Geschichte der Kirche
Der erste Zweig in Österreich


„Der erste Zweig in Österreich“, Geschichte weltweit: Österreich, 2021

„Der erste Zweig in Österreich“, Geschichte weltweit: Österreich

Der erste Zweig in Österreich

Obwohl bereits ab 1865 zeitweise Missionare in Österreich das Evangelium verkündet hatten, schlossen sich im 19. Jahrhundert nur wenige Bekehrte der Kirche an. 1899 besaßen Johann und Theresia Huber einen großen Hof in der Nähe von Rottenbach in Österreich und waren in der katholischen Kirchengemeinde des Ortes aktiv. Aufgrund von Spannungen zwischen Johann und einem örtlichen Geistlichen wegen politischer Fragen besuchte Johann den Gottesdienst jedoch nicht mehr. Bald darauf wurde er von Martin Ganglmayer angesprochen, der sich in den Vereinigten Staaten der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage angeschlossen hatte und nun auf dem Weg nach Deutschland war, um eine Mission zu erfüllen. Ganglmayers Botschaft klang für Johann richtig und wahr, woraufhin er im April 1900 nach München reiste, um sich taufen zu lassen.

Johanns Entschluss, den Katholizismus – den vorherrschenden Glauben in Österreich – zu verlassen und einen neuen Glauben anzunehmen, führte schnell zu gesellschaftlichen und rechtlichen Problemen. Als sich die Kinder der Familie Huber taufen ließen und Mitglieder der Kirche Jesu Christi wurden, wurden alle Angehörigen und Freunde, die dem Gottesdienst beiwohnten, mit einer Strafe belegt. Wenn Johanns Kinder nicht zur Beichte gingen, drohte man ihnen, sie zu ihrem Schutz den Eltern wegzunehmen. Die örtlichen Behörden hielten Johanns Frau dazu an, ihn zu verlassen, und drängten potenzielle Arbeiter, keine Beschäftigung auf seinem Hof anzunehmen.

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Familie Huber

Johann Huber mit seiner Familie, um 1910

Angesichts ihrer zunehmenden Ausgrenzung waren die Hubers auf den Zuspruch und die Unterstützung der Mitglieder in München angewiesen. Als Johanns sechsjähriger Sohn Josef an einer derart schwerwiegenden Hirnhautentzündung erkrankte, dass die Ärzte die Behandlung einstellten, bat Johann einige Älteste, aus München anzureisen, um seinen Sohn zu segnen. Nur wenige Stunden nachdem zwei Missionare Josef einen Krankensegen gegeben hatten, rannte der Junge umher und spielte mit seinem Wagen.

Nach und nach wurde Johann von vielen aus seinem Umfeld trotz seiner fremden Religion respektiert. Als versucht wurde, Johann in eine psychiatrische Klinik einzuweisen, sprach sich ein Richter für ihn aus. „Meine Herren, wenn die Kinder so gut erzogen sind“, argumentierte der Richter, „kann er unmöglich ein schlechter Mensch sein.“ Inmitten dieser Schwierigkeiten blieb Johann den Lehren des Evangeliums treu und verkündete: „Ich lebe ein glückliches Leben und habe Kenntnis vom Evangelium empfangen.“

Johann Huber erzählte auch anderen vom Evangelium, woraufhin bald darauf ein Zweig mit Johann als Präsident gegründet wurde. Die Versammlungen fanden in einer Scheune auf dem Hof der Hubers statt. Die Mitglieder dieser kleinen Gruppe gaben einander Kraft und bemühten sich, den Lehren Jesu Christi zu folgen.

Mit der Auflösung der österreichisch-ungarischen Monarchie gegen Ende des Ersten Weltkriegs lockerte sich der politische und religiöse Zwang, sodass die Mitglieder ihren Glauben ungehinderter ausüben und verbreiten konnten. Bald schon wurden Zweige in Haag am Hausruck und in Wien gegründet. Johann Huber war 25 Jahre lang Zweigpräsident in Rottenbach und brachte mindestens 13 Familien zur Kirche.

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