2005
Mein Star
Oktober 2005


Mein Star

„Der Geist spricht die Wahrheit und lügt nicht. Darum spricht er von Dingen, wie sie wirklich sind.“ (Jakob 4:13.)

Nach einer wahren Begebenheit

„Komm nach der Schule zu mir“, sagte Caroline. „Ich habe die neue CD von Alexa.“ (Name der Interpretin geändert.)

Ich war begeistert. „OK!“ Großmutter wollte zwar ohnehin mit mir einkaufen gehen, weil ich ja am Samstag Geburtstag hatte, aber so lange konnte ich nicht warten. Ich musste mir die neue CD unbedingt gleich heute anhören.

Alexa war nämlich mein Star. Caroline und ich taten so, als ob wir sie wären: Wir hielten unsere Haarbürsten wie Mikrophone vor uns und sangen ihre Lieder mit. Manchmal sagte uns meine Mutter, wir sollten ein bisschen leiser singen, aber eigentlich störte sie unser Gesang nicht sonderlich, denn die Liedtexte von Alexa waren allesamt in Ordnung. Alexa war religiös – das hatte ich einer Zeitschrift gelesen.

Nach der Schule lief ich rasch heim, ging in mein Zimmer und machte Hausaufgaben. Von dem Poster über meinem Schreibtisch lächelte Alexa auf mich herab.

Dann lief ich gleich über die Straße zu Caroline, und sie reichte mir die Hülle der CD und fragte aufgeregt: „Ist sie nicht furchtbar hübsch?“

Ich nickte, aber irgendwie hatte ich ein flaues Gefühl im Magen. Auf diesem Bild lächelte Alexa nicht, es sah eher so aus, als grinse sie höhnisch. Und ich hatte sie auch noch nie so angezogen gesehen wie auf dem Bild hier.

„Meinst du nicht, dass das Kleid ein bisschen unschicklich ist?“, fragte ich.

Caroline runzelte die Stirn. „Ja, schon, aber vielleicht spielt das in ihrer Kirche keine so große Rolle. Wahrscheinlich weiß sie es nicht besser. Aber jetzt hör dir das mal an – das ist mein neues Lieblingslied.“ Sie drückte auf „Play“, und ich überflog rasch den Liedtext, der auf dem Cover abgedruckt war. Ich war erleichtert: Keine unanständigen Ausdrücke.

„Siehst du? Die CD ist in Ordnung“, sagte ich mir. Das unangenehme Gefühl begleitete mich jedoch den ganzen Abend.

****

Am Samstagvormittag schaute ich mir im Fernsehen einen Zeichentrickfilm an, während ich auf meine Großmutter wartete, die mich zum Einkaufen abholen wollte. Während einer Werbesendung sagten sie an, dass am Ende der Sendung das neue Musikvideo von Alexa gezeigt werden würde.

Mutter kam ins Wohnzimmer, als gerade die Musik begann. „Was siehst du dir denn gerade an?“, fragte sie mit einem Lächeln und setzte sich zu mir.

„Das neue Video von Alexa.“ Ich versuchte, meiner Stimme einen ungezwungenen Klang zu geben.

Mamas Lächeln verschwand, als sie Alexa auf dem Bildschirm tanzen sah. Sie sah mich mit gerunzelter Stirn an.

Ich wand mich. „Bloß weil sie so ein komisches Kleid trägt, ist das Lied doch noch lange nicht schlecht.“

„Bist du dir da sicher?“

Ich wünschte, das Video wäre bald vorbei, aber es ging immer weiter. Schließlich schaltete ich den Fernseher aus. Meine Mutter beobachtete mich schweigend.

„Ich habe den Text gelesen“, murmelte ich. „Sie benutzt keine unanständigen Ausdrücke.“

Meine Mutter zeigte auf den nun dunklen Bildschirm. „Aber sie vermittelt trotzdem etwas. Es müssen nicht immer Schimpfwörter sein, die den Geist vertreiben.“

Irgendwie spürte ich, dass meine Mutter Recht hatte. Vielleicht begriff ich nicht, was Alexa ausdrücken wollte, aber der Heilige Geist wusste es – und sein Einfluss war gewichen.

Ich schleppte mich mühsam in mein Zimmer und starrte auf das Poster mit der lächelnden Alexa, aber ich lächelte ihr nicht zu. Warum hatte sich mein Star bloß verändert?

Dann hörte ich das Hupen vor dem Haus, und so schluckte ich meinen aufkeimenden Schmerz hinunter und lief hinaus.

„Hallo, Geburtstagskind!“, rief meine Großmutter, als ich zu ihr ins Auto stieg. „Wo fahren wir hin?“

Die ganze Woche war ich mir meiner Sache ganz sicher gewesen, aber jetzt nicht mehr. „Lass mich kurz nachdenken!“

Ich dachte an das, was Caroline über Alexa gesagt hatte: „Wahrscheinlich weiß sie es nicht besser.“ Das hatte wie eine gute Ausrede geklungen, aber jetzt merkte ich, weshalb es keine war – ich wusste es nämlich besser!

Das düstere Gefühl verschwand, und etwas Wichtiges wurde mir klar: Ich war eine Tochter Gottes und brauchte keinen Star. Weshalb sollte ich zu einer Frau aufblicken, die noch nicht einmal wusste, wer sie war? „Ich sollte eigentlich Alexas Star sein“, dachte ich schmunzelnd. Meine Großmutter schaute mich fragend an.

„Können wir zu einem Kleidergeschäft fahren?“, fragte ich. „Mein blaues Sonntagskleid ist mir schon fast zu klein.“

„Was für eine gute Idee. Blau steht dir sehr gut.“

Ich lächelte. Ich war hübsch, besonders wenn ich den Geist ausstrahlte – hübscher als all die berühmten Popstars!

„Die Entscheidungen, die ihr jetzt trefft, haben große Auswirkungen auf den Verlauf eures Lebens hier und in der Ewigkeit.“

Die Erste Präsidentschaft, Für eine starke Jugend, Seite 2

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