Generalkonferenz
Bedenken wir, was am wichtigsten ist
Frühjahrs-Generalkonferenz 2023


13:30

Bedenken wir, was am wichtigsten ist

Am wichtigsten sind unsere Beziehung zum Vater im Himmel und zu seinem geliebten Sohn, unsere Beziehungen in der Familie und zu unseren Mitmenschen und dass wir uns vom Heiligen Geist führen lassen

Wenn wir uns an diesem Wochenende daran erinnern, wie der Erretter kurz vor seinem Sühnopfer von Jubel begleitet nach Jerusalem kam, denke ich an seine Worte der Hoffnung und des Trostes: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt.“1

Ich liebe ihn. Ich glaube ihm. Ich bezeuge, dass er die Auferstehung und das Leben ist.

Dieses Zeugnis hat mich in den vergangenen viereinhalb Jahren, seit meine Frau Barbara verstorben ist, getröstet und gestärkt. Ich vermisse sie.

Ich denke oft über unsere ewige Ehe und unser gemeinsames Leben nach.

Ich habe schon einmal erzählt, wie ich Barbara kennenlernte und dass mir bei dieser Gelegenheit klarwurde, dass ich – so, wie ich es auf Mission gelernt hatte – unbedingt „nachfassen“ musste. Ich musste nach unserer ersten Begegnung deshalb gleich am Ball bleiben, weil sie hübsch und beliebt war und viele soziale Kontakte hatte. Ich verliebte mich schnell in sie, weil sie umgänglich und freundlich war. Ich bewunderte ihre Güte. Ich spürte, dass sie und ich zusammengehörten. So einfach schien mir das.

Barbara und ich gingen miteinander aus und unsere Beziehung wurde inniger, aber sie war sich nicht sicher, ob es das Richtige für sie wäre, mich zu heiraten.

Es genügte nicht, dass ich es wusste; Barbara musste diese Gewissheit selbst erlangen. Ich wusste, wenn wir wegen dieser Sache fasten und beten würden, dann konnte Barbara eine Bestätigung vom Himmel erhalten.

Ein Wochenende lang trafen wir einander nicht, damit jeder für sich selbst durch Fasten und Beten eine Antwort erlangen konnte. Ich hatte das Glück, dass sie die gleiche Bestätigung erhielt wie ich. Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte.

Als Barbara starb, ließen unsere Kinder auf ihrem Grabstein einige Sinnsprüche anbringen, die ihnen nach Barbaras Wunsch im Gedächtnis bleiben sollten. Einer dieser Sinnsprüche lautet: „Was am wichtigsten ist, das währt am längsten.“

Heute möchte ich einige persönliche Gefühle und Gedanken dazu mitteilen, was am wichtigsten ist.

Erstens: Die Beziehung zu unserem Vater im Himmel und zu seinem Sohn, dem Herrn Jesus Christus, ist das Allerwichtigste. Diese Beziehung ist jetzt und in der Ewigkeit von größter Bedeutung.

Zweitens: Beziehungen innerhalb der Familie gehören zu dem, was am wichtigsten ist.

Im Lauf meines geistlichen Dienstes habe ich viele Leute und Familien besucht, die von schlimmen Naturkatastrophen betroffen waren. Viele waren obdachlos, hungrig und verängstigt. Sie brauchten medizinische Hilfe, Nahrung und eine Bleibe.

Sie brauchten aber auch ihre Familie.

Mir ist bewusst, dass einige keine Familie haben, in der man sich nahesteht, daher schließe ich bei dem Begriff „Familie“ die erweiterte Familie, Freunde und sogar die Gemeindefamilie mit ein. Diese Beziehungen sind für die seelische und körperliche Gesundheit unerlässlich.

Diese Beziehungen können auch Liebe, Freude, Glück und ein Zugehörigkeitsgefühl schenken.

Man muss sich dafür entscheiden, diese wichtigen Beziehungen zu pflegen. Die Entscheidung, Teil einer Familie zu sein, erfordert Engagement, Liebe, Geduld, Kommunikation und Vergebungsbereitschaft.2 Wir mögen hin und wieder nicht einer Meinung mit jemandem sein, aber deshalb müssen wir nicht gemein zu ihm sein. Bei der Partnersuche und in der Ehe ver- oder entlieben wir uns nicht einfach, als wären wir fremdgesteuerte Figuren auf einem Schachbrett. Wir entscheiden uns dafür, einander zu lieben und zu unterstützen. Dies tun wir auch bei anderen familiären Beziehungen und bei Freunden, die wir wie Angehörige betrachten.

In der Proklamation zur Familie heißt es: „Durch den göttlichen Plan des Glücklichseins können die Familienbeziehungen über das Grab hinaus Bestand haben. Heilige Handlungen und Bündnisse, die in einem heiligen Tempel zugänglich sind, ermöglichen es dem Einzelnen, in die Gegenwart Gottes zurückzukehren, und der Familie, auf ewig vereint zu sein.“3

Ebenfalls zu dem, was am wichtigsten ist, gehört, dass wir den Eingebungen des Heiligen Geistes folgen, und zwar in unseren wichtigsten Beziehungen und bei unseren Bestrebungen, unseren Nächsten zu lieben wie uns selbst, ob nun innerhalb oder außerhalb der eigenen vier Wände. Diese Lektion lernte ich bereits früh in meinem Leben, als ich Bischof war.

Als ich an einem kalten, verschneiten Winterabend spät das Bischofsbüro verließ, hatte ich die starke Eingebung, ich solle eine ältere Witwe der Gemeinde besuchen. Ich blickte auf die Armbanduhr: Es war 22 Uhr. Ich sagte mir, dass es für solch einen Besuch schon zu spät sei. Außerdem schneite es. Ich beschloss, diese liebe Schwester gleich am nächsten Morgen zu besuchen, anstatt sie zu so später Stunde zu stören. Ich fuhr nach Hause und ging zu Bett. Allerdings wälzte ich mich die ganze Nacht lang hin und her, weil der Geist mich immer wieder aufrüttelte.

Am nächsten Morgen fuhr ich geradewegs zum Haus der Witwe. Ihre Tochter öffnete mir die Tür und sagte unter Tränen: „O Bischof, danke, dass Sie gekommen sind. Mutter ist vor zwei Stunden verstorben.“ Ich war am Boden zerstört. Was ich empfand, werde ich niemals vergessen. Ich weinte. Wer hätte es mehr verdient, dass der Bischof ihr die Hand hielt, sie tröstete und ihr vielleicht noch einmal einen Segen gab, als diese gute Witwe? Ich verpasste diese Chance, weil ich die starke Eingebung des Geistes als töricht abgetan hatte.4

Brüder und Schwestern, Junge Männer, Junge Damen und PV-Kinder, ich bezeuge: Den Eingebungen des Geistes zu folgen, gehört zu dem, was in all unseren Beziehungen am wichtigsten ist.

Zum Schluss bezeuge ich an diesem Palmsonntag: Ebenfalls zu dem, was am wichtigsten ist, gehört, dass wir zum Herrn bekehrt sind, für ihn Zeugnis geben und ihm dienen.

Der Glaube an Jesus Christus ist die Grundlage unseres Zeugnisses. Ein Zeugnis ist die Bestätigung ewiger Wahrheit, die sich durch den Heiligen Geist dem Einzelnen in Herz und Seele einprägt. Ein Zeugnis von Jesus Christus, erlangt und gefestigt durch den Geist, verändert das Leben von Grund auf – es verändert die Art und Weise, wie wir denken und wie wir leben. Ein Zeugnis wendet uns hin zum Vater im Himmel und zu seinem göttlichen Sohn.

Alma hat gesagt:

„Siehe, ich bezeuge euch, ich weiß, dass das, wovon ich gesprochen habe, wahr ist. Und wie, meint ihr, weiß ich denn, dass es gewiss und wahr ist?

Siehe, ich sage euch: Es wird mir durch den Heiligen Geist Gottes zu wissen gegeben. Siehe, ich habe viele Tage gefastet und gebetet, um dies für mich selbst wissen zu können. Und nun weiß ich für mich selbst, dass es wahr ist; denn Gott, der Herr, hat es mir durch seinen Heiligen Geist kundgetan.“5

Ein Zeugnis zu haben, genügt aber nicht. Wenn sich unsere Bekehrung zu Jesus Christus mit der Zeit vertieft, wollen wir natürlich für ihn Zeugnis geben – für seine Güte, seine Liebe und sein Wohlwollen.

In unseren Zeugnisversammlungen am Fastsonntag wird häufiger „Ich bin dankbar“ oder „Ich liebe“ gesagt als „Ich weiß“ oder „Ich glaube“.

Ich ermuntere Sie, häufiger für Jesus Christus Zeugnis zu geben. Geben Sie Zeugnis für das, was Sie wissen und glauben und was Sie spüren, nicht nur für das, wofür Sie dankbar sind. Legen Sie Zeugnis dafür ab, wie Sie selbst den Erretter kennengelernt und Liebe zu ihm entwickelt haben und wie Sie nach seinen Lehren leben, sowie für seine erlösende, helfende Macht in Ihrem Leben. Wenn Sie Zeugnis für das geben, was Sie wissen, glauben und spüren, wird der Heilige Geist denjenigen, die Ihrem Zeugnis aufrichtig zuhören, die Wahrheit bestätigen. Sie hören Ihnen zu, weil sie beobachtet haben, wie Sie ein friedlicher Nachfolger Jesu Christi geworden sind. Ihre Zuhörer sehen, was es bedeutet, sein Jünger zu sein. Ihre Zuhörer werden auch etwas spüren, was sie vielleicht noch nie verspürt haben. Ein reines Zeugnis entsteht durch eine Herzenswandlung und kann durch die Macht des Heiligen Geistes ins Herz derer getragen werden, die dafür offen sind.

Wer dank Ihres Zeugnisses etwas verspürt, kann dann den Herrn im Gebet bitten, er möge die Wahrheit Ihres Zeugnisses bestätigen. So kann jeder selbst Gewissheit erlangen.

Brüder und Schwestern, ich gebe Ihnen mein festes Zeugnis: Ich weiß, dass Jesus Christus der Erretter und Erlöser der Welt ist. Er lebt. Er ist der auferstandene Sohn Gottes und dies ist seine Kirche, geführt durch seine Propheten und Apostel. Ich bete darum, dass mein Zeugnis, wenn ich eines Tages in die nächste Welt hinübergehe, hell leuchten möge.

Im Lauf meines geistlichen Dienstes habe ich gelernt, was am wichtigsten ist, nämlich unsere Beziehung zum Vater im Himmel und zu seinem geliebten Sohn, unsere Beziehungen in der Familie und zu unseren Mitmenschen und dass wir uns in diesen Beziehungen vom Geist des Herrn führen lassen, damit wir Zeugnis für das ablegen können, was am wichtigsten ist und am längsten währt. Im Namen Jesu Christi. Amen.