Ich habe eine Frage
Wie kann ich auf meinen weniger aktiven Bruder zugehen, der sich vom Rest der Familie absondert?
Die Antworten sollen helfen und einen tieferen Einblick vermitteln, sind aber nicht als Darlegung der Lehre der Kirche gedacht.
Die Antwort Des Liahona
Hinter dieser Frage steht ein ganz grundlegendes Thema, nämlich die Entscheidungsfreiheit. Wenn sich jemand, den wir lieben, vom Evangelium und von der Familie entfernt, machen wir uns manchmal solche Sorgen, dass wir den Betreffenden vielleicht drängen oder sogar zwingen wollen, zurückzukommen. Doch das ist nicht nur unmöglich, sondern steht auch im Widerspruch zum Plan des Herrn.
Wenn wir versuchen, jemanden zu zwingen, auf den Pfad des Evangeliums zurückzukehren, bedienen wir uns genau derselben Methode, wie Luzifer sie in der vorirdischen Welt vorgeschlagen hat, um „die ganze Menschheit [zu] erlösen, dass auch nicht eine Seele verloren gehe“ (Mose 4:1). Entscheidungsfreiheit mag in unseren Augen ein schwieriger Grundsatz sein, weil sie schlechte Entscheidungen und Kummer und Leid zulässt. Doch mit erzwungenem Gehorsam kann man keinen gottähnlichen Charakter aufbauen. Nur aus freien Stücken geübter Gehorsam kann zum ewigen Leben führen.
Wenn wir auch einsehen, dass Entscheidungsfreiheit notwendig ist, heißt das aber noch lange nicht, dass wir nichts tun können, um einen in die Irre gegangenen Bruder oder eine Schwester zur Rückkehr zu bewegen. Aus dem Gleichnis vom verlorenen Schaf, dem Gleichnis von der verlorenen Drachme und dem Gleichnis vom verlorenen Sohn geht hervor, dass wir sogar sehr viel tun können (siehe Lukas 15). Vor allem müssen wir dem, der vom Weg abgeirrt ist, immer Liebe entgegenbringen. Wir müssen ihn so sehr lieben, dass wir ihm selbstlos dienen und ihm auch dann noch die Hand entgegenstrecken, wenn er sich von uns zurückzieht. Selbstlose, freiwillige Taten des Dienens können eine Brücke zwischen der abgeirrten Seele und den übrigen Familienmitgliedern schlagen. Manchmal möchte jemand, der sich vom Evangelium abgewandt hatte, so wie der verlorene Sohn wieder zurückkommen, weiß aber nicht genau, wie er das anfangen soll. Wenn du Geduld hast und den Betreffenden nicht verurteilst, kann deine Liebe die Brücke sein.
Hab keine Angst, Zeugnis zu geben, aber dein Zeugnis darf nicht herablassend oder anklagend sein. Sei empfänglich für den Geist. Wo es angebracht ist, kannst du darüber sprechen, was dir das Evangelium, die Kirche und deine Familie bedeuten. Zeig durch dein Verhalten und deine Einstellung, dass es dich glücklich macht, nach dem Evangelium zu leben.
Manchmal jedoch kann es sein, dass dein Bruder bzw. deine Schwester alles ablehnt, was du über das Evangelium sagst. Dann kannst du nichts weiter tun, als dem Betreffenden Liebe entgegenzubringen und ihm deutlich zu machen: Die Entscheidung, nicht zur Kirche zu gehen, ist nicht gleichbedeutend damit, dass jemand nichts mehr mit der Familie zu tun haben will. Sei bestrebt, deinen Bruder bzw. deine Schwester in gemeinsame Unternehmungen einzubinden und ihnen das Gefühl zu vermitteln, sie seien willkommen und wichtig. Denke daran: Dein Bruder bzw. deine Schwester ist ein Kind Gottes und der himmlische Vater tut alles, was er kann, um alle seine Kinder in seine Gegenwart zurückzuführen.
Antworten Unserer Leser
Früher war ich in unserer Familie derjenige, der sich absonderte. Doch mit Dienstbereitschaft, Liebe, Mitgefühl und auf viele andere Weise zeigten mir meine Schwestern, was mir entging. Sag deinem Bruder, dass du ihn liebst und ihn vermisst. Solche Worte aus dem Mund eines Angehörigen können viel bewirken.
Elder Franco B. Ciammachilli, 20 Jahre, Südafrika-Mission Kapstadt
Du kannst niemanden zwingen, zur Kirche zu gehen, aber du kannst für deinen Bruder fasten und beten. Du kannst über das Evangelium sprechen und ihm vor Augen halten, dass er etwas ganz Besonderes ist – ein Kind Gottes. Vielleicht hilft es ihm auch, wenn du ihm Zeugnis gibst. Das alles kannst du tun. Doch letztlich muss er selbst entscheiden, was er tun will.
Madeleine Wahle, 13 Jahre, Gemeinde Dortmund, Pfahl Dortmund
Vielleicht weiß dein Bruder nicht so recht, wer er sein möchte, und ist seiner Meinung nach zufrieden mit dem, was er jetzt tut. Dabei ist er in Wirklichkeit vielleicht auf der Suche. Du kannst nichts Besseres tun, als eifrig zu beten und in der heiligen Schrift nach Antworten zu suchen. Zeig ihm dann, wie viel dir an ihm liegt. Bemühe dich, Zeit mit ihm zu verbringen. Tu etwas Gutes für ihn. Und gib nie auf, selbst wenn er deine Freundlichkeit abwehrt. Der Herr wird dich für deinen Eifer segnen.
Stephanie O’Brien, 18 Jahre, Gemeinde Wichita Falls, Pfahl Lawton, Oklahoma
Am besten hilft man jemandem wie deinem Bruder, der sich nicht selbst hilft, indem man für ihn fastet und betet. Für jemanden, der nicht in den Schriften liest, ist dein Beispiel die beste heilige Schrift. Bitte die Führer der Kirche sowie Freunde, denen dein Bruder am Herzen liegt, um Hilfe. Manchmal kann ein Außenstehender etwas bemerken, was du deiner Schwierigkeiten wegen selbst gar nicht sehen kannst.
Guerta Zwirtes, 20 Jahre, Gemeinde Vitória, Pfahl Vitória, Brasilien
Plane möglichst gemeinsame Unternehmungen mit der Familie, die deinem Bruder Freude machen könnten. Nutze jede Gelegenheit, um ihm zu zeigen, wie sehr du ihn liebst. Bete um Führung und bitte den himmlischen Vater, deinem Bruder das Herz zu erweichen.
Bill Younkin, 17 Jahre, Gemeinde Huntington Beach 9, Pfahl Huntington Beach Nord, Kalifornien
Du kannst deinem Bruder sagen, wie es für dich ist, wenn er sich von der Familie zurückzieht. Du kannst auch versuchen, mit ihm über vertraute Themen zu sprechen. Wenn du darauf achtest, dass ihr immer miteinander reden könnt, und du ihm das Gefühl gibst, dass er geliebt wird und willkommen ist, wendet er sich vielleicht wieder der Familie und der Kirche zu.
Christine Whatcott, 15 Jahre, Gemeinde Salem 4, Pfahl Salem, Utah
Ich hatte mich mehr als sechs Jahre von meiner Familie zurückgezogen, weil ich meine Freunde interessanter fand und der Besuch der Kirche nicht in meine Pläne passte. Doch schließlich sprachen die Missionare mit mir über Ziele, die ich mir setzen konnte, und erklärten mir, wie ich meiner Familie näher kommen konnte. Vor allem aber sprachen sie mit mir über Gott. Sie machten mir bewusst, dass ich in Gottes Augen sehr wichtig bin.
Schwester Samantha Seiko,
23 Jahre, Fidschi-Mission Suva
Plane Unternehmungen, die das Interesse deines Bruders wecken, und lade ihn zum Mitmachen ein. Mache ihn mit Mitgliedern in seinem Alter bekannt. Wenn er anfängt, sich in der Familie und der Kirche wohl zu fühlen, kannst du ihm sagen, wie schön du es findest, Mitglied zu sein, und wie gesegnet du bist.
Pamela Kay M. Gica, 18 Jahre, Gemeinde Pateros 2, Pfahl Pasig, Philippinen
Mein Bruder hat sich von uns abgesondert. Ehe ich daranging, seine Freundschaft zu gewinnen, betete ich um Hilfe bei diesem großen Unterfangen. Dann bastelte ich ihm ein Geschenk und schrieb ihm in einem Brief, wie sehr ich ihn liebe und wie sehr Jesus Christus ihn liebt.
Oscar L. Mackay López, 16 Jahre, Zweig Las Colinas, Pfahl San Isidro, Panama
Ich würde dir raten, zuallererst um Führung zu beten. Außerdem rate ich dir, eine engere Beziehung zu deinem Bruder aufzubauen und dir sein Vertrauen zu verdienen. Vielleicht erzählt er dir dann, warum er nicht zur Kirche geht. Dann kannst du ihm helfen.
David C. Vallejo, 16 Jahre, Gemeinde Choloma, Pfahl Fesitranh, Honduras
Ich weiß, wie es ist, wenn sich jemand aus der Familie absondert und nicht mehr zur Kirche geht. Hier kann man nur mit reiner Liebe reagieren – so, wie Christus uns alle liebt. Du kannst ihm die Hand entgegenstrecken, indem du ihm Zeugnis gibst und ihm sagst, dass du ihn liebst. Bete für deine Angehörigen und auch für dich, damit ihr die Kraft habt, zu lieben und zu vergeben.
Alyssa Hansen, 17 Jahre, Gemeinde Ridgefield, Pfahl Vancouver West, Washington
Ein Werkzeug In Seiner Hand
Jeder von uns hat Verwandte oder Freunde, die das Evangelium brauchen, die zur Zeit aber nicht daran interessiert sind. Um Erfolg zu haben, müssen wir uns vom Herrn führen lassen, so dass wir zur richtigen Zeit das Richtige sagen – dann nämlich, wenn der andere besonders empfänglich dafür ist. Wir müssen um Hilfe und Führung vom Herrn bitten, damit wir ein Werkzeug in seiner Hand sein können für den, der jetzt bereit ist – für den, von dem der Herr will, dass wir ihm heute helfen. Und dann müssen wir aufmerksam sein, so dass wir die Eingebungen des Geistes für unsere Vorgehensweise auch hören und befolgen können.
Elder Dallin H. Oaks vom Kollegium der Zwölf Apostel, „Andere am Evangelium teilhaben lassen“, Liahona , Januar 2002, Seite 8.