2004
Er kennt unser Leid
Juni 2004


Grundsätze aus dem Buch Mormon

Er kennt unser Leid

Alma hat eindringlich Zeugnis gegeben, dass der Erretter sich in unsere Nöte hineinversetzen kann und an ihnen Anteil nimmt.

Als ich noch nicht lange bei der Kirche war, sagte jemand: „Man kann das Buch Alma nicht lesen, ohne dabei zu erfahren, dass das Buch Mormon wahr ist.“ Das weckte meine Neugier und ich überlegte mir: Wer war Alma? Wann hat er gelebt? Was hat er gelehrt?

Alma, der nach seinem Vater, der auch ein Prophet war, benannt wurde, lehnte sich in seiner Jugend auf. Nachdem Gott ihn jedoch zur Umkehr gerufen hatte (siehe Mosia 27:8-32), änderte er seinen Lebenswandel und bewirkte viel Gutes. Seine Bekehrung und sein unablässiger Eifer im Dienst des Herrn bereiteten ihn darauf vor, schließlich die Kirche der damaligen Zeit zu führen. Er war auch der oberste Richter des Volkes. Von diesem Amt trat er allerdings zurück, als er erkannte, dass er die Menschen nur auf den rechten Weg zurückbringen konnte, wenn er sie das Evangelium lehrte und ein reines und lebendiges Zeugnis von Jesus Christus gab (siehe Alma 4:16-20).

Almas machtvolles Zeugnis vom Erretter ist teilweise in Alma 7:10-13 wiedergegeben. Zunächst sagt er voraus, dass der Erretter als der Sohn Gottes auf wundersame Weise im Fleisch geboren wird und dass Jesus in Erfüllung einer Prophezeiung (Vers 11) auch „Schmerzen und Bedrängnisse und Versuchungen jeder Art leiden“ wird. Zweitens sollte der Herr den physischen Tod auf sich nehmen, „auf dass er die Bande des Todes löse, die sein Volk binden“ (Vers 12). Drittens sollte der Erretter die Sünden seines Volkes auf sich nehmen, „damit er ihre Übertretungen auslöschen kann gemäß der Macht seiner Befreiung“ (Vers 13).

Er versteht unsere Prüfungen und unser Leid

Alma gab dieses prophetische Zeugnis vom Leben des Herrn, von seinem Sühnopfer und seiner Auferstehung – das er mit einem prophetischen Segen siegelte (siehe Alma 7:25,26) – etwa 83 Jahre vor der Geburt des Erretters. Im Mittelpunkt von Almas Botschaft steht, dass Christus durch sein Leiden und seinen Tod im Fleisch mit Barmherzigkeit erfüllt wird, „damit er gemäß dem Fleische wisse, wie er seinem Volk beistehen könne“ (Alma 7:12). Der Erretter hat so viel durchstehen müssen, dass er alle unsere Probleme und Anfechtungen bis ins kleinste Detail kennt. Man hat ihn missverstanden und misshandelt, er litt körperlich und geistig (siehe Mosia 3:7; LuB 19:18,19), und der Widersacher versuchte ihn, seine Mission aufzugeben (siehe Matthäus 4:15). Gleichwohl blieb er frei von Schuld und Sünde (siehe Hebräer 4:15).

Der Herr kennt unsere Bedrängnisse also ganz genau; er kann sie nachvollziehen und sich mit vollkommenem Einfühlungsvermögen in jede schwierige Lage hineinversetzen, in die wir geraten.

Durch den Propheten Joseph Smith verheißt der Herr: „Dein Ungemach und deine Bedrängnisse werden nur einen kleinen Augenblick dauern, und dann, wenn du gut darin ausharrst, wird Gott dich in der Höhe erhöhen.“ (LuB 121:7,8.) Er sagt weiter: „Dies alles [wird] dir Erfahrung bringen und dir zum Guten dienen. Des Menschen Sohn ist unter das alles hinabgefahren. Bist du größer als er? Darum halte an deinem Weg fest, … denn Gott wird mit dir sein für immer und immer.“ (LuB 122:7-9.)

Wenn wir uns dem Herrn nahen, lehrt und berät er uns voller Liebe und ist auch in unseren Bedrängnissen für uns da.

Er steht uns in unseren Bedrängnissen bei

Der Erretter kann unser Bitten um Hilfe auf mannigfaltige Weise erhören. Unter anderem kann er (a) uns unsere Last nehmen oder leicht machen, (b) uns mehr Kraft geben, sodass wir die Last tragen können, (c) zulassen, dass die Last zunimmt, damit wir die nötige Erfahrung machen, und (d) uns seine Hilfe eine Weile vorenthalten, damit er unseren Glauben erproben und stärken und uns etwas beibringen kann.

In den heiligen Schriften gibt es zahllose Beispiele, wie der Herr seinem Volk die Last von den Schultern genommen hat (siehe beispielsweise Alma 36:16-23; 3 Nephi 17:7). Darüber hinaus haben die Anhänger des Erretters zu jeder Zeit in unzähligen Erlebnissen erfahren, wie er die folgende Verheißung erfüllt: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen.“ (Matthäus 11:28.)

Manchmal wird die Last nicht von uns genommen, sondern wir bekommen die Kraft, sie zu tragen. Dies wird auch in der Geschichte von Limhi und seinem Volk deutlich. Die Lamaniten „[legten] ihnen schwere Lasten auf den Rücken“ und unterdrückten sie (siehe Mosia 21:3). Das Volk Limhi demütigte sich und betete zu Gott, „er möge sie aus ihren Bedrängnissen befreien“ (Vers 14). Der Vater im Himmel hörte „ihre Schreie und fing an, den Lamaniten das Herz zu erweichen, sodass sie anfingen, ihre Lasten leichter zu machen; doch hielt der Herr es nicht für richtig, sie aus der Knechtschaft zu befreien “ (Vers 15; Hervorhebung hinzugefügt). Einige Kapitel weiter im Buch Mosia wird einer anderen Gruppe ähnlich geholfen: „Die Lasten, die Alma und seinen Brüdern aufgelegt waren, wurden leicht gemacht; ja, der Herr stärkte sie, sodass sie ihre Lasten mühelos tragen konnten, und sie unterwarfen sich frohgemut und mit Geduld in allem dem Willen des Herrn.“ (Mosia 24:15.) Oft helfen uns unsere Brüder und Schwestern im Evangelium mit ihren Talenten, ihrem Rat, ihren Mitteln, ihrer Zeit, ihrer Anteilnahme oder durch den Priestertumssegen, unsere Last zu tragen, „damit sie leicht sei“ (Mosia 18:8).

Manchmal werden uns sogar noch mehr Lasten auferlegt, damit wir die Erfahrungen sammeln können, die wir brauchen. Ich kann mich noch an die Zeit erinnern, als ich Bischof war und mehrere Mitglieder der Gemeinde mit ernsten Problemen zu kämpfen hatten. Die Verantwortung lastete schwer auf meinen Schultern. Eines Abends schüttete ich dem Herrn mein Herz aus und flehte ihn an, mir die Bürde, die so schwer zu tragen war, von den Schultern zu nehmen.

Es war ein besonderes Gebet. Er vernahm und erhörte es. Ein paar Wochen später wurde ich als Bischof entlassen und zum Präsidenten eines großen Pfahles berufen.

Elder Helio da Rocha Camargo, ein ehemaliges Mitglied der Siebziger, erzählte einmal von einem Gemeindesekretär, der aufrichtig darum betete, dass er erfahren möge, was für seine Berufung notwendig sei. Damals wurden noch alle Statistiken und Finanzberichte ohne Computer von Hand geführt. In jenem Monat schienen alle möglichen Katastrophen über diesen Gemeindesekretär hereinzubrechen: Die Kontoauszüge ließen sich nicht abgleichen, die Berichte wiesen falsche Datumsangaben auf und so weiter. Diese Schwierigkeiten verursachten zusätzliche Arbeit, die ihn überforderte. Er wandte sich im Gebet an den himmlischen Vater und sagte: „Vater, ich habe dich gebeten, mir zu helfen, ein guter Sekretär zu werden, und dann habe ich alle möglichen Probleme mit den Berichten bekommen.“ Es dauerte nicht lang, bis ihm die Antwort offenbar wurde: „Und? Habe ich dir etwa nicht geholfen?“

Zweifellos lernen wir mehr und entwickeln wir uns mehr, wenn wir vom Herrn durch Probleme, Schwierigkeiten und Chancen (siehe 1 Nephi 1:1), wie beispielsweise Berufungen in der Kirche, geführt werden.

Präsident John Taylor (1808–1888) hat gesagt, dass wir uns von Bedrängnissen nicht niederdrücken lassen sollen, sondern uns vielmehr über Schwierigkeiten freuen sollen, weil wir diese Erfahrungen brauchen, um uns in der Gegenwart Gottes jederzeit wohl zu fühlen.1

Unser lebender Prophet, Präsident Gordon B. Hinckley, hat gesagt, dass es trotz des Ungemachs, das viele auf die eine oder andere Weise über sich ergehen lassen müssen, „unsere Pflicht ist, im Glauben zu wandeln und uns über die Übel und die Herausforderungen der Welt zu erheben“2.

Er lässt uns nicht im Stich

Es ist vielleicht zu unserem Nutzen und liegt in der Absicht des Herrn, wenn er uns nicht dann von unseren Bedrängnissen befreit, wenn wir es wollen – auch wenn wir es im Moment nicht unbedingt einsehen. So kann unser Glaube erprobt werden, ja, wir können sogar etwas lernen. Gottes Trost, sein Beistand, die Befreiung erfolgt vielleicht erst später. So lesen wir in der heiligen Schrift, dass der Erretter absichtlich zögerte, sich nach Betanien zu begeben, um Lazarus beizustehen (siehe Johannes 11:4,6,21-44).

Ein weiteres Beispiel für eine späte Befreiung ist, dass der Herr am See von Galiläa dem Sturm nicht sofort Einhalt gebot. Selbst, als das Boot von den Sturmböen und Wellen umhergeworfen wurde und die Jünger glaubten, sie würden ihr Leben verlieren, erhob sich der Meister nicht aus seinem Schlaf (siehe Matthäus 8:23-26). Doch dann gebrauchte er majestätisch seine göttliche Macht, um den Elementen zu gebieten, den Sturm zu besänftigen und Ruhe herbeizuführen. Die Jünger „staunten und sagten: Was ist das für ein Mensch, dass ihm sogar die Winde und der See gehorchen?“ (Vers 27.)

Ich bezeuge, dass er uns nicht im Stich lassen wird. Er ist der Messias, der Sohn Gottes, der Schöpfer des Himmels und der Erde. Er, der den Stürmen in unserem Leben Einhalt gebietet, weiß, wie er seinem Volk beistehen kann.

Anmerkungen

  1. Siehe Lehren der Präsidenten der Kirche: John Taylor , Seite 207

  2. Stand a Little Taller, 2001, Seite 164