Im Leid verbunden
Meine Mutter hat viele Jahre lang tapfer mit gesundheitlichen Problemen gekämpft. Am schlimmsten waren die häufig auftretenden Migräneanfälle. Auch wenn diese Schmerzen immer wieder zu einem wunderbaren Priestertumssegen führten und die Einigkeit in unserer Familie festigten, mussten wir beim Warten auf die verheißene Heilung doch viel Glauben, Geduld und Langmut aufbringen.
Meine Einstellung zu den gesundheitlichen Problemen meiner Mutter änderte sich, als ich von meiner Mission zurückkehrte, die mich nach Panama geführt hatte. Damals hatte mein 17-jähriger Bruder nämlich auch mit schweren Migräneanfällen zu kämpfen, die ihn sehr schwächten.
Eines späten Abends hörte ich, wie er vor Schmerzen weinte. Ich ging auf die Tür seines verdunkelten Zimmers zu. Doch da hörte ich die sanfte Stimme meiner Mutter aus dem Zimmer dringen und trat zurück. Sie redete beruhigend auf ihn ein, damit er aufhörte, vor Angst und Schmerzen zu weinen. Ich stand draußen vor der Tür und hörte seine schmerzverzerrte Stimme, die von einem Leiden zeugte, das ich überhaupt nicht nachvollziehen konnte. „Mama“, fragte er, „muss ich sterben?“
Ich ging langsam zurück. Seine Frage schnitt mir ins Herz. Doch dann hörte ich, wie meine Mutter, die genau wusste, was er durchmachte, mit ihm weinte und ihm sagte, dass alles wieder gut werden würde.
Dieses Erlebnis berührte mich sehr, aber wie groß seine Bedeutung wirklich wahr, begriff ich erst mehrere Jahre später, als ich eine Lektion über das Sühnopfer vorbereitete. Als ich darüber nachdachte, dass der Erretter stellvertretend für uns gelitten hatte, dachte ich daran, wie liebevoll sich meine Mutter um meinen Bruder gekümmert hatte. Meine Mutter war besser als ich in der Lage, meinen Bruder zu trösten, denn sie hatte durchgemacht, was er gerade durchmachte; sie wusste, was er litt. Verbunden im Schmerz, den sie beide gefühlt hatten, stand sie ihm während dieser Prüfung bei.
Gleichermaßen ist der Erretter, den wir lieben, hinabgefahren unter alles und versteht die Prüfungen, die wir durchmachen, auf vollkommene Weise (siehe LuB 122:8). Er hat nicht nur für unsere Sünden gelitten, sondern auch „die Schmerzen und Krankheiten seines Volkes“ (Alma 7:11) auf sich genommen. Seines vollkommenen Sühnopfers wegen kennt er jede Krankheit, jede Bedrängnis und jede Prüfung, die wir durchmachen. Und wozu das alles? „Auf dass sein Inneres von Barmherzigkeit erfüllt sei gemäß dem Fleische, damit er gemäß dem Fleische wisse, wie er seinem Volk beistehen könne gemäß dessen Schwächen.“ (Alma 7:12.)
Durch die Beobachtung meiner Mutter und das Nachdenken über das Sühnopfer habe ich einen wichtigen Grundsatz gelernt: Kummer und Schmerzen können uns lehren, anderen Menschen voller Mitgefühl und Liebe beizustehen. Meine Mutter hat an jenem Abend gezeigt, was Mitgefühl ist. Dadurch habe ich das Leid besser schätzen gelernt, das der Erretter für uns erlitten hat. Und wenn ich selbst Prüfungen zu bestehen habe, spüre ich, dass sein Geist immer mit mir ist, „gemäß [meinen] Schwächen“ – so wie meine Mutter meinen Bruder getröstet hat.
Adam C. Olson gehört zur Gemeinde Bountiful 45, Pfahl Bountiful, Utah-Ost.