2005
Wie könnten wir es denn zum Tempel schaffen?
Juli 2005


Wie könnten wir es denn zum Tempel schaffen?

Ich wurde am 5. Dezember 1993 in Minsk getauft. Minsk war damals die einzige Stadt in Weißrussland, in der es einen Zweig der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage gab. Ich ging also in Minsk zur Kirche, wohnte jedoch im 70 km weit entfernten Borissow. Ich war damals siebzehn Jahre alt, und meine Familie war sehr gegen die Kirche eingestellt. Doch gerade wegen all der Prüfungen wurden mein Glaube und mein Zeugnis von der Wahrheit stark. Ich konnte sogar zweimal in den Tempel in Freiberg gehen und dort Taufen für Verstorbene vollziehen. Ungeduldig wartete ich darauf, dass ich selbst das Endowment empfangen konnte.

1996 lernte ich meinen zukünftigen Mann kennen. Igor nahm die Nachricht von der Wiederherstellung freudig auf und ließ sich am 23. Februar 1997 taufen. Am 1. März heirateten wir. Da ich ein starkes Zeugnis von der Tempelarbeit habe, wünschte ich mir nichts sehnlicher, als möglichst bald zum Tempel fahren zu können.

Im September 1997 zogen wir nach St. Petersburg in Russland, wo Igor studierte. Dort kam auch unsere Tochter Nelly zur Welt. Inzwischen war ein Jahr seit unserer Hochzeit vergangen und Igor war auch schon ein Jahr Mitglied der Kirche, doch noch immer konnten wir nicht zum Tempel fahren, weil wir kein Visum hatten und keine Ausreisepapiere bekommen konnten.

Als Nelly sechs Monate alt war, wurde ich wieder schwanger. Unsere Lage schien mir aussichtslos. Igor konnte keine dauerhafte Arbeit annehmen, weil er keine russische Arbeitserlaubnis hatte. Er hatte drei kleine Jobs auf einmal, doch das Geld reichte nicht zum Leben. Igors Eltern unterstützten uns und schickten hin und wieder Geld und Lebensmittel, doch ich war wegen unserer finanziellen Lage völlig verzweifelt. Sogar noch schlimmer war für mich, dass wir nicht zum Tempel fahren konnten. Nachdem im August 1998 der Wechselkurs stark anstieg, beschlossen wir, nach Weißrussland zurückzukehren.

Am 6. Januar 1999 kam unsere zweite Tochter, Elena, in Minsk zur Welt. Igor hatte nun eine feste Anstellung, doch wir hatten noch immer nicht genug Geld für die Fahrt zum Tempel. Nach und nach sparten wir jedoch genug Geld und konnten Ende August 2000 mit den Kindern nach Deutschland fahren. Igor hat Verwandte in Kaiserslautern, und dort konnten wir bleiben.

Am frühen Morgen des 2. September machten wir uns auf den Weg zum Tempel bei Frankfurt. Die Fahrt war mühsam, wir mussten zweimal umsteigen, doch wir waren erfüllt von Vorfreude und Begeisterung. Wir sind den Tempelarbeitern dankbar, ebenso auch dem Tempelpräsidenten und den Schwestern, die während der Endowment-Session auf unsere Töchter aufpassten. Das war ein unvergesslicher Tag! Es ist schwer in Worte zu fassen, was wir damals empfanden, aber es war sehr schön.

Nach dem Endowment gingen wir in den Siegelungsraum. Elena weinte, denn es war Zeit für ihren Mittagsschlaf. Ich verstand kaum ein Wort der Siegelungszeremonie, weil Elena so laut weinte, aber wir waren trotzdem glücklich. Dies war die schönste Reise unseres Lebens, denn wir waren im Haus des Herrn.

Wir haben sogar eine weitere Fahrt zum Tempel geschafft. Im Februar 2001 fuhr eine Gruppe aus Minsk nach Freiberg. Ich wollte an einer Siegelungssession für Verstorbene teilnehmen, weil ich ja von unserer eigenen Siegelung so wenig mitbekommen hatte, und ich war sehr froh, dass Igor und ich die Gelegenheit dazu hatten.

Wir haben jetzt auch einen Sohn, Robert, und besuchen den Zweig Minsk 2 (oder, wie er in Weißrussland heißt, die zweite religiöse Gemeinschaft der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage in Minsk). Wir haben schon etliche Schwierigkeiten überwunden, doch jetzt stehen wir vor neuen Herausforderungen. Ich bin dankbar für alle diese Prüfungen. Ganz gleich, was uns auf der Reise durchs Leben widerfährt – der himmlische Vater möchte für uns nur das Beste. Es gibt sonst keinen, der uns in unseren schwersten Stunden so zur Seite stehen kann. Wenn wir uns von ihm abwenden, weil wir gerade etwas Schweres durchmachen, wäre das so, als würden wir den Rettungsring wegwerfen, weil er uns nicht davor bewahrt hat, in den Fluss zu fallen.

Die Last ist leicht und das Joch drückt nicht, wenn wir den Weg mit dem Herrn gehen. Er erlegt uns nicht mehr auf, als was wir zu ertragen vermögen.

Marina Timofejewa gehört zum Zweig Minsk 2 in der Russland-Mission Moskau Süd.