Generalkonferenz
Zuflucht vor den Stürmen des Lebens
Frühjahrs-Generalkonferenz 2020


11:5

Zuflucht vor den Stürmen des Lebens

Jesus Christus und sein Sühnopfer sind die Zuflucht, die wir alle brauchen, welche Stürme unser Leben auch heimsuchen mögen

Mitte der Neunziger während meiner Studentenzeit gehörte ich der Kompanie 4 der Feuerwehr von Santiago de Chile an. Wenn ich Nachtdienst hatte, wohnte ich auf der Feuerwache. Gegen Ende des Jahres wurde mir gesagt, ich müsse am Silvesterabend auf der Wache sein, weil es an Silvester fast immer einen Notfall gab. Ich antwortete entgeistert: „Ach, tatsächlich?“

Ich weiß noch, wie ich mit meinen Kameraden wartete, bis um Mitternacht das Feuerwerk in der Innenstadt von Santiago begann. Wir waren im Begriff, uns zu umarmen und uns ein gutes neues Jahr zu wünschen. Plötzlich ertönte auf der Wache der Alarm; es gab also einen Notfall. Wir holten unsere Ausrüstung und sprangen auf das Löschfahrzeug. Auf dem Weg zu unserem Einsatzort kamen wir an Menschenmengen vorbei, die feiernd das neue Jahr begrüßten, und mir fiel auf, dass die Leute weitgehend gelöst und sorgenfrei waren. Sie waren entspannt und genossen die warme Sommernacht. Und dennoch steckten irgendwo in der Nähe die Menschen, denen wir zur Hilfe eilten, in ernsten Schwierigkeiten.

Das hat mir veranschaulicht, dass unser Leben zwar vorübergehend relativ reibungslos verlaufen mag, aber für jeden von uns die Zeit kommt, da wir unerwarteten Herausforderungen und Stürmen begegnen, die uns an den Rand des Erträglichen bringen. Schwierigkeiten körperlicher, seelischer, familiärer oder beruflicher Natur, Naturkatastrophen und sonstige Fragen von Leben und Tod sind nur einige Beispiele für die Stürme, denen wir in diesem Leben begegnen.

Wenn wir mit diesen Stürmen konfrontiert sind, empfinden wir oft Verzweiflung oder Furcht. Präsident Russell M. Nelson hat gesagt: „Glaube [ist] das Heilmittel gegen Furcht.“ („Zeigen Sie Ihren Glauben“, Liahona, Mai 2014, Seite 29.) Gemeint ist Glaube an unseren Herrn Jesus Christus. Als ich die Stürme, die sich auf das Leben der Menschen auswirken, beobachtet habe, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es, unabhängig davon, welche Art von Sturm uns bedrängt – und ob nun eine Lösung oder ein Ende in Sicht ist oder nicht –, nur eine Zuflucht gibt, und zwar bei jeder Art von Sturm. Diese einzige Zuflucht, für die unser Vater im Himmel gesorgt hat, ist unser Herr Jesus Christus und sein Sühnopfer.

Es gibt niemanden unter uns, der sich diesen Stürmen nicht stellen muss. Helaman, ein Prophet im Buch Mormon, hält uns vor Augen: „Denkt daran, dass unser Erlöser – und das ist Christus, der Sohn Gottes – der Fels ist, auf dem ihr eure Grundlage bauen müsst; damit, wenn der Teufel seine mächtigen Winde aussenden wird, ja, seine Blitzstrahlen im Wirbelsturm, ja, wenn all sein Hagel und sein mächtiger Sturm an euch rütteln, dies keine Macht über euch haben wird, euch in den Abgrund des Elends und des endlosen Wehs hinabzuziehen, und zwar wegen des Felsens, auf den ihr gebaut seid, der eine sichere Grundlage ist, und wenn die Menschen auf dieser Grundlage bauen, können sie nicht fallen.“ (Helaman 5:12.)

Elder Robert D. Hales, der selbst so einige Stürme ausgehalten hat, hat gesagt: „Leid trifft jeden; wie man damit umgeht, liegt bei jedem selbst. Leid führt uns an eine Weggabelung. Es kann eine Erfahrung sein, die uns stärkt und läutert und mit Glauben einhergeht, oder aber es ist eine destruktive Macht in unserem Leben, wenn wir nicht den Glauben an das sühnende Opfer des Herrn haben.“ („Your Sorrow Shall Be Turned to Joy“, Ensign, November 1983, Seite 66.)

Um in den Genuss der Zuflucht zu gelangen, die Jesus Christus und sein Sühnopfer bieten, müssen wir Glauben an ihn haben – einen Glauben, der uns in die Lage versetzt, uns über all die Schmerzen einer begrenzten, irdischen Sichtweise zu erheben. Er hat verheißen, dass er uns die Last leicht macht, wenn wir in allem, was wir tun, zu ihm kommen.

„Kommt alle zu mir“, so seine Worte, „die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken.

Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; und ihr werdet Ruhe finden für eure Seele.

Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“ (Matthäus 11:28-30; siehe auch Mosia 24:14,15.)

Man sagt: „Jemandem, der Glauben hat, muss man nichts erklären. Jemandem, der keinen Glauben hat, kann man nichts erklären.“ (Diese Aussage wird Thomas von Aquin zugeschrieben, aber wahrscheinlich ist es nur eine grobe Zusammenfassung dessen, was er gelehrt hat.) Wir haben jedoch nur ein begrenztes Verständnis von dem, was hier auf der Erde geschieht, und oftmals haben wir keine Antwort auf die Frage nach dem Warum. Warum geschieht das? Warum widerfährt es mir? Was soll ich daraus lernen? Wenn uns jegliche Antwort fehlt, ist das der Zeitpunkt, da die Worte, die unser Erretter dem Propheten Joseph Smith im Gefängnis zu Liberty zusprach, voll und ganz zutreffen:

„Mein Sohn, Friede sei deiner Seele; dein Ungemach und deine Bedrängnisse werden nur einen kleinen Augenblick dauern,

und dann, wenn du gut darin ausharrst, wird Gott dich in der Höhe erhöhen.“ (Lehre und Bündnisse 121:7,8.)

Zwar glauben tatsächlich viele Menschen an Jesus Christus, die entscheidende Frage ist jedoch, ob wir ihm glauben und ob wir das glauben, was er uns lehrt und was er uns aufträgt. Manch einer denkt vielleicht: Was weiß Jesus Christus denn darüber, wie es mir geht? Woher soll er wissen, was ich zu meinem Glück brauche? Der Prophet Jesaja sprach fürwahr von unserem Erlöser und Fürsprecher, als er sagte:

„Er wurde verachtet und von den Menschen gemieden, ein Mann voller Schmerzen, mit Krankheit vertraut. …

Aber er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen. …

Doch er wurde durchbohrt wegen unserer Vergehen, wegen unserer Sünden zermalmt. Zu unserem Heil lag die Züchtigung auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt.“ (Jesaja 53:3-5.)

Auch von dem Apostel Petrus erfahren wir über den Erretter: „Er hat unsere Sünden mit seinem eigenen Leib auf das Holz des Kreuzes getragen, damit wir tot sind für die Sünden und leben für die Gerechtigkeit. Durch seine Wunden seid ihr geheilt.“ (1 Petrus 2:24.)

Petrus stand damals selbst bereits kurz vor dem Tod als Märtyrer, und doch schwingt in seinen Worten weder Furcht noch Pessimismus mit, vielmehr brachte er den Heiligen nahe, „voll Freude“ zu sein, obwohl sie „durch mancherlei Prüfungen betrübt“ waren. Petrus riet uns, daran zu denken, dass die Prüfung unseres Glaubens, selbst wenn sie „im Feuer“ erfolgen sollte, zu „Lob, Herrlichkeit und Ehre bei der Offenbarung Jesu Christi“ und zu unserer „Rettung“ führt (1 Petrus 1:6,7,9).

Petrus fuhr fort:

„Geliebte, lasst euch durch die Feuersglut, die zu eurer Prüfung über euch gekommen ist, nicht verwirren, als ob euch etwas Ungewöhnliches zustoße!

Stattdessen freut euch, dass ihr Anteil an den Leiden Christi habt; denn so könnt ihr auch bei der Offenbarung seiner Herrlichkeit voll Freude jubeln.“ (1 Petrus 4:12,13.)

Präsident Russell M. Nelson hat erklärt: „Heilige können unter allen Umständen glücklich sein. … Wenn wir Gottes Plan der Erlösung und Jesus Christus und sein Evangelium in unserem Leben in den Mittelpunkt stellen, … können wir Freude verspüren – ganz gleich, was in unserem Leben geschieht oder nicht geschieht. Freude kommt von Christus und durch ihn. Er ist die Quelle aller Freude.“ („Freude und geistiges Überleben“, Liahona, November 2016, Seite 82.)

Natürlich ist es leichter, all das zu sagen, wenn wir uns gerade nicht in einem Sturm befinden, als es inmitten des Sturms zu leben und anzuwenden. Als Ihr Bruder hoffe ich jedoch, dass Sie spüren können, dass ich Ihnen aufrichtig nahebringen möchte, wie wertvoll es ist, wenn man weiß, dass Jesus Christus und sein Sühnopfer die Zuflucht sind, die wir alle brauchen, welche Stürme unser Leben auch heimsuchen mögen.

Ich weiß, dass wir alle Kinder Gottes sind, dass er uns liebt und dass wir nicht allein sind. Ich lade Sie ein, zu kommen und zu sehen, dass er Ihnen die Last leicht machen und die Zuflucht sein kann, die Sie suchen. Kommen Sie und helfen Sie anderen, die Zuflucht zu finden, nach der sie sich so sehr sehnen. Kommen Sie und bleiben Sie bei uns an diesem Zufluchtsort, der Ihnen helfen wird, den Stürmen des Lebens zu trotzen. Ich habe im Herzen nicht den geringsten Zweifel daran, dass Sie, wenn Sie kommen, sehen, helfen und bleiben werden.

Der Prophet Alma hat seinem Sohn Helaman bezeugt: „Ich weiß sicher, wer auch immer sein Vertrauen in Gott setzt, der wird in seinen Prüfungen und seinen Mühen und seinen Bedrängnissen gestärkt und wird am letzten Tag emporgehoben werden.“ (Alma 36:3.)

Der Erretter selbst hat gesagt:

„Darum sei euer Herz … getrost, denn alles Fleisch ist in meiner Hand; seid ruhig und wisst, dass ich Gott bin. …

Darum fürchtet euch nicht, auch nicht vor dem Tod; denn in dieser Welt ist eure Freude nicht voll, aber in mir ist eure Freude voll.“ (Lehre und Bündnisse 101:16,36.)

Das Lied „Be Still, My Soul“ (Sei ruhig, meine Seele!), das mich schon viele Male tief bewegt hat, kann unserer Seele Trost spenden. Der Text lautet:

„Sei ruhig, meine Seele! Schon nahen die Stunden,

da wir beim Herrn sein werden für alle Zeit,

Enttäuschung und Kummer sind dann verschwunden,

Sorgen geflohn, es herrscht nur reinste Lieb und Freud.

Sei ruhig, meine Seele! Wandel und Tränen werden vergehn,

wohlauf und selig werden wir uns alle wiedersehn.“ (Hymns, Nr. 124.)

Wenn wir uns den Stürmen des Lebens stellen, dabei unser Bestes geben und uns auf Jesus Christus und sein Sühnopfer als unsere Zuflucht stützen, so weiß ich, dass wir mit der Hilfe, dem Trost, der Kraft, der Besonnenheit und dem Frieden, den wir suchen, gesegnet werden und uns im Herzen gewiss sein werden, dass wir am Ende unserer Zeit hier auf der Erde die Worte des Herrn vernehmen werden: „Sehr gut, du tüchtiger und treuer Diener. … Komm, nimm teil am Freudenfest deines Herrn!“ (Matthäus 25:21.) Im Namen Jesu Christi. Amen.