„Ein wunderschöner Ort“, Kapitel 35 von: Heilige: Die Geschichte der Kirche Jesu Christi in den Letzten Tagen, Band 1, Das Banner der Wahrheit, 1815–1846, 2018
Kapitel 35: „Ein wunderschöner Ort“
Kapitel 35
Ein wunderschöner Ort
Während 1840 die Malariaepidemie in Commerce weiter anhielt, besuchten Emily Partridge und ihre Schwester Harriet die Kranken in ihren Zelten, Wagen und unfertigen Häusern. Emily war inzwischen sechzehn Jahre alt und war raue Lebensbedingungen gewohnt. Fast ein Jahrzehnt lang war ihre Familie aus einer schlichten Behausung nach der anderen vertrieben worden und hatte kein richtiges Zuhause, wie sie es in Ohio einst gehabt hatte.
Die Schwestern besuchten die Kranken, bis sie sich selbst Fieber und Schüttelfrost bekamen. Edward und Lydia Partridge erkannten, dass das Leben ihrer Töchter in Gefahr war, und zogen deshalb aus ihrem Zelt in ein kleines gemietetes Zimmer in einem verlassenen Vorratshaus am Fluss. Dann machte Edward sich an die Arbeit und baute seiner Familie auf einem etwa eineinhalb Kilometer entfernten Grundstück ein Haus.
Aber die Prüfungen in Missouri hatten die Gesundheit des Bischofs sehr angegriffen, und er war nicht in der Verfassung, zu arbeiten. Bald schon hatte auch er Fieber. Er nahm Medikamente dagegen, bis er kräftig genug war, um ein, zwei Wochen lang am Haus zu arbeiten. Als er wieder krank wurde, nahm er wieder Medikamente und machte sich wieder an die Arbeit.
Währenddessen trug das beengte, stickige Zimmer im Vorratshaus so gut wie gar nicht zur Genesung Emilys, Harriets und ihrer Geschwister bei, die ebenfalls krank geworden waren. Emilys Fieber blieb im gesamten Frühjahr 1840 recht konstant, doch Harriets wurde immer schlimmer. Sie starb Mitte Mai im Alter von achtzehn Jahren.1
Ihr Tod erschütterte die Partridges. Nach der Beerdigung versuchte Edward, die Familie in einem unfertigen Kuhstall auf ihrem Grundstück unterzubringen. Er hoffte, dies sei eine bessere Unterkunft. Aber er überanstrengte sich dabei und brach zusammen. Um der Familie zu helfen, nahmen William und Jane Law, ebenfalls Mitglieder der Kirche, Emily und ihre Geschwister in ihrem Haus auf und pflegten sie gesund.
Edward siechte einige Tage lang auf seinem Bett dahin und verstarb nur anderthalb Wochen nach Harriet. Emily litt unsäglichen Kummer. Sie und Harriet hatten sich nahegestanden, und sie wusste, dass ihr Vater alles geopfert hatte, um für seine Familie und für die Kirche zu sorgen – sogar als seine Seele wegen murrender Heiliger, ungläubiger Abtrünniger und feindseliger Nachbarn erschöpft war.2
Mit der Zeit ließ Emily die Düsternis der Krankheit und der Trauer hinter sich, aber ihr Leben war jetzt anders. Um beim Versorgen ihrer mittellosen Familie zu helfen, mussten sie und ihre neunzehnjährige Schwester Eliza sich Arbeit suchen. Eliza besaß die erforderlichen Fertigkeiten, um sich als Näherin zu verdingen, aber Emily beherrschte keinerlei Handwerk. Sie konnte natürlich Geschirr abwaschen, den Boden fegen und schrubben und andere Hausarbeiten erledigen, aber das konnte auch fast jeder andere im Ort.3
Zum Glück vergaßen die Heiligen nicht, wie viel ihr Vater für die Kirche geopfert hatte. „Niemand genoss in der Kirche größeres Vertrauen als er“, hieß es im Nachruf auf Bischof Partridge in der neuen Zeitung der Heiligen, der Times and Seasons. „Seine Religion war sein Ein und Alles; für sie lebte er, für sie gab er sein Leben hin.“4
Um sein Andenken in Ehren zu halten und für seine Familie zu sorgen, vollendeten die Heiligen das Haus, mit dessen Bau der Bischof begonnen hatte, und gaben seiner Familie damit einen Ort, den sie ihr Eigen nennen konnte.5
Im Frühjahr 1840 sah man in der neuen Stadt am Mississippi einem vielversprechenden Neuanfang entgegen. Die Heiligen hoben Gräben und Kanäle aus, um die Sümpfe entlang des Flusses zu entwässern und das Land bewohnbarer zu machen. Sie planten Straßen, legten Fundamente, bauten das Gerüst für Häuser, pflanzten Gärten und bestellten Felder. Bis Juni waren um die zweihundertfünfzig neue Häuser erbaut worden, die ihre harte Arbeit belegten.6
Weil Joseph den Namen Commerce nicht passend fand, hatte er den Ort fast unmittelbar nach seiner Ankunft in Nauvoo umbenannt. „Der Name unserer Stadt“, erklärte er in einer Proklamation der Ersten Präsidentschaft, „kommt aus dem Hebräischen und steht für einen wunderschönen Zustand oder Ort. Dabei schwingt auch der Gedanke an ein Ausruhen mit.“7 Joseph hoffte, Nauvoo würde seinem Namen gerecht werden und den Heiligen eine Atempause von den Auseinandersetzungen der vorangegangenen Jahre schenken.
Er wusste jedoch, dass Frieden und Ruhe nicht so ohne Weiteres eintreten würden. Um die Meinungsverschiedenheiten und Verfolgung zu vermeiden, die sie in Ohio und Missouri erlebt hatten, mussten die Heiligen miteinander festere Bande knüpfen und mit ihren Nachbarn dauerhafte Freundschaften schließen.8
Etwa zu dieser Zeit erhielt Joseph einen Brief von William Phelps. Dieser war nach Ohio gezogen, nachdem er die Kirche verlassen und vor einem Gericht in Missouri gegen Joseph ausgesagt hatte. „Ich kenne meine Lage, du kennst sie, und Gott kennt sie“, schrieb William, „und ich will errettet werden, wenn meine Freunde mir helfen wollen.“9
Joseph wusste, dass William trotz seiner Fehler ein aufrichtiger Mann war, und schrieb wenig später zurück. „Es ist richtig, wir haben infolge deines Verhaltens viel zu leiden gehabt“, erklärte er. „Immerhin, der Kelch ist geleert, der Wille unseres Vaters im Himmel ist geschehen, und wir sind noch immer am Leben.“ Joseph war gerne bereit, die finsteren Tage von Missouri hinter sich zu lassen. Er vergab William und ließ ihn in der Kirche wieder mitwirken.
„Komm, lieber Bruder, her zu mir, der Krieg ist nun zu Ende“, schrieb Joseph, „wir reichen uns, der Freund dem Freund, wie ehedem die Hände.“10
Auch fühlte Joseph sich gedrängt, den Heiligen mehr geistige Führung zuteilwerden zu lassen. Im Gefängnis zu Liberty hatte der Herr ihm kundgetan, dass seine Tage bekannt seien, und Joseph vertraute Freunden an, dass er nicht glaubte, seinen vierzigsten Geburtstag zu erleben. Bevor es dafür zu spät war, musste er die Heiligen mehr von dem lehren, was Gott ihm offenbart hatte.11
Eine Stadt zu erbauen und die zeitlichen Angelegenheiten der Kirche zu regeln, nahm jedoch den Großteil von Josephs Zeit in Anspruch. Er hatte die geschäftlichen Angelegenheiten der Kirche stets aktiv mitgeregelt, und er hatte sich schon lange auf Männer wie Bischof Partridge gestützt, die die Last mit ihm teilten. Da Edward verstorben war, verließ Joseph sich jetzt mehr auf Bischof Newel Whitney und die weiteren Bischöfe, die in Nauvoo berufen worden waren. Er wusste jedoch, dass er noch mehr Hilfe dabei benötigte, die zeitlichen Belange der Verwaltung der Kirche zu regeln, damit er sich auf seinen geistlichen Dienst konzentrieren konnte.12
Bald darauf erhielt Joseph einen weiteren Brief, diesmal von einem Fremden namens John Cook Bennett. John schrieb, dass er nach Nauvoo ziehen, sich der Kirche anschließen und den Heiligen seine Dienste anbieten wollte. Er war Arzt und hochrangiger Offizier in der Staatsmiliz von Illinois. Auch war er Geistlicher und Professor gewesen. „Ich glaube, dass ich bei Ihnen viel glücklicher sein werde“, schrieb er. „Schreiben Sie mir unverzüglich.“13
In den darauffolgenden Tagen erhielt Joseph von John noch zwei weitere Briefe. „Sie können sich auf mich verlassen“, versprach John. „Ich hoffe, dass bald die Zeit gekommen ist, wenn ihr Volk mein Volk und ihr Gott mein Gott wird.“ Er versicherte Joseph, dass seine Fertigkeiten als Redner und seine unermüdliche Tatkraft für die Heiligen von unschätzbarem Wert sein würden.14
„Mein Wunsch, bei Ihnen zu sein, wird jeden Tag stärker“, erklärte er beharrlich, „und ich werde meine berufliche Tätigkeit sofort aufgeben und mich zu Ihrer herrlichen Wohnstätte aufmachen, wenn Sie das für das Beste halten!“15
Joseph sah die Briefe durch. Es machte ihm Mut, dass jemand mit Johns Kompetenzen sich mit den Heiligen vereinen wollte. Ein Mann mit seinen Fähigkeiten konnte der Kirche ganz gewiss helfen, in Illinois Fuß zu fassen.
„Sollte es Ihnen möglich sein, noch zu dieser Jahreszeit herzukommen, um mit dem Volk Gottes Bedrängnis zu erleiden“, schrieb Joseph an John, „ist niemand erfreuter oder heißt Sie herzlicher willkommen als ich.“16
Während Nauvoo Gestalt annahm, wandte Joseph seine Gedanken der Sammlung zu. In England hatten die Apostel kurz zuvor eine Gruppe von einundvierzig Heiligen über den Atlantik gesandt – nach Nauvoo. Joseph ging davon aus, in den kommenden Monaten und Jahren sogar noch mehr Gruppen begrüßen zu können.
„Dies ist der vorrangige Ort der Sammlung“, gab er im Juli in einer Predigt bekannt. „Wer möchte, der komme und habe nach Belieben Anteil an der Armut von Nauvoo!“
Er wusste, dass die Vertreibung aus Missouri und das erfolglose Gesuch an die Regierung bei vielen Menschen Unsicherheit hinsichtlich der Zukunft Zions und der Sammlung hinterlassen hatte. Joseph wollte, dass sie verstanden, dass Zion mehr war als ein Stück Land im Kreis Jackson. „Wo sich die Heiligen sammeln, dort ist Zion“, verkündete er.
Der Herr gebiete ihnen nun, in Nauvoo und Umgebung Pfähle zu gründen. Wenn sich dann im Laufe der Zeit mehr Heilige in Zion sammelten, werde die Kirche weitere Pfähle gründen, und der Herr werde das Land segnen.
Bevor seine Predigt zu Ende war, gab Joseph bekannt: „Ich verpflichte mich, einen Tempel zu bauen, der so großartig ist wie der Tempel Salomos, wenn die Mitglieder mich darin unterstützen.“ Er streckte seine Hand aus und deutete auf eine Stelle hoch oben auf der Anhöhe, wo die Heiligen das heilige Gebäude erbauen sollten. „Sollte es der Wille Gottes sein, dass ich noch miterlebe, wie der Tempel fertiggestellt wird“, erklärte er voller Sehnsucht, „werde ich sagen: ‚O Herr, es ist genug. Herr, lass deinen Diener in Frieden aus diesem Leben scheiden.‘“17
Einige Wochen später, während in Nauvoo weiterhin hohe Temperaturen vorherrschten und Krankheiten noch mehr Menschenleben forderten, starb Josephs Freund Seymour Brunson.18 Bei der Beerdigung sprach Joseph Seymours Witwe Harriet und den tausenden anwesenden Heiligen Trost zu. Während er sprach, schaute er Jane Neyman an, deren halbwüchsiger Sohn Cyrus gestorben war, ohne zuvor getauft worden zu sein.
Weil er wusste, dass Jane sich um das Wohlergehen der Seele ihres Sohnes Sorgen machte, entschloss sich Joseph, darüber zu sprechen, was der Herr ihm in Hinblick auf die Errettung derjenigen kundgetan hatte, die, wie sein eigener Bruder Alvin, ohne Taufe gestorben waren.19
Joseph schlug die Bibel auf und las Worte aus dem Brief des Paulus an die Korinther vor: „Wie kämen sonst einige dazu, sich für die Toten taufen zu lassen? Wenn Tote gar nicht auferweckt werden, warum lässt man sich dann taufen für sie?“20 Er hob hervor, dass Paulus’ Worte ein Beweis dafür waren, dass ein Lebender stellvertretend für einen Verstorbenen getauft werden konnte, wodurch die Segnungen der Taufe denen zugänglich gemacht wurden, deren Körper zwar tot war, deren Geist jedoch weiterlebte.
Joseph erklärte, dass Gottes Erlösungsplan dazu gedacht war, all diejenigen zu erretten, die bereit waren, Gottes Gesetz zu befolgen, darunter die unzähligen Menschen, die gestorben waren, ohne jemals von Jesus Christus oder seinen Lehren erfahren zu haben.21
Kurz nach der Predigt ging Jane mit einem Ältesten der Kirche zum Fluss und ließ sich für Cyrus taufen. Als Joseph später am Abend von der Taufe hörte, fragte er, welche Worte der Älteste bei der heiligen Handlung verwendet hatte. Nachdem sie ihm gegenüber dann wiederholt wurden, bestätigte Joseph, dass der Älteste die Taufe auf die richtige Weise vollzogen hatte.22
John Bennett kam im September 1840 in Nauvoo an, und Joseph suchte ihn erwartungsvoll auf. Er bat ihn um Rat, wie man die rechtlichen und politischen Angelegenheiten Nauvoos und der Kirche regeln sollte. John war etwa im Alter des Propheten, aber gebildeter. Er war ein kleinwüchsiger Mann mit graumeliertem schwarzem Haar, dunklen Augen und einem dünnen, schönen Gesicht. Er nahm bereitwillig die Taufe an.23
Lucy Smith war zu besorgt um ihren kranken Mann, als dass sie von dem bekannten Neuankömmling allzu viel Notiz nahm. Wie Bischof Partridge hatte Joseph Sr. Missouri bei schlechter Gesundheit verlassen, und das krankmachende Sommerklima in Nauvoo schwächte ihn nur noch mehr. Lucy hoffte, dass er letztlich doch genesen würde, aber nachdem er eines Tages Blut erbrochen hatte, befürchtete sie, dass sein Tod nahe war.
Als Joseph und Hyrum erfuhren, dass der Zustand ihres Vaters sich verschlechterte, eilten sie an sein Krankenbett.24
Lucy benachrichtigte den Rest der Familie, während Joseph seinem Vater Gesellschaft leistete. Er erzählte seinem Vater von der Taufe für die Verstorbenen und den Segnungen, die dadurch allen Kindern Gottes ermöglicht wurden. Überglücklich flehte Joseph Sr. ihn an, diese heilige Handlung für Alvin zu vollziehen.
Bald darauf saßen Lucy und die meisten ihrer Kinder um sein Bett herum. Joseph Sr. wollte jedem seiner Kinder einen Abschiedssegen geben, solange er noch genug Kraft zum Sprechen hatte. Als Joseph an der Reihe war, legte Joseph Sr. seinem Sohn die Hände auf.
„Harre glaubenstreu aus, und du wirst gesegnet sein, und auch deine Familie und deine Kinder nach dir“, sagte er. „Du wirst lang genug leben, um dein Werk zu vollenden.“
„O Vater“, rief Joseph aus, „werde ich das?“
„Ja, das wirst du“, erwiderte der Patriarch, „und du wirst den Plan für das gesamte Werk entwerfen, das der Herr aus deiner Hand fordert.“
Nachdem Joseph Sr. jedem Kind einen Segen gegeben hatte, wandte er sich Lucy zu. „Mutter“, sagte er, „du bist eine der außergewöhnlichsten Frauen auf der Welt.“
Lucy widersprach ihrem Mann, aber er fuhr mit den Worten fort: „Wir haben uns oft gewünscht, dass wir beide zur selben Zeit sterben, aber du darfst dir nicht wünschen, gleichzeitig mit mir zu sterben, denn du musst am Leben bleiben und die Kinder trösten, wenn ich nicht mehr da bin.“
Nach einer Pause rief Joseph Sr. aus: „Ich sehe Alvin!“ Dann verschränkte er die Hände, und sein Atem wurde langsamer. Die Atemzüge wurden kürzer und kürzer, bis er schließlich sanft entschlief.25
Einige Wochen nach dem Tod von Joseph Sr., im Oktober 1840, kamen die Heiligen in Nauvoo zur Generalkonferenz zusammen. Joseph ging weiter auf die Taufe für die Verstorbenen ein und erklärte, dass die Geister der Verstorbenen darauf warteten, dass ihre lebenden Verwandten stellvertretend für sie die errettenden heiligen Handlungen empfingen.26
Zwischen den Versammlungen der Konferenz eilten die Heiligen zum Mississippi, wo einige Älteste hüfttief im Wasser standen und sie herbeiwinkten, damit sie sich für ihre verstorbenen Großeltern, Väter, Mütter, Geschwister und Kinder taufen ließen. Bald darauf ließ sich Hyrum für seinen Bruder Alvin taufen.27
Als Vilate Kimball den Ältesten im Fluss zusah, sehnte sie sich danach, sich für ihre Mutter taufen zu lassen, die über zehn Jahre zuvor verstorben war. Sie wünschte, Heber wäre zurück aus England, damit er die heilige Handlung vollziehen könnte, aber da Joseph die Heiligen aufgefordert hatte, die Verstorbenen so bald wie möglich zu erlösen, entschloss sie sich, sich auf der Stelle für ihre Mutter taufen zu lassen.28
Auch Emma Smith dachte an ihre Familie. Ihr Vater Isaac Hale war im Januar 1839 gestorben. Er hatte sich nie mit ihr und Joseph ausgesöhnt. Einige Jahre vor seinem Tod hatte er Kritikern der Kirche sogar gestattet, einen Brief zu veröffentlichen, den er geschrieben hatte. Darin hatte er Joseph verurteilt und das Buch Mormon als „eine einfältige Fälschung voller Lügen und Frevel“ bezeichnet.29
Dennoch liebte Emma ihren Vater und ließ sich für ihn im Fluss taufen.30 Er hatte das wiederhergestellte Evangelium in diesem Leben nicht angenommen, aber sie hoffte, dass es nicht für immer so sein würde.
Im Herbst verfassten Joseph und John Bennett eine Gründungsurkunde mit Gesetzen für Nauvoo. Das Dokument war dazu gedacht, den Heiligen so viel Freiheit wie möglich zu geben, sich selbst zu regieren und gegen solche Ungerechtigkeiten, wie sie sie in Missouri erlitten hatten, zu schützen. Wenn der Gesetzgeber des Bundesstaates die Gründungsurkunde anerkannte, konnten die Bürger von Nauvoo ihre eigenen Gesetze für die Stadt erlassen, Amtsgerichte betreiben, eine Universität gründen und eine Miliz aufstellen.31
Josephs Pläne für die Kirche wurden ebenfalls immer umfangreicher. Da er annahm, dass sich immer mehr Heilige zur Sammlung einfinden würden, gründete der Prophet mehrere Pfähle in Siedlungen in der Nähe von Nauvoo. Auch berief er Orson Hyde und John Page dazu, sich auf den Weg zu machen und eine Mission in Palästina zu erfüllen und Jerusalem für die Sammlung der Kinder Abrahams zu weihen. Um dorthin zu gelangen, mussten die Apostel Europa durchqueren, was ihnen die Gelegenheit verschaffen würde, dort in vielen Städten das Evangelium zu verkünden.32
„Wir können davon ausgehen, dass schon bald Menschen aus jedem Land und aus jeder Nation zu diesem Ort strömen“, verkündeten Joseph und die Erste Präsidentschaft, „Menschen aller Sprachen und jeder Zunge und jeder Hautfarbe, die mit uns den Herrn der Heerscharen in seinem heiligen Tempel verehren.“33
Anfang Dezember nahm John Bennett erfolgreich Einfluss auf die gesetzgebende Versammlung des Bundesstaates Illinois, sodass sie die Gründungsurkunde von Nauvoo anerkannte und den Heiligen damit die Berechtigung gab, ihre Pläne für die Stadt zu verwirklichen. Als John im Triumph nach Nauvoo zurückkehrte, lobte Joseph ihn bei jeder Gelegenheit.34
Etwas mehr als einen Monat später, am 19. Januar 1841, segnete der Herr die Heiligen mit einer neuen Offenbarung. Er versicherte ihnen, dass er Edward Partridge und Joseph Smith Sr. zu sich genommen und nun in seiner Obhut hatte, ebenso David Patten, der beim Gefecht am Crooked River getötet worden war. Hyrum Smith wurde dazu berufen, den Platz seines Vaters als Patriarch der Kirche einzunehmen. Auch wurde er zum Propheten, Seher und Offenbarer an Josephs Seite ernannt, womit er in der Kirche die Position übernahm, die vormals Oliver Cowdery innegehabt hatte.35
Darüber hinaus wies der Herr John Bennett an, Joseph beizustehen und auch weiterhin mit Menschen außerhalb der Kirche zugunsten der Heiligen zu sprechen, und er verhieß ihm Segnungen – unter der Bedingung, dass er rechtschaffene Werke vollbrachte. „Sein Lohn wird nicht ausbleiben, wenn er Rat annimmt“, verkündete der Herr. „Ich habe die Arbeit gesehen, die er getan hat, und ich nehme sie an, wenn er darin fortfährt.“36
Auch nahm der Herr die früheren Anstrengungen der Heiligen an, im Kreis Jackson Zion aufzubauen, doch gebot er ihnen jetzt, Nauvoo zu erbauen, mehr Pfähle zu gründen und ein Hotel zu bauen, das Nauvoo House heißen und Besuchern als ein Ort dienen sollte, wo sie ausruhen und über das Wort Gottes und die Herrlichkeit Zions nachdenken konnten.37
Vor allem gebot der Herr den Heiligen, den neuen Tempel zu erbauen. „Lasst dieses Haus meinem Namen gebaut werden“, verkündete er, „damit ich darin meinem Volk meine Verordnungen offenbaren kann.“38
Die Taufe für die Verstorbenen war eine dieser Verordnungen. Bisher hatte der Herr den Heiligen gewährt, die Taufen im Mississippi zu vollziehen, doch nun gebot er ihnen, mit der Verordnung aufzuhören, bis sie ein besonderes Taufbecken im Tempel geweiht hatten. „Diese Verordnung gehört in mein Haus“, verkündete er.39
Weitere Tempelverordnungen und inspirierende neue Wahrheiten sollten später folgen. „Es beliebt mir, meiner Kirche zu offenbaren, was von vor der Grundlegung der Welt an verborgengehalten wurde und was die Evangeliumszeit der Fülle der Zeiten betrifft“, verhieß der Herr. „Und ich werde meinem Knecht Joseph alles zeigen, was dieses Haus betrifft, auch das dazugehörige Priestertum.“40
Der Herr verhieß, ihren Eifer und Gehorsam zu belohnen, und drängte die Heiligen, mit aller Macht am Tempel zu arbeiten. „Baut meinem Namen ein Haus, ja, an diesem Ort“, gebot er, „damit ihr euch mir in allem als treu erweisen könnt, damit ich euch segnen und euch mit Ehre, Unsterblichkeit und ewigem Leben krönen kann.“41
Als das neue Jahr anbrach, sahen die Heiligen einer vielversprechenden Zukunft entgegen. Am 1. Februar 1841 wählten sie John Bennett zum Bürgermeister von Nauvoo, was ihn auch zum obersten Richter am Gericht der Stadt machte. Auch wurde er Kanzler der neuen Universität, Generalmajor der Miliz und ein stellvertretender Ratgeber in der Ersten Präsidentschaft.42 Joseph und weitere Führer der Kirche waren voller Vertrauen, dass er die Stadt führen und ihr zu Größe verhelfen konnte.
John bekam immer mehr Befugnisse und Aufgaben übertragen und Emma konnte nicht bestreiten, dass er den Heiligen ungemein geholfen hatte. Doch teilte sie nicht die Begeisterung der anderen Heiligen für ihn. Sie fand, dass John wie ein hochmütiger General durch den Ort stolzierte, und wenn er gerade nicht versuchte, Joseph zu beeindrucken, schien er selbstsüchtig und rücksichtslos zu sein.
Trotz all seiner Begabungen und seinem Nutzen für die Heiligen machte etwas an John Bennett ihr Sorgen.43