Nicaragua: Hunger nach der „köstlichen Frucht“
Die Mitglieder und Missionare in Nicaragua geben die „köstliche Frucht“ des Evangeliums weiter und helfen so ihren Angehörigen und Freunden, Frieden zu finden.
Ich glaube, dass Nicaraguas Zeit angebrochen ist“, sagt Larry Zúniga aus der Gemeinde San Miguel im Pfahl Masaya in Nicaragua. Er spricht vom Wachstum der Kirche, das die Zahl der Pfähle in seinem Land innerhalb eines einzigen Jahres von zwei auf sieben erhöht hat.
Wenn Bruder Zúniga Recht hat, ist der Beginn dieser schönen Zeit in der Geschichte der Kirche in Nicaragua mindestens zwei Faktoren zu verdanken: dem Einfluss des Heiligen Geistes auf diejenigen, die nach der Wahrheit suchen, und dem Einfluss der Anleitung Verkündet mein Evangelium!, die den Mitgliedern dabei hilft, über das Evangelium zu sprechen. Die Priestertumsführer sagen, dass sie beide Faktoren bei Menschen am Werk sehen.
Bischof Luís Castrillo aus der Gemeinde Ciudad Sandino im Pfahl Managua erklärt, dass viele Menschen in Nicaragua nach Antworten auf die Fragen des Lebens suchen und diese Antworten in den Lehren der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage finden. Er vergleicht ihren Gemütszustand damit, wie es ist, wenn man an einem heißen Tag großen Durst hat, aber nirgendwo etwas zu trinken bekommt. Wenn sie endlich herausfinden, wie sie ihren Durst stillen können, trinken sie in großen Zügen und dankbar von dem Wasser, das das Evangelium Jesu Christi zu bieten hat.
Elder Spencer V. Jones von den Siebzigern, Präsident des Gebiets Mittelamerika, nennt mit dem Gesamtbild der Geschehnisse in Nicaragua im Blick drei Gründe für das dortige Wachstum der Kirche. Erstens scheinen die Nicaraguaner „geistigen Hunger“ zu verspüren. Nachdem ihr Land lange unter einem Bürgerkrieg zu leiden hatte, „sind die Menschen auf der Suche nach Frieden in ihrem Leben, und das Evangelium verleiht diesen Frieden“. Zweitens „gab es auch eine ganze Reihe von hervorragenden Missionspräsidenten, die eine gute Arbeitsbeziehung zu den örtlichen Führungsbeamten und Mitgliedern entwickelt haben. Im Grunde genommen müssen die Missionare nur selten von Tür zu Tür zu gehen. Dank dieser Beziehung unterweisen sie erstaunlich viele Menschen.“ Drittens, das alles hat bewirkt, „dass die Missionare jetzt daran glauben, dass sie Menschen zur Taufe führen können. Sie haben keine Angst davor, Untersucher aufzufordern, sich auf die Taufe vorzubereiten. Sie haben genügend Vertrauen und Glauben an den Herrn.“
Entschlossen, zu dienen
Bruder Zúniga verkörpert die unter den Heiligen der Letzten Tage vorhandene Bereitschaft, Missionsarbeit zu leisten. „Viele Mitglieder hier wollen helfen“, sagt er. Er war selbst auf Mission, und heute begleitet er die Vollzeitmissionare, sooft er nur kann. Fast alle seine Freunde waren einverstanden, sich das Evangelium zumindest anzuhören.
Larry Zúniga hatte schon als Junge den Wunsch, eine Vollzeitmission zu erfüllen. Sein Vater, ein Schreiner, fertigte für ihn ein Kästchen an, das ihm als Sparbüchse diente. Darin sparte Larry Geld für seine Mission. Als er 18 war, wurde aber seine Mutter schwer krank. Er musste seine Ersparnisse für die Mission opfern und sein Fahrrad verkaufen, um zur Finanzierung der Behandlung beizutragen. Für seine Mutter tat er es jedoch gern. Dank der Hilfe anderer Mitglieder und Verwandter, darunter auch einiger, die nicht der Kirche angehören, wurde er dann aber mit den Mitteln gesegnet, die er brauchte, um auf Mission gehen zu können. Bruder Zúnigas Entschlossenheit, zu missionieren, hat dazu beigetragen, dass sich fünf seiner besten Freunde der Kirche angeschlossen haben. Zwei von ihnen haben ebenfalls eine Mission erfüllt. Er bemüht sich weiterhin auch um andere seiner Freunde.
Paula Merlo aus der Gemeinde Acome im Pfahl Chinandega ist ein weiteres Mitglied, das nie eine Gelegenheit zum Missionieren auslässt. Wenn die Missionare die Mitglieder bitten, ihnen dabei zu helfen, Menschen zu finden, die sie unterweisen können, tut sie es einfach. Wer bei ihr zu Hause vorbeischaut, trifft dort oft auf Missionare, die gerade jemanden unterweisen. Beispielsweise hat sie dafür gesorgt, dass die Missionare an einem Samstag bei ihr zu Hause insgesamt 11 Untersucher in verschiedenen Gruppen unterweisen konnten.
Schwester Merlo hat sich der Kirche vor 14 Jahren angeschlossen, nachdem sie das Evangelium durch ihre Tochter kennen gelernt hatte, die sich taufen lassen hatte. Sie hat eine Tochter in Panama und einen Sohn in Honduras. Wo immer sie in Mittelamerika hinkommt, bemüht sie sich, vom Evangelium zu erzählen. Nicht einmal sie selbst weiß genau, bei wie vielen Menschen sie dazu beigetragen hat, dass sie sich der Kirche angeschlossen haben. Wenn jemand ihre Einladung, die Missionare anzuhören, ablehnt, lädt sie ihn zum Familienabend ein, damit er dort etwas vom Geist des Evangeliums spürt.
Was motiviert sie bei der Missionsarbeit? „Erstens ist es ein Gebot, das der Herr uns gegeben hat. Darüber hinaus ist mir, nachdem ich im Tempel war, klar geworden, dass wir rein gar nichts für den Herrn tun, wenn wir nichts für unsere Toten oder für die Lebenden tun.“
Schwester Merlos Pfahlpräsident, Ernesto Maravilla, führt sie als Beispiel dafür an, was nach seinem Wunsch jedes Mitglied tun sollte. Präsident Maravilla bemüht sich unablässig, den Mitgliedern wie den Missionaren ins Gedächtnis zu rufen, dass ihnen nicht nur geboten ist, das Evangelium weiterzugeben, sondern dass dies auch eine kostbare Gelegenheit ist. Er selbst ist dabei Vorbild – auch er lädt Freunde und Bekannte zu sich zum Familienabend ein, um sie mit dem Evangelium bekannt zu machen.
„Ich habe zwei Aufgaben bei der Missionsarbeit“, sagt er, „einerseits habe ich die Aufsicht und andererseits motiviere ich die Mitglieder, auf der Ebene der Missionare mitzuarbeiten.“
Aufgrund der Bedeutung seines Nachnamens (maravilla heißt auf Spanisch „Wunder“) scherzen seine Freunde, er sei ein Missionswunder. Präsident Maravilla hat Sinn für Humor und kann über diesen Scherz lachen, mit der Missionsarbeit aber meint er es ernst. Er trifft sich regelmäßig mit den Zonenleitern der Mission, um mit ihnen abzustimmen, was im Pfahl in missionarischer Hinsicht geschieht. Er legt den Bischöfen ausdrücklich ans Herz, die Missionsarbeit in ihrer Gemeinde durch den Gemeinderat persönlich zu leiten und nachzuhaken, ob erteilte Aufträge auch ausgeführt wurden. Diese Ratsversammlungen sind „das Herz der Missionsarbeit in der Gemeinde“, sagt der Pfahlpräsident. Wenn die Sitzungen nicht abgehalten werden, kommt Sand ins Getriebe. „Das haben wir in der Praxis gesehen.“
Der Pfahl Chinandega hat im Durchschnitt 45 Taufen pro Monat.
Partner bei der Unterweisung
„Alles beginnt mit der Planungsversammlung, die wir mit den Mitgliedern durchführen“, berichtet Elder William J. Reano aus Waverly im US-Bundesstaat Tennessee, ein Missionar in der Nicaragua-Mission Managua. Elder Reano, der inzwischen seine Mission abgeschlossen hat, und sein Mitarbeiter haben sich jede Woche mit den Mitgliedern in ihrem Arbeitsgebiet in Managua getroffen. Die Mitglieder gaben den Missionaren neue Empfehlungen oder nannten ihnen jemanden, der eine Empfehlung für sie hatte. „Wir haben eine Kette von Empfehlungen geschaffen“, erzählt Elder Reano. „Ich habe gelernt, dass diese Art Planung die Grundlage für erfolgreiche Missionsarbeit bildet.“
Sein Mitarbeiter, Elder Rodrigo León aus Costa Rica, schreibt ihren Erfolg bei der Unterweisung sowohl der Erfahrung seines Mitarbeiters als auch der Anleitung Verkündet mein Evangelium! zu, in der die Lehrmethode dargelegt wird, die die Missionare jetzt anwenden. „Diese Methode ist hundertprozentig effektiv, wenn sie richtig angewandt wird“, sagt Elder León. Erfolg führe zu weiteren Erfolgen, fügt Elder Reano hinzu. Mitglieder, die miterleben, wie sich immer wieder jemand taufen lässt, möchten auch ihren Freunden die Chance geben, das Evangelium kennen zu lernen. Elder León erwähnt, dass viele Mitglieder jede Woche Untersucher mit zur Kirche bringen.
Elder Joshua Kasteler aus Murray in Utah sagt, dass es den Missionaren wichtig sei, den Mitgliedern klar zu machen, dass sie bei der Missionsarbeit gebraucht werden. Er und sein Mitarbeiter, Elder Jonathan Estrada aus Santa Ana in El Salvador, bemühen sich, den Führungsbeamten und den Mitgliedern zu zeigen, dass die Missionare Interesse daran haben, wie es in der Gemeinde läuft. Wenn sich jemand hat taufen lassen, arbeiten sie mit der Gemeinde zusammen, damit sich das neue Mitglied besser eingewöhnen kann und eine Berufung erhält. Das sei sowohl für das neue Mitglied als auch für die Gemeinde wichtig, hebt Elder Estrada hervor, denn jemand, der dient, werde dadurch mit dem Wort Gottes genährt.
Die Begeisterung der Missionare und ihre Zuneigung zu den Menschen, die sie belehren, kommt deutlich bei einer Versammlung der ganzen Mission mit dem Missionspräsidenten, Ricardo Valladares, in Managua zum Ausdruck. Unter den Missionaren herrscht große Freude, während sie geschult werden und Erfolgsberichte hören. Als die Versetzungen bekannt gegeben werden, sagt niemand: „O, Elder, Sie haben ganz schön Pech, dass Sie ausgerechnet dorthin versetzt werden.“ Die Missionare beglückwünschen einander und sprechen von neuen Möglichkeiten.
Die Wirkung eines Zeugnisses
Die Begeisterung der Missionare ist ansteckend.
Victor Vallecillo ist ein Arbeitskollege von Pedro Aviles, dem Präsidenten des Pfahles Managua. Als Victor auf der Suche nach religiöser Wahrheit war, gab Präsident Aviles ihm ein Buch Mormon. Das Evangelium schenkt Bruder Vallecillo so große Freude, dass er es sich seit seiner Taufe im November 2004 zur Gewohnheit gemacht hat, Freunde aufzufordern, sich das Evangelium anzuhören. Oftmals begleitet er auch die Missionare, wenn sie jemanden unterweisen. Auch seine Frau und die zwei Kinder sind eifrige Missionare. Bruder Vallecillo erinnert sich noch, wie sein Sohn im Teenageralter eines Abends eine Karte Nicaraguas betrachtete. Sein Blick fiel auf den Norden des Landes, wo Bruder Vallecillo aufgewachsen ist. „Papa“, sagte sein Sohn und zeigte dabei auf verschiedene Orte auf der Karte, „dort gibt es das Evangelium nicht, dort nicht und dort auch nicht.“ Wie bald, fragte er sich, würde es den Missionaren möglich sein, in diese Orte zu gehen, damit auch andere Menschen an den Segnungen des Evangeliums teilhaben können?
Silvia Zamuria Vanegas aus dem Zweig Granada im Distrikt Granada sagt rückblickend: „Bei meiner Taufe gab ich dem Herrn das Versprechen, dass ich eines Tages andere Leute lehren würde, weil mir das, was ich gefunden habe, so große Freude bringt.“ Im Mai 2005, vier Jahre nach ihrer Taufe, ging sie auf Mission nach Guatemala. Doch schon lange, ehe sie diese Berufung erhielt, stellte sie ihren Freunden das Evangelium vor und arbeitete auch mit den Missionarinnen zusammen. Schwester Zamuria zitiert eine ihrer Lieblingsaussagen, in der diejenigen, die ein Licht anzünden können, aufgefordert werden, den Menschen in ihrer Umgebung Licht zu geben.
Raúl Díaz Hernández aus dem Zweig El Coyolar im Distrikt Leon ist in der Kirche groß geworden und hat sich von Kindesbeinen an auf eine Mission vorbereitet. Er hat mit den Missionaren zusammengearbeitet und beschäftigt sich jetzt mit der Anleitung Verkündet mein Evangelium!. Es sei immer ein Vorzug, jemandem Zeugnis zu geben, sagt er, aber wenn er die Missionare dabei unterstützt, seinen Schwager zu unterweisen, hat er dafür einen persönlichen Grund. Er wünscht sich, dass seine Schwester und ihre Familie die Segnungen des Tempels für sich in Anspruch nehmen können.
Der Einfluss der Mitglieder
José Contreras, Präsident des Pfahls Masaya, schätzt, dass über 75 Prozent der Bekehrtentaufen in seinem Pfahl der Hilfe von Mitgliedern zu verdanken sind, die andere an der Freude teilhaben lassen wollen, die sie selbst am Evangelium haben. Doch ungeachtet des Wachstums in der jüngeren Vergangenheit sagt Präsident Contreras: „Wir müssen mehr tun, um die Missionare zu Leuten zu führen, an die wir bisher vielleicht noch nicht gedacht haben.“ Der Pfahlpräsident und seine Ratgeber helfen den Mitgliedern nicht nur, ihre Fähigkeit, über das Evangelium zu sprechen, zu verbessern, sondern begleiten auch einzelne Mitglieder, wenn diese mit den Missionaren zu einer Unterweisung gehen.
Präsident Contreras behält genau im Auge, wie sich die Anwesenheitszahlen im Pfahl entwickeln, und macht sich Sorgen um die Mitglieder, die momentan keinen Anteil an den Segnungen des Evangeliums haben. Wie erreicht man diese Mitglieder? Er bevorzugt eine ganz einfache Methode: ihnen erneut die einfachen Lehren vor Augen führen, die sie von den Missionaren vermittelt bekommen haben – die reinen Lehren Christi. Wenn ihnen diese Lehren wieder in Erinnerung gerufen werden, so sagt er, verspüren sie den Wunsch nach den verheißenen Segnungen. Wenn man sich bemüht, jemanden zurückzugewinnen, bemüht man sich, ihn zu segnen.
Jeannethe Campos de Espinoza, die ehemalige FHV-Leiterin des Pfahles Managua, bewundert den Einfallsreichtum einer Besuchslehrerin, die dazu beigetragen hat, eine Schwester, die sie besuchte, zu aktivieren. Die Besuchslehrerin bat die Schwester, aus dem Buch Mormon einen geistigen Gedanken vorzubereiten, den sie den Besuchslehrerinnen vortragen konnte. Das half ihr erkennen, was ihr in geistiger Hinsicht fehlte. Mit der gleichen Vorgehensweise wurden auch schon andere aktiviert. Manchmal organisieren die FHV-Führerinnen auch Zusammenkünfte kleiner Gruppen bei weniger aktiven Mitgliedern zu Hause, um ihnen die Segnungen des Evangeliums ins Gedächtnis zu rufen.
Schwester Espinoza, die sich 2001 hat taufen lassen, wünscht sich sehnlich, andere am Evangelium teilhaben zu lassen, „damit sie diese köstliche Frucht probieren können“. Es betrübt sie, so sagt sie, wenn sie mit ansehen muss, wie die Leute auf Pfaden wandeln, die sie vom Glück wegführen.
Die Verkündigung des Evangeliums mit dem Ziel, dass andere auch die „köstliche Frucht“ probieren können, scheint in den meisten Versammlungen der Kirche in Nicaragua zur Sprache zu kommen.
Präsident Aviles vom Pfahl Managua war einer der ersten Pfahlpräsidenten im Land und Augenzeuge des Wachstums der Kirche in den letzten Jahren. Sein Heimatland leidet unter großer Armut, und alteingesessene Traditionen und verschiedene Versuchungen sind sehr dominant. Doch in dem Land stoßen die Gebäude der Kirche aufgrund des hohen Wachstums oftmals an die Grenzen ihrer Kapazität – dank der Missionsarbeit und auch, weil immer mehr Bekehrte der Kirche treu bleiben. Präsident Aviles weiß, welchen Einfluss der Heilige Geist und liebevolle Mitglieder auf andere Menschen nehmen können.
In einer Ansprache bei einer Gemeindekonferenz in Managua spricht auch er darüber, wie man auf andere zugeht und ihnen ermöglicht, die süße Frucht des Evangeliums zu probieren. Mit Glauben, sagt er, können die Mitglieder jede Schwierigkeit überwinden, mit denen der Widersacher ihnen den Weg versperren möchte. „Wir müssen voranschreiten, damit wir vervollkommnet werden können.“
Er fügt hinzu: „Wir müssen mehr Kraft für Rechtschaffenheit aufbringen. Wir wollen dafür gesegnet werden, dass wir Gutes tun.“ Mögen die Heiligen in Einigkeit zusammenwachsen, bittet er inständig, möge Einigkeit unsere Stärke sein. Auf diese Weise kann das geistige Wachstum in Nicaragua weitergehen.
Die Kiche in Nicaragua
Bevölkerung des Landes: etwa 5 500 000
im Raum Managua: etwa 1 400 000
Mitglieder in Nicaragua: über 52 000
Pfähle: 7
Distrikte: 5
Gemeinden: 44
Zweige: 41