutes die Vaterschaft in gesellschaftlicher Hinsicht bewirkt: Männer fühlen sich ihren Nachkommen verpflichtet, wollen gute Bürger sein und Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer nehmen und „das, was die Mutter in die Kinder investiert“, wird durch das ergänzt, „was der Vater in die Kinder investiert. … Kurz gesagt: Für den Mann ist es entscheidend, dass er Vater ist. Für die Kinder ist es entscheidend, dass sie einen Vater haben. Für die Gesellschaft ist es entscheidend, dass sie Väter heranzieht.“ Diese Überlegungen sind zwar alle zutreffend und wichtig, wir wissen jedoch, dass Vaterschaft weit mehr ist als ein gesellschaftliches Gebilde oder ein Produkt der Evolution. Die Rolle des Vaters ist göttlichen Ursprungs und nimmt ihren Ausgang beim Vater im Himmel und, hier auf dieser Erde, bei Adam.
In unserem himmlischen Vater kommt die Vaterschaft in vollkommener und göttlicher Form zum Ausdruck. Zu seinen Charaktereigenschaften zählen Güte im Übermaß und vollkommene Liebe. Sein Werk und seine Herrlichkeit bestehen in der Entwicklung, im Glück und im ewigen Leben seiner Kinder. Ein Vater in dieser gefallenen Welt kommt natürlich in nichts dem erhabenen Schöpfer im Himmel gleich, aber im besten Fall bemüht er sich, ihm nachzueifern, und wirkt fürwahr bei Gottes Werk mit. Die ihm anvertraute bemerkenswerte Aufgabe ist eine Ehre, aber auch ernüchternd.
Durch die Vaterschaft wird ein Mann seiner Schwächen gewahr und erkennt, dass er sich bessern muss. Vaterschaft erfordert Opfer, sie ist aber auch die Quelle unvergleichlicher Zufriedenheit, ja, der Freude! Nochmals: Das vollkommene Vorbild ist der Vater im Himmel, der uns – seine Geistkinder – so geliebt hat, dass er seinen einziggezeugten Sohn für unsere Errettung und Erhöhung hingegeben hat. Jesus hat gesagt: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“ Ein Vater stellt diese Liebe unter Beweis, wenn er sein Leben Tag für Tag niederlegt und sich abmüht, um für seine Familie da zu sein und für sie zu sorgen.
Die vielleicht wichtigste Aufgabe eines Vaters besteht darin, das Herz seiner Kinder dem Vater im Himmel zuzuwenden. Wenn es einem Vater gelingt, durch sein Beispiel und auch durch seine Worte zu zeigen, wie Treue gegenüber Gott im täglichen Leben aussieht, überreicht er damit seinen Kindern den Schlüssel zu Frieden in diesem Leben und ewigem Leben in der künftigen Welt. Ein Vater, der seinen Kindern die heiligen Schriften vorliest und mit ihnen darin liest, macht sie mit der Stimme des Herrn bekannt.
In den heiligen Schriften wird die elterliche Pflicht, die eigenen Kinder zu unterweisen, wiederholt hervorgehoben:
„Und weiter: Wenn Eltern in Zion oder einem seiner organisierten Pfähle Kinder haben und sie nicht lehren, die Lehre von der Umkehr, vom Glauben an Christus, den Sohn des lebendigen Gottes, und von der Taufe und der Gabe des Heiligen Geistes durch Händeauflegen zu verstehen, wenn sie acht Jahre alt sind, so sei die Sünde auf dem Haupt der Eltern. …
Und sie sollen ihre Kinder auch lehren, zu beten und untadelig vor dem Herrn zu wandeln.“
1833 tadelte der Herr die Mitglieder der Ersten Präsidentschaft dafür, dass sie der Pflicht, ihre Kinder zu unterweisen, nicht genügend Aufmerksamkeit gewidmet hatten. Einem von ihnen sagte er ganz konkret: „Du hast deine Kinder nicht Licht und Wahrheit gemäß den Geboten gelehrt; und jener Schlechte hat noch immer Macht über dich, und das ist die Ursache deiner Bedrängnis.“
Ein Vater muss jeder Generation erneut das Gesetz und die Werke Gottes aufzeigen. Der Psalmist beschreibt es so:
„Er stellte sein Gesetz auf in Jakob, gab in Israel Weisung und gebot unseren Vätern, ihre Kinder alles zu lehren,
damit das kommende Geschlecht davon erfahre, die Kinder späterer Zeiten; sie sollten [dann] aufstehen und es weitergeben an ihre Kinder,
damit sie ihr Vertrauen auf Gott setzen, die Taten Gottes nicht vergessen und seine Gebote bewahren.“
Vater und Mutter tragen gewiss gemeinsam die Pflicht, das Evangelium zu lehren, jedoch lässt der Herr keinen Zweifel daran, dass er von den Vätern erwartet, dass sie vorangehen und es zu einer hohen Priorität machen. (Und vergessen wir nicht, dass zwanglose Gespräche, das gemeinsame Spielen und Arbeiten sowie das Zuhören wichtige Lehrmethoden sein können.) Der Herr erwartet, dass die Väter ihre Kinder mitprägen, und die Kinder wünschen sich ein Vorbild und brauchen es auch.
Ich selbst war mit einem vorbildlichen Vater gesegnet. Ich weiß noch, wie mein Vater, als ich etwa zwölf war, in unserer recht kleinen Ortschaft für den Stadtrat kandidierte. Er stellte keine aufwändige Wahlkampagne auf die Beine; ich weiß nur noch, dass er meine Brüder und mich an den Türen Faltblätter verteilen ließ, mit denen die Leute aufgefordert wurden, für Paul Christofferson zu stimmen. Einige Erwachsene, denen ich das Faltblatt in die Hand drückte, meinten, dass Paul ein guter und ehrlicher Mann sei und dass sie gern für ihn stimmen würden. Mein junges Herz schwoll an vor Stolz auf meinen Vater. Das flößte mir Selbstvertrauen ein und weckte in mir den Wunsch, in seine Fußstapfen zu treten. Er war nicht vollkommen, das ist niemand, aber er war redlich und ein gutes, richtungsweisendes Beispiel für seinen Sohn.
Gelegentlich ist auch Zurechtweisung nötig. Paulus drückt es so aus: „Denn wen der Herr liebt, den züchtigt er.“ Doch wenn ein Vater zurechtweist, muss er besonders darauf achten, dass dies auch nicht im Geringsten einer Misshandlung nahekommt, die ja niemals gerechtfertigt ist. Wenn ein Vater zurechtweist, muss er es aus Liebe tun und sich vom Heiligen Geist leiten lassen:
„Alsbald mit aller Deutlichkeit zurechtweisend, wenn vom Heiligen Geist dazu bewegt; und danach demjenigen, den du zurechtgewiesen hast, vermehrte Liebe erweisend, damit er nicht meint, du seiest sein Feind,
damit er weiß, dass deine Treue stärker ist als die Fesseln des Todes.“
Zurechtweisung auf die Weise Gottes hat weniger mit Bestrafung zu tun als damit, dass man einem geliebten Menschen hilft, Selbstbeherrschung zu üben.
Der Herr hat gesagt: „Alle Kinder haben an ihre Eltern Anspruch auf ihren Unterhalt, bis sie mündig sind.“ Der Broterwerb ist eine heilige Aufgabe. Den Familienunterhalt zu verdienen, was im Allgemeinen zwar erforderlich macht, dass man zeitweise nicht bei der Familie ist, läuft der Vaterschaft nicht zuwider, sondern ist das Wesensmerkmal eines guten Vaters. „Berufsleben und Familie sind Bereiche, die einander überlagern.“ Das ist natürlich keine Rechtfertigung für einen Mann, der seines Berufs wegen seine Familie vernachlässigt oder, im anderen Extrem, sich nicht anstrengt und sich damit begnügt, seine Verantwortung anderen zuzuschieben. Um mit König Benjamin zu sprechen:
„Ihr werdet nicht zulassen, dass eure Kinder hungrig seien oder nackt; ihr werdet auch nicht zulassen, dass sie die Gesetze Gottes übertreten und miteinander kämpfen und streiten …
Ihr werdet sie vielmehr lehren, auf den Wegen der Wahrheit und Ernsthaftigkeit zu wandeln; ihr werdet sie lehren, einander zu lieben und einander zu dienen.“
Wir wissen um die Seelenpein von Männern, die keine Mittel und Wege finden, ausreichend für den Lebensunterhalt ihrer Familie zu sorgen. Es ist keine Schande, wenn ein Vater zeitweise trotz höchster Anstrengungen seinen Pflichten und Aufgaben nicht nachkommen kann. „Behinderung, Tod und sonstige Umstände mögen eine individuelle Anpassung erforderlich machen. Bei Bedarf leisten die Angehörigen Hilfe.“
Mit zum Besten, was ein Vater für seine Kinder tun kann, gehört es, die Mutter seiner Kinder zu lieben und diese Liebe zu zeigen. Das festigt und stärkt die Ehe, die ja die Grundlage ihres Familienlebens und ihrer Sicherheit ist.
Manche Männer sind alleinerziehender Vater, Pflegevater oder Stiefvater. Viele von ihnen mühen sich mit aller Kraft, in einer oftmals schwierigen Rolle ihr Allerbestes zu geben. Wir ehren jeden, der voller Liebe, Geduld und Aufopferung tut, was er kann, um den Bedürfnissen eines Kindes oder einer Familie gerecht zu werden. Ich möchte erwähnen, dass Gott selbst seinen einziggezeugten Sohn ja einem Pflegevater anvertraut hat. Sicher hatte auch Josef einigen Anteil daran, dass Jesus, als er heranwuchs, an Weisheit zunahm und bei Gott und den Menschen Gefallen fand.
Leider haben einige Kinder keinen Vater bei sich zu Hause, weil er gestorben ist, die Familie verlassen hat oder die Eltern geschieden sind. Manche haben einen Vater, der zwar körperlich da, aber seelisch abwesend ist oder sie auf andere Weise vernachlässigt oder sich um nichts kümmert. Wir rufen alle Väter auf, es besser zu machen und besser zu sein. Wir rufen die Medien und die Unterhaltungsindustrie dazu auf, treusorgende und fähige Väter zu zeigen, die ihre Frau aufrichtig lieben und ihre Kinder vernünftig anleiten, anstatt Einfaltspinsel, Witzbolde und „Typen, die nur Probleme machen“, wie sie leider allzu oft zu sehen sind.
Den Kindern, deren familiäre Situation schwierig ist, sagen wir, dass sie dadurch keinen Deut weniger wert sind. Schwierigkeiten sind manchmal auch ein Zeichen dafür, dass der Herr euch vertraut. Er kann euch helfen, ganz direkt oder durch andere, alles zu meistern, womit ihr konfrontiert seid. Ihr könnt die Generation werden, vielleicht die erste in eurer Familie, in der die Muster, die Gott für die Familie vorgezeichnet hat, tatsächlich Form annehmen und allen Generationen, die nach euch kommen, ein Segen sind.
Den Jungen Männern sagen wir angesichts ihrer künftigen Rolle als Ernährer und Beschützer, dass sie sich jetzt schon vorbereiten müssen, indem sie in der Schule fleißig sind und ein Studium oder eine Berufsausbildung ins Auge fassen. Eine Ausbildung, ob an einer Universität, einer Fachhochschule, in einer Lehre oder einem sonstigen Programm, ist die unabdingbare Voraussetzung dafür, dass ihr euch die Kenntnisse und Fertigkeiten aneignet, die ihr brauchen werdet. Nutzt Gelegenheiten, mit Menschen aller Altersgruppen, auch Kindern, zusammenzukommen und zu lernen, wie man funktionierende und lohnende Beziehungen knüpft. Das heißt in der Regel, dass man mit jemandem von Angesicht zu Angesicht spricht und ab und zu etwas mit ihm unternimmt und nicht nur das Schreiben von SMS immer weiter perfektioniert. Lebt so, dass ihr als Mann Reinheit in eure Ehe und zu euren Kindern bringt.
Der gesamten heranwachsenden Generation sagen wir: Ganz gleich, wo ihr euren Vater auf der Skala von „gut – besser – am besten“ einordnet (und ich ahne, er wird dabei immer besser abschneiden, je älter und klüger ihr werdet): Fasst den Entschluss, ihn und eure Mutter durch euer eigenes Leben zu ehren! Vergesst nicht die sehnliche Hoffnung eines Vaters, die Johannes formuliert hat: „Ich habe keine größere Freude, als zu hören, dass meine Kinder in der Wahrheit leben.“ Wenn ihr rechtschaffen seid, ist das die größte Ehre, die man als Vater empfangen kann.
Meinen Brüdern, den Vätern in dieser Kirche, sage ich: Ich weiß, dass Sie als Vater gerne alles richtig machen würden. Mir jedenfalls geht es so. Lassen Sie uns dennoch, ungeachtet unserer Grenzen, vorwärtsstreben. Lassen wir die übertriebenen Vorstellungen der heutigen Gesellschaft in Bezug auf Individualismus und Unabhängigkeit außer Acht und denken wir zuerst an das Glück und Wohl anderer. Gewiss wird der Vater im Himmel uns trotz unserer Unzulänglichkeiten großmachen und unsere schlichten Bemühungen Früchte tragen lassen. Eine Geschichte, die vor einigen Jahren in den Zeitschriften der Kirche erschien, macht mir Mut. Hier die Schilderung des Verfassers:
„Als ich noch ein Kind war, wohnte unsere Familie in einer Zweizimmerwohnung im ersten Stock und ich schlief auf dem Sofa im Wohnzimmer. …
Mein Vater, ein Stahlarbeiter, ging jeden Tag sehr früh zur Arbeit. Jeden Morgen … zupfte er meine Decke zurecht und blieb eine Weile bei mir stehen. Manchmal spürte ich noch halb im Schlaf, wie Vati neben der Couch stand und mich anschaute. Wenn ich langsam erwachte, war es mir immer etwas peinlich, dass er dort stand. Ich tat so, als ob ich fest schliefe. … Ich bemerkte, dass er neben meinem Bett stand und dabei mit aller Aufmerksamkeit, Kraft und Konzentration betete – für mich.
Jeden Morgen betete mein Vater für mich. Er betete darum, dass ich einen schönen Tag haben würde, dass mir nichts zustieß und dass ich lernen und mich für die Zukunft bereitmachen konnte. Und weil er erst am Abend wieder bei mir sein konnte, betete er auch für die Lehrer und die Freunde, mit denen ich tagsüber zusammen war. …
Zuerst war mir gar nicht richtig klar, was Vati tat, wenn er morgens für mich betete. Aber als ich älter wurde, spürte ich seine Liebe und sein Interesse für mich und für alles, was ich tat. Dasgehört zu meinen schönsten Erinnerungen. Erst viele Jahre später – ich war schon verheiratet und hatte selbst Kinder – wurde mir richtig bewusst, was mein Vater für mich empfunden hatte, als ich nämlich ins Kinderzimmer zu meinen schlafenden Kindern ging und für sie ein Gebet sprach.“
Alma gab seinem Sohn Zeugnis:
„Siehe, ich sage dir, dass [Christus] gewiss kommen wird[;] ja, er kommt, um seinem Volk die frohe Nachricht von der Errettung zu verkünden.
Und nun, mein Sohn, dies war der geistliche Dienst, zu dem du berufen warst, nämlich diesem Volk diese frohe Nachricht zu verkünden, damit es im Sinn vorbereitet werde; oder vielmehr, damit … sie den Sinn ihrer Kinder darauf vorbereiten können, das Wort zur Zeit seines Kommens zu vernehmen.“
Genau darin besteht das Wirken der Väter heute. Möge Gott sie so segnen, dass sie dem gewachsen sind. Im Namen Jesu Christi. Amen.